Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Juni 2010 - A 10 K 3473/09

bei uns veröffentlicht am09.06.2010

Tenor

1. Das Verfahren wird insoweit eingestellt, als der Kläger den Antrag auf Verpflichtung der Beklagten zu seiner Anerkennung als Asylberechtigter zurückgenommen hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

 
Der Kläger, der nach seinen Angaben am … 1981 geboren, irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit und Yezide ist, beantragte am 20.08.2009 seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger wurde am 29.09.2009 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Sprache Kurdisch Kurmanci angehört, wobei er einen 1997 ausgestellten Personalausweis und eine Staatsangehörigkeitsurkunde übergab. Er gab dabei im Wesentlichen an: Von seiner Geburt bis zur Ausreise habe er im Dorf Mahate im Kreis Sheikhan gewohnt. Er habe sechs Jahre die Schule besucht, aber keinen Beruf erlernt. Sein Vater habe in der Landwirtschaft gearbeitet, dabei habe er ab und zu geholfen. Wehrdienst habe er nicht geleistet. Am 27.07.2009 habe er seine Heimat verlassen. Auf dem Landweg sei er über die Türkei mit einem kleinen Bus und später mit einem Lkw durch unbekannte Länder gefahren und nach etwa sieben Tagen am 10.08.2009 morgens um 5.00 Uhr in Deutschland ausgestiegen. Sein Vater habe seine Ausreise aus dem Irak organisiert und dafür ungefähr 12.000 US-Dollar bezahlt. Im Irak würden die Yeziden wie in einem Gefängnis leben. Sie hätten z.B. nicht nach Mosul gehen können. Ihre wirtschaftliche Situation sei zwar sehr gut gewesen, aber sie hätten nicht gewusst, was sie mit ihrem Geld hätten machen sollen. Ab 01.03.2009 habe er gemeinsam mit seinem Vater einen Laden gepachtet gehabt. Sie hätten dort alkoholische Getränke verkauft. Sie hätten ihnen gedroht, sie sollten nichts mehr verkaufen und den Laden schließen. In dieser Situation hätten sie bis Juli den Laden betrieben. Am 10.07. hätten sie den Laden zugemacht, nachdem ihnen gedroht worden sei, dass etwas Schlimmes passiere. Es seien ihnen Zettel durch die Türe des Ladens geschoben worden. Darauf sei gestanden: Gott ist einzig und groß. Es könne sein, dass der Zettel von einer islamischen Gruppe gewesen sei. Auf dem Zettel sei auch gestanden, dass es ein islamisches Land sei und sie deshalb den Laden zumachen sollten. Es sei ihnen z.B. die Werbung für Bier an ihrem Laden mit Farbe zugestrichen worden. Glaswerbetafeln seien zerschlagen worden. Sie seien bedroht worden. Er habe die Briefe aber zerrissen und seinem Vater von der Bedrohung nichts gesagt. Er habe keinen der Briefe dabei. Sein Vater habe einen der Briefe in seiner Abwesenheit vorgefunden. Seine Mutter habe dann verlangt, dass der Laden geschlossen werden solle. Es seien auch Leute mit einem schwarzen BMW gekommen, die sie beobachtet hätten. Sie seien mit Pistolen in den Laden gekommen und hätten damit gedroht, sie umzubringen, wenn der Laden nicht geschlossen würde. In dem Laden sei er mit der Pistole bedroht worden. Sie hätten auch mit dem Mobiltelefon Bilder von ihm gemacht und darauf hingewiesen, dass sie sein Bild nunmehr hätten. Seine Mutter habe daraufhin verlangt, dass er sich in Sicherheit bringe und nicht mehr bleiben solle. Er wisse nicht, wer die Personen gewesen seien, die sie bedroht hätten. Drei Personen hätten von ihm Bilder gemacht und gesagt, dass er noch drei Tage Zeit habe. Sonst wisse er nichts. Er wisse nicht, was in dem Laden vor der Übernahme durch ihn und den Vater verkauft worden sei. Sie hätten einen Laden mit alkoholischen Getränken aufgemacht, weil sie Yeziden seien. Politisch habe er sich im Irak nicht betätigt. Er habe niemals Probleme mit der Polizei, mit Behörden oder Gerichten gehabt. Bei einer Rückkehr in den Irak habe er Angst, dass sie ihn umbringen würden, weil sie diese Bilder von ihm gemacht hätten. Sie seien auch Yeziden und könnten die Dörfer nicht verlassen. Die Waren hätten sie von einem Großhändler in Bashika bezogen. Sonstige Gründe für seine Ausreise und seinen Asylantrag gebe es nicht.
Mit Bescheid vom 19.11.2009 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.2-7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen. Zugleich forderte es den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Dem Kläger wurde für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen zu seiner Rückübernahme verpflichteten oder bereiten Staat angedroht. Der Bescheid wurde dem Kläger am 24.11.2009 zugestellt.
Der Kläger hat am 04.12.2009 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben. Er hat zunächst beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19.11.2009 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG festzustellen und hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.5 oder 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. In der mündlichen Verhandlung nahm er den Verpflichtungsantrag, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, zurück.
Der Kläger beantragt nunmehr,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19.11.2009 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen, und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG festzustellen und hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.5 oder 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Der Kläger trägt zur Begründung vor: Die Ortschaft Mahate/Sheikhan gehöre zur Provinz Ninive mit der Hauptstadt Mosul. Die religiöse Minderheit der Yeziden im Irak, zu denen er gehöre, werde von der überwiegend moslemischen Bevölkerung im Irak immer wieder Übergriffen und Repressalien ausgesetzt. Yeziden, die im Alkoholverkauf tätig seien, seien besonders gefährdet. Für sie bestehe ein erhöhtes Risiko, Opfer von Anschlägen radikal-islamistischer Gruppen zu werden. Darauf weise ein aktueller Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe hin. Er habe ausführlich und detailreich davon berichtet, dass und wie er aufgrund seines Ladens mit Alkoholverkauf von nicht staatlichen Akteuren, vermutlich einer islamischen Gruppe, unter Todesandrohung bedroht und schikaniert worden sei. Der Einschätzung der Situation der Yeziden durch die Beklagte müsse widersprochen werden. Laut Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12.08.2009 komme es wöchentlich zu über 100 Anschlägen, bei denen zwischen 100 und 200 Todesopfer zu beklagen seien. Schwerpunkte terroristischer Anschläge blieben weiterhin Bagdad und der Zentralirak, vor allem im Nordosten sowie die Provinzen At-Tamin mit der Hauptstadt Kirkuk und Ninive mit der Hauptstadt Mosul. Auch andere Erkenntnismittel würden diese Situation bestätigen. Der Kläger habe zum einen hinreichend seine Verfolgungsgründe und seine konkrete individuelle Gefährdung für Leib und Leben dargelegt. Es sei nicht ersichtlich, warum die Beklagte nicht mehr von einer Gruppenverfolgung für Angehörige der yezidischen Minderheit ausgehe. Derzeit könne sich er sich im Irak unmöglich öffentlich zu seinem Glauben als Yezide bekennen. Er habe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Der Rechtsstreit wurde der Berichterstatterin mit Beschluss der Kammer vom 13.04.2010 als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
11 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung zu seinen Asylgründen angehört worden. Wegen des wesentlichen Ergebnisses seiner Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift Bezug genommen.
12 
Das Gericht hat Erkenntnisquellen (Auskünfte, Lageberichte, Gutachten, Stellungnahmen und Presseartikel) beigezogen und zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Soweit der Kläger - wie aus Ziff.1 des Tenors ersichtlich - die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs.3 Satz 1 VwGO eingestellt.
14 
Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet. Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs.1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs.1 AufenthG (I.) noch auf die hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG oder nach § 60 Abs.5 oder Abs.7 Satz 1 AufenthG (II.). Auch die angefochtene Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig (III.). Die angegriffene Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.5 Satz 1 und Abs.1 VwGO).
I.
15 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Person des Klägers nicht vor.
16 
Nach § 60 Abs.1 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.02.2008 (BGBl. I 162) darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 Ii 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art.4 Abs.4 sowie die Art.7 bis 10 der Richtlinie 2004/84/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) ergänzend anzuwenden.
17 
Voraussetzung für die Flüchtlingseigenschaft ist die begründete Furcht vor Verfolgung. Die Frage, ob ein Ausländer in diesem Sinne von einer an eines der in § 60 Abs.1 AufenthG genannten Merkmale anknüpfenden Verfolgung bedroht ist, ist nach den richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben zu beantworten, die für den verfassungsrechtlichen Asylanspruch nach Artikel 16 a Abs.1 GG entwickelt worden sind. Deshalb können unverfolgt aus ihrem Heimatstaat ausgereiste Schutzsuchende nur dann in den Genuss des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.1 AufenthG gelangen, wenn ihnen bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (BVerwG, Urt. v. 03.11.1992, VBlBW 1993, 331, 332 und vom 26.10.1993, InfAuslR 1993, 119, 124, jeweils zu § 51 Abs.1 AuslG). Diesem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht nunmehr Art. 2 c Qualifikationsrichtlinie. Wurde der Ausländer bereits im Herkunftsland in diesem Sinne verfolgt, greift zu seinen Gunsten ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab ein und ist darauf abzustellen, ob er im Falle seiner Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher ist (vgl. nunmehr Art. 4 Abs.4 Qualifikationsrichtlinie). Droht dem Ausländer in seinem Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung, ist der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden (BVerwGE 126, 243; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 07.02.2008 -10 C 33.07 -). Bei der Beurteilung der Frage der begründeten Furcht vor Verfolgung sind nach Art. 4 Abs. 3 Qualifikationsrichtlinie die persönlichen Umstände des Antragstellers zu berücksichtigen und ist somit eine individuelle Prüfung vorzunehmen.
18 
Die Glaubhaftmachung der Asylgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Schutzsuchende muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. v. 24.03.1987, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.64 m.w.N.).
19 
Der Kläger, der nach seinen Angaben den Irak im Juli 2009 verlassen haben will, hat nicht glaubhaft gemacht, den Irak aufgrund bestehender oder ihm unmittelbar drohender politischer und dem Staat oder anderen Akteuren zurechenbarer Verfolgungsmaßnahmen gezwungenermaßen verlassen zu haben und deshalb im Bundesgebiet Schutz und Zuflucht zu suchen (1.). Yeziden unterliegen keiner Gruppenverfolgung, so dass offenbleiben kann, ob der Kläger ein Yezide ist (2.).
20 
1. Der Kläger hat eine ihm drohende Einzelverfolgung nicht glaubhaft machen können. Auf der Grundlage des Vorbringens ist er weder wegen bestehender noch wegen unmittelbar bevorstehender Verfolgung ausgereist. Der Kläger hat in insgesamt wenig substantiierter, ungereimter und teilweise sogar widersprüchlicher Weise verschiedene Vorgänge geschildert, die er selbst in einem sich steigernden inhaltlichen Zusammenhang sieht, ohne dafür irgendeinen greifbaren Anhaltspunkt benennen zu können. Er vermutet, dass hinter beiden ihm zugegangenen Drohbriefen - den dritten an den Vater gerichteten Drohbrief will er erst gar nicht gesehen haben -, der Beschädigung der Werbetafeln, der wiederholten Beobachtung durch die Insassen des schwarzen BMW sowie dem Vorfall vom 10.07.2009, bei dem ihn zwei Personen im Laden mit der Waffe in der Hand mit Sprengung des Ladens bedroht haben sollen, falls der Laden nicht geschlossen würde, derselbe Verursacher steht, hat diese Annahme aber nicht konkretisiert. Weiter hat - die Richtigkeit des Vortrags hier unterstellt - der Kläger das behauptete Ansinnen seiner angeblichen Verfolger nach seiner Darstellung erfüllt, indem er seit 10.07.2009 den Laden geschlossen ließ und dort nicht mehr erschien. Eine Erklärung, warum er dennoch das Land verließ, gab er jedoch nicht. Dass er über die von ihm behaupteten Vorgänge hinaus nach dem 10.07.2009 bis zur Ausreise am 27.07.2009 noch irgendwelchen Verfolgungsdruck begründenden Maßnahmen ausgesetzt gewesen wäre, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Offensichtlich ist er zu Hause nach Schließung des Ladens unbehelligt geblieben. Der Kläger hat nicht ansatzweise behauptet, dass ihn dort ein vermeintlicher Verfolger überhaupt aufgespürt habe. Er hat auch von keinerlei Schwierigkeiten bei der Ausreise berichtet, dass er etwa unter Zeitdruck Vorkehrungen hätte treffen müssen, um unbehelligt ausreisen zu können. Bemerkenswerter Weise weiß der Kläger auch nichts über die weitere Existenz des Alkoholladens und eine Bedrohung der Eltern.
21 
Im Übrigen zweifelt das Gericht auch an der Richtigkeit der Angaben des Klägers insgesamt. So hat der Kläger sich zu der erheblichen Frage der Information des Vaters über die angebliche Bedrohungslage widersprüchlich geäußert. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger an, sein Vater habe im Laden in seiner Abwesenheit „diese Briefe“ gefunden und ihn gefragt, warum er sich nicht geäußert habe. In der mündlichen Verhandlung gab er dagegen andere Versionen an: Der Vater soll selbst einen der insgesamt nur drei Drohbriefe erhalten haben. Außerdem will der Kläger von sich aus dem Vater von den Problemen erzählt haben, als er die Gefahr als ernsthaft eingestuft habe. Dies sei erst der Fall gewesen, als der BMW ihn Ende April/Anfang Mai beobachtet habe. Nach einer weiteren Schilderung sei der Vater selbst auf den schwarzen BMW aufmerksam geworden und habe von sich aus nachgefragt. Schließlich behauptete der Kläger sogar, der Vater sei von ihm erstmals am 10.07.2009 nach der Bedrohung im Laden durch zwei Männer informiert worden. Auch die Darstellung der Bedrohungssituation im Laden durch die Männer aus dem BMW schilderte der Kläger an entscheidender Stelle abweichend. Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung kamen nämlich nur zwei Personen in den Laden, hätten ihn mit der auf ihn gerichteten Pistole bedroht und ihn mit Sprengung des Ladens unter Druck gesetzt, wenn er nicht binnen drei Tagen den Laden schließe. Zuvor beim Bundesamt hatte der Kläger von drei Personen gesprochen, die ihn mit der Pistole bedroht, Bilder von ihm gemacht und ihm eine Frist von drei Tagen gesetzt hätten. Von Sprengung des Ladens war damals allerdings nicht die Rede, vielmehr hätten die Leute aus dem schwarzen BMW gedroht, sie umzubringen. Beim Bundesamt hatte der Kläger auch noch nicht angegeben, dass der schwarze BMW derart häufig - sogar jeden dritten Tag - vor dem Laden erschienen sei.
22 
Abgesehen davon war der Kläger auch nicht in der Lage, Gründe für die Anmietung des Alkoholgeschäfts plausibel zu machen. Er hatte bereits bei seiner Anhörung beim Bundesamt betont, dank seines Vaters und dessen finanzieller Situation in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt zu haben, ohne selbst zuvor zu arbeiten. Warum der Vater und er den Alkoholladen angesichts dieser komfortablen Lage, die es dem Vater angesichts des Vortrags des Klägers ohne weiteres auch erlaubten, 12.000 US-Dollar für die Ausreise des Klägers auszugeben, überhaupt zum 01.03.2009 anmieteten, bleibt letztlich unklar. Der Kläger gab zwar an, der Vater sei älter und den Anforderungen der Landwirtschaft nicht mehr gewachsen und dieser habe den Betrieb des Alkoholladens auch für wirtschaftlicher gehalten, außerdem ändere sich das Klima in für die Landwirtschaft ungünstiger Weise. Hätte der Kläger wirklich seine wirtschaftliche Zukunft auf den Betrieb des Alkoholladens stellen wollen, bleibt unerklärlich, warum der Kläger bis heute nichts genaues über die weitere Existenz des Alkoholgeschäfts zu sagen vermag und sich nach seinen Angaben niemand weiter um den seit 10.07.2009 lediglich geschlossenen Laden gekümmert haben soll. Im übrigen wäre es erklärungsbedürftig, warum nicht der Kläger als Sohn die Funktionen des Vaters in der bis dahin offensichtlich gut florierenden Landwirtschaft übernommen hat, zumal insbesondere das Europäische Zentrum für kurdische Studien (EZKS an VG München vom 17.02.2010) darauf hinweist, dass im Sheikhan aufgrund des regenreichen Klimas und der guten Erschließungssituation (Existenz von Bewässerungssystemen) in effektiverer Weise Landwirtschaft betrieben werden könne als im Sindjar.
23 
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 21.04.2009, NVwZ 2009, 1237 m.w.N. zur Rspr.) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
24 
„Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs.1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 [204]) - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 60 Abs.1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. [204 f.]). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
25 
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs.1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art.6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f).
26 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsland die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs.1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs.1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).
27 
An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs.1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art.15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird.“
28 
Aufgrund der Auskunftslage ist nicht von einem staatlichen Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden im Irak auszugehen. Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 11.04.2010 nicht in systematischer Weise, allerdings in signifikantem Umfang statt. Auch die sonstigen Auskünfte enthalten keine Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, gibt.
29 
Für die Feststellung einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Gruppierungen fehlt es den Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden an der erforderlichen Verfolgungsdichte (ebenso: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, juris; ferner etwa: VG Magdeburg, Urt. v. 20.01.2010 - 2 A 275/09 MD juris; Bayer.VG Ansbach, Urt. v. 04.02.2010 - AN 14 K 09.3035 - juris; VG München, Urt. v. 13.10.2009 - M 16 K 09.50224 - juris; VG Sigmaringen, Urt. v. 24.02.2010 - A 1 K 3310/09 - juris).
30 
Die Zahl der Yeziden liegt Schätzungen zufolge zwischen 200.000 und 600.000 Personen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes Irak Stand August 2009, S.22; Lagebericht des Auswärtigen Amtes Irak vom 21.04.2010, S. 26 und S.7; Bundesasylamt der Republik Österreich, Die Sicherheitslage der Yeziden im Irak, vom 04.11.2009, S.8; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaft der ausgewählten islamischen Länder, Ziffer 6.3.4 vom Juni 2009). Von den Yeziden leben etwa 2/3 in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa 1/3 im Distrikt Sheikhan oder in den Großstädten des Irak (vgl. dazu insbesondere VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.2006 und AA, Lagebericht vom 21.04.2010, EZKS vom 17.02.2010 an VG München). Der Sinjar liegt ebenso wie der größte Teil des Sheikhan in der ehemals zentralirakischen Provinz Ninive. Nur ein kleiner Teil Sheikhans, der Norden inklusive des Laleschtals, liegt in der kurdischen Provinz Dohuk.
31 
Das Auswärtige Amt beschreibt die Lage der Yeziden wie folgt: Offiziell anerkannte Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Chaldäer genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind in der Realität jedoch einem spezifischen Verfolgungs- und Vertreibungsdruck ausgesetzt. Ähnliches gilt für Schiiten und Sunniten in den Gegenden, in denen die jeweils andere Konfession die Mehrheit stellt. Die Menschenrechtslage im Irak bleibt prekär. Trotz der erheblich verbesserten Sicherheitslage im Land bleiben radikale und militante Gruppierungen - Terrororganisationen, Milizen und sonstige „oppositionellen“ Kämpfer - insbesondere im Raum Bagdad und den Provinzen Al-Anbar, Ninive und Diyala aktiv. Diese verschiedenen Gruppierungen überlagern sich zum Teil, teils bekämpfen sie sich aber auch gegenseitig. Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet zwar nicht in systematischer Weise, aber in signifikantem Umfang statt. Dabei führt die häufige Verwendung von staatlichen Uniformen und Fahrzeugen durch Angreifer diverser Milizgruppen dazu, dass sich die Verantwortung für bestimmte Taten oftmals nicht eindeutig zuordnen lässt. Konfessionell motivierte Verbrechen wie Ermordungen, Folter und Entführungen von Angehörigen der jeweils anderen Glaubensrichtung ereignen sich landesweit. Entführungen waren bis Mitte 2008 ebenfalls Ausdruck der ethnisch motivierten Gewalt. Gezielt greifen die Täter Angehörige der einen und der anderen Glaubensrichtung aus einer Gruppe heraus. Diese Gewalttaten haben seit 2008 nachgelassen. Insgesamt sind Minderheiten in der Region Kurdistan-Irak aber besser vor Gewalt und Verfolgung geschützt als in den übrigen Landesteilen. Die Anfang Juli 2009 vom kurdischen Regionalparlament verabschiedete Verfassung, die noch durch ein Referendum bestätigt werden soll, sieht umfangreiche Rechte für religiöse und ethnische Minderheiten in der Region vor. Auch in der Provinz Ninive (Mosul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet. Da die sunnitische Bevölkerung dort mit Al Qaida sympathisiert, hat sich die Terrorgruppe dort einen neuen Rückzugsort geschaffen, insbesondere seit ihrer Verdrängung Ende 2007 aus der Provinz Anbar. Yeziden im Nordirak sehen sich erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber zum Beispiel auch durch die Sicherheitskräfte der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) Druck ausgesetzt. Vertreter yezidischer Gemeinden in Deutschland berichteten dem Auswärtigen Amt im November 2009 von der anhaltenden schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage der Yeziden in ihrem Siedlungsgebiet im Nordirak, die auch von glaubhaften ausländischen Beobachtern vor Ort bestätigt werden. Im Jahr 2009 kam es laut UNAMI dort immer wieder zu sporadischen Übergriffen von Peshmerga-Einheiten gegen yezidische Dörfer. Die schwersten Anschläge gehen auf das Jahr 2007 zurück. Allein am 15.08.2007 starben infolge des schwersten Sprengstoffattentats seit 2003 neueren Schätzungen zufolge über 400 Angehörige der yezidischen Minderheit in der Provinz Ninive. Auch bis in die jüngste Zeit werden Gewalttaten gemeldet. So kamen bei einem Bombenanschlag auf ein Café in Sindjar am 18.08.2009 21 Yeziden ums Leben. Die irakischen Sicherheitskräfte sind bislang nicht in der Lage, gefährdete oder verfolgte Bevölkerungsgruppen effektiv zu schützen. Die Menschenrechtslage ist weiterhin katastrophal. Nichtstaatliche Akteure, insbesondere aufständische, sind für viele Menschenrechtsverletzungen (gezielte Morde, ethnische Säuberungen, Anschläge, Entführungen) im Irak verantwortlich (AA, Lagebericht Irak vom 11.04.2010, passim).
32 
Das Bundesasylamt der Republik Österreich (BAA, Die Sicherheitslage de Yeziden im Irak vom 04.11.2009) beschreibt die Sicherheitslage der Yeziden wie folgt: Die fortgesetzte Gewalt steht im Zusammenhang mit dem eskalierten Streit zwischen der kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung um die Regionen Mosul und Kirkuk. Dort haben Christen, Yeziden und Turkmenen eine lange Tradition und sind nun zwischen die beiden konkurrierenden Institutionen geraten. Aufgrund ihrer relativ kleinen Zahl und dem mangelnden Zugang zur Justiz sind sie besonders verwundbar. Verschiedene Faktoren machen weiterhin Yeziden und andere religiöse Minderheiten zum Ziel von Anschlägen - besonders durch islamistische Extremisten: Die Angehörigen von religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäer, Sabäer, Kaka‘i und Yeziden werden auch pauschal als Anhänger der irakischen Regierung und der internationalen Truppen und oft auch als Kurden angesehen. Dazu kommt die Verfolgung durch islamistische Extremisten, welche die Angehörigen der yezidischen Religionsgemeinschaft als „ungläubig“ ansehen. Hinzu kommt, dass Yeziden wie Christen traditionell im Alkoholverkauf tätig sind, was die in diesem Bereich tätigen Personen zusätzlich zum Ziel islamistischer Extremisten macht. In Mosul riefen Flugblätter zur Ermordung aller Yeziden auf. Im Juli 2008 schätzte das irakische Ministerium für Menschenrechte die Anzahl der zwischen 2003 und Ende 2007 im direkten und indirekten Angriffen getöteten Yeziden auf 335. Da bereits bei einer Anschlagserie laut zahlreichen Berichten allein etwa 400 Menschen starben, sind diese Toten entweder nicht in der Schätzung inkludiert oder das Ministerium geht von einer viel geringeren Zahl von Opfern aus als andere Quellen. Wie bei so vielen Schätzungen über Todesopfer im Irak können die Zahlen nur als bedingt verlässlich angesehen werden. Trotz einer generellen Verminderung der Gewalt im Irak im Jahr 2008 kommt es weiterhin zu Anschlägen gegen Yeziden. So wurde im Dezember 2008 eine siebenköpfige Familie von Extremisten erschossen. Zum Jahresende 2008 tötete eine Autobombe in der mehrheitlich yezidischen Staat Sinjar mehrere Personen und verletzte mehr als 40. Insgesamt hatte die Militäroperation Surge in der Provinz Ninive zwar die Gewalt verringern können, aber das Niveau blieb höher als anderswo. Al Qaida im Irak verübte trotz Drucks während des Surge immer wieder Terrorkampagnen gegen Yeziden, Kurden, Christen und Turkmenen in der Provinz Ninive. Mindestens 27 Menschen wurden im Laufe des August 2009 durch Anschläge in Sinjar getötet. In Mosul wurde laut einer Meldung vom 02.10.2009 das Haus eines Anführers der Yeziden, eines Colonels der Polizei, in die Luft gesprengt. Ausgehend von diesen Beispielen zeichnet sich ab, dass Extremisten sowohl die breitere yezidische Bevölkerung wie auch besonders exponierte Mitglieder gezielt angreifen, selbst wenn im Falle des Polizeioffiziers möglicherweise vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen zu überwinden waren. Dies lässt zusammen mit der hohen Anzahl von Toten im Laufe der Zeit auf beträchtliche Ressourcen und Knowhow schließen. Die Zahl der Yeziden fiel aufgrund gezielter Angriffe und der darauffolgenden Flucht von etwa 700.000 im Jahr 2005 auf etwa eine halbe Million. Derzeit liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Sicherheitslage in den Hauptsiedlungsgebieten der Yeziden in nächster Zeit nachhaltig verbessern wird. Dafür ist die Sicherheitslage in den umstrittenen Gebieten sehr von einer politischen Einigung zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung abhängig. Gleichzeitig birgt der Kampf um diese Gebiete, insbesondere um Kirkuk, Sprengstoff für die Sicherheitslage im gesamten Irak. Die Yeziden selbst können kaum die lokale Lage und schon gar nicht die überregionalen Ursachen beeinflussen, welche ihre Sicherheitslage prägt. Die Hauptakteure beim Kampf um die Provinz Ninive - und damit eng verknüpft Kirkuk - sind ganz andere und sind im Falle der arabischen Schiiten nicht einmal durch die größere Bevölkerungsgruppe vor Ort vertreten.
33 
Das Europäische Zentrum für kurdische Studien (EZKS) hat in einer Stellungnahme vom 17.02.2010 zur Lage der Yeziden im Irak, insbesondere zur Entwicklung der Sicherheitslage in der Provinz Ninive seit 2007 Folgendes ausgeführt: Gewalttätige Übergriffe gegenüber Yeziden sind in der de jure kurdisch verwalteten Region seit 2007 nicht mehr bekannt geworden. Gleichzeitig berichten viele Yeziden, dass Angehörige ihres Glaubens auch in de jure kurdisch verwalteten Gebieten alltäglicher Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt sind. Dabei ist davon auszugehen, dass dies vor allem Yeziden trifft, die aus der Provinz Ninive in die de jure kurdisch verwalteten Provinzen kommen, um dort Arbeit zu finden. Bewohner des im Sheikhan gelegenen Zentraldorfs Mahat berichteten, sie würden von muslimischen Kurden in Dohuk, Erbil und Sulaimaniya herablassend behandelt und als Bürger zweiter Klasse betrachtet. Ähnliche Erfahrungen machen in verstärkter Form Yeziden aus dem Sinjar. Auch sie fühlen sich in den de jure kurisch verwalteten Gebieten nicht willkommen und sind zudem aufgrund ihres wenig städtischen Äußeren einfach identifizierbar. Was die Lage von Yeziden in den Großstädten Bagdad und Mosul anbelangt, so handelt es sich bei diesen nach wie vor um No-go-Areas für Yeziden. Dementsprechend leben in Bagdad und Mosul keine Yeziden mehr - zumindest nicht in wahrnehmbarer Größenordnung. Trotz der mittlerweile extrem geringen Zahl Yeziden, die in Mosul lebt oder sich dort zeitweise aufhält, werden noch immer Übergriffe auf und Morde an Yeziden in Mosul-Stadt bekannt. Am 03.11.2008 wurde ein yezidisches Ehepaar westlich von Mosul von unbekannten Tätern erdrosselt aufgefunden. Am 07.12.2008 wurden im Norden Mosuls zwei Yeziden in einem Laden, in dem Alkohol zum Verkauf angeboten wurde, erschossen. Im März 2009 schließlich wurden zwei yezidische Männern nahe Mosul tot aufgefunden. Einer der Leichname wies Schussverletzungen in Kopf und Bauch auf. Welche Motive derartige Einzelanschläge haben, ob der Hintergrund krimineller oder terroristischer Natur ist, lässt sich, anders als bei Selbstmordenattentaten an Orten, die traditionell von Yeziden aufgesucht bzw. bewohnt werden, nur schwer einschätzen. Zur Entwicklung der Sicherheitslage in der Provinz Ninive/Mosul seit 2007: Ab Mitte 2007 wurde die Provinz Ninive/Mosul zunehmend zu einem Rückzugsgebiet für sunnitische Extremisten, insbesondere Anhänger von Al Qaida. Gegenwärtig orientieren sich 16 der insgesamt 30 Subdistrikte der Provinz Ninive an der Vorgaben der Kurdistan Regional Regierung und nicht an den Vorgaben der Provinzregierung in Ninive. Im Entwurf für die kurdische Verfassung, die das Kurdistan Regional im Parlament am 22.06.2009 verabschiedet hat, wird die Eingliederung der folgenden umstrittenen Regierung der Provinz Ninive in die kurdische Region gefordert: Im Westen der Subdistrikt Zommar (Distrikt Tel Afar) sowie der Distrikt Sinjar (oder Sindjar) und der angrenzende Subdistrikt Al-Khataniya (Distrikt Al-Baady), der nach Vorstellung der KRG dem Distrikt Sinjar zugeordnet werden soll. Im Norden geht es um die Distrikte Tel Kef und Akra, wobei Akra seit 1991 unter kurdischer Kontrolle steht und zu den de jure kurdisch kontrollierten Gebieten der Provinz Ninive gehört). Im Osten geht es um die Distrikte Sheikhan bzw. Al-Scheichan und Al-Hamdaniya, wobei die Unterdistrikte Baadra, Atrusch, Qasruk (alle drei im Distrikt Sheikhan bzw Al Sheikhan gelegen) und Eski Kala (Distrikt Al Hamdaniya) ebenfalls seit 1991 unter kurdischer Kontrolle stehen und somit de jure kurdisch verwaltet sind. Außerdem wird der Subdistrikt Al-Baschika (Distrikt Mosul) von kurdischer Seite beansprucht. Ein großer Teil der geforderten Gebiete wird derzeit wie erwähnt bereits entweder de jure kurdisch verwaltet oder er steht unter de facto kurdischer Kontrolle. Es ist extrem schwierig, die sich ständig verschiebenden Grenzen der Gebiete unter de facto kurdischer Verwaltung genau zu benennen. Als vergleichsweise sicher kann jedoch derzeit gelten, dass Sinjar, Sheikhan und Al Sheikhan insgesamt unter de facto kurdischer Kontrolle stehen. Zum Distrikt Sinjar wird ausgeführt: Zum bislang schlimmsten Angriff im Irak gegenüber Zivilisten überhaupt kam es am Abend des 14.08.2007, als vier mit Sprengstoff beladene LKWs in den am Rande des Sinjar gelegenen yezidischen Zentraldörfern Al-Khataniya und Al-Jazerah detonierten. Bei den Angriffen starben über 320 yezidische Dorfbewohner, zwischen 530 und 700 weitere wurden verletzt, 400 Häuser völlig zerstört. In der ersten Jahreshälfte 2008 wurden mindestens fünf Yeziden in Sinjar ermordet, genauere Angaben zu den Hintergründen liegen nicht vor. Am 14.12.2008 drang eine Gruppe von Bewaffneten nachts in ein Haus in Sinjar Stadt ein und eröffnete das Feuer. Sieben Angehörige einer yezidischen Familie starben. Am 13.08.2009 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter in einem belebten Teehaus im Kalaa-Viertel von Sinjar Stadt in die Luft. Sie töteten mindestens 21 Menschen und verletzten 32 weitere. In dem Teehaus trafen sich vor allem yezidische Jugendliche und junge Männer, um Domino zu spielen. Der Angriff scheint Teil einer ganzen Anschlagsreihe gegenüber Minderheitenangehörigen in der Provinz Ninive gewesen zu sein. Nachdem sich die US-Truppen aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit der irakischen Zentralregierung am 30.06.2009 aus der Ninive-Ebene zurückzogen, kam es innerhalb von sechs Wochen zu einem dramatischen Anstieg von Übergriffen gegenüber Christen, Schabak und Yeziden. Insgesamt starben über 137 Personen bei Angriffen, um die 500 Menschen wurden verletzt. Sämtliche Yeziden, die auf den Anschlag im Teehaus von Sinjar Stadt angesprochen wurden, interpretierten diesen als religiös motiviert, d.h. auf die yezidische Minderheit zielend. Die EZKS schätzt die Lage im Sinjar noch immer als extrem gefährlich ein. Trotz der Peshmerga-Präsenz kommt es zu massiven Anschlägen, die grundsätzlich jeden Yeziden treffen können. Auch das Leben in den - ethnisch homogenen - yezidischen Zentraldörfern bietet hier keine Sicherheitsgarantie, wie der Anschlag vom August 2007 zeigt. Im Gegenteil macht die ethnisch-religiöse Homogenität der Zentraldörfer diese zu geeigneten Zielen für religiös motivierte Angriffe. Nahezu alle Yeziden des Distrikts leben in Zentraldörfern. Darüber hinaus ist eine weitere Gruppe von Yeziden im Sinjar zu nennen, die besonders gefährdet ist. Es handelt sich um yezidische Aktivisten, die in Opposition zu Kurdistan Regionalregierung stehen. So wurden am 01.06.2007 zwei yezidische Oppositionelle namens Alias und Hami vom kurdischen Geheimdienst festgenommen. Die Festgenommenen wurden mehrfach verhört und sollen mit Fäusten, Schaufeln, Schuhen und Kabeln geschlagen und gefoltert worden sein. Obgleich ein irakischer Richter noch im Mai ihre Freilassung anordnete, blieben sie bis zum 28.10.2007 in Haft. Das EZKS führt zur Sicherheitslage im Distrikt Sheikan/Al Sheikhan Folgendes aus: Der Großteil der Distrikte Sheikhan und Al Sheikhan gehört zu den Gebieten unter de facto kurdischer Verwaltung, Ausnahme ist der nördlichste Teil des Distrikts Sheikhan mit dem Lalesch-Tal. Dieser Teil steht unter de jure kurdischer Verwaltung. Grundsätzlich ist die Sicherheitslage im Sheikhan besser als im Sinjar. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass er eine direkte Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten aufweist. Es wurden in den diversen Menschenrechtsberichten etc. keine Hinweise darauf gefunden, dass es im Sheikhan/Al Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden gegeben hat. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.02.2007 in der Stadt Ain Sifni Sheikhan im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten ist es seither nicht mehr gekommen. Weiterhin sind in Sheikhan/Al Sheikhan keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur KRG-Politik stehen. Dies kann bedeuten, dass KRG-kritische Yeziden im Sheikhan nicht verfolgt werden oder aber, dass es im Sheikhan keine nennenswerte öffentliche Opposition gegen die KRG gibt. Was die ökonomische Situation im Sheikhan anbelangt, so ist diese im Vergleich zum Sinjar besser. Aufgrund des regenreicheren Klimas sowie der besseren Erschließung des Landes (Existenz von Bewässerungssystemen) kann in effektiver Weise Landwirtschaft betrieben werden. Aufgrund der besseren Sicherheitslage konnte die KRG zudem im Sheikhan umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur ergreifen als im Sinjar. Insgesamt ist festzuhalten, dass die infrastrukturelle Entwicklung des Sheikhan rasant fortschreitet. Abschließend ist somit festzuhalten, dass die Lage in den Distrikten Sheikhan und Al Sheikhan derzeit eher ruhig ist. Im Vergleich zu 2005 ist sowohl eine Verbesserung der Sicherheitslage als auch eine Verbesserung der Infrastruktur festzustellen. Wenn die Lage demnach nur zögerlich als sicher zu charakterisiert wird, dann deshalb, weil erhebliche Teile des Sheikhan auf umstrittenem Gebiet liegen und völlig unklar ist, wer diese mittelfristig kontrollieren wird.
34 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe , Irak, Die aktuelle Entwicklung in Zentral- und Südirak vom 05.11.2009 führt aus: Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten wie Christen, Yeziden, Turkmenen, Shabak, Kaka’i, Sabäer, Baha’i und Juden werden seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet. Yeziden, Shabak und Kaka’i sind wegen ihrer kurdischen Identität gefährdet, Shabak, Turkmenen und Faili-Kurden, die meistens schiititschen Glaubens sind, werden von sunnitischen Islamisten aufgrund ihres religiösen Hintergrundes umgebracht. Wegen der systematischen Verfolgung sind viele Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten geflohen und ihre Anzahl ist stark zurückgegangen. Vor allem in den umstrittenen Gebieten geraten religiöse und ethnische Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Shabak häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen. Zwischen August und Oktober 2008 flohen nach einer Reihe von Anschlägen Tausende Christen aus Mosul.
35 
Zu den Vorfällen zwischen März 2004 bis August 2007 berichtet insbesondere die Gesellschaft für bedrohte Völker in ihrem Memorandum „Die Yezidi im Irak“ vom November 2007: Danach tauchten im März 2004 in Mosul Flugblätter auf, die all diejenigen „Gottes Lohn“ verheißen, die Yeziden töten. Am 17.08.2004 wurde das Kind Fadi Aied Kheder aus Basika von Terroristen ermordet. Es wurde enthauptet, seine Leiche verbrannt. Ende August 2004 wurde ein Yezide, der in Mosul in einem Geschäft Luxusgüter und Accessoires arbeitete, von Unbekannten ermordet. Neben seiner Leiche fand man einen Zettel, auf dem „weil er ein Ungläubiger war“ stand. Am 23.09.2004 wurden in der Universität Mosul öffentlich Rundschreiben mit Drohungen gegen alle Frauen ausgehängt, die ohne Kopftuch die Universität besuchen. Am 01.10.2004 forderte der Imam in der Stadt Sheikhan über Lautsprecher alle Yeziden auf, zum Islam überzutreten, anderenfalls würden sie schwer bestraft. Im letzten Drittel des Jahres 2004 wurden 28 Drohbriefe an prominente Yeziden gerichtet. Speziell angespannt ist die Situation in Mosul und Kirkuk. Am 16.10.2004 wurden zwei Yeziden in der Stadt Telafar grausam getötet, weil einer von ihnen während des Ramadans geraucht und sich daher als Nichtmuslim zu erkennen gegeben hatte. Am 08.12.2004 wurden fünf Yeziden von extremistischen Moslems an der Bundesstraße Telafar Richtung Sinjar ermordet. Zwischen August 2004 und Mai 2005 wurden 34 Morde an Yeziden gezählt, davon zehn in Mosul, neun in der Region Sinjar und 14 in Telafar. Im Juli 2004 kam es zu Anschlägen auf den Kaimakam (Bürgermeister) von Sinjar. Am 17.09.2004 wurde das weltliche Oberhaupt der Yeziden, Mir Tashin Beg, in Alkosch, etwa 40 km von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk gelegen, Opfer eines Bombenanschlags und leicht verletzt. Am 2005 hatte sich die Situation in der Region Sinjar deutlich verschlechtert. Im Juli 2005 wurde in Bagdad ein gezielter Mordanschlag auf einen der Leibwächter von Mamou Othman, ehemaliger yezidischer Minister der Übergangsregierung, verübt. Im August 2005 wurde ein Yezide, der in Bagdad ein Alkoholgeschäft führte, entführt. Er wurde massiv gefoltert, konnte aber befreit werden. Am 01.11.2005 wurde zwischen Sinjar und Mosul ein Anschlag auf yezidische Arbeiter verübt. Sechs Personen starben und drei weitere wurden verletzt. Am 20.04.2006 wurde Hassan Nermo, ein Yezidi und Mitglied des Regierungsrats von Ninive. Am 15.02.2007 eskalierte ein Familienkonflikt in der Stadt Sheikhan in der Provinz Ninive. Eine kurdisch-muslimische Frau war vor ihrem Mann geflohen, von dem sie sich terrorisiert und tyrannisiert fühlte. Zwei kurdisch-yezidische Sicherheitsbeamte nahmen sie in ihrem Fahrzeug mit. Das erzählte sie später auch ihrer Familie. Einige Familienmitglieder warfen ihr daraufhin Ehebruch vor und bedrohten sie mit dem Tod. Auch die kurdisch-yezidischen Beamten sollten getötet werden. Der Familienkonflikt gipfelte in gewalttätigen Übergriffen auf kurdisch-yezidische Einrichtungen und Personen und konnte erst mit Personen der kurdischen Sicherheitskräfte aus Akre und Dohuk unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Personen wurden verhaftet. Die Frau wurde von ihrer eigenen Familie ermordet. Die Regionalregierung hatte Stellung bezogen und ihre Unterstützung der yezidischen Gemeinschaft bekräftigt. Am 22.04.2007 wurden in Mosul 24 yezidische Arbeiter getötet. Nach Medienberichten war dieses Attentat eine Vergeltung seitens islamischer Extremisten für die Ermordung des angeblichen zum Islam übergetretenen 17jährigen yezidischen Mädchens Dua Kalil Aswad. Sie war am 07.04.2007 Opfer eines grausamen Ehrenmordes geworden. Die Angehörigen der Yeziden haben nach dem Anschlag vom 22.04.2007 die irakische Regierung und die internationale NGOs aufgerufen, sie zu schützen. Nach diesem Anschlag sind fast alle Yeziden aus Mosul geflohen. Über 800 yezidische Studenten gaben ihr Studium ihr Mosul auf. Am 23.04.2007 kam es in Telleskof in der Provinz Ninive zu einem Anschlag ohne Opfer. Am 04.06.2007 wurde ein Yezide von Terroristen getötet und dessen Vater verletzt. Am 03.07.2007 wurden zwei Yeziden aus der Ortschaft Bashika von Unbekannten entführt. Die beiden Entführten wurden einen Tag später im Stadtviertel Sumer in Mosul tot aufgefunden. Am 14.08.2007 kam es zu verheerenden Anschlägen auf Yeziden in den Ortschaften Til Ezer und Siba Shiekh Khidir bei Sinjar in der größten yezidischen Region im Nordirak. Mehrere mit Sprengstoff gefüllte Autos explodierten in zwei Dörfern. Etwa 400 Menschen wurden getötet und hunderte verletzt. Es handelte sich um die größten Anschläge im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003.
36 
Auf der Grundlage der dargestellten Erkenntnismittel kann in quantitativer Hinsicht nicht auf eine Verfolgungsdichte, die ohne weiteres für jeden einzelnen Yeziden die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entstehen lässt, geschlossen werden. Die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren ist - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Yeziden nicht geeignet, eine Verfolgung der Yeziden als religiöse Gruppe zu belegen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Anbetracht der Unklarheit über die Gruppengröße der Yeziden eine zahlenmäßig niedrige Gruppengröße der unterschiedlich groß geschätzten Gruppe von nur 200.000 bis 250.000 zugrunde legen würde und weiter davon ausginge, dass alle berichteten Maßnahmen gegen die Yeziden in Bezug auf die Verfolgungshandlung und in Bezug auf die Verknüpfung zwischen Handlung und Grund verfolgungsrelevant im Sinne der Art.9 Abs.1 Buchstabe a und Abs.1 Buchstabe b, Art.9 Abs.2 Buchstabe a und Art.9 Abs.3 i.V.m. Art.10 Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) wären, was kaum der Fall sein dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei einer deutlich größeren Gruppe eine Verfolgungsdichte von etwa einem Drittel im Ansatz als hinreichend angesehen, um eine Gruppenverfolgung annehmen zu können (BVerwGE 101, 123 ff.). Selbst bei der Annahme einer hinreichenden Verfolgungsdichte von nur einem Zehntel, was bei der hier zu betrachtenden deutlich kleineren Gruppe eher angemessen sein dürfte, würde sich eine hinreichende Verfolgungsdichte aufgrund des vorliegenden Tatsachenmaterials nicht konkret belegen lassen, auch wenn man nur die Verfolgungsschläge zwischen den Jahren 2004 und 2007 in den Blick nähme und dabei außer Acht ließe, dass die Dichte verfolgungsrelevanter Maßnahmen gegen die Yeziden und die Anzahl der Gewalttätigkeiten im Irak allgemein in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber den Vorjahren erheblich zurückgegangen ist. Diese Aussage gilt auch, wenn man nur die Gruppe der in der Provinz Ninive lebenden Yeziden betrachtet (AA, Lagebericht Irak vom 21.04.2010, S.26). Damit liegt die tatsächlich festgestellte Verfolgungsdichte - selbst unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer - weit unter der kritischen Verfolgungsdichte, bei deren Vorliegen eine Gruppenverfolgung zu bejahen wäre. Mit Blick auf die Distrikte Sheikhan und Al-Sheikhan, neben dem Sindjar eines der Hauptsiedlungsgebiete der Yeziden im Irak, ist zudem anzuführen, dass die Sicherheitslage dort grundsätzlich besser ist als im Sindjar. Der Großteil dieser Gebiete gehört zu den Gebieten, die de facto kurdisch verwaltet werden mit Ausnahme des nördlichsten Teils des Distrikts Sheikhan, der sogar unter de jure kurdischer Verwaltung steht (EZKS an VG München vom 17.02.2010, S.23 ff.).
37 
Die von den dargestellten Verfolgungsschlägen betroffenen Yeziden lassen sich auch nicht unter einem anderen Merkmal als der Religionszugehörigkeit als - eventuell - kleinere Gruppe zusammenfassen bzw. abgrenzen.
38 
Der Kläger kann auch nicht deshalb die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen, weil andere Yeziden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Vergangenheit aufgrund der Erlasslage des BMI vom 15.05.2007 (M I 4-125 421 IRQ/0) als Flüchtlinge anerkannt worden sein sollen. Bis Mitte August 2009 war die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge von diesem Erlass bestimmt, wonach bei der Gruppe der religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäern und Yeziden grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure auszugehen war. Seit Mitte August 2009 kam es allerdings aufgrund der turnusmäßigen Überprüfung der Maßnahme in Absprache mit dem Bundesinnenministerium zu einer Änderung der Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach Maßgabe des § 60 Abs.1 AufenthG ergibt sich nicht aus Art.3 Abs.1 GG i.V.m. dem genannten Erlass des BMI. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG ist eine gebundene Entscheidung. Ihre Voraussetzungen werden vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs.1 AsylVfG) geprüft. Auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Beklagte hat ihre Verwaltungspraxis auf der Grundlage einer internen Dienstanweisung geändert. An einer solchen Änderung ihrer Verwaltungspraxis ist die Beklagte nicht gehindert.
II.
39 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2, 3 oder Abs.7 Satz 2 AufenthG oder nach § 60 Abs.5 oder Abs.7 Satz 1 AufenthG.
40 
1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist gemäß § 77 Abs.1 AsylVfG die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.08.2007 am 28.08.2007 geltende Rechtslage. Diese Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2 bis 7 AufenthG geändert hat und hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs.2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
41 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2 oder 3 AufenthG sind auf der Grundlage des Vortrags des Klägers nicht ersichtlich.
42 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift, mit der die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
43 
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
44 
Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 25.03.2010 - A 2 S 364/09 -) ist die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, wohl zu verneinen. Darauf kommt es jedoch hier nicht an, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 Satz 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Eine solche Gefahr lässt sich im Falle des Klägers nicht feststellen.
45 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188; EuGH, Urt. v. 17.02.2009 - Rs. C-465, 07-Elgafaji) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
46 
Gefahrerhöhende Umstände in seiner Person werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Für das Vorliegen solcher Umstände vermag auch das Gericht nichts zu erkennen. Die Frage, ob der Verkauf von Alkohol durch Yeziden einen solchen gefahrerhöhenden Umstand darstellt, stellt sich hier nicht. Zum einen hat der Kläger nach seinem Vortrag sein Alkoholgeschäft selbst geschlossen, zum anderen erscheinen dem Gericht seine Angaben insgesamt nicht glaubhaft.
47 
Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch nicht einmal für die Provinz Tamim, die derzeit zu den „gefährlichsten“ Provinzen zählt (AA, Lagebericht Irak vom 11.04.2010) feststellen. Danach ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak sich zwar erheblich verbessert hat, sie aber im weltweiten Vergleich immer noch verheerend ist. Seit Frühsommer 2007 hat die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. 2009 halbierte sich die Anzahl der Todesopfer auf 4.497 (Stichtag: 16.12.2009) im Vergleich zum Vorjahr. Derzeit kommt es immer noch wöchentlich zu mehr als 100 Anschlägen, bei denen insgesamt ca. 150 Todesopfer zu beklagen sind. Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben weiterhin Bagdad und der Zentralirak, vor allem im Nordosten (Diala, Salahadin) sowie die Provinzen At-Tamin mit der Hauptstadt Kirkuk und Ninive mit der Hauptstadt Mosul. Besonders gefährdet sind nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Insgesamt hat aber die interkonfessionelle Gewalt seit dem Durchgreifen der irakischen Regierung gegen die Milizen seit dem Frühjahr 2008 nachgelassen.
48 
Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts "Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte" vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar seien. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2009 hat sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Die Sicherheitslage in den sogenannten umstrittenen Gebieten habe sich verschlechtert. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.
49 
Zur Abschätzung des sich ergebenden Gefahrengrads ist die Zahl der Opfer von Anschlägen in Bezug zu der Zahl der gesamten Bevölkerung des Irak zu setzen. Nach dem in der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts zitierten Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahr 2009 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei etwa 4.645 gelegen. Im Jahr 2008 habe die Zahl noch über 9.000 betragen. Das Informationszentrum Asyl und Migration zitiert ferner einen Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009, in dem bezogen auf den Zeitraum März bis Mai 2009 eine durchschnittlichen Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von 9,2 pro Tag genannt wird. In einen späteren Bericht vom September 2009, der sich auf den Zeitraum Juni bis August 2009 beziehe, sei von durchschnittlich 204 Anschlägen pro Woche gegen die Zivilbevölkerung, die irakischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen die Rede, die damit um 19 % gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum zurückgegangen seien. Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung sei in diesem Zeitraum allerdings leicht auf 9,5 Tote pro Tag angestiegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.03.2010, aaO). In der Provinz Ninive (insgesamt ca. 2,8 Millionen Einwohner) mit der Hauptstadt Mosul (zweitgrößte Stadt des Iraks mit 1,7 Millionen Einwohnern) ist es nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts im Jahr 2009 zu 845 Toten bei 474 Anschlägen gekommen sein, was auf 100.000 Einwohner bezogen 30,1 Tote bei 1,8 Toten je Vorfall bedeutet.
50 
Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Damit kann die Frage, ob ein innerstaatlicher oder internationaler Konflikt in der Provinz Ninive anzunehmen ist, offen bleiben.
51 
Erreicht damit die Anzahl der Anschläge, denen die Zivilbevölkerung allgemein ausgesetzt ist, nicht die für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.7 Satz 2 AufenthG erforderliche Dichte, wird diese auch dann nicht erreicht, wenn die vom Kläger in Anspruch genommene Zugehörigkeit zu den Yeziden als persönliches, gefahrerhöhendes Merkmal in den Blick genommen wird. Es wurde bereits oben ausgeführt, dass sich auch daraus nicht die notwendigen Anhaltspunkte für die Annahme der für eine Gruppenverfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Abs.1 AufenthG erforderlichen Verfolgungsdichte ergeben.
52 
2. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.5 oder Abs.7 Satz 1 AufenthG vor.
53 
Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs.5 AufenthG sind nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich.
54 
Auch ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs.7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art.15 Buchstabe c) der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs.1 Satz 1 AufenthG gewährt.
55 
Dem Vortrag des Klägers lassen sich Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefährdungssituation nicht entnehmen. Bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen im Heimatland des Klägers handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG führen können, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Dem Kläger wird aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs.7 Satz 3, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.09.2004 - A 2 S 471/02 -, ESVGH 55, 123 mit Hinweis auf BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs.6 Satz 1 AuslG; Urt. v. 04.05.2006 - A 2 S 1046/05 -, ESVGH 56, 253 und Beschluss vom 08.08.2007 - A 2 S 229/07 -, VBlBW 2008, 34 = DÖV 2008, 165; BVerwGE 114, 379). Aufgrund der derzeitigen Erlasslage (Erlasse des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 27.11.2003 und vom 29.07.2004 - Az.: 4-13-IRK/12-, die auf den Beschlüssen der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 21.11.2003 und vom 08.07.2004 beruhen, ferner: Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 12.03.2007 - Az.: 4-1310/131 -, geändert mit Schreiben vom 20.07.2007; fortgeschrieben 05.10.2009, Abschnitt D, Irak Nr.3) sind irakischen Staatsangehörigen Duldungen zu erteilen bzw. erteilte Duldungen zu verlängern (vgl. hierzu auch VG Karlsruhe, Beschl. v. 13.04.2006 - A 10 K 268/06 - und etwa Urt. v. 10.03.2008 - A 10 K 3044/07 -, st.Rspr.).
56 
Im Übrigen käme beim Fehlen einer solchen Regelung die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (BVerwG, Urt. v. 24.06.2008, BVerwGE 131, 198, 211). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte derzeit nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.03.2010, a.a.O.).
III.
57 
Die Abschiebungsandrohung und die darin bestimmte Ausreisefrist sind gemäß § 34 Abs.1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und es besteht keine Veranlassung, in der Androhung einen Staat zu bezeichnen, in den der Kläger nach § 60 AufenthG nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs.3 Sätze 2 und 3 AufenthG).
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 155 Abs.2 VwGO, § 83b AsylVfG.
59 
Soweit das Verfahren eingestellt wurde, ist die Entscheidung unanfechtbar.

Gründe

 
13 
Soweit der Kläger - wie aus Ziff.1 des Tenors ersichtlich - die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gemäß § 92 Abs.3 Satz 1 VwGO eingestellt.
14 
Im Übrigen ist die zulässige Klage unbegründet. Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs.1 Satz 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs.1 AufenthG (I.) noch auf die hilfsweise begehrte Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Vorliegens eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG oder nach § 60 Abs.5 oder Abs.7 Satz 1 AufenthG (II.). Auch die angefochtene Abschiebungsandrohung ist rechtmäßig (III.). Die angegriffene Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs.5 Satz 1 und Abs.1 VwGO).
I.
15 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG vorliegen. Diese Voraussetzungen liegen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in der Person des Klägers nicht vor.
16 
Nach § 60 Abs.1 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.02.2008 (BGBl. I 162) darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 Ii 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art.4 Abs.4 sowie die Art.7 bis 10 der Richtlinie 2004/84/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) ergänzend anzuwenden.
17 
Voraussetzung für die Flüchtlingseigenschaft ist die begründete Furcht vor Verfolgung. Die Frage, ob ein Ausländer in diesem Sinne von einer an eines der in § 60 Abs.1 AufenthG genannten Merkmale anknüpfenden Verfolgung bedroht ist, ist nach den richterrechtlich entwickelten Prognosemaßstäben zu beantworten, die für den verfassungsrechtlichen Asylanspruch nach Artikel 16 a Abs.1 GG entwickelt worden sind. Deshalb können unverfolgt aus ihrem Heimatstaat ausgereiste Schutzsuchende nur dann in den Genuss des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.1 AufenthG gelangen, wenn ihnen bei Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (BVerwG, Urt. v. 03.11.1992, VBlBW 1993, 331, 332 und vom 26.10.1993, InfAuslR 1993, 119, 124, jeweils zu § 51 Abs.1 AuslG). Diesem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht nunmehr Art. 2 c Qualifikationsrichtlinie. Wurde der Ausländer bereits im Herkunftsland in diesem Sinne verfolgt, greift zu seinen Gunsten ein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab ein und ist darauf abzustellen, ob er im Falle seiner Rückkehr vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher ist (vgl. nunmehr Art. 4 Abs.4 Qualifikationsrichtlinie). Droht dem Ausländer in seinem Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung, ist der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden (BVerwGE 126, 243; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 07.02.2008 -10 C 33.07 -). Bei der Beurteilung der Frage der begründeten Furcht vor Verfolgung sind nach Art. 4 Abs. 3 Qualifikationsrichtlinie die persönlichen Umstände des Antragstellers zu berücksichtigen und ist somit eine individuelle Prüfung vorzunehmen.
18 
Die Glaubhaftmachung der Asylgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Schutzsuchende muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. v. 24.03.1987, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr.64 m.w.N.).
19 
Der Kläger, der nach seinen Angaben den Irak im Juli 2009 verlassen haben will, hat nicht glaubhaft gemacht, den Irak aufgrund bestehender oder ihm unmittelbar drohender politischer und dem Staat oder anderen Akteuren zurechenbarer Verfolgungsmaßnahmen gezwungenermaßen verlassen zu haben und deshalb im Bundesgebiet Schutz und Zuflucht zu suchen (1.). Yeziden unterliegen keiner Gruppenverfolgung, so dass offenbleiben kann, ob der Kläger ein Yezide ist (2.).
20 
1. Der Kläger hat eine ihm drohende Einzelverfolgung nicht glaubhaft machen können. Auf der Grundlage des Vorbringens ist er weder wegen bestehender noch wegen unmittelbar bevorstehender Verfolgung ausgereist. Der Kläger hat in insgesamt wenig substantiierter, ungereimter und teilweise sogar widersprüchlicher Weise verschiedene Vorgänge geschildert, die er selbst in einem sich steigernden inhaltlichen Zusammenhang sieht, ohne dafür irgendeinen greifbaren Anhaltspunkt benennen zu können. Er vermutet, dass hinter beiden ihm zugegangenen Drohbriefen - den dritten an den Vater gerichteten Drohbrief will er erst gar nicht gesehen haben -, der Beschädigung der Werbetafeln, der wiederholten Beobachtung durch die Insassen des schwarzen BMW sowie dem Vorfall vom 10.07.2009, bei dem ihn zwei Personen im Laden mit der Waffe in der Hand mit Sprengung des Ladens bedroht haben sollen, falls der Laden nicht geschlossen würde, derselbe Verursacher steht, hat diese Annahme aber nicht konkretisiert. Weiter hat - die Richtigkeit des Vortrags hier unterstellt - der Kläger das behauptete Ansinnen seiner angeblichen Verfolger nach seiner Darstellung erfüllt, indem er seit 10.07.2009 den Laden geschlossen ließ und dort nicht mehr erschien. Eine Erklärung, warum er dennoch das Land verließ, gab er jedoch nicht. Dass er über die von ihm behaupteten Vorgänge hinaus nach dem 10.07.2009 bis zur Ausreise am 27.07.2009 noch irgendwelchen Verfolgungsdruck begründenden Maßnahmen ausgesetzt gewesen wäre, hat der Kläger selbst nicht behauptet. Offensichtlich ist er zu Hause nach Schließung des Ladens unbehelligt geblieben. Der Kläger hat nicht ansatzweise behauptet, dass ihn dort ein vermeintlicher Verfolger überhaupt aufgespürt habe. Er hat auch von keinerlei Schwierigkeiten bei der Ausreise berichtet, dass er etwa unter Zeitdruck Vorkehrungen hätte treffen müssen, um unbehelligt ausreisen zu können. Bemerkenswerter Weise weiß der Kläger auch nichts über die weitere Existenz des Alkoholladens und eine Bedrohung der Eltern.
21 
Im Übrigen zweifelt das Gericht auch an der Richtigkeit der Angaben des Klägers insgesamt. So hat der Kläger sich zu der erheblichen Frage der Information des Vaters über die angebliche Bedrohungslage widersprüchlich geäußert. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt gab der Kläger an, sein Vater habe im Laden in seiner Abwesenheit „diese Briefe“ gefunden und ihn gefragt, warum er sich nicht geäußert habe. In der mündlichen Verhandlung gab er dagegen andere Versionen an: Der Vater soll selbst einen der insgesamt nur drei Drohbriefe erhalten haben. Außerdem will der Kläger von sich aus dem Vater von den Problemen erzählt haben, als er die Gefahr als ernsthaft eingestuft habe. Dies sei erst der Fall gewesen, als der BMW ihn Ende April/Anfang Mai beobachtet habe. Nach einer weiteren Schilderung sei der Vater selbst auf den schwarzen BMW aufmerksam geworden und habe von sich aus nachgefragt. Schließlich behauptete der Kläger sogar, der Vater sei von ihm erstmals am 10.07.2009 nach der Bedrohung im Laden durch zwei Männer informiert worden. Auch die Darstellung der Bedrohungssituation im Laden durch die Männer aus dem BMW schilderte der Kläger an entscheidender Stelle abweichend. Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung kamen nämlich nur zwei Personen in den Laden, hätten ihn mit der auf ihn gerichteten Pistole bedroht und ihn mit Sprengung des Ladens unter Druck gesetzt, wenn er nicht binnen drei Tagen den Laden schließe. Zuvor beim Bundesamt hatte der Kläger von drei Personen gesprochen, die ihn mit der Pistole bedroht, Bilder von ihm gemacht und ihm eine Frist von drei Tagen gesetzt hätten. Von Sprengung des Ladens war damals allerdings nicht die Rede, vielmehr hätten die Leute aus dem schwarzen BMW gedroht, sie umzubringen. Beim Bundesamt hatte der Kläger auch noch nicht angegeben, dass der schwarze BMW derart häufig - sogar jeden dritten Tag - vor dem Laden erschienen sei.
22 
Abgesehen davon war der Kläger auch nicht in der Lage, Gründe für die Anmietung des Alkoholgeschäfts plausibel zu machen. Er hatte bereits bei seiner Anhörung beim Bundesamt betont, dank seines Vaters und dessen finanzieller Situation in guten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt zu haben, ohne selbst zuvor zu arbeiten. Warum der Vater und er den Alkoholladen angesichts dieser komfortablen Lage, die es dem Vater angesichts des Vortrags des Klägers ohne weiteres auch erlaubten, 12.000 US-Dollar für die Ausreise des Klägers auszugeben, überhaupt zum 01.03.2009 anmieteten, bleibt letztlich unklar. Der Kläger gab zwar an, der Vater sei älter und den Anforderungen der Landwirtschaft nicht mehr gewachsen und dieser habe den Betrieb des Alkoholladens auch für wirtschaftlicher gehalten, außerdem ändere sich das Klima in für die Landwirtschaft ungünstiger Weise. Hätte der Kläger wirklich seine wirtschaftliche Zukunft auf den Betrieb des Alkoholladens stellen wollen, bleibt unerklärlich, warum der Kläger bis heute nichts genaues über die weitere Existenz des Alkoholgeschäfts zu sagen vermag und sich nach seinen Angaben niemand weiter um den seit 10.07.2009 lediglich geschlossenen Laden gekümmert haben soll. Im übrigen wäre es erklärungsbedürftig, warum nicht der Kläger als Sohn die Funktionen des Vaters in der bis dahin offensichtlich gut florierenden Landwirtschaft übernommen hat, zumal insbesondere das Europäische Zentrum für kurdische Studien (EZKS an VG München vom 17.02.2010) darauf hinweist, dass im Sheikhan aufgrund des regenreichen Klimas und der guten Erschließungssituation (Existenz von Bewässerungssystemen) in effektiverer Weise Landwirtschaft betrieben werden könne als im Sindjar.
23 
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 21.04.2009, NVwZ 2009, 1237 m.w.N. zur Rspr.) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
24 
„Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs.1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 [204]) - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 60 Abs.1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. [204 f.]). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
25 
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs.1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art.6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f).
26 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsland die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs.1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs.1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).
27 
An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs.1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art.15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird.“
28 
Aufgrund der Auskunftslage ist nicht von einem staatlichen Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden im Irak auszugehen. Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 11.04.2010 nicht in systematischer Weise, allerdings in signifikantem Umfang statt. Auch die sonstigen Auskünfte enthalten keine Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, gibt.
29 
Für die Feststellung einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Gruppierungen fehlt es den Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden an der erforderlichen Verfolgungsdichte (ebenso: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.2006 - A 2 S 1150/04 -, juris; ferner etwa: VG Magdeburg, Urt. v. 20.01.2010 - 2 A 275/09 MD juris; Bayer.VG Ansbach, Urt. v. 04.02.2010 - AN 14 K 09.3035 - juris; VG München, Urt. v. 13.10.2009 - M 16 K 09.50224 - juris; VG Sigmaringen, Urt. v. 24.02.2010 - A 1 K 3310/09 - juris).
30 
Die Zahl der Yeziden liegt Schätzungen zufolge zwischen 200.000 und 600.000 Personen (Lagebericht des Auswärtigen Amtes Irak Stand August 2009, S.22; Lagebericht des Auswärtigen Amtes Irak vom 21.04.2010, S. 26 und S.7; Bundesasylamt der Republik Österreich, Die Sicherheitslage der Yeziden im Irak, vom 04.11.2009, S.8; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Informationszentrum Asyl und Migration, Lage der Religionsgemeinschaft der ausgewählten islamischen Länder, Ziffer 6.3.4 vom Juni 2009). Von den Yeziden leben etwa 2/3 in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa 1/3 im Distrikt Sheikhan oder in den Großstädten des Irak (vgl. dazu insbesondere VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.11.2006 und AA, Lagebericht vom 21.04.2010, EZKS vom 17.02.2010 an VG München). Der Sinjar liegt ebenso wie der größte Teil des Sheikhan in der ehemals zentralirakischen Provinz Ninive. Nur ein kleiner Teil Sheikhans, der Norden inklusive des Laleschtals, liegt in der kurdischen Provinz Dohuk.
31 
Das Auswärtige Amt beschreibt die Lage der Yeziden wie folgt: Offiziell anerkannte Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Chaldäer genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind in der Realität jedoch einem spezifischen Verfolgungs- und Vertreibungsdruck ausgesetzt. Ähnliches gilt für Schiiten und Sunniten in den Gegenden, in denen die jeweils andere Konfession die Mehrheit stellt. Die Menschenrechtslage im Irak bleibt prekär. Trotz der erheblich verbesserten Sicherheitslage im Land bleiben radikale und militante Gruppierungen - Terrororganisationen, Milizen und sonstige „oppositionellen“ Kämpfer - insbesondere im Raum Bagdad und den Provinzen Al-Anbar, Ninive und Diyala aktiv. Diese verschiedenen Gruppierungen überlagern sich zum Teil, teils bekämpfen sie sich aber auch gegenseitig. Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet zwar nicht in systematischer Weise, aber in signifikantem Umfang statt. Dabei führt die häufige Verwendung von staatlichen Uniformen und Fahrzeugen durch Angreifer diverser Milizgruppen dazu, dass sich die Verantwortung für bestimmte Taten oftmals nicht eindeutig zuordnen lässt. Konfessionell motivierte Verbrechen wie Ermordungen, Folter und Entführungen von Angehörigen der jeweils anderen Glaubensrichtung ereignen sich landesweit. Entführungen waren bis Mitte 2008 ebenfalls Ausdruck der ethnisch motivierten Gewalt. Gezielt greifen die Täter Angehörige der einen und der anderen Glaubensrichtung aus einer Gruppe heraus. Diese Gewalttaten haben seit 2008 nachgelassen. Insgesamt sind Minderheiten in der Region Kurdistan-Irak aber besser vor Gewalt und Verfolgung geschützt als in den übrigen Landesteilen. Die Anfang Juli 2009 vom kurdischen Regionalparlament verabschiedete Verfassung, die noch durch ein Referendum bestätigt werden soll, sieht umfangreiche Rechte für religiöse und ethnische Minderheiten in der Region vor. Auch in der Provinz Ninive (Mosul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet. Da die sunnitische Bevölkerung dort mit Al Qaida sympathisiert, hat sich die Terrorgruppe dort einen neuen Rückzugsort geschaffen, insbesondere seit ihrer Verdrängung Ende 2007 aus der Provinz Anbar. Yeziden im Nordirak sehen sich erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber zum Beispiel auch durch die Sicherheitskräfte der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) Druck ausgesetzt. Vertreter yezidischer Gemeinden in Deutschland berichteten dem Auswärtigen Amt im November 2009 von der anhaltenden schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage der Yeziden in ihrem Siedlungsgebiet im Nordirak, die auch von glaubhaften ausländischen Beobachtern vor Ort bestätigt werden. Im Jahr 2009 kam es laut UNAMI dort immer wieder zu sporadischen Übergriffen von Peshmerga-Einheiten gegen yezidische Dörfer. Die schwersten Anschläge gehen auf das Jahr 2007 zurück. Allein am 15.08.2007 starben infolge des schwersten Sprengstoffattentats seit 2003 neueren Schätzungen zufolge über 400 Angehörige der yezidischen Minderheit in der Provinz Ninive. Auch bis in die jüngste Zeit werden Gewalttaten gemeldet. So kamen bei einem Bombenanschlag auf ein Café in Sindjar am 18.08.2009 21 Yeziden ums Leben. Die irakischen Sicherheitskräfte sind bislang nicht in der Lage, gefährdete oder verfolgte Bevölkerungsgruppen effektiv zu schützen. Die Menschenrechtslage ist weiterhin katastrophal. Nichtstaatliche Akteure, insbesondere aufständische, sind für viele Menschenrechtsverletzungen (gezielte Morde, ethnische Säuberungen, Anschläge, Entführungen) im Irak verantwortlich (AA, Lagebericht Irak vom 11.04.2010, passim).
32 
Das Bundesasylamt der Republik Österreich (BAA, Die Sicherheitslage de Yeziden im Irak vom 04.11.2009) beschreibt die Sicherheitslage der Yeziden wie folgt: Die fortgesetzte Gewalt steht im Zusammenhang mit dem eskalierten Streit zwischen der kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung um die Regionen Mosul und Kirkuk. Dort haben Christen, Yeziden und Turkmenen eine lange Tradition und sind nun zwischen die beiden konkurrierenden Institutionen geraten. Aufgrund ihrer relativ kleinen Zahl und dem mangelnden Zugang zur Justiz sind sie besonders verwundbar. Verschiedene Faktoren machen weiterhin Yeziden und andere religiöse Minderheiten zum Ziel von Anschlägen - besonders durch islamistische Extremisten: Die Angehörigen von religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäer, Sabäer, Kaka‘i und Yeziden werden auch pauschal als Anhänger der irakischen Regierung und der internationalen Truppen und oft auch als Kurden angesehen. Dazu kommt die Verfolgung durch islamistische Extremisten, welche die Angehörigen der yezidischen Religionsgemeinschaft als „ungläubig“ ansehen. Hinzu kommt, dass Yeziden wie Christen traditionell im Alkoholverkauf tätig sind, was die in diesem Bereich tätigen Personen zusätzlich zum Ziel islamistischer Extremisten macht. In Mosul riefen Flugblätter zur Ermordung aller Yeziden auf. Im Juli 2008 schätzte das irakische Ministerium für Menschenrechte die Anzahl der zwischen 2003 und Ende 2007 im direkten und indirekten Angriffen getöteten Yeziden auf 335. Da bereits bei einer Anschlagserie laut zahlreichen Berichten allein etwa 400 Menschen starben, sind diese Toten entweder nicht in der Schätzung inkludiert oder das Ministerium geht von einer viel geringeren Zahl von Opfern aus als andere Quellen. Wie bei so vielen Schätzungen über Todesopfer im Irak können die Zahlen nur als bedingt verlässlich angesehen werden. Trotz einer generellen Verminderung der Gewalt im Irak im Jahr 2008 kommt es weiterhin zu Anschlägen gegen Yeziden. So wurde im Dezember 2008 eine siebenköpfige Familie von Extremisten erschossen. Zum Jahresende 2008 tötete eine Autobombe in der mehrheitlich yezidischen Staat Sinjar mehrere Personen und verletzte mehr als 40. Insgesamt hatte die Militäroperation Surge in der Provinz Ninive zwar die Gewalt verringern können, aber das Niveau blieb höher als anderswo. Al Qaida im Irak verübte trotz Drucks während des Surge immer wieder Terrorkampagnen gegen Yeziden, Kurden, Christen und Turkmenen in der Provinz Ninive. Mindestens 27 Menschen wurden im Laufe des August 2009 durch Anschläge in Sinjar getötet. In Mosul wurde laut einer Meldung vom 02.10.2009 das Haus eines Anführers der Yeziden, eines Colonels der Polizei, in die Luft gesprengt. Ausgehend von diesen Beispielen zeichnet sich ab, dass Extremisten sowohl die breitere yezidische Bevölkerung wie auch besonders exponierte Mitglieder gezielt angreifen, selbst wenn im Falle des Polizeioffiziers möglicherweise vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen zu überwinden waren. Dies lässt zusammen mit der hohen Anzahl von Toten im Laufe der Zeit auf beträchtliche Ressourcen und Knowhow schließen. Die Zahl der Yeziden fiel aufgrund gezielter Angriffe und der darauffolgenden Flucht von etwa 700.000 im Jahr 2005 auf etwa eine halbe Million. Derzeit liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Sicherheitslage in den Hauptsiedlungsgebieten der Yeziden in nächster Zeit nachhaltig verbessern wird. Dafür ist die Sicherheitslage in den umstrittenen Gebieten sehr von einer politischen Einigung zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung abhängig. Gleichzeitig birgt der Kampf um diese Gebiete, insbesondere um Kirkuk, Sprengstoff für die Sicherheitslage im gesamten Irak. Die Yeziden selbst können kaum die lokale Lage und schon gar nicht die überregionalen Ursachen beeinflussen, welche ihre Sicherheitslage prägt. Die Hauptakteure beim Kampf um die Provinz Ninive - und damit eng verknüpft Kirkuk - sind ganz andere und sind im Falle der arabischen Schiiten nicht einmal durch die größere Bevölkerungsgruppe vor Ort vertreten.
33 
Das Europäische Zentrum für kurdische Studien (EZKS) hat in einer Stellungnahme vom 17.02.2010 zur Lage der Yeziden im Irak, insbesondere zur Entwicklung der Sicherheitslage in der Provinz Ninive seit 2007 Folgendes ausgeführt: Gewalttätige Übergriffe gegenüber Yeziden sind in der de jure kurdisch verwalteten Region seit 2007 nicht mehr bekannt geworden. Gleichzeitig berichten viele Yeziden, dass Angehörige ihres Glaubens auch in de jure kurdisch verwalteten Gebieten alltäglicher Diskriminierung und Rassismus ausgesetzt sind. Dabei ist davon auszugehen, dass dies vor allem Yeziden trifft, die aus der Provinz Ninive in die de jure kurdisch verwalteten Provinzen kommen, um dort Arbeit zu finden. Bewohner des im Sheikhan gelegenen Zentraldorfs Mahat berichteten, sie würden von muslimischen Kurden in Dohuk, Erbil und Sulaimaniya herablassend behandelt und als Bürger zweiter Klasse betrachtet. Ähnliche Erfahrungen machen in verstärkter Form Yeziden aus dem Sinjar. Auch sie fühlen sich in den de jure kurisch verwalteten Gebieten nicht willkommen und sind zudem aufgrund ihres wenig städtischen Äußeren einfach identifizierbar. Was die Lage von Yeziden in den Großstädten Bagdad und Mosul anbelangt, so handelt es sich bei diesen nach wie vor um No-go-Areas für Yeziden. Dementsprechend leben in Bagdad und Mosul keine Yeziden mehr - zumindest nicht in wahrnehmbarer Größenordnung. Trotz der mittlerweile extrem geringen Zahl Yeziden, die in Mosul lebt oder sich dort zeitweise aufhält, werden noch immer Übergriffe auf und Morde an Yeziden in Mosul-Stadt bekannt. Am 03.11.2008 wurde ein yezidisches Ehepaar westlich von Mosul von unbekannten Tätern erdrosselt aufgefunden. Am 07.12.2008 wurden im Norden Mosuls zwei Yeziden in einem Laden, in dem Alkohol zum Verkauf angeboten wurde, erschossen. Im März 2009 schließlich wurden zwei yezidische Männern nahe Mosul tot aufgefunden. Einer der Leichname wies Schussverletzungen in Kopf und Bauch auf. Welche Motive derartige Einzelanschläge haben, ob der Hintergrund krimineller oder terroristischer Natur ist, lässt sich, anders als bei Selbstmordenattentaten an Orten, die traditionell von Yeziden aufgesucht bzw. bewohnt werden, nur schwer einschätzen. Zur Entwicklung der Sicherheitslage in der Provinz Ninive/Mosul seit 2007: Ab Mitte 2007 wurde die Provinz Ninive/Mosul zunehmend zu einem Rückzugsgebiet für sunnitische Extremisten, insbesondere Anhänger von Al Qaida. Gegenwärtig orientieren sich 16 der insgesamt 30 Subdistrikte der Provinz Ninive an der Vorgaben der Kurdistan Regional Regierung und nicht an den Vorgaben der Provinzregierung in Ninive. Im Entwurf für die kurdische Verfassung, die das Kurdistan Regional im Parlament am 22.06.2009 verabschiedet hat, wird die Eingliederung der folgenden umstrittenen Regierung der Provinz Ninive in die kurdische Region gefordert: Im Westen der Subdistrikt Zommar (Distrikt Tel Afar) sowie der Distrikt Sinjar (oder Sindjar) und der angrenzende Subdistrikt Al-Khataniya (Distrikt Al-Baady), der nach Vorstellung der KRG dem Distrikt Sinjar zugeordnet werden soll. Im Norden geht es um die Distrikte Tel Kef und Akra, wobei Akra seit 1991 unter kurdischer Kontrolle steht und zu den de jure kurdisch kontrollierten Gebieten der Provinz Ninive gehört). Im Osten geht es um die Distrikte Sheikhan bzw. Al-Scheichan und Al-Hamdaniya, wobei die Unterdistrikte Baadra, Atrusch, Qasruk (alle drei im Distrikt Sheikhan bzw Al Sheikhan gelegen) und Eski Kala (Distrikt Al Hamdaniya) ebenfalls seit 1991 unter kurdischer Kontrolle stehen und somit de jure kurdisch verwaltet sind. Außerdem wird der Subdistrikt Al-Baschika (Distrikt Mosul) von kurdischer Seite beansprucht. Ein großer Teil der geforderten Gebiete wird derzeit wie erwähnt bereits entweder de jure kurdisch verwaltet oder er steht unter de facto kurdischer Kontrolle. Es ist extrem schwierig, die sich ständig verschiebenden Grenzen der Gebiete unter de facto kurdischer Verwaltung genau zu benennen. Als vergleichsweise sicher kann jedoch derzeit gelten, dass Sinjar, Sheikhan und Al Sheikhan insgesamt unter de facto kurdischer Kontrolle stehen. Zum Distrikt Sinjar wird ausgeführt: Zum bislang schlimmsten Angriff im Irak gegenüber Zivilisten überhaupt kam es am Abend des 14.08.2007, als vier mit Sprengstoff beladene LKWs in den am Rande des Sinjar gelegenen yezidischen Zentraldörfern Al-Khataniya und Al-Jazerah detonierten. Bei den Angriffen starben über 320 yezidische Dorfbewohner, zwischen 530 und 700 weitere wurden verletzt, 400 Häuser völlig zerstört. In der ersten Jahreshälfte 2008 wurden mindestens fünf Yeziden in Sinjar ermordet, genauere Angaben zu den Hintergründen liegen nicht vor. Am 14.12.2008 drang eine Gruppe von Bewaffneten nachts in ein Haus in Sinjar Stadt ein und eröffnete das Feuer. Sieben Angehörige einer yezidischen Familie starben. Am 13.08.2009 sprengten sich zwei Selbstmordattentäter in einem belebten Teehaus im Kalaa-Viertel von Sinjar Stadt in die Luft. Sie töteten mindestens 21 Menschen und verletzten 32 weitere. In dem Teehaus trafen sich vor allem yezidische Jugendliche und junge Männer, um Domino zu spielen. Der Angriff scheint Teil einer ganzen Anschlagsreihe gegenüber Minderheitenangehörigen in der Provinz Ninive gewesen zu sein. Nachdem sich die US-Truppen aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit der irakischen Zentralregierung am 30.06.2009 aus der Ninive-Ebene zurückzogen, kam es innerhalb von sechs Wochen zu einem dramatischen Anstieg von Übergriffen gegenüber Christen, Schabak und Yeziden. Insgesamt starben über 137 Personen bei Angriffen, um die 500 Menschen wurden verletzt. Sämtliche Yeziden, die auf den Anschlag im Teehaus von Sinjar Stadt angesprochen wurden, interpretierten diesen als religiös motiviert, d.h. auf die yezidische Minderheit zielend. Die EZKS schätzt die Lage im Sinjar noch immer als extrem gefährlich ein. Trotz der Peshmerga-Präsenz kommt es zu massiven Anschlägen, die grundsätzlich jeden Yeziden treffen können. Auch das Leben in den - ethnisch homogenen - yezidischen Zentraldörfern bietet hier keine Sicherheitsgarantie, wie der Anschlag vom August 2007 zeigt. Im Gegenteil macht die ethnisch-religiöse Homogenität der Zentraldörfer diese zu geeigneten Zielen für religiös motivierte Angriffe. Nahezu alle Yeziden des Distrikts leben in Zentraldörfern. Darüber hinaus ist eine weitere Gruppe von Yeziden im Sinjar zu nennen, die besonders gefährdet ist. Es handelt sich um yezidische Aktivisten, die in Opposition zu Kurdistan Regionalregierung stehen. So wurden am 01.06.2007 zwei yezidische Oppositionelle namens Alias und Hami vom kurdischen Geheimdienst festgenommen. Die Festgenommenen wurden mehrfach verhört und sollen mit Fäusten, Schaufeln, Schuhen und Kabeln geschlagen und gefoltert worden sein. Obgleich ein irakischer Richter noch im Mai ihre Freilassung anordnete, blieben sie bis zum 28.10.2007 in Haft. Das EZKS führt zur Sicherheitslage im Distrikt Sheikan/Al Sheikhan Folgendes aus: Der Großteil der Distrikte Sheikhan und Al Sheikhan gehört zu den Gebieten unter de facto kurdischer Verwaltung, Ausnahme ist der nördlichste Teil des Distrikts Sheikhan mit dem Lalesch-Tal. Dieser Teil steht unter de jure kurdischer Verwaltung. Grundsätzlich ist die Sicherheitslage im Sheikhan besser als im Sinjar. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass er eine direkte Verbindung zu den de jure kurdisch verwalteten Gebieten aufweist. Es wurden in den diversen Menschenrechtsberichten etc. keine Hinweise darauf gefunden, dass es im Sheikhan/Al Sheikhan Übergriffe sunnitischer Extremisten auf Yeziden gegeben hat. Auch zu Auseinandersetzungen zwischen muslimischen und yezidischen Kurden wie am 15.02.2007 in der Stadt Ain Sifni Sheikhan im Anschluss an einen Konflikt zwischen Eheleuten ist es seither nicht mehr gekommen. Weiterhin sind in Sheikhan/Al Sheikhan keine Übergriffe gegenüber Yeziden dokumentiert, die in Opposition zur KRG-Politik stehen. Dies kann bedeuten, dass KRG-kritische Yeziden im Sheikhan nicht verfolgt werden oder aber, dass es im Sheikhan keine nennenswerte öffentliche Opposition gegen die KRG gibt. Was die ökonomische Situation im Sheikhan anbelangt, so ist diese im Vergleich zum Sinjar besser. Aufgrund des regenreicheren Klimas sowie der besseren Erschließung des Landes (Existenz von Bewässerungssystemen) kann in effektiver Weise Landwirtschaft betrieben werden. Aufgrund der besseren Sicherheitslage konnte die KRG zudem im Sheikhan umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur ergreifen als im Sinjar. Insgesamt ist festzuhalten, dass die infrastrukturelle Entwicklung des Sheikhan rasant fortschreitet. Abschließend ist somit festzuhalten, dass die Lage in den Distrikten Sheikhan und Al Sheikhan derzeit eher ruhig ist. Im Vergleich zu 2005 ist sowohl eine Verbesserung der Sicherheitslage als auch eine Verbesserung der Infrastruktur festzustellen. Wenn die Lage demnach nur zögerlich als sicher zu charakterisiert wird, dann deshalb, weil erhebliche Teile des Sheikhan auf umstrittenem Gebiet liegen und völlig unklar ist, wer diese mittelfristig kontrollieren wird.
34 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe , Irak, Die aktuelle Entwicklung in Zentral- und Südirak vom 05.11.2009 führt aus: Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten wie Christen, Yeziden, Turkmenen, Shabak, Kaka’i, Sabäer, Baha’i und Juden werden seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet. Yeziden, Shabak und Kaka’i sind wegen ihrer kurdischen Identität gefährdet, Shabak, Turkmenen und Faili-Kurden, die meistens schiititschen Glaubens sind, werden von sunnitischen Islamisten aufgrund ihres religiösen Hintergrundes umgebracht. Wegen der systematischen Verfolgung sind viele Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten geflohen und ihre Anzahl ist stark zurückgegangen. Vor allem in den umstrittenen Gebieten geraten religiöse und ethnische Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Shabak häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen. Zwischen August und Oktober 2008 flohen nach einer Reihe von Anschlägen Tausende Christen aus Mosul.
35 
Zu den Vorfällen zwischen März 2004 bis August 2007 berichtet insbesondere die Gesellschaft für bedrohte Völker in ihrem Memorandum „Die Yezidi im Irak“ vom November 2007: Danach tauchten im März 2004 in Mosul Flugblätter auf, die all diejenigen „Gottes Lohn“ verheißen, die Yeziden töten. Am 17.08.2004 wurde das Kind Fadi Aied Kheder aus Basika von Terroristen ermordet. Es wurde enthauptet, seine Leiche verbrannt. Ende August 2004 wurde ein Yezide, der in Mosul in einem Geschäft Luxusgüter und Accessoires arbeitete, von Unbekannten ermordet. Neben seiner Leiche fand man einen Zettel, auf dem „weil er ein Ungläubiger war“ stand. Am 23.09.2004 wurden in der Universität Mosul öffentlich Rundschreiben mit Drohungen gegen alle Frauen ausgehängt, die ohne Kopftuch die Universität besuchen. Am 01.10.2004 forderte der Imam in der Stadt Sheikhan über Lautsprecher alle Yeziden auf, zum Islam überzutreten, anderenfalls würden sie schwer bestraft. Im letzten Drittel des Jahres 2004 wurden 28 Drohbriefe an prominente Yeziden gerichtet. Speziell angespannt ist die Situation in Mosul und Kirkuk. Am 16.10.2004 wurden zwei Yeziden in der Stadt Telafar grausam getötet, weil einer von ihnen während des Ramadans geraucht und sich daher als Nichtmuslim zu erkennen gegeben hatte. Am 08.12.2004 wurden fünf Yeziden von extremistischen Moslems an der Bundesstraße Telafar Richtung Sinjar ermordet. Zwischen August 2004 und Mai 2005 wurden 34 Morde an Yeziden gezählt, davon zehn in Mosul, neun in der Region Sinjar und 14 in Telafar. Im Juli 2004 kam es zu Anschlägen auf den Kaimakam (Bürgermeister) von Sinjar. Am 17.09.2004 wurde das weltliche Oberhaupt der Yeziden, Mir Tashin Beg, in Alkosch, etwa 40 km von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk gelegen, Opfer eines Bombenanschlags und leicht verletzt. Am 2005 hatte sich die Situation in der Region Sinjar deutlich verschlechtert. Im Juli 2005 wurde in Bagdad ein gezielter Mordanschlag auf einen der Leibwächter von Mamou Othman, ehemaliger yezidischer Minister der Übergangsregierung, verübt. Im August 2005 wurde ein Yezide, der in Bagdad ein Alkoholgeschäft führte, entführt. Er wurde massiv gefoltert, konnte aber befreit werden. Am 01.11.2005 wurde zwischen Sinjar und Mosul ein Anschlag auf yezidische Arbeiter verübt. Sechs Personen starben und drei weitere wurden verletzt. Am 20.04.2006 wurde Hassan Nermo, ein Yezidi und Mitglied des Regierungsrats von Ninive. Am 15.02.2007 eskalierte ein Familienkonflikt in der Stadt Sheikhan in der Provinz Ninive. Eine kurdisch-muslimische Frau war vor ihrem Mann geflohen, von dem sie sich terrorisiert und tyrannisiert fühlte. Zwei kurdisch-yezidische Sicherheitsbeamte nahmen sie in ihrem Fahrzeug mit. Das erzählte sie später auch ihrer Familie. Einige Familienmitglieder warfen ihr daraufhin Ehebruch vor und bedrohten sie mit dem Tod. Auch die kurdisch-yezidischen Beamten sollten getötet werden. Der Familienkonflikt gipfelte in gewalttätigen Übergriffen auf kurdisch-yezidische Einrichtungen und Personen und konnte erst mit Personen der kurdischen Sicherheitskräfte aus Akre und Dohuk unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Personen wurden verhaftet. Die Frau wurde von ihrer eigenen Familie ermordet. Die Regionalregierung hatte Stellung bezogen und ihre Unterstützung der yezidischen Gemeinschaft bekräftigt. Am 22.04.2007 wurden in Mosul 24 yezidische Arbeiter getötet. Nach Medienberichten war dieses Attentat eine Vergeltung seitens islamischer Extremisten für die Ermordung des angeblichen zum Islam übergetretenen 17jährigen yezidischen Mädchens Dua Kalil Aswad. Sie war am 07.04.2007 Opfer eines grausamen Ehrenmordes geworden. Die Angehörigen der Yeziden haben nach dem Anschlag vom 22.04.2007 die irakische Regierung und die internationale NGOs aufgerufen, sie zu schützen. Nach diesem Anschlag sind fast alle Yeziden aus Mosul geflohen. Über 800 yezidische Studenten gaben ihr Studium ihr Mosul auf. Am 23.04.2007 kam es in Telleskof in der Provinz Ninive zu einem Anschlag ohne Opfer. Am 04.06.2007 wurde ein Yezide von Terroristen getötet und dessen Vater verletzt. Am 03.07.2007 wurden zwei Yeziden aus der Ortschaft Bashika von Unbekannten entführt. Die beiden Entführten wurden einen Tag später im Stadtviertel Sumer in Mosul tot aufgefunden. Am 14.08.2007 kam es zu verheerenden Anschlägen auf Yeziden in den Ortschaften Til Ezer und Siba Shiekh Khidir bei Sinjar in der größten yezidischen Region im Nordirak. Mehrere mit Sprengstoff gefüllte Autos explodierten in zwei Dörfern. Etwa 400 Menschen wurden getötet und hunderte verletzt. Es handelte sich um die größten Anschläge im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003.
36 
Auf der Grundlage der dargestellten Erkenntnismittel kann in quantitativer Hinsicht nicht auf eine Verfolgungsdichte, die ohne weiteres für jeden einzelnen Yeziden die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entstehen lässt, geschlossen werden. Die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren ist - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Yeziden nicht geeignet, eine Verfolgung der Yeziden als religiöse Gruppe zu belegen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Anbetracht der Unklarheit über die Gruppengröße der Yeziden eine zahlenmäßig niedrige Gruppengröße der unterschiedlich groß geschätzten Gruppe von nur 200.000 bis 250.000 zugrunde legen würde und weiter davon ausginge, dass alle berichteten Maßnahmen gegen die Yeziden in Bezug auf die Verfolgungshandlung und in Bezug auf die Verknüpfung zwischen Handlung und Grund verfolgungsrelevant im Sinne der Art.9 Abs.1 Buchstabe a und Abs.1 Buchstabe b, Art.9 Abs.2 Buchstabe a und Art.9 Abs.3 i.V.m. Art.10 Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie) wären, was kaum der Fall sein dürfte. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei einer deutlich größeren Gruppe eine Verfolgungsdichte von etwa einem Drittel im Ansatz als hinreichend angesehen, um eine Gruppenverfolgung annehmen zu können (BVerwGE 101, 123 ff.). Selbst bei der Annahme einer hinreichenden Verfolgungsdichte von nur einem Zehntel, was bei der hier zu betrachtenden deutlich kleineren Gruppe eher angemessen sein dürfte, würde sich eine hinreichende Verfolgungsdichte aufgrund des vorliegenden Tatsachenmaterials nicht konkret belegen lassen, auch wenn man nur die Verfolgungsschläge zwischen den Jahren 2004 und 2007 in den Blick nähme und dabei außer Acht ließe, dass die Dichte verfolgungsrelevanter Maßnahmen gegen die Yeziden und die Anzahl der Gewalttätigkeiten im Irak allgemein in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber den Vorjahren erheblich zurückgegangen ist. Diese Aussage gilt auch, wenn man nur die Gruppe der in der Provinz Ninive lebenden Yeziden betrachtet (AA, Lagebericht Irak vom 21.04.2010, S.26). Damit liegt die tatsächlich festgestellte Verfolgungsdichte - selbst unter Berücksichtigung einer Dunkelziffer - weit unter der kritischen Verfolgungsdichte, bei deren Vorliegen eine Gruppenverfolgung zu bejahen wäre. Mit Blick auf die Distrikte Sheikhan und Al-Sheikhan, neben dem Sindjar eines der Hauptsiedlungsgebiete der Yeziden im Irak, ist zudem anzuführen, dass die Sicherheitslage dort grundsätzlich besser ist als im Sindjar. Der Großteil dieser Gebiete gehört zu den Gebieten, die de facto kurdisch verwaltet werden mit Ausnahme des nördlichsten Teils des Distrikts Sheikhan, der sogar unter de jure kurdischer Verwaltung steht (EZKS an VG München vom 17.02.2010, S.23 ff.).
37 
Die von den dargestellten Verfolgungsschlägen betroffenen Yeziden lassen sich auch nicht unter einem anderen Merkmal als der Religionszugehörigkeit als - eventuell - kleinere Gruppe zusammenfassen bzw. abgrenzen.
38 
Der Kläger kann auch nicht deshalb die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft beanspruchen, weil andere Yeziden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Vergangenheit aufgrund der Erlasslage des BMI vom 15.05.2007 (M I 4-125 421 IRQ/0) als Flüchtlinge anerkannt worden sein sollen. Bis Mitte August 2009 war die Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge von diesem Erlass bestimmt, wonach bei der Gruppe der religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäern und Yeziden grundsätzlich von einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure auszugehen war. Seit Mitte August 2009 kam es allerdings aufgrund der turnusmäßigen Überprüfung der Maßnahme in Absprache mit dem Bundesinnenministerium zu einer Änderung der Entscheidungspraxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach Maßgabe des § 60 Abs.1 AufenthG ergibt sich nicht aus Art.3 Abs.1 GG i.V.m. dem genannten Erlass des BMI. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG ist eine gebundene Entscheidung. Ihre Voraussetzungen werden vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs.1 AsylVfG) geprüft. Auch der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Beklagte hat ihre Verwaltungspraxis auf der Grundlage einer internen Dienstanweisung geändert. An einer solchen Änderung ihrer Verwaltungspraxis ist die Beklagte nicht gehindert.
II.
39 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2, 3 oder Abs.7 Satz 2 AufenthG oder nach § 60 Abs.5 oder Abs.7 Satz 1 AufenthG.
40 
1. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist gemäß § 77 Abs.1 AsylVfG die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union vom 19.08.2007 am 28.08.2007 geltende Rechtslage. Diese Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2 bis 7 AufenthG geändert hat und hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs.2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
41 
Anhaltspunkte für das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs.2 oder 3 AufenthG sind auf der Grundlage des Vortrags des Klägers nicht ersichtlich.
42 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift, mit der die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
43 
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
44 
Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 25.03.2010 - A 2 S 364/09 -) ist die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, wohl zu verneinen. Darauf kommt es jedoch hier nicht an, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 Satz 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben „im Rahmen“ dieses Konflikts ausgesetzt ist. Eine solche Gefahr lässt sich im Falle des Klägers nicht feststellen.
45 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188; EuGH, Urt. v. 17.02.2009 - Rs. C-465, 07-Elgafaji) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
46 
Gefahrerhöhende Umstände in seiner Person werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Für das Vorliegen solcher Umstände vermag auch das Gericht nichts zu erkennen. Die Frage, ob der Verkauf von Alkohol durch Yeziden einen solchen gefahrerhöhenden Umstand darstellt, stellt sich hier nicht. Zum einen hat der Kläger nach seinem Vortrag sein Alkoholgeschäft selbst geschlossen, zum anderen erscheinen dem Gericht seine Angaben insgesamt nicht glaubhaft.
47 
Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch nicht einmal für die Provinz Tamim, die derzeit zu den „gefährlichsten“ Provinzen zählt (AA, Lagebericht Irak vom 11.04.2010) feststellen. Danach ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak sich zwar erheblich verbessert hat, sie aber im weltweiten Vergleich immer noch verheerend ist. Seit Frühsommer 2007 hat die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. 2009 halbierte sich die Anzahl der Todesopfer auf 4.497 (Stichtag: 16.12.2009) im Vergleich zum Vorjahr. Derzeit kommt es immer noch wöchentlich zu mehr als 100 Anschlägen, bei denen insgesamt ca. 150 Todesopfer zu beklagen sind. Schwerpunkte terroristischer Anschläge bleiben weiterhin Bagdad und der Zentralirak, vor allem im Nordosten (Diala, Salahadin) sowie die Provinzen At-Tamin mit der Hauptstadt Kirkuk und Ninive mit der Hauptstadt Mosul. Besonders gefährdet sind nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Insgesamt hat aber die interkonfessionelle Gewalt seit dem Durchgreifen der irakischen Regierung gegen die Milizen seit dem Frühjahr 2008 nachgelassen.
48 
Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts "Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte" vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar seien. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2009 hat sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Die Sicherheitslage in den sogenannten umstrittenen Gebieten habe sich verschlechtert. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.
49 
Zur Abschätzung des sich ergebenden Gefahrengrads ist die Zahl der Opfer von Anschlägen in Bezug zu der Zahl der gesamten Bevölkerung des Irak zu setzen. Nach dem in der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts zitierten Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahr 2009 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei etwa 4.645 gelegen. Im Jahr 2008 habe die Zahl noch über 9.000 betragen. Das Informationszentrum Asyl und Migration zitiert ferner einen Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009, in dem bezogen auf den Zeitraum März bis Mai 2009 eine durchschnittlichen Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von 9,2 pro Tag genannt wird. In einen späteren Bericht vom September 2009, der sich auf den Zeitraum Juni bis August 2009 beziehe, sei von durchschnittlich 204 Anschlägen pro Woche gegen die Zivilbevölkerung, die irakischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen die Rede, die damit um 19 % gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum zurückgegangen seien. Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung sei in diesem Zeitraum allerdings leicht auf 9,5 Tote pro Tag angestiegen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.03.2010, aaO). In der Provinz Ninive (insgesamt ca. 2,8 Millionen Einwohner) mit der Hauptstadt Mosul (zweitgrößte Stadt des Iraks mit 1,7 Millionen Einwohnern) ist es nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts im Jahr 2009 zu 845 Toten bei 474 Anschlägen gekommen sein, was auf 100.000 Einwohner bezogen 30,1 Tote bei 1,8 Toten je Vorfall bedeutet.
50 
Danach kann nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Damit kann die Frage, ob ein innerstaatlicher oder internationaler Konflikt in der Provinz Ninive anzunehmen ist, offen bleiben.
51 
Erreicht damit die Anzahl der Anschläge, denen die Zivilbevölkerung allgemein ausgesetzt ist, nicht die für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs.7 Satz 2 AufenthG erforderliche Dichte, wird diese auch dann nicht erreicht, wenn die vom Kläger in Anspruch genommene Zugehörigkeit zu den Yeziden als persönliches, gefahrerhöhendes Merkmal in den Blick genommen wird. Es wurde bereits oben ausgeführt, dass sich auch daraus nicht die notwendigen Anhaltspunkte für die Annahme der für eine Gruppenverfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Abs.1 AufenthG erforderlichen Verfolgungsdichte ergeben.
52 
2. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs.5 oder Abs.7 Satz 1 AufenthG vor.
53 
Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs.5 AufenthG sind nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich.
54 
Auch ein national begründetes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs.7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art.15 Buchstabe c) der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs.1 Satz 1 AufenthG gewährt.
55 
Dem Vortrag des Klägers lassen sich Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefährdungssituation nicht entnehmen. Bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen im Heimatland des Klägers handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG führen können, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Dem Kläger wird aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs.7 Satz 3, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil (vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.09.2004 - A 2 S 471/02 -, ESVGH 55, 123 mit Hinweis auf BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs.6 Satz 1 AuslG; Urt. v. 04.05.2006 - A 2 S 1046/05 -, ESVGH 56, 253 und Beschluss vom 08.08.2007 - A 2 S 229/07 -, VBlBW 2008, 34 = DÖV 2008, 165; BVerwGE 114, 379). Aufgrund der derzeitigen Erlasslage (Erlasse des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 27.11.2003 und vom 29.07.2004 - Az.: 4-13-IRK/12-, die auf den Beschlüssen der ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom 21.11.2003 und vom 08.07.2004 beruhen, ferner: Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 12.03.2007 - Az.: 4-1310/131 -, geändert mit Schreiben vom 20.07.2007; fortgeschrieben 05.10.2009, Abschnitt D, Irak Nr.3) sind irakischen Staatsangehörigen Duldungen zu erteilen bzw. erteilte Duldungen zu verlängern (vgl. hierzu auch VG Karlsruhe, Beschl. v. 13.04.2006 - A 10 K 268/06 - und etwa Urt. v. 10.03.2008 - A 10 K 3044/07 -, st.Rspr.).
56 
Im Übrigen käme beim Fehlen einer solchen Regelung die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs.7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (BVerwG, Urt. v. 24.06.2008, BVerwGE 131, 198, 211). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das oben Ausgeführte derzeit nicht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.03.2010, a.a.O.).
III.
57 
Die Abschiebungsandrohung und die darin bestimmte Ausreisefrist sind gemäß § 34 Abs.1 Satz 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG rechtmäßig. Insbesondere ist der Kläger nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels und es besteht keine Veranlassung, in der Androhung einen Staat zu bezeichnen, in den der Kläger nach § 60 AufenthG nicht abgeschoben werden darf (§ 59 Abs.3 Sätze 2 und 3 AufenthG).
58 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs.1, 155 Abs.2 VwGO, § 83b AsylVfG.
59 
Soweit das Verfahren eingestellt wurde, ist die Entscheidung unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Juni 2010 - A 10 K 3473/09

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Juni 2010 - A 10 K 3473/09

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Juni 2010 - A 10 K 3473/09 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 7 Aufenthaltserlaubnis


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 3 Passpflicht


(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im B

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Juni 2010 - A 10 K 3473/09 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 09. Juni 2010 - A 10 K 3473/09 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 25. März 2010 - A 2 S 364/09

bei uns veröffentlicht am 25.03.2010

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Mai 2007 - A 3 K 10535/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtkostenfreien -

Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil, 24. Feb. 2010 - A 1 K 3310/09

bei uns veröffentlicht am 24.02.2010

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Tatbestand   1  Der am ...1980 geborene Kläger ist irakischer Staatangehöriger.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 08. Aug. 2007 - A 2 S 229/07

bei uns veröffentlicht am 08.08.2007

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Februar 2006 - A 11 K 17/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Re

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Nov. 2006 - A 2 S 1150/04

bei uns veröffentlicht am 16.11.2006

Tenor Auf die Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2001 - A 12 K 11052/00 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfrei

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 16. Sept. 2004 - A 2 S 471/02

bei uns veröffentlicht am 16.09.2004

Tenor Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten und der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. März 2002 - A 12 K 10694/01 - teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die K

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2001 - A 12 K 11052/00 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der erstinstanzlichen Kosten des Bundesbeauftragten, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben am ....1979 in Khange, Provinz Dohuk (Irak) geboren und irakischer Staatsangehöriger jezidischen Glaubens. Er stellte am 7.9.1999 Antrag auf Gewährung von Asyl.
Am 8.9.1999 wurde der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich angehört. Er erklärte, auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Seine Volkszugehörigkeit gab er mit arabisch an, weil das Oberhaupt der irakischen Jeziden, Thassin Beg empfohlen habe, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. 1990 sei er zusammen mit Eltern und Geschwistern nach Baschiqa (etwa 30 km von Mosul entfernt) gezogen. Er habe zunächst etwa drei Jahre im Spirituosenladen eines Onkels mitgearbeitet. Danach sei er im Fischhandel beschäftigt gewesen. Bis zur Ausreise habe er im Basar in Marwan, einem Stadtteil von Mosul, mit Fischen gehandelt. Sein Vater sei 1996 verstorben, seine Mutter 1998. Seine Brüder Salim und Sabah lebten in Bagdad. Zwei verheiratete Schwestern wohnten im Sindjar. Sein Bruder Hassan lebe in Deutschland. Er habe zuletzt mit dessen Ehefrau, seiner Schwägerin ... - der Klägerin des Verfahrens A 2 S 992/04 -, und ihren fünf Kindern zusammen gelebt. Sie seien mit ihm nach Deutschland gekommen. Er habe seiner Schwägerin, die bereits zwei Jahre vor ihm in die Türkei ausgereist sei, durch einen türkischen Jeziden Geld geschickt. Dies habe der Geheimdienstmann aus Tikrit entdeckt, mit dem schon sein Bruder Schwierigkeiten gehabt habe. Der habe ihn im April 1999 festgenommen. Er, der Kläger, habe dann eine Erklärung unterschreiben müssen, dass er das (das Versenden von Geld an seine Schwägerin) nie wieder tun werde. Dann sei eines Tages auf dem Markt das Gerücht aufgekommen, er sei ein Verräter, bei man nicht mehr kaufen solle. Sein Onkel mütterlicherseits und sein Bruder hätten ihm deshalb geraten, das Land zu verlassen. Dieser Onkel habe früher eine Bar gehabt, aus der er später einen Laden gemacht habe. Ob sein Bruder auch in der Bar gearbeitet habe, könne er nicht sagen, weil dieser beim Geheimdienst gearbeitet habe. Der türkische Jezide, der der Schwägerin das Geld gebracht habe, sei ihm von Jeziden aus Khange benannt worden, von denen viele nach Mosul gekommen seien. Er selbst habe nicht nach Khange zurück gedurft. Seine Familie , d.h. seine Eltern, seine drei Brüder und die Schwägerin ... sowie drei ihrer Kinder, seien 1990 von dort deportiert worden, weil sein Bruder vor dem Kurdenaufstand 1990 Mitglied des irakischen Geheimdienstes gewesen sei. Während des Aufstands seien viele Geheimdienstmitarbeiter, darunter viele Jeziden, getötet worden. Nach dem Aufstand hätten die Jeziden Angst vor den Kurden gehabt und seien nach Mosul geflüchtet. Die Kurden erlaubten ihnen die Rückkehr nicht. Sein Bruder habe auch in Baschiqa weiterhin für den irakischen Geheimdienst gearbeitet. Als dieser Probleme mit einem Kollegen bekommen habe, der Waffen geschmuggelt habe, habe er das Land verlassen müssen.
Mit Bescheid vom 28.3.2000 wurde der Asylantrag des Klägers abgelehnt (Nr.1) und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr.2) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Nr.3) nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr.4). Der Bescheid wurde dem Kläger am 4.4.2000 zugestellt.
Am 12.4.2000 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zuletzt beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.3.2000 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise: Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - vorliegen. Den angekündigten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat er in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
Mit Urteil vom 8.10.2001 - A 12 K 11052/00 - hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Asylanerkennung zurückgenommen worden war. Weiter hat es die Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 28.3.2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Denn ihm drohe auf Grund von Nachfluchtgründen, nämlich seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung im Bundesgebiet, im Fall der Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Auf die Schutzzone im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, denn dort würde das wirtschaftliche Existenzminimum für ihn nicht gewährleistet sein. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Nordirak Aufnahme und Unterstützung finden könne. Er habe seinen Lebensmittelpunkt in Al-Risala bei Mosul, nachdem seine Familie im Jahr 1990 dorthin übergesiedelt sei. Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung habe er sich wegen der Kontakte seines Bruders Hassan zu den Sicherheitsdiensten Saddam Husseins im Nordirak nicht mehr sicher vor Übergriffen seitens der kurdischen Parteien gefühlt. Beziehungen verwandtschaftlicher oder sonstiger Art könnten daher den Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz im Nordirak für ihn nicht ermöglichen.
Auf Antrag des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 10.4.2002 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Der Beteiligte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8.10.2001 - A 12 K 11052/00 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Für das Berufungsverfahren wurde mit Beschluss vom 7.5.2003 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 2.9.2004 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13.3.2006 macht der Kläger ferner geltend, ihm drohe bei Rückkehr in den Irak Verfolgung wegen seiner jezidischen Religionszugehörigkeit.
14 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
15 
Dem Senat lagen die im Fall des Klägers, seines Bruders ... ... (2 271 100-438) und seiner Schwägerin ... ..., der Klägerin des Verfahrens A 2 S 992/04, angefallenen Akten des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Auf diese Akten und die den Beteiligten überlassene Liste von Erkenntnismitteln und die gesondert übersandten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die vom Senat zugelassene Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in dessen Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87 b AsylVfG i.d.F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3 , 5 und 7 AufenthG (früher § 53 AuslG) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
1. Über das Verpflichtungsbegehren des Klägers ist mangels einschlägiger Übergangsregelung nach der neuen, durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geänderten Rechtslage zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.5.2006 - 1 C 8.05 -, NVwZ 2006, 1180).
18 
Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl II 1953 S.559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 (auch) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (Buchst. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren (Buchst. c) ausgehen, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
19 
Religiöse oder religiös motivierte Verfolgung - wie sie vom Kläger im Berufungsverfahren in erster Linie geltend gemacht wird - ist allgemeiner Ansicht nach politische Verfolgung, wenn sie nach Art und Schwere geeignet ist, die Menschenwürde zu verletzen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a., BVerfGE 54, 341, 357; Urteil vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86, BVerfGE 76, 143, 158). Art. 16a GG (und mithin § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) schützt daher vor Verfolgung jedenfalls im privaten Bereich und daher das „religiöse Existenzminimum“. Dieses ist u.a. berührt, wenn dem Betroffenen seine religiöse Identität geraubt wird, indem ihm etwa unter Androhung von Strafen für Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender Inhalte ihrer Glaubensüberzeugung zugemutet wird oder er daran gehindert wird, seinen eigenen Glauben, so wie er ihn versteht, im privaten Bereich und zusammen mit anderen Gläubigen zu bekennen. Steht nicht die Gruppe der Gläubigen im Blickfeld der Verfolger, ist zudem zu fordern, dass die Verfolgung am Herkunftsort die „religiös personale“ Identität des Betroffenen betrifft (vgl. BVerfG, Urteil vom 1.7.1987, aaO, 159 f.). Diese Forderung ergibt sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die asylrechtliche Rechtfertigung der Erheblichkeit eines objektiven Nachfluchtgrundes - wie er hier geltend gemacht wird - die in der Unzumutbarkeit der Rückkehr des Betroffenen zu sehen ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9.4.1991 - 9 C 100/90 -BVerwGE 88, 92, 96 = NVwZ 1992, 272).
20 
Religiös motivierte Verfolgung ist auch Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rats vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie). Nach Art. 10 Abs. 1 b dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Verfolgungsgründe, dass der Begriff der Religion u.a. die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich umfasst. Mit diesem Inhalt wird der Schutz vor Verfolgung auf solche Maßnahmen ausgedehnt, die an die öffentliche Glaubensbetätigung anknüpfen. Nach Art. 38 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie ist der Mitgliedsstaat verpflichtet, sein innerstaatliches Recht und seine Verwaltungspraxis mit der Richtlinie spätestens bis zum 10.10.2006 in Übereinstimmung zu bringen. Diese Pflicht trifft auch die nationalen Gerichte vor Ablauf der Umsetzungsfrist (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006 - A 2 S 571/05 -, AuAS 2006, 175). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist geht der erkennende Senat von der unmittelbaren Geltung der Richtlinie auch im vorliegenden Berufungsverfahren aus. Allerdings ist nicht jede Diskriminierung in dem so verstandenen religiösen Schutzbereich zugleich auch Verfolgung wegen der Religion. Sie muss vielmehr das Maß überschreiten, das lediglich zu einer durch die Diskriminierung eintretenden Bevorzugung anderer führt, sich mithin also als ernsthafter Eingriff in die Religionsfreiheit darstellen (dazu Marx, AsylVfG, 6. A., § 1 Rdnr. 212 m.w.N.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die auf die - häuslich-private, aber auch öffentliche - Religionsausübung gerichtete Maßnahme zugleich auch mit Gefahr für Leib und Leben verbunden ist oder zu einer dem entsprechenden „Ausgrenzung“ führt (vgl. dazu auch Marx, aaO Rdnr. 208 f. m.w.N.).
21 
2. Bei der Prüfung, ob dem Asylsuchenden im Fall der Rückkehr in sein Heimatland politische Verfolgung droht, ist sowohl dann, wenn es an einer Vorverfolgung fehlt, als auch dann, wenn diese keinerlei Verknüpfung mit den für die Zukunft befürchteten Maßnahmen aufweist, der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht der sog. abgeschwächte Prognosemaßstab der hinreichenden Sicherheit vor erneuter bzw. wiederholter Verfolgung maßgeblich (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 191 und vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -). Danach kommt es darauf an, ob dem Ausländer bei verständiger, objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falls nicht zuzumuten ist, in den Heimatstaat zurückzukehren, d.h. ob durch diese Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des betreffenden Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Das ist der Fall, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgeblich ist dabei letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162).
22 
Hier erscheint schon die behauptete Vorverfolgung nicht glaubhaft; denn der Kläger hat zum Beweis für die vom Geheimdienst im April 1999 erzwungene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiterer Unterstützung seiner Schwägerin eine am 2.4.1998 abgegebene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiteren Kontakts mit dem aus dem Irak geflohenen Bruder vorgelegt. Auch weichen die Angaben von Bruder und Schwägerin zu den Ausreisegründen des Erstgenannten signifikant voneinander ab. Während der Bruder angab, auf Grund einer im Verlauf von Wochen deutlich gewordenen Bedrohung durch einen Geheimdienstoffizier zur Ausreise veranlasst worden zu sein, sprach die Schwägerin von der mit einem Vorlauf von etwa einem halben Jahr verwirklichten Absicht, ins Ausland zu gehen. Weitere Ungereimtheiten im Sachvortrag des Klägers ergeben sich aus der Schilderung des Geldtransfers in die Türkei. So gab der Kläger zunächst an, dass er das Geld einem ihm bekannten türkischen Jeziden namens K. G. übergeben habe, der ganz offiziell Handel in Mosul betreibe. Erst auf Vorhalt, dass dies zumindest offiziell nicht möglich sei, erklärte er dann, der Handel sei wohl im Kurdengebiet betrieben worden. Der Frage, wie er sich denn mit diesem Mann getroffen habe, wich er mehrmals aus und gab dann an, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Die Geldübergabe sei über zwei Jeziden aus seinem Dorf erfolgt.
23 
Auch müssen durch das Baath-Regime Vorverfolgte bei Rückkehr in den Irak nicht mehr politisch erhebliche Verfolgung durch dieses Regime befürchten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/ 05 -, DVBl 2006,1059 dargelegt, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. An dieser Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der neuen Berichterstattung festzuhalten, wie im Senatsurteil vom 21.6.2006 (aaO) dargelegt wird, auf dessen Begründung auch insoweit verwiesen wird. Jedenfalls stünde die geltend gemachte Vorverfolgung durch das Baath-Regime wegen der Unterstützung der Schwägerin in keinem Zusammenhang mit einer für die Zukunft geltend gemachten Gefahr von Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit des Klägers als Jezide (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05).
24 
3. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak wegen seiner Religionszugehörigkeit derzeit und auf absehbare Zeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche oder „quasi-staatliche“ Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a) und (b). Auch wäre er nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nichtstaatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt (c). Offen bleiben kann, ob der Kläger wegen seiner Religionszugehörigkeit als Einzelner politischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre, da er jedenfalls in den kurdisch verwalteten Gebieten des Nordirak eine innerstaatliche Fluchtalternative hätte (d).
25 
Die jezidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Entstehungsgeschichte etwa 4 000 Jahre zurückreicht. Die Zugehörigkeit zur jezidischen Glaubensgemeinschaft wird nur durch Vererbung erworben, es besteht keine Möglichkeit, zum Jezidentum zu konvertieren. Das Jezidentum gilt nach islamischer Lehre im Gegensatz zum Christen- oder Judentum nicht als schutzwürdige Glaubensgemeinschaft einer Buchreligion, da die jezidische Religion mündlich tradiert wird. Jeziden gelten daher für einige Muslime als Häretiker bzw. Andersgläubige und werden als „ungläubig“, „gottlos“ und „unrein“ bezeichnet. Es wird berichtet, dass radikale Muslime die Auffassung vertreten, die Tötung eines Jeziden sei eine heilige Handlung, die dem Täter den Einlass ins Paradies garantiere, und dass muslimische Geistliche u.a. auch in den kurdischen Städten Dohuk und Semele Hass und Verachtung gegen Ungläubige schüren (amnesty international - a.i. - vom 16.8.2005 an VG Köln). Hinzu kommt, dass die Jeziden Kurden sind und allgemein für Kurden gehalten werden, auch solche, die sich in der Saddam-Zeit als Araber deklariert haben. Kurden stehen als treue Verbündete der Amerikaner im Kampf um die Gestaltung der Zukunft des Iraks und wegen ihrer „gottesstaatsfeindlichen, auf die Errichtung eines im Wesentlichen laizistischen Staatswesens gerichteten politischen Haltung“ den amerikanischen Wertevorstellungen besonders nah und haben deshalb bei Terroristen und sonstigen „Widerstandskämpfern“ den Ruch der Kollaboration und bieten sich auch deshalb als Angriffsziele für diese dar (Deutsches Orient-Institut - DOI - vom 14.2.2005 an VG Köln). Sowohl muslimische als auch arabisch-nationalistische Kreise begreifen die Kurden als „Verräter“. So gut wie alle Jeziden definieren sich als Kurden. Es gab in letzter Zeit wiederholt Aufrufe in Moscheen in Mosul und anderen Städten des Zentralirak dazu, Kurden zu töten, bzw. in denen die Ermordung von Kurden sogar als dringlicher und „besser als die Ermordung von Juden und Amerikanern bezeichnet wurde“ (vgl. zum Ganzen: Europäisches Zentrum für kurdische Studien - EKZS - vom 3.11.2004 an VG Köln) .
26 
a) Eine Verfolgung durch den irakischen Staat, die mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist, droht dem Kläger mit Blick auf die behaupteten, vom Senat allerdings als nicht glaubhaft erachteten Vorverfolgungsgründe (s. oben) weder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in der für die anzustellende Gefährdungsprognose in den Blick zu nehmenden absehbaren Zukunft. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 - eingehend dargelegt. Auf die Gründe kann daher verwiesen werden. Unter dem weiteren Gesichtspunkt der Verfolgung religiöser Minderheiten, zu denen auch die Jeziden gehören, fehlt es an Anhaltspunkten für eine vom irakischen Staat ausgehende Verfolgung. Zwar wird - wie oben dargestellt - von Übergriffen auch gegen Jeziden berichtet. Gewaltsame Übergriffe durch staatliche Akteure finden sich in diesen Berichten indes nicht (etwa UNHCR vom 2.8.2006 an VG Ansbach; ai vom 16.8.2005 an VG Köln; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln; EZKS vom 3. 11. 2004 an VG Köln). Betont wird ausschließlich die Machtlosigkeit der staatlichen Institutionen, namentlich der Polizei, die weder über Mittel noch Wege verfügt, sich dem islamistischen Einfluss zu entziehen oder Verbrechensbekämpfung vorzunehmen, geschweige denn sich selbst zu schützen (EZKS vom 7.3.2005 an VG Köln; AA, Lagebericht vom 29.6.2006; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln).
27 
b) Auch geht der erkennende Senat davon aus, dass dem Kläger im Fall einer Rückkehr in den Irak keine quasi-staatliche Verfolgung droht (zu ihr vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260, 1353/98 - NVwZ 2000, 1165). Gruppierungen, die - wie etwa die Koalitionsstreitkräfte - als „staatsähnliche“ Verfolger in Betracht kommen könnten, üben zwar mannigfaltig Repressionen aus; es fehlt aber jeglicher Anhalt dafür, dass die Gewalttätigkeiten auf Jeziden und deren Religionsausübung ausgerichtet sein könnten. Dies gilt im Übrigen auch für die beiden sich im Nordirak die Herrschaftsgewalt teilenden kurdischen Parteien (UNHCR, Hintergrundinformation: Religiöse Minderheiten vom Oktober 2005 und vom 2.8. 2006 an VG Ansbach).
28 
c) Gegenwärtig lässt sich auch nicht feststellen, dass Jeziden - wie der Kläger - im Irak als Gruppe wegen ihrer Religion von insoweit allein in Betracht kommenden nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden.
29 
Legt man den Wortlaut des Abs. 1 Satz 4 Buchst. c des § 60 AufenthG und seine systematische Stellung im Normgefüge des Abs. 1 zu Grunde, ist der Begriff des nichtstaatlichen Akteurs gegenüber denen der Buchst. a und b ein „Auffangbegriff“, dessen Regelungsbereich über den der Vorgängerregelung in § 51 Abs. 1 AuslG hinausgeht, und der ein weites Verständnis fordert. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -) erfasst § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere Einschränkung, namentlich auch Einzelpersonen, sofern von ihnen Verfolgungshandlungen im Sinne des Satzes 1 ausgehen. Auch bei einem derartigen Verständnis der nichtstaatlich Handelnden lässt sich eine von diesen ausgehende Verfolgung der Jeziden als Gruppe nicht feststellen. Eine solche Verfolgung ist dann gegeben, wenn die Verfolgung der durch asylerhebliche Merkmale gekennzeichneten Gruppe als solcher und damit grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern gilt. In diesem Fall kann die Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, dass jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat jederzeit eigene Verfolgung erwarten muss (dazu BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/83 u.a. - BVerfGE 83, 216, 231 f.). Diese Annahme setzt allerdings voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsgutbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst Opfer solcher Maßnahmen zu werden (BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991, aaO, 232). Diese Verfolgungsdichte, die mit Blick auf eine Anzahl von Eingriffen, den Zeitraum, in dem die Eingriffe erfolgen, und die dabei in Rede stehenden Gebiete des Verfolgerstaates zu bestimmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, aaO 169 = NVwZ 1992, 582), ist bei Jeziden im Irak nicht in dem für die Annahme einer Gruppenverfolgung geforderten Umfang gegeben.
30 
Die Zahl der Jeziden liegt Schätzungen zu Folge zwischen 200 000 und 600 000 (AA, Lagebericht vom 29.6.2006; nach UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, Oktober 2005: bei 550 000; nach DOI vom 14.2.2005 an VG Köln zwischen 200 000 bis 250 000). Mit lediglich einem von 275 Sitzen im irakischen Parlament hat der Vertreter der jezidischen Religionsgemeinschaft im Irak politisch kaum Gewicht (AA, Lagebericht vom 29.6.2006).
31 
Nach EZKS (vom 3.11.2004 an VG Köln) leben die meisten Jeziden, um die 90 %, in Gebieten, die bis zum 3. Golfkrieg 2003 auf zentralirakischem Gebiet lagen, nur etwa 10 % leben auf derzeit kurdisch verwaltetem Territorium, die meisten von ihnen in der Provinz Dohuk. Hauptsiedlungsgebiet der Jeziden ist nach dieser Quelle das Scheikhan-Gebiet (Scheikhan und Jebel Sindjar). Der Sindjar liegt, ebenso wie der größte Teil des Scheikhan in der ehemals zentralirakischen Provinz Niniveh. Nur ein kleiner Teil Scheikhans, der Norden inklusive des Lalischtals, des wichtigsten Wallfahrtsorts der Jeziden, wo sich der Schrein von Scheich Adi befindet, liegt in der kurdischen Provinz Dohuk. Scheikhan wie Sindjar gehören zu den früheren Arabisierungsgebieten des Landes; der Jebel Sindjar wurde in den Jahren 1965, 1973 bis 1975 sowie 1986 bis 1987 entvölkert, die jezidischen Bewohner aus rd. 400 Dörfern wurden gezwungen, fortan in sogenannten Zentral- oder Sammeldörfern zu leben, wo sie, entfernt von ihren Ländereien und in Abhängigkeit von staatlichen Lebensmittelzuteilungen, leicht kontrollierbar waren. Ihre Dörfer wurden entweder zerstört oder aber Angehörigen arabischer Stämme überlassen. Das Scheikhangebiet erlitt 10 Jahre später, ab 1975, dasselbe Schicksal. Die Mehrheit der Jeziden lebt somit nach EZKS (aaO) in Dörfern bzw. Zentraldörfern im Sindjar und Scheikhan, darüber hinaus gibt es in den großen Städten des kurdisch verwalteten Nordens, insbesondere in Dohuk, sowie in Mosul und Bagdad eine kleine jezidische Bevölkerungsgruppe. In der irakischen Hauptstadt leben 50 bis 70 jezidische Familien, außerdem sind dort junge Männer aus den jezidischen Zentraldörfern zu finden, die auf der Suche nach Arbeit nach Bagdad migriert sind, während ihre Familien weiter in Zentraldörfern leben.
32 
Nach den Erkenntnissen von ai (aaO) gewährt die Kurdische Demokratische Partei (KDP) den Jeziden in ihrer Einflusszone einige Rechte wie beispielsweise jezidischen Religionsunterricht an Schulen mit jezidischen Schülern/innen und die Beteiligung von Jeziden an der kurdischen Regionalregierung. Im Anschluss an die Eingliederung des Lalischtals in das kurdische Autonomiegebiet der KDP sei mit Unterstützung der KDP 1992 ein jezidisches Kulturzentrum gegründet worden. Nach Einschätzung einiger Beobachter scheinen die Jeziden für die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistan), die traditionell um die Vorherrschaft im kurdischen Gebiet rivalisieren, als Wählergruppe von Interesse zu sein. Berichten zufolge sollen die Jeziden eher als Anhänger der PUK gelten, während die 10 % Jeziden im kurdischen Nordirak fast ausschließlich im Gebiet der KDP siedeln. Auch hinsichtlich der künftigen Grenzziehung des kurdischen Gebiets könnten die Jeziden in der Zukunft möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, denn die kurdischen Parteien streben die Eingliederung von Teilen der gemischt ethnischen Provinzen Niniveh und Ta’nim (Kirkuk) in das kurdische Autonomiegebiet an. Sollte über die Grenzziehung in der Zukunft die betroffene Bevölkerung in den beiden Provinzen in einem Referendum abstimmen, dürften die Jeziden als Wähler für die kurdischen Parteien eine wichtige Zielgruppe darstellen.
33 
Nach Ansicht von ai sind im Zentralirak mit dem Sturz der Baath-Regierung unter Saddam Hussein keine staatlichen Zwangsmaßnahmen wie Vertreibung, Enteignung und Arabisierung zu befürchten, doch lebten die Jeziden in einer Region des Irak, die auf Grund der Vertreibungen und der Ansiedlung arabischer Siedler durch besondere ethnisch-religiöse Spannungen gezeichnet sei. Hinzu komme die politische Unsicherheit der Religion durch die von mehreren Seiten erhobenen Ansprüche auf einige Teilgebiete (ai vom 16.8.2005 an VG Köln).
34 
Auch nach den Erkenntnissen von EKZS (aaO) begreifen die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK - insbesondere die KDP, auf deren Gebiet die Mehrheit der in den kurdischen Provinzen ansässigen Jeziden lebt - die Jeziden bereits seit den 1990er Jahren als wichtige politische Zielgruppe. Dies hängt damit zusammen, dass die überwiegende Mehrheit der Jeziden sich als kurdisch definiert, nur eine verschwindende Minderheit bezeichnet sich als arabisch. Indem Protagonisten der kurdischen Nationalbewegung das Jezidentum als eigentliche und ursprüngliche Religion aller Kurden bezeichnen, schaffen sie den Mythos einer vorislamischen, alle Kurden miteinander verbindenden und von anderen Nationen des nahen Ostens abgrenzenden Religion. Die kulturelle und religiöse Anerkennung des Jeziden im Irak ist somit eng verbunden mit (parteipolitischer) Instrumentalisierung. Die politische Wertschätzung des Jezidentums hat sich auch praktisch niedergeschlagen. 1992 wurde in Dohuk das Lalisch-Kulturzentrum gegründet (mit dem Angebot jezidischen Religionsunterrichts). Dieses Zentrum hat mehrere Zweigstellen in Scheikhan und Sindjar. Die Finanzierung erfolgt in erster Linie über die KDP. Religiöse und kulturelle Rechte der Jeziden sind derzeit im kurdisch verwalteten Norden gewährleistet.
35 
Übergriffe gegen die Jeziden erfahren nach EZKS (aaO) allerdings selbst dann, wenn sie tödlich sind, kaum Beachtung in der (internationalen) Presse. Das Interesse der arabischen Medien ist auf Grund der kurdischen Ethnizität der Jeziden gering. Hinzu kommt, dass die jezidische Bevölkerung, anders als etwa die Christen im Irak, im Ausland über keine institutionalisierte Lobby verfügt, die in der Lage wäre, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Auch nach ai (aaO) gestaltet sich die Informationslage hinsichtlich Übergriffen auf Jeziden wegen ihrer Religionszugehörigkeit deshalb als äußerst schwierig, weil selten in der Presse über Jeziden berichtet wird. Dies möge auch daran liegen, dass Jeziden aus Angst vor weiteren Schikanen und Repressalien generell nicht zur Anzeige von Gewalttaten unter Offenbarung ihrer Religionszugehörigkeit neigten.
36 
In der Zeit zwischen Mai und Oktober 2004 wurden im Auftrag des EZKS (aaO) folgende Vorfälle ermittelt: Am Morgen des 22.8.2004 wurde Schukur Jankir Jina, geboren 1957, in der Nähe seines Hauses vor einer Bäckerei erschossen. Schukur Jankir Jina war Gelegenheitsarbeiter und stammte ursprünglich aus dem Zentraldorf Khanek in der Provinz Dohuk. Von dort war er mit seiner Familie in den Mosuler Stadtteil Tahrir gezogen. Als Grund der Ermordung wird seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Am Morgen des 23.8.2004 wurde Schukri Ali Jolo, geboren 1954, auf der Baustelle seines neuen Hauses erschossen. Schukri Ali Jolo war ebenfalls Gelegenheitsarbeiter. Auch er stammte ursprünglich aus Khanek und lebte mit seiner Familie im Mosuler Stadtteil El-Arabi. Als Grund der Ermordung wird ebenfalls seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Der Jezide Kassim Khalaf Raschu, der in Mosul einem Geschäft für Luxusgüter und Accessoires arbeitete, wurde am 27.8.2004 von Unbekannten ermordet. Auf der Leiche des Opfers soll ein Zettel gelegen haben, auf dem stand „.... weil er ein Ungläubiger war“. Darüber hinaus wurden zwei bis drei weitere Morde an Jeziden berichtet, die im Mosuler Vergnügungsviertel im Alkoholverkauf tätig waren. Die Morde sollen in der letzten August- bzw. ersten Septemberwoche 2004 stattgefunden haben. Sämtliche Opfer sollen erschossen worden sein. Ob es sich um kriminelle Akte handelte oder ob islamische Gruppierungen hinter den Anschlägen vermutet werden müssen, ist unklar. Die Aufklärungsrate bei derartigen Verbrechen tendiert gegen Null. Der Journalist Khidir Domle berichtet in seinem Zeitungsartikel „Zunahme von Mordanschlägen auf Jeziden in Mosul“ vom 18.9.2004, dass allein im August 2004 neun Jeziden Opfer von Mordanschlägen wurden - sechs in Mosul und drei in Bagdad. In Mosul wurde in der zweiten Oktoberhälfte ein Jezide umgebracht, weil er das Rauchverbot während des Ramadan missachtete und in der Öffentlichkeit rauchte. Zwei jezidische Gelegenheitsarbeiter aus Sindjar - Jeziden aus diesem Gebiet sind an ihrer Kleidung leicht zu erkennen - wurden Ende Oktober in Mosul ermordet. Sie wurden zunächst mit Rasierklingen geschändet, dann wurde ihnen die Kehle durchgeschnitten. Ende Juni/Ende Anfang Juli 2004 wurde ein Anschlag auf den jezidischen Kaimakam (Bürgermeister von Sindjar) verübt. Auf das weltliche Oberhaupt der Jeziden, Mir Thassin Beg, wurde am 17.9.2004 in Al-Kosh, ca. 40 km von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk gelegen, ein Bombenanschlag verübt, den er leicht verletzt überlebte. Auch aus Angst vor Anschlägen konnten im Jahr 2004 das wichtigste jezidische Fest, das Fest der Versammlung (Cejna Cemayya), das alljährlich vom 6. bis 13. Oktober im Lalisch-Tal begangen wird, nur eingeschränkt stattfinden. Mir Thassin Beg hatte dazu aufgerufen, das Fest in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen nicht zu feiern, obgleich das Lalisch-Tal im eigentlich „sicheren“ Dohuk liegt. Tatsächlich wurden die wichtigsten religiösen Riten in diesem Jahr nicht durchgeführt, weder der Mir noch das religiöse Oberhaupt der Jeziden, der Baba-Scheich, waren anwesend. Insgesamt nahmen nur einige hundert Jeziden an der Zeremonie teil, im Gegensatz zu 1 500 bis 2 000 in früheren Jahren. Insbesondere Jeziden aus dem Sindjar, die ansonsten die Mehrheit der Festteilnehmer ausmachen, waren ferngeblieben.
37 
Hinzu kommen zahlreiche Anschläge auf Alkoholläden und Kneipen, vor allem im Großraum Mosul sowie im Großraum Bagdad. Ebenfalls gefährdet sind Schönheitssalons und Damenfrisöre - auch das Betreiben bzw. der Besuch derselben wird von radikalislamischen Kreisen als „unislamisch“ begriffen. Selbst in der Stadt Arbil, im kurdisch verwalteten Norden, wurde ein Schönheitssalon in Luft gesprengt, der Damenfrisör in Dohuk hatte im Herbst 2004 seine Fenster aus Angst vor Angriffen verbarrikadiert. Schönheitssalons und Damenfrisöre werden in der Regel von christlichen, seltener von jezidischen Frauen geführt.
38 
Der jezidische Arzt Abdul Aziz Sulaiman, der in Mosul praktizierte, wurde von Islamisten mit dem Tode bedroht, sollte er seine Praxis nicht schließen und seine Arbeit im Al-Razi-Krankenhaus in Mosul nicht einstellen. Der Arzt hat Mosul aus Angst verlassen. Der jezidische Arzt Abd al-Aziz Sulaiman Siwo, Vorsitzender des Lalisch-Kulturzentrums, erhielt im Januar 2004 einen Drohbrief, unterzeichnet von der Islamischen Ansar Al-Islam, Abteilung Verteidigung. Abd al-Aziz Sulaiman Siwo wurde in dem Schreiben vorgeworfen, mit Amerikanern, Zionisten und der PUK zusammenzuarbeiten. Er wurde aufgefordert, Mosul innerhalb einer Woche zu verlassen, ansonsten werde er getötet. Der Betroffene erhielt darüber hinaus mehrere telefonische Morddrohungen.
39 
Im Mai 2004 wurden in den Mosuler Stadtteilen Al Jahid, Hay Tayraan, Hay Arabii und Hay Al-Kerama Plakate geklebt, auf denen sinngemäß der folgende Text zu lesen war: „Es ist Rechtens (arabisch: Halaal) Jeziden wie Juden zu töten, sowie es Rechtens ist, Christen und Amerikaner zu töten“. Verantwortlich für diese Plakataktion soll eine islamische Gruppierung namens Islamische Jugendorganisation in Mosul (Jamaiya As-Shaban Al-Muslimin/Al-Mosul) sein. Im Juni/Juli 2004 erhielten insgesamt 28 in Mosul lebende oder arbeitende Personen einen von der Gruppe Al Mudjaheddin unterzeichneten Drohbrief, in dem sie aufgefordert wurden, ihre Kooperation mit den Besatzern einzustellen, da sie ansonsten die Konsequenzen zu tragen hätten. Einer der Adressaten des Briefes war der an der Universität Mosul, Fachbereich Wirtschaft, tätige Jezide Derman Suleyman. Abgesehen von seiner Universitätstätigkeit ist Dr. Suleyman im Lalisch-Kulturzentrum aktiv. Die Tatsache, dass er als (engagierter) Jezide erfolgreich Karriere an der Universität Mosul gemacht hat, wird als Grund für das „Interesse“ seiner Bedrohung angesehen. Weitere Jeziden aus Dohuk, Ain Sifni Scheikhan, dem Sindjar-Gebiete und vor allem aus Mosul und den umliegenden Gebieten mit mehrheitlich jezidischer Bevölkerung (z.B. Baschik und Bahzani), die führende Funktion innehaben und insofern als Prominente zu bezeichnen sind, erhielten telefonische Morddrohungen. Unter ihnen sind der Vorsitzende des Lalisch-Kulturzentrums sowie politische Funktionäre der KDP in Dohuk. Am 18.10.2004 wurde in Mosul ein Taxifahrer angegriffen und die Windschutzscheibe seines Taxis beschädigt, nachdem die Angreifer herausgefunden hatten, dass es sich bei dem Taxifahrer um einen Jeziden handelte. Der Taxifahrer, der aus dem jezidischen Zentraldorf Scharya in der Provinz Dohuk stammt, wurde mit dem Tod bedroht, sollte er noch einmal nach Mosul kommen. Der Fahrer, der bis zu diesem Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt mit Fahrten zwischen Dohuk und Mosul verdiente, hat diese Fahrten aus Angst eingestellt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Vorfall nicht um einen Einzelfall handelt. In der zweiten und dritten Oktoberwoche 2004 klebte eine islamische Gruppe an der Universität Mosul Plakate, auf denen zu lesen war, dass Frauen sich „anständig“, d.h. islamisch zu kleiden hätten. Unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund sehen Frauen, die an der Universität Mosul lehren bzw. studieren, sich gezwungen, lange Röcke sowie ein Kopftuch zu tragen, da sie ansonsten Repressionen von Seiten islamischer Gruppierungen und Einzelpersonen befürchten. Einige Personen haben das Studium an der Universität Mosul auf Grund solcher und ähnlicher Repressionen bereits aufgegeben. Darüber hinaus wurde der Beginn des Semesters aus Sicherheitsgründen verschoben. Im Oktober 2004, mit Beginn des Fastenmonats Ramadan (15. Oktober), waren an mehreren Moscheen in verschiedenen Stadtteilen Mosuls Plakate angebracht, auf denen zu lesen war, dass „Personen, die während der Fastenzeit in der Öffentlichkeit rauchen, getötet werden“. Die Drohung wurde von den Personen, die über sie berichteten, sehr ernst genommen. Selbst in Dohuk, einer eher liberalen Stadt im kurdisch verwalteten Norden, die einen vergleichsweise hohen christlichen und jezidischen Bevölkerungsanteil hat, war es untersagt, während des Ramadan öffentlich zu rauchen oder zu essen. Personen, die gegen diese Vorgabe verstießen, wurden unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei festgenommen. In den offiziellen Büros in Dohuk (von Parteien bzw. der Regionalregierung) wurde selbst Gästen nicht einmal ein Glas Wasser angeboten - offensichtlich ein Zugeständnis an islamische Kräfte.
40 
Nicht in jedem der genannten Einzelfälle ist nach den Erkenntnissen des EKZS (aaO) eindeutig zu entscheiden, ob die Anschläge sich gegen Jeziden als Jeziden gerichtet haben oder gegen sie als Personen, die etwa bestimmte Berufe ausüben (z. den des Alkoholverkäufers). Indessen sei es kein Zufall, dass gerade Jeziden (und Christen) im Alkoholverkauf, im Gaststättengewerbe und in der Vergnügungsindustrie tätig seien. Denn einerseits erlaube ihnen ihre Religion derartige Tätigkeiten. Andererseits fänden sie hier eine Nische, in der sie ihr ökonomisches Leben zu sichern versuchten. Angriffe gegen Personen, die in diesen Berufszweigen arbeiteten, seien damit auch als Angriffe auf den Wertekanon der jezidischen respektive christlichen Bevölkerung im Irak zu verstehen bzw. als Versuch, ein flächendeckendes, radikal-islamisches Wertesystem zu erzwingen. Besondere Gefährdungen bestünden im Großraum Mosul oder Bagdad für jezidische Intellektuelle, die allein durch ihren öffentlich sichtbaren Einfluss/Erfolg bestimmte islamische Kreise provozieren, jezidische Würdenträger, Jeziden, die regelmäßig jezidische Einrichtungen besuchen, dort arbeiten oder deren Funktionsträger sind, Jeziden, die im Alkoholgeschäft, im Gaststätten- und Hotelgewerbe oder in der Vergnügungsindustrie tätig sind, Jeziden, die in Schönheits- oder Frisörsalons arbeiten, Jeziden, die in Berufen arbeiten, die sie in häufigen Kontakt mit der muslimischen Bevölkerung bringen (Polizisten, Taxifahrer), jezidische Frauen, die - wie es für Jeziden üblich ist - unverschleiert in die Öffentlichkeit gehen und Jeziden, die auf Grund anderer äußerer Merkmale als Jeziden auffallen, z.B. weil sie bestimmte typische Kleidungsstücke tragen (wie die Jeziden aus dem Sindjar). Geringer sei die Gefahr, Opfer eines Anschlags zu werden, für den oben genannten Personenkreis außerhalb des Großraums Mosul und Bagdad. Die Situation in rein jezidischen Dörfern sei eher sicherer als an gemischten Orten. Auch ist sei sie umso besser, je höher die Präsenz bewaffneter kurdischer Sicherheitskräfte (Peschmerga) sei. Problematisch sei, dass viele in Scheikhan und Sindjar lebende Jeziden sich allein aus ökonomischen Gründen regelmäßig in eine der größeren Städte der Umgebung, d.h. nach Mosul oder Dohuk begäben, um dort nach Gelegenheitsarbeiten zu suchen, weil der Arbeitsmarkt in Scheikhan und Sindjar nicht groß genug sei. Deutlich besser sei die Situation in den kurdisch verwalteten Gebieten (Dohuk, Arbil, Sulaimaniya). Die Gefahr, Opfer eines gewalttätigen, jezidenfeindlichen Angriffs zu werden, sei hier eher gering. Das bedeute allerdings nicht, dass es gegenüber der jezidischen Bevölkerung nicht zu alltäglichen Diskriminierungen von Seiten der muslimischen Mehrheit käme. So werde beispielsweise immer wieder berichtet, dass Jeziden ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht verkaufen könnten bzw. die Preise erheblich senken müssten, weil ein Teil der Muslime es ablehne, bei „Ungläubigen“ zu kaufen.
41 
Allerdings sind die oben angeführten Übergriffe nicht auf Jeziden beschränkt, sondern treffen muslimische und christliche Iraker gleichermaßen. So sind allgemein Hochschullehrer und Ärzte betroffen, desgleichen irakische Staatsangehörige, die für die eigene Verwaltung oder für die Koalitionsstreitkräfte arbeiten. Entführungen sind landesweit üblich und Ausdruck von Gewaltkriminalität und Sozialneid, bisweilen sind sie Mittel, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu wecken. Und sie sind ferner Ausdruck einer stärker werdenden Islamisierung des Alltags, der gleichermaßen Muslime betrifft (EZKS vom 3.7.2005 an das VG Köln; Lagebericht AA vom 10.6.2005).
42 
Nach Mitteilung von UNHCR (Hintergrundinformation) haben internationale Menschenrechtsorganisationen mehr als 25 Morde und über 50 Gewaltverbrechen an Jeziden im letzten Drittel des Jahres 2004 gezählt. Viele Übergriffe auf Jeziden hatten einen mittelbaren oder unmittelbaren religiösen Zusammenhang. So wurde beispielsweise am 17.8.2004 ein junger Mann aus der Ortschaft Bashiqa deshalb von Terroristen enthauptet und sein Leichnam geschändet, weil er in den Augen der Täter als ungläubig und unrein angesehen wurde. Am 21.10.2004 wurden an der Straße zwischen den Städten Telafar und Sindjar die enthaupteten Leichen zweier Männer gefunden, die einige Tage zuvor in Telafar von radikalen Muslimen mit Strafe bedroht worden waren, weil sie sich an das für Muslime während des Fastenmonats Ramadan geltende Rauchverbot nicht gehalten hatten. Bei einem weiteren Übergriff fanatischer Muslime in der Stadt Telafar wurden im Dezember 2004 fünf Jeziden getötet. In Mosul wurden gleichzeitig Flugblätter mit der Aufforderung, alle Jeziden zu töten, verbreitet. Die genannten Verfolgungsmaßnahmen knüpfen nicht in allen Fällen unmittelbar an das religiöse Bekenntnis der Betroffenen oder die Ausübung ihres religiösen Glaubens an. Vielmehr kam als Motiv für Verfolgungsmaßnahmen häufig die Verbindung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft mit tatsächlichen oder unterstellen zusätzlichen Merkmalen der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft - wie beispielsweise die vermeintliche Sympathie mit den Koalitionsstreitkräften oder die allen nicht muslimischen Religionsgemeinschaften unterstelle Ignoranz gegenüber traditionellen Moralvorstellungen - in Betracht. Jeziden sind dementsprechend von Kampagnen zur Einhaltung islamischer Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften betroffen (UNHCR vom Oktober 2005).
43 
Nimmt man danach die Verfolgungsdichte in quantitativer Hinsicht in Blick, ist die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Jeziden (s. oben) nicht geeignet, eine Verfolgung der Jeziden als religiöser Gruppe zu belegen.
44 
d) Ob sich der geschilderten Entwicklung die Prognose herleiten lässt, dem Kläger drohe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als einzelnem bei einer Rückkehr in den Nordirak politische Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Ausübung seiner jezidischen Religion, kann der Senat offen lassen. Nach den derzeit zugänglichen, oben angeführten Erkenntnismitteln richten sich die Angriffe von Dritten zwar ersichtlich auch gegen die Jeziden in ihrer Eigenschaft als solche. Schon die oben erwähnten Angriffe auf deren Würdenträger und herausgehobene sonstige Mitgläubige verdeutlichen, dass diese zumindest auch an deren Jezidentum anknüpfen und nicht lediglich einer allgemeinen „Destabilisierung“ der Gesamtsituation im Irak dienen. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da dem Kläger jedenfalls bei einer Rückkehr in die kurdisch regierten Landesteile im Norden des Iraks, aus denen er stammt, eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG eröffnet ist.
45 
Eine solche Fluchtalternative besteht dann, wenn der Betroffene in Teilen des Verfolgerstaates nicht in eine ausweglose Lage gerät. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315, 343 f.).
46 
Die Verfolgungssicherheit als Sicherheit vor asylrelevanten Übergriffen der o.a. nicht staatlich Handelnden ist hier für den Kläger nach dem Dargelegten jedenfalls im angesprochenen Nordirak gegeben. Allgemein wird hervorgehoben, dass sich die Sicherheitslage im Nordirak als „stabil“ darstellt (EZKS vom 26.10.2005 an das VG München; vom 4.10.2005 an das VG Ansbach: „relativ stabil“). Der Nordirak ist sicherheitsmäßig kein Krisengebiet. Zwar hat es auch dort heftige Anschläge gegeben. Der letzte datiert indessen aus dem Jahr 2004. Damals ist von einem jemenitischen Terroristen ein Anschlag auf das KDP-Büro in Arbil verübt worden, bei dem 46 Menschen getötet wurden. Seither hat es im Nordirak jedoch keine großen Anschläge mehr gegeben. Auch die Unzahl von „kleinen Anschlägen“ gibt es dort nicht. Das liegt daran, dass die Kurden ihr Gebiet ziemlich gut „im Griff“ haben, und zwar deshalb, weil sie die Verwaltung des Gebiets schon seit 1991 de facto ausüben und weil die kurdischen bewaffneten Verbände (Peschmerga) nicht entwaffnet worden sind, sondern nach wie vor dort „aufgestellt“ sind. Außerdem haben die Kurden schon seit langem einen eigenen Geheimdienst und eine eigene Polizei, die augenscheinlich zufrieden stellend arbeiten, jedenfalls was die Abwehr terroristischer Aktivitäten betrifft. Kurdistan ist also nicht, ganz anders als weite Teile des Zentraliraks, Schauplatz einer unablässigen Serie von Morden, Anschlägen und Attentaten (DOI vom 13.11.2006 an den Senat; keine gewalttätigen islamistischen Übergriffe mehr gemeldet seit Kriegsende: EZKS vom 12.5.2006 an VG Magdeburg; von vereinzelten Übergriffen auf Alkoholläden bzw. vereinzelten Säureattentaten auf „unislamisch gekleidete Frauen“ im KDP-Gebiet [letztere liegen bereits einige Zeit zurück]; keine gewalttätigen Aktivitäten islamistischer Gruppen bekannt: EZKS vom 15.7.2006 an VG Magdeburg). Da allgemein sich die westliche Berichterstattung aus dem Irak auf die Kriegsschauplätze in den Hochburgen des Widerstands konzentriert, wird teilweise ausgeblendet, dass weite Teile des Landes von den Kämpfen nicht berührt werden (Der Spiegel, 50/2005, 138). Dies hat nach Ansicht des Senats auch für die Beurteilung der Situation im Nordirak zu gelten. Allgemein ist er von den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Zentralirak nicht berührt (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006, aaO).
47 
Im Nordirak drohen dem Kläger auch keine anderen Nachteile, da er aus Khange/Provinz Dohuk im Nordirak stammt. Davon, dass dort nicht zumindest ein Teil seiner Sippe/Großfamilie noch lebt und er bei Rückkehr nicht in deren soziale und wirtschaftliche Verteilungsmechanismen einbezogen würde(vgl. DOI vom 14.2.2005 und vom 13.11.2006, jew. aaO), vermag der Senat sich nicht zu überzeugen. Ziel der Angaben des Klägers und seiner Schwägerin war es zwar ersichtlich, die Feststellung im Asylverfahren zu ermöglichen, dass sie mit Eltern/Schwiegereltern, Geschwistern/ Ehemann und Neffen/Kindern wegen des Kurdenaufstands im Jahr 1990 vom Nordirak in den Raum Mosul übersiedeln mussten. Diese Feststellung lässt sich indes wegen der diese Angaben jeweils kennzeichnenden Widersprüche, Steigerungen und Ungereimtheiten nicht mit der notwendigen Gewissheit treffen. Beide haben die behauptete Flucht aus dem Nordirak mit dem auf 1990 datierten Aufstand der Kurden und der Geheimdiensttätigkeit des Bruders/Ehemannes begründet. Dem Vorhalt des Bundesamtes, dass dies nicht 1990 gewesen sein könne, sind beide ausgewichen. Der Kläger hat lediglich erklärt, dass die Jeziden Angst vor den Kurden nach dem Aufstand gehabt hätten. Auch hat der Kläger zunächst angegeben, seine drei ältesten Neffen seien bei der Flucht dabei gewesen. Der Nachfrage, ob diese Neffen in Khange geboren seien, wich der Kläger aus und erklärte, dass er insoweit nicht sicher sei. Die behauptete Unkenntnis erscheint angesichts der Tatsache, dass die Neffen Karzan und Karwa drei bzw. fünf Jahre nach der behaupteten Flucht geboren wurden, nicht glaubhaft. Auch die Schwägerin verwies weiterhin darauf, dass ihr Ehemann beim Geheimdienst gearbeitet und deshalb Angst vor den Kurden gehabt habe. Auf weiteren Vorhalt, dass das Kurdengebiet 1990 unter der Herrschaft der Zentralregierung gestanden habe, wiederholte sie ihren Vortrag, dass ihr Ehemann Angst gehabt habe, weil er beim Geheimdienst gewesen sei. Der Glaubhaftigkeit einer durch Angst vor „ den Kurden“ wegen geheimdienstlicher Tätigkeit des Bruders des Klägers erzwungenen Umsiedlung steht im Übrigen schon entgegen, dass Mosul eine nur etwa 30 km vom heutigen Nordirak entfernte, überwiegend von Kurden besiedelte Stadt ist (UNHCR, Hintergrundinformation zur Situation der christlichen Bevölkerung im Irak < Stand: Juni 2006>). Auch wurden die Angehörigen der Abu-Firaz-Hamadani, denen der Bruder des Klägers nach seinen Angaben und dem Vortrag seiner Ehefrau zugehört haben will, nach dem Rückzug des Saddam-Regimes nach der Intifada des Jahres 1991 und der dadurch bewirkten kurdischen Autonomie des Nordirak ohne weiteres in die dortigen Peschmerga- Einheiten integriert (DOI, vom 14.6.2005 an VG Düsseldorf). Dass für den Bruder des Klägers, der keine eigenen „Greueltaten“, sondern lediglich Wach- und Dolmetscherdienste geleistet haben will, etwas anderes gegolten haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.
48 
Der Kläger hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gesteigert. Er gab dort erstmals an, vor seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad - in einem Alkoholladen eines Onkels - gearbeitet zu haben und von dort ausgereist zu sein. Demgegenüber hatte er beim Bundesamt noch erklärt, er sei dem im Basar in Marwan, einem Stadtteil von Mosul, betriebenen Fischhandel bis zur Ausreise nachgegangen. Auch hat er gegenüber dem Senat abweichend von seinen Angaben im Behördenverfahren erklärt, seiner Schwägerin von Bagdad aus sowohl nach Bashiqa als auch später nach Silopi Geld überbracht oder geschickt zu haben. Davon, dass er selbst Geld aus Bagdad überbrachte, war im Behördenverfahren nicht die Rede. Als Grund für die Ausreise gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, sein Onkel und sein Bruder hätten ihm geraten, das Land zu verlassen, nachdem eines Tages auf dem Markt ein Gerücht aufgekommen sei, er sei ein Verräter und man solle bei ihm nicht mehr kaufen. Dies soll geschehen sein, nachdem er vom Geheimdienst wegen der Unterstützung seiner in die Türkei ausgereisten Schwägerin festgenommen worden war. In der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats hat der Kläger dagegen Furcht vor drohender Festnahme als Ausreisegrund angegeben.
49 
Angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten kann dem Kläger nur geglaubt werden, dass er aus einer Familie aus Khange/Provinz Dohuk stammt. Dann kann er bei Rückkehr dorthin aber auf deren Verteilungsnetz zur Sicherung seiner weiteren Existenz zurückgreifen (DOI vom 13.11.2006 an den Senat). Auch hätte der Kläger bei einer Rückkehr in das kurdisch verwaltete Gebiet im Nordirak keine mit der Einreise verbundenen Probleme durch die kurdische Verwaltung oder die kurdische Sicherheitspolizei zu erwarten (EKZS vom 15.11.2006 an den Senat und DOI vom 13.11.2006 aaO). Da der Kläger nach seinen Angaben gerade nicht - wie das EKZS (aaO) irrtümlich annimmt - aus Mosul, sondern aus Khange/Provinz Dohuk stammt, können Probleme, die es laut EKZS (aaO) beim Versuch der Übersiedlung von aus Mosul stammenden Jeziden in den Nordirak geben mag, in seinem Fall nicht auftreten.
50 
4. Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, zu Gunsten des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
51 
Ob der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG eine konkret-individuell drohende Gefahr durch einen Staat oder eine staatsähnliche Organisation voraussetzt (so BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 331) oder ob wegen der Erweiterung des Tatbestands der politischen Verfolgung durch sog. nichtstaatliche Akteure gem. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG die in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG genannten Menschenrechtsverletzungen nunmehr auch von nichtstaatlicher Seite ausgehen können (so UNHCR vom 23.12.2004; amnesty international in Asyl-Info 11/2004, S. 4, 5; vgl. auch Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 60 AufenthG RdNr. 36 mit Hinweis darauf, dass sich die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts bei Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG erledigen wird), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Kläger droht schon keine Verfolgung aus religiösen Gründen, hinsichtlich derer ihm nicht zumindest eine beachtliche inländische Fluchtalternative eröffnet wäre. Dazu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
52 
Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Nach dieser Vorschrift, die - abgesehen von der Änderung der „Kann“- in eine „Soll“-Rechtsfolge - hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen inhaltlich dem bisherigen § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG entspricht (s. auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 AufenthG), soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt indes nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -BVerwGE 99, 324, 330; Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1, 7 ff. zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG). Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis in unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen könnte, sind nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.
53 
Auch bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (dazu das oben bereits angeführte Senatsurteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 - mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG).
54 
Ferner scheidet ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG aus.
55 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kommt schon deshalb nicht in Betracht, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil wird. Auf das Urteil des Senats vom 16.9.2004 zu der inhaltsgleichen Regelung im früheren § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG sowie auf die jüngst ergangenen Senatsurteile vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 und A 2 S 1122/05 - (mitgeteilt in den Dokumentationen Juris und Vensa) kann insoweit verwiesen werden. Eine die genannte Sperrwirkung überwindende verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet somit aus.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO (in entsprechender Anwendung), § 83b AsylVfG.
57 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
16 
Die vom Senat zugelassene Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in dessen Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87 b AsylVfG i.d.F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3 , 5 und 7 AufenthG (früher § 53 AuslG) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
1. Über das Verpflichtungsbegehren des Klägers ist mangels einschlägiger Übergangsregelung nach der neuen, durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geänderten Rechtslage zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.5.2006 - 1 C 8.05 -, NVwZ 2006, 1180).
18 
Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl II 1953 S.559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 (auch) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (Buchst. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren (Buchst. c) ausgehen, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
19 
Religiöse oder religiös motivierte Verfolgung - wie sie vom Kläger im Berufungsverfahren in erster Linie geltend gemacht wird - ist allgemeiner Ansicht nach politische Verfolgung, wenn sie nach Art und Schwere geeignet ist, die Menschenwürde zu verletzen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a., BVerfGE 54, 341, 357; Urteil vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86, BVerfGE 76, 143, 158). Art. 16a GG (und mithin § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) schützt daher vor Verfolgung jedenfalls im privaten Bereich und daher das „religiöse Existenzminimum“. Dieses ist u.a. berührt, wenn dem Betroffenen seine religiöse Identität geraubt wird, indem ihm etwa unter Androhung von Strafen für Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender Inhalte ihrer Glaubensüberzeugung zugemutet wird oder er daran gehindert wird, seinen eigenen Glauben, so wie er ihn versteht, im privaten Bereich und zusammen mit anderen Gläubigen zu bekennen. Steht nicht die Gruppe der Gläubigen im Blickfeld der Verfolger, ist zudem zu fordern, dass die Verfolgung am Herkunftsort die „religiös personale“ Identität des Betroffenen betrifft (vgl. BVerfG, Urteil vom 1.7.1987, aaO, 159 f.). Diese Forderung ergibt sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die asylrechtliche Rechtfertigung der Erheblichkeit eines objektiven Nachfluchtgrundes - wie er hier geltend gemacht wird - die in der Unzumutbarkeit der Rückkehr des Betroffenen zu sehen ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9.4.1991 - 9 C 100/90 -BVerwGE 88, 92, 96 = NVwZ 1992, 272).
20 
Religiös motivierte Verfolgung ist auch Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rats vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie). Nach Art. 10 Abs. 1 b dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Verfolgungsgründe, dass der Begriff der Religion u.a. die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich umfasst. Mit diesem Inhalt wird der Schutz vor Verfolgung auf solche Maßnahmen ausgedehnt, die an die öffentliche Glaubensbetätigung anknüpfen. Nach Art. 38 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie ist der Mitgliedsstaat verpflichtet, sein innerstaatliches Recht und seine Verwaltungspraxis mit der Richtlinie spätestens bis zum 10.10.2006 in Übereinstimmung zu bringen. Diese Pflicht trifft auch die nationalen Gerichte vor Ablauf der Umsetzungsfrist (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006 - A 2 S 571/05 -, AuAS 2006, 175). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist geht der erkennende Senat von der unmittelbaren Geltung der Richtlinie auch im vorliegenden Berufungsverfahren aus. Allerdings ist nicht jede Diskriminierung in dem so verstandenen religiösen Schutzbereich zugleich auch Verfolgung wegen der Religion. Sie muss vielmehr das Maß überschreiten, das lediglich zu einer durch die Diskriminierung eintretenden Bevorzugung anderer führt, sich mithin also als ernsthafter Eingriff in die Religionsfreiheit darstellen (dazu Marx, AsylVfG, 6. A., § 1 Rdnr. 212 m.w.N.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die auf die - häuslich-private, aber auch öffentliche - Religionsausübung gerichtete Maßnahme zugleich auch mit Gefahr für Leib und Leben verbunden ist oder zu einer dem entsprechenden „Ausgrenzung“ führt (vgl. dazu auch Marx, aaO Rdnr. 208 f. m.w.N.).
21 
2. Bei der Prüfung, ob dem Asylsuchenden im Fall der Rückkehr in sein Heimatland politische Verfolgung droht, ist sowohl dann, wenn es an einer Vorverfolgung fehlt, als auch dann, wenn diese keinerlei Verknüpfung mit den für die Zukunft befürchteten Maßnahmen aufweist, der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht der sog. abgeschwächte Prognosemaßstab der hinreichenden Sicherheit vor erneuter bzw. wiederholter Verfolgung maßgeblich (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 191 und vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -). Danach kommt es darauf an, ob dem Ausländer bei verständiger, objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falls nicht zuzumuten ist, in den Heimatstaat zurückzukehren, d.h. ob durch diese Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des betreffenden Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Das ist der Fall, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgeblich ist dabei letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162).
22 
Hier erscheint schon die behauptete Vorverfolgung nicht glaubhaft; denn der Kläger hat zum Beweis für die vom Geheimdienst im April 1999 erzwungene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiterer Unterstützung seiner Schwägerin eine am 2.4.1998 abgegebene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiteren Kontakts mit dem aus dem Irak geflohenen Bruder vorgelegt. Auch weichen die Angaben von Bruder und Schwägerin zu den Ausreisegründen des Erstgenannten signifikant voneinander ab. Während der Bruder angab, auf Grund einer im Verlauf von Wochen deutlich gewordenen Bedrohung durch einen Geheimdienstoffizier zur Ausreise veranlasst worden zu sein, sprach die Schwägerin von der mit einem Vorlauf von etwa einem halben Jahr verwirklichten Absicht, ins Ausland zu gehen. Weitere Ungereimtheiten im Sachvortrag des Klägers ergeben sich aus der Schilderung des Geldtransfers in die Türkei. So gab der Kläger zunächst an, dass er das Geld einem ihm bekannten türkischen Jeziden namens K. G. übergeben habe, der ganz offiziell Handel in Mosul betreibe. Erst auf Vorhalt, dass dies zumindest offiziell nicht möglich sei, erklärte er dann, der Handel sei wohl im Kurdengebiet betrieben worden. Der Frage, wie er sich denn mit diesem Mann getroffen habe, wich er mehrmals aus und gab dann an, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Die Geldübergabe sei über zwei Jeziden aus seinem Dorf erfolgt.
23 
Auch müssen durch das Baath-Regime Vorverfolgte bei Rückkehr in den Irak nicht mehr politisch erhebliche Verfolgung durch dieses Regime befürchten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/ 05 -, DVBl 2006,1059 dargelegt, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. An dieser Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der neuen Berichterstattung festzuhalten, wie im Senatsurteil vom 21.6.2006 (aaO) dargelegt wird, auf dessen Begründung auch insoweit verwiesen wird. Jedenfalls stünde die geltend gemachte Vorverfolgung durch das Baath-Regime wegen der Unterstützung der Schwägerin in keinem Zusammenhang mit einer für die Zukunft geltend gemachten Gefahr von Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit des Klägers als Jezide (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05).
24 
3. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak wegen seiner Religionszugehörigkeit derzeit und auf absehbare Zeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche oder „quasi-staatliche“ Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a) und (b). Auch wäre er nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nichtstaatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt (c). Offen bleiben kann, ob der Kläger wegen seiner Religionszugehörigkeit als Einzelner politischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre, da er jedenfalls in den kurdisch verwalteten Gebieten des Nordirak eine innerstaatliche Fluchtalternative hätte (d).
25 
Die jezidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Entstehungsgeschichte etwa 4 000 Jahre zurückreicht. Die Zugehörigkeit zur jezidischen Glaubensgemeinschaft wird nur durch Vererbung erworben, es besteht keine Möglichkeit, zum Jezidentum zu konvertieren. Das Jezidentum gilt nach islamischer Lehre im Gegensatz zum Christen- oder Judentum nicht als schutzwürdige Glaubensgemeinschaft einer Buchreligion, da die jezidische Religion mündlich tradiert wird. Jeziden gelten daher für einige Muslime als Häretiker bzw. Andersgläubige und werden als „ungläubig“, „gottlos“ und „unrein“ bezeichnet. Es wird berichtet, dass radikale Muslime die Auffassung vertreten, die Tötung eines Jeziden sei eine heilige Handlung, die dem Täter den Einlass ins Paradies garantiere, und dass muslimische Geistliche u.a. auch in den kurdischen Städten Dohuk und Semele Hass und Verachtung gegen Ungläubige schüren (amnesty international - a.i. - vom 16.8.2005 an VG Köln). Hinzu kommt, dass die Jeziden Kurden sind und allgemein für Kurden gehalten werden, auch solche, die sich in der Saddam-Zeit als Araber deklariert haben. Kurden stehen als treue Verbündete der Amerikaner im Kampf um die Gestaltung der Zukunft des Iraks und wegen ihrer „gottesstaatsfeindlichen, auf die Errichtung eines im Wesentlichen laizistischen Staatswesens gerichteten politischen Haltung“ den amerikanischen Wertevorstellungen besonders nah und haben deshalb bei Terroristen und sonstigen „Widerstandskämpfern“ den Ruch der Kollaboration und bieten sich auch deshalb als Angriffsziele für diese dar (Deutsches Orient-Institut - DOI - vom 14.2.2005 an VG Köln). Sowohl muslimische als auch arabisch-nationalistische Kreise begreifen die Kurden als „Verräter“. So gut wie alle Jeziden definieren sich als Kurden. Es gab in letzter Zeit wiederholt Aufrufe in Moscheen in Mosul und anderen Städten des Zentralirak dazu, Kurden zu töten, bzw. in denen die Ermordung von Kurden sogar als dringlicher und „besser als die Ermordung von Juden und Amerikanern bezeichnet wurde“ (vgl. zum Ganzen: Europäisches Zentrum für kurdische Studien - EKZS - vom 3.11.2004 an VG Köln) .
26 
a) Eine Verfolgung durch den irakischen Staat, die mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist, droht dem Kläger mit Blick auf die behaupteten, vom Senat allerdings als nicht glaubhaft erachteten Vorverfolgungsgründe (s. oben) weder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in der für die anzustellende Gefährdungsprognose in den Blick zu nehmenden absehbaren Zukunft. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 - eingehend dargelegt. Auf die Gründe kann daher verwiesen werden. Unter dem weiteren Gesichtspunkt der Verfolgung religiöser Minderheiten, zu denen auch die Jeziden gehören, fehlt es an Anhaltspunkten für eine vom irakischen Staat ausgehende Verfolgung. Zwar wird - wie oben dargestellt - von Übergriffen auch gegen Jeziden berichtet. Gewaltsame Übergriffe durch staatliche Akteure finden sich in diesen Berichten indes nicht (etwa UNHCR vom 2.8.2006 an VG Ansbach; ai vom 16.8.2005 an VG Köln; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln; EZKS vom 3. 11. 2004 an VG Köln). Betont wird ausschließlich die Machtlosigkeit der staatlichen Institutionen, namentlich der Polizei, die weder über Mittel noch Wege verfügt, sich dem islamistischen Einfluss zu entziehen oder Verbrechensbekämpfung vorzunehmen, geschweige denn sich selbst zu schützen (EZKS vom 7.3.2005 an VG Köln; AA, Lagebericht vom 29.6.2006; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln).
27 
b) Auch geht der erkennende Senat davon aus, dass dem Kläger im Fall einer Rückkehr in den Irak keine quasi-staatliche Verfolgung droht (zu ihr vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260, 1353/98 - NVwZ 2000, 1165). Gruppierungen, die - wie etwa die Koalitionsstreitkräfte - als „staatsähnliche“ Verfolger in Betracht kommen könnten, üben zwar mannigfaltig Repressionen aus; es fehlt aber jeglicher Anhalt dafür, dass die Gewalttätigkeiten auf Jeziden und deren Religionsausübung ausgerichtet sein könnten. Dies gilt im Übrigen auch für die beiden sich im Nordirak die Herrschaftsgewalt teilenden kurdischen Parteien (UNHCR, Hintergrundinformation: Religiöse Minderheiten vom Oktober 2005 und vom 2.8. 2006 an VG Ansbach).
28 
c) Gegenwärtig lässt sich auch nicht feststellen, dass Jeziden - wie der Kläger - im Irak als Gruppe wegen ihrer Religion von insoweit allein in Betracht kommenden nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden.
29 
Legt man den Wortlaut des Abs. 1 Satz 4 Buchst. c des § 60 AufenthG und seine systematische Stellung im Normgefüge des Abs. 1 zu Grunde, ist der Begriff des nichtstaatlichen Akteurs gegenüber denen der Buchst. a und b ein „Auffangbegriff“, dessen Regelungsbereich über den der Vorgängerregelung in § 51 Abs. 1 AuslG hinausgeht, und der ein weites Verständnis fordert. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -) erfasst § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere Einschränkung, namentlich auch Einzelpersonen, sofern von ihnen Verfolgungshandlungen im Sinne des Satzes 1 ausgehen. Auch bei einem derartigen Verständnis der nichtstaatlich Handelnden lässt sich eine von diesen ausgehende Verfolgung der Jeziden als Gruppe nicht feststellen. Eine solche Verfolgung ist dann gegeben, wenn die Verfolgung der durch asylerhebliche Merkmale gekennzeichneten Gruppe als solcher und damit grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern gilt. In diesem Fall kann die Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, dass jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat jederzeit eigene Verfolgung erwarten muss (dazu BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/83 u.a. - BVerfGE 83, 216, 231 f.). Diese Annahme setzt allerdings voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsgutbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst Opfer solcher Maßnahmen zu werden (BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991, aaO, 232). Diese Verfolgungsdichte, die mit Blick auf eine Anzahl von Eingriffen, den Zeitraum, in dem die Eingriffe erfolgen, und die dabei in Rede stehenden Gebiete des Verfolgerstaates zu bestimmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, aaO 169 = NVwZ 1992, 582), ist bei Jeziden im Irak nicht in dem für die Annahme einer Gruppenverfolgung geforderten Umfang gegeben.
30 
Die Zahl der Jeziden liegt Schätzungen zu Folge zwischen 200 000 und 600 000 (AA, Lagebericht vom 29.6.2006; nach UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, Oktober 2005: bei 550 000; nach DOI vom 14.2.2005 an VG Köln zwischen 200 000 bis 250 000). Mit lediglich einem von 275 Sitzen im irakischen Parlament hat der Vertreter der jezidischen Religionsgemeinschaft im Irak politisch kaum Gewicht (AA, Lagebericht vom 29.6.2006).
31 
Nach EZKS (vom 3.11.2004 an VG Köln) leben die meisten Jeziden, um die 90 %, in Gebieten, die bis zum 3. Golfkrieg 2003 auf zentralirakischem Gebiet lagen, nur etwa 10 % leben auf derzeit kurdisch verwaltetem Territorium, die meisten von ihnen in der Provinz Dohuk. Hauptsiedlungsgebiet der Jeziden ist nach dieser Quelle das Scheikhan-Gebiet (Scheikhan und Jebel Sindjar). Der Sindjar liegt, ebenso wie der größte Teil des Scheikhan in der ehemals zentralirakischen Provinz Niniveh. Nur ein kleiner Teil Scheikhans, der Norden inklusive des Lalischtals, des wichtigsten Wallfahrtsorts der Jeziden, wo sich der Schrein von Scheich Adi befindet, liegt in der kurdischen Provinz Dohuk. Scheikhan wie Sindjar gehören zu den früheren Arabisierungsgebieten des Landes; der Jebel Sindjar wurde in den Jahren 1965, 1973 bis 1975 sowie 1986 bis 1987 entvölkert, die jezidischen Bewohner aus rd. 400 Dörfern wurden gezwungen, fortan in sogenannten Zentral- oder Sammeldörfern zu leben, wo sie, entfernt von ihren Ländereien und in Abhängigkeit von staatlichen Lebensmittelzuteilungen, leicht kontrollierbar waren. Ihre Dörfer wurden entweder zerstört oder aber Angehörigen arabischer Stämme überlassen. Das Scheikhangebiet erlitt 10 Jahre später, ab 1975, dasselbe Schicksal. Die Mehrheit der Jeziden lebt somit nach EZKS (aaO) in Dörfern bzw. Zentraldörfern im Sindjar und Scheikhan, darüber hinaus gibt es in den großen Städten des kurdisch verwalteten Nordens, insbesondere in Dohuk, sowie in Mosul und Bagdad eine kleine jezidische Bevölkerungsgruppe. In der irakischen Hauptstadt leben 50 bis 70 jezidische Familien, außerdem sind dort junge Männer aus den jezidischen Zentraldörfern zu finden, die auf der Suche nach Arbeit nach Bagdad migriert sind, während ihre Familien weiter in Zentraldörfern leben.
32 
Nach den Erkenntnissen von ai (aaO) gewährt die Kurdische Demokratische Partei (KDP) den Jeziden in ihrer Einflusszone einige Rechte wie beispielsweise jezidischen Religionsunterricht an Schulen mit jezidischen Schülern/innen und die Beteiligung von Jeziden an der kurdischen Regionalregierung. Im Anschluss an die Eingliederung des Lalischtals in das kurdische Autonomiegebiet der KDP sei mit Unterstützung der KDP 1992 ein jezidisches Kulturzentrum gegründet worden. Nach Einschätzung einiger Beobachter scheinen die Jeziden für die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistan), die traditionell um die Vorherrschaft im kurdischen Gebiet rivalisieren, als Wählergruppe von Interesse zu sein. Berichten zufolge sollen die Jeziden eher als Anhänger der PUK gelten, während die 10 % Jeziden im kurdischen Nordirak fast ausschließlich im Gebiet der KDP siedeln. Auch hinsichtlich der künftigen Grenzziehung des kurdischen Gebiets könnten die Jeziden in der Zukunft möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, denn die kurdischen Parteien streben die Eingliederung von Teilen der gemischt ethnischen Provinzen Niniveh und Ta’nim (Kirkuk) in das kurdische Autonomiegebiet an. Sollte über die Grenzziehung in der Zukunft die betroffene Bevölkerung in den beiden Provinzen in einem Referendum abstimmen, dürften die Jeziden als Wähler für die kurdischen Parteien eine wichtige Zielgruppe darstellen.
33 
Nach Ansicht von ai sind im Zentralirak mit dem Sturz der Baath-Regierung unter Saddam Hussein keine staatlichen Zwangsmaßnahmen wie Vertreibung, Enteignung und Arabisierung zu befürchten, doch lebten die Jeziden in einer Region des Irak, die auf Grund der Vertreibungen und der Ansiedlung arabischer Siedler durch besondere ethnisch-religiöse Spannungen gezeichnet sei. Hinzu komme die politische Unsicherheit der Religion durch die von mehreren Seiten erhobenen Ansprüche auf einige Teilgebiete (ai vom 16.8.2005 an VG Köln).
34 
Auch nach den Erkenntnissen von EKZS (aaO) begreifen die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK - insbesondere die KDP, auf deren Gebiet die Mehrheit der in den kurdischen Provinzen ansässigen Jeziden lebt - die Jeziden bereits seit den 1990er Jahren als wichtige politische Zielgruppe. Dies hängt damit zusammen, dass die überwiegende Mehrheit der Jeziden sich als kurdisch definiert, nur eine verschwindende Minderheit bezeichnet sich als arabisch. Indem Protagonisten der kurdischen Nationalbewegung das Jezidentum als eigentliche und ursprüngliche Religion aller Kurden bezeichnen, schaffen sie den Mythos einer vorislamischen, alle Kurden miteinander verbindenden und von anderen Nationen des nahen Ostens abgrenzenden Religion. Die kulturelle und religiöse Anerkennung des Jeziden im Irak ist somit eng verbunden mit (parteipolitischer) Instrumentalisierung. Die politische Wertschätzung des Jezidentums hat sich auch praktisch niedergeschlagen. 1992 wurde in Dohuk das Lalisch-Kulturzentrum gegründet (mit dem Angebot jezidischen Religionsunterrichts). Dieses Zentrum hat mehrere Zweigstellen in Scheikhan und Sindjar. Die Finanzierung erfolgt in erster Linie über die KDP. Religiöse und kulturelle Rechte der Jeziden sind derzeit im kurdisch verwalteten Norden gewährleistet.
35 
Übergriffe gegen die Jeziden erfahren nach EZKS (aaO) allerdings selbst dann, wenn sie tödlich sind, kaum Beachtung in der (internationalen) Presse. Das Interesse der arabischen Medien ist auf Grund der kurdischen Ethnizität der Jeziden gering. Hinzu kommt, dass die jezidische Bevölkerung, anders als etwa die Christen im Irak, im Ausland über keine institutionalisierte Lobby verfügt, die in der Lage wäre, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Auch nach ai (aaO) gestaltet sich die Informationslage hinsichtlich Übergriffen auf Jeziden wegen ihrer Religionszugehörigkeit deshalb als äußerst schwierig, weil selten in der Presse über Jeziden berichtet wird. Dies möge auch daran liegen, dass Jeziden aus Angst vor weiteren Schikanen und Repressalien generell nicht zur Anzeige von Gewalttaten unter Offenbarung ihrer Religionszugehörigkeit neigten.
36 
In der Zeit zwischen Mai und Oktober 2004 wurden im Auftrag des EZKS (aaO) folgende Vorfälle ermittelt: Am Morgen des 22.8.2004 wurde Schukur Jankir Jina, geboren 1957, in der Nähe seines Hauses vor einer Bäckerei erschossen. Schukur Jankir Jina war Gelegenheitsarbeiter und stammte ursprünglich aus dem Zentraldorf Khanek in der Provinz Dohuk. Von dort war er mit seiner Familie in den Mosuler Stadtteil Tahrir gezogen. Als Grund der Ermordung wird seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Am Morgen des 23.8.2004 wurde Schukri Ali Jolo, geboren 1954, auf der Baustelle seines neuen Hauses erschossen. Schukri Ali Jolo war ebenfalls Gelegenheitsarbeiter. Auch er stammte ursprünglich aus Khanek und lebte mit seiner Familie im Mosuler Stadtteil El-Arabi. Als Grund der Ermordung wird ebenfalls seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Der Jezide Kassim Khalaf Raschu, der in Mosul einem Geschäft für Luxusgüter und Accessoires arbeitete, wurde am 27.8.2004 von Unbekannten ermordet. Auf der Leiche des Opfers soll ein Zettel gelegen haben, auf dem stand „.... weil er ein Ungläubiger war“. Darüber hinaus wurden zwei bis drei weitere Morde an Jeziden berichtet, die im Mosuler Vergnügungsviertel im Alkoholverkauf tätig waren. Die Morde sollen in der letzten August- bzw. ersten Septemberwoche 2004 stattgefunden haben. Sämtliche Opfer sollen erschossen worden sein. Ob es sich um kriminelle Akte handelte oder ob islamische Gruppierungen hinter den Anschlägen vermutet werden müssen, ist unklar. Die Aufklärungsrate bei derartigen Verbrechen tendiert gegen Null. Der Journalist Khidir Domle berichtet in seinem Zeitungsartikel „Zunahme von Mordanschlägen auf Jeziden in Mosul“ vom 18.9.2004, dass allein im August 2004 neun Jeziden Opfer von Mordanschlägen wurden - sechs in Mosul und drei in Bagdad. In Mosul wurde in der zweiten Oktoberhälfte ein Jezide umgebracht, weil er das Rauchverbot während des Ramadan missachtete und in der Öffentlichkeit rauchte. Zwei jezidische Gelegenheitsarbeiter aus Sindjar - Jeziden aus diesem Gebiet sind an ihrer Kleidung leicht zu erkennen - wurden Ende Oktober in Mosul ermordet. Sie wurden zunächst mit Rasierklingen geschändet, dann wurde ihnen die Kehle durchgeschnitten. Ende Juni/Ende Anfang Juli 2004 wurde ein Anschlag auf den jezidischen Kaimakam (Bürgermeister von Sindjar) verübt. Auf das weltliche Oberhaupt der Jeziden, Mir Thassin Beg, wurde am 17.9.2004 in Al-Kosh, ca. 40 km von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk gelegen, ein Bombenanschlag verübt, den er leicht verletzt überlebte. Auch aus Angst vor Anschlägen konnten im Jahr 2004 das wichtigste jezidische Fest, das Fest der Versammlung (Cejna Cemayya), das alljährlich vom 6. bis 13. Oktober im Lalisch-Tal begangen wird, nur eingeschränkt stattfinden. Mir Thassin Beg hatte dazu aufgerufen, das Fest in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen nicht zu feiern, obgleich das Lalisch-Tal im eigentlich „sicheren“ Dohuk liegt. Tatsächlich wurden die wichtigsten religiösen Riten in diesem Jahr nicht durchgeführt, weder der Mir noch das religiöse Oberhaupt der Jeziden, der Baba-Scheich, waren anwesend. Insgesamt nahmen nur einige hundert Jeziden an der Zeremonie teil, im Gegensatz zu 1 500 bis 2 000 in früheren Jahren. Insbesondere Jeziden aus dem Sindjar, die ansonsten die Mehrheit der Festteilnehmer ausmachen, waren ferngeblieben.
37 
Hinzu kommen zahlreiche Anschläge auf Alkoholläden und Kneipen, vor allem im Großraum Mosul sowie im Großraum Bagdad. Ebenfalls gefährdet sind Schönheitssalons und Damenfrisöre - auch das Betreiben bzw. der Besuch derselben wird von radikalislamischen Kreisen als „unislamisch“ begriffen. Selbst in der Stadt Arbil, im kurdisch verwalteten Norden, wurde ein Schönheitssalon in Luft gesprengt, der Damenfrisör in Dohuk hatte im Herbst 2004 seine Fenster aus Angst vor Angriffen verbarrikadiert. Schönheitssalons und Damenfrisöre werden in der Regel von christlichen, seltener von jezidischen Frauen geführt.
38 
Der jezidische Arzt Abdul Aziz Sulaiman, der in Mosul praktizierte, wurde von Islamisten mit dem Tode bedroht, sollte er seine Praxis nicht schließen und seine Arbeit im Al-Razi-Krankenhaus in Mosul nicht einstellen. Der Arzt hat Mosul aus Angst verlassen. Der jezidische Arzt Abd al-Aziz Sulaiman Siwo, Vorsitzender des Lalisch-Kulturzentrums, erhielt im Januar 2004 einen Drohbrief, unterzeichnet von der Islamischen Ansar Al-Islam, Abteilung Verteidigung. Abd al-Aziz Sulaiman Siwo wurde in dem Schreiben vorgeworfen, mit Amerikanern, Zionisten und der PUK zusammenzuarbeiten. Er wurde aufgefordert, Mosul innerhalb einer Woche zu verlassen, ansonsten werde er getötet. Der Betroffene erhielt darüber hinaus mehrere telefonische Morddrohungen.
39 
Im Mai 2004 wurden in den Mosuler Stadtteilen Al Jahid, Hay Tayraan, Hay Arabii und Hay Al-Kerama Plakate geklebt, auf denen sinngemäß der folgende Text zu lesen war: „Es ist Rechtens (arabisch: Halaal) Jeziden wie Juden zu töten, sowie es Rechtens ist, Christen und Amerikaner zu töten“. Verantwortlich für diese Plakataktion soll eine islamische Gruppierung namens Islamische Jugendorganisation in Mosul (Jamaiya As-Shaban Al-Muslimin/Al-Mosul) sein. Im Juni/Juli 2004 erhielten insgesamt 28 in Mosul lebende oder arbeitende Personen einen von der Gruppe Al Mudjaheddin unterzeichneten Drohbrief, in dem sie aufgefordert wurden, ihre Kooperation mit den Besatzern einzustellen, da sie ansonsten die Konsequenzen zu tragen hätten. Einer der Adressaten des Briefes war der an der Universität Mosul, Fachbereich Wirtschaft, tätige Jezide Derman Suleyman. Abgesehen von seiner Universitätstätigkeit ist Dr. Suleyman im Lalisch-Kulturzentrum aktiv. Die Tatsache, dass er als (engagierter) Jezide erfolgreich Karriere an der Universität Mosul gemacht hat, wird als Grund für das „Interesse“ seiner Bedrohung angesehen. Weitere Jeziden aus Dohuk, Ain Sifni Scheikhan, dem Sindjar-Gebiete und vor allem aus Mosul und den umliegenden Gebieten mit mehrheitlich jezidischer Bevölkerung (z.B. Baschik und Bahzani), die führende Funktion innehaben und insofern als Prominente zu bezeichnen sind, erhielten telefonische Morddrohungen. Unter ihnen sind der Vorsitzende des Lalisch-Kulturzentrums sowie politische Funktionäre der KDP in Dohuk. Am 18.10.2004 wurde in Mosul ein Taxifahrer angegriffen und die Windschutzscheibe seines Taxis beschädigt, nachdem die Angreifer herausgefunden hatten, dass es sich bei dem Taxifahrer um einen Jeziden handelte. Der Taxifahrer, der aus dem jezidischen Zentraldorf Scharya in der Provinz Dohuk stammt, wurde mit dem Tod bedroht, sollte er noch einmal nach Mosul kommen. Der Fahrer, der bis zu diesem Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt mit Fahrten zwischen Dohuk und Mosul verdiente, hat diese Fahrten aus Angst eingestellt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Vorfall nicht um einen Einzelfall handelt. In der zweiten und dritten Oktoberwoche 2004 klebte eine islamische Gruppe an der Universität Mosul Plakate, auf denen zu lesen war, dass Frauen sich „anständig“, d.h. islamisch zu kleiden hätten. Unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund sehen Frauen, die an der Universität Mosul lehren bzw. studieren, sich gezwungen, lange Röcke sowie ein Kopftuch zu tragen, da sie ansonsten Repressionen von Seiten islamischer Gruppierungen und Einzelpersonen befürchten. Einige Personen haben das Studium an der Universität Mosul auf Grund solcher und ähnlicher Repressionen bereits aufgegeben. Darüber hinaus wurde der Beginn des Semesters aus Sicherheitsgründen verschoben. Im Oktober 2004, mit Beginn des Fastenmonats Ramadan (15. Oktober), waren an mehreren Moscheen in verschiedenen Stadtteilen Mosuls Plakate angebracht, auf denen zu lesen war, dass „Personen, die während der Fastenzeit in der Öffentlichkeit rauchen, getötet werden“. Die Drohung wurde von den Personen, die über sie berichteten, sehr ernst genommen. Selbst in Dohuk, einer eher liberalen Stadt im kurdisch verwalteten Norden, die einen vergleichsweise hohen christlichen und jezidischen Bevölkerungsanteil hat, war es untersagt, während des Ramadan öffentlich zu rauchen oder zu essen. Personen, die gegen diese Vorgabe verstießen, wurden unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei festgenommen. In den offiziellen Büros in Dohuk (von Parteien bzw. der Regionalregierung) wurde selbst Gästen nicht einmal ein Glas Wasser angeboten - offensichtlich ein Zugeständnis an islamische Kräfte.
40 
Nicht in jedem der genannten Einzelfälle ist nach den Erkenntnissen des EKZS (aaO) eindeutig zu entscheiden, ob die Anschläge sich gegen Jeziden als Jeziden gerichtet haben oder gegen sie als Personen, die etwa bestimmte Berufe ausüben (z. den des Alkoholverkäufers). Indessen sei es kein Zufall, dass gerade Jeziden (und Christen) im Alkoholverkauf, im Gaststättengewerbe und in der Vergnügungsindustrie tätig seien. Denn einerseits erlaube ihnen ihre Religion derartige Tätigkeiten. Andererseits fänden sie hier eine Nische, in der sie ihr ökonomisches Leben zu sichern versuchten. Angriffe gegen Personen, die in diesen Berufszweigen arbeiteten, seien damit auch als Angriffe auf den Wertekanon der jezidischen respektive christlichen Bevölkerung im Irak zu verstehen bzw. als Versuch, ein flächendeckendes, radikal-islamisches Wertesystem zu erzwingen. Besondere Gefährdungen bestünden im Großraum Mosul oder Bagdad für jezidische Intellektuelle, die allein durch ihren öffentlich sichtbaren Einfluss/Erfolg bestimmte islamische Kreise provozieren, jezidische Würdenträger, Jeziden, die regelmäßig jezidische Einrichtungen besuchen, dort arbeiten oder deren Funktionsträger sind, Jeziden, die im Alkoholgeschäft, im Gaststätten- und Hotelgewerbe oder in der Vergnügungsindustrie tätig sind, Jeziden, die in Schönheits- oder Frisörsalons arbeiten, Jeziden, die in Berufen arbeiten, die sie in häufigen Kontakt mit der muslimischen Bevölkerung bringen (Polizisten, Taxifahrer), jezidische Frauen, die - wie es für Jeziden üblich ist - unverschleiert in die Öffentlichkeit gehen und Jeziden, die auf Grund anderer äußerer Merkmale als Jeziden auffallen, z.B. weil sie bestimmte typische Kleidungsstücke tragen (wie die Jeziden aus dem Sindjar). Geringer sei die Gefahr, Opfer eines Anschlags zu werden, für den oben genannten Personenkreis außerhalb des Großraums Mosul und Bagdad. Die Situation in rein jezidischen Dörfern sei eher sicherer als an gemischten Orten. Auch ist sei sie umso besser, je höher die Präsenz bewaffneter kurdischer Sicherheitskräfte (Peschmerga) sei. Problematisch sei, dass viele in Scheikhan und Sindjar lebende Jeziden sich allein aus ökonomischen Gründen regelmäßig in eine der größeren Städte der Umgebung, d.h. nach Mosul oder Dohuk begäben, um dort nach Gelegenheitsarbeiten zu suchen, weil der Arbeitsmarkt in Scheikhan und Sindjar nicht groß genug sei. Deutlich besser sei die Situation in den kurdisch verwalteten Gebieten (Dohuk, Arbil, Sulaimaniya). Die Gefahr, Opfer eines gewalttätigen, jezidenfeindlichen Angriffs zu werden, sei hier eher gering. Das bedeute allerdings nicht, dass es gegenüber der jezidischen Bevölkerung nicht zu alltäglichen Diskriminierungen von Seiten der muslimischen Mehrheit käme. So werde beispielsweise immer wieder berichtet, dass Jeziden ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht verkaufen könnten bzw. die Preise erheblich senken müssten, weil ein Teil der Muslime es ablehne, bei „Ungläubigen“ zu kaufen.
41 
Allerdings sind die oben angeführten Übergriffe nicht auf Jeziden beschränkt, sondern treffen muslimische und christliche Iraker gleichermaßen. So sind allgemein Hochschullehrer und Ärzte betroffen, desgleichen irakische Staatsangehörige, die für die eigene Verwaltung oder für die Koalitionsstreitkräfte arbeiten. Entführungen sind landesweit üblich und Ausdruck von Gewaltkriminalität und Sozialneid, bisweilen sind sie Mittel, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu wecken. Und sie sind ferner Ausdruck einer stärker werdenden Islamisierung des Alltags, der gleichermaßen Muslime betrifft (EZKS vom 3.7.2005 an das VG Köln; Lagebericht AA vom 10.6.2005).
42 
Nach Mitteilung von UNHCR (Hintergrundinformation) haben internationale Menschenrechtsorganisationen mehr als 25 Morde und über 50 Gewaltverbrechen an Jeziden im letzten Drittel des Jahres 2004 gezählt. Viele Übergriffe auf Jeziden hatten einen mittelbaren oder unmittelbaren religiösen Zusammenhang. So wurde beispielsweise am 17.8.2004 ein junger Mann aus der Ortschaft Bashiqa deshalb von Terroristen enthauptet und sein Leichnam geschändet, weil er in den Augen der Täter als ungläubig und unrein angesehen wurde. Am 21.10.2004 wurden an der Straße zwischen den Städten Telafar und Sindjar die enthaupteten Leichen zweier Männer gefunden, die einige Tage zuvor in Telafar von radikalen Muslimen mit Strafe bedroht worden waren, weil sie sich an das für Muslime während des Fastenmonats Ramadan geltende Rauchverbot nicht gehalten hatten. Bei einem weiteren Übergriff fanatischer Muslime in der Stadt Telafar wurden im Dezember 2004 fünf Jeziden getötet. In Mosul wurden gleichzeitig Flugblätter mit der Aufforderung, alle Jeziden zu töten, verbreitet. Die genannten Verfolgungsmaßnahmen knüpfen nicht in allen Fällen unmittelbar an das religiöse Bekenntnis der Betroffenen oder die Ausübung ihres religiösen Glaubens an. Vielmehr kam als Motiv für Verfolgungsmaßnahmen häufig die Verbindung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft mit tatsächlichen oder unterstellen zusätzlichen Merkmalen der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft - wie beispielsweise die vermeintliche Sympathie mit den Koalitionsstreitkräften oder die allen nicht muslimischen Religionsgemeinschaften unterstelle Ignoranz gegenüber traditionellen Moralvorstellungen - in Betracht. Jeziden sind dementsprechend von Kampagnen zur Einhaltung islamischer Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften betroffen (UNHCR vom Oktober 2005).
43 
Nimmt man danach die Verfolgungsdichte in quantitativer Hinsicht in Blick, ist die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Jeziden (s. oben) nicht geeignet, eine Verfolgung der Jeziden als religiöser Gruppe zu belegen.
44 
d) Ob sich der geschilderten Entwicklung die Prognose herleiten lässt, dem Kläger drohe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als einzelnem bei einer Rückkehr in den Nordirak politische Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Ausübung seiner jezidischen Religion, kann der Senat offen lassen. Nach den derzeit zugänglichen, oben angeführten Erkenntnismitteln richten sich die Angriffe von Dritten zwar ersichtlich auch gegen die Jeziden in ihrer Eigenschaft als solche. Schon die oben erwähnten Angriffe auf deren Würdenträger und herausgehobene sonstige Mitgläubige verdeutlichen, dass diese zumindest auch an deren Jezidentum anknüpfen und nicht lediglich einer allgemeinen „Destabilisierung“ der Gesamtsituation im Irak dienen. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da dem Kläger jedenfalls bei einer Rückkehr in die kurdisch regierten Landesteile im Norden des Iraks, aus denen er stammt, eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG eröffnet ist.
45 
Eine solche Fluchtalternative besteht dann, wenn der Betroffene in Teilen des Verfolgerstaates nicht in eine ausweglose Lage gerät. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315, 343 f.).
46 
Die Verfolgungssicherheit als Sicherheit vor asylrelevanten Übergriffen der o.a. nicht staatlich Handelnden ist hier für den Kläger nach dem Dargelegten jedenfalls im angesprochenen Nordirak gegeben. Allgemein wird hervorgehoben, dass sich die Sicherheitslage im Nordirak als „stabil“ darstellt (EZKS vom 26.10.2005 an das VG München; vom 4.10.2005 an das VG Ansbach: „relativ stabil“). Der Nordirak ist sicherheitsmäßig kein Krisengebiet. Zwar hat es auch dort heftige Anschläge gegeben. Der letzte datiert indessen aus dem Jahr 2004. Damals ist von einem jemenitischen Terroristen ein Anschlag auf das KDP-Büro in Arbil verübt worden, bei dem 46 Menschen getötet wurden. Seither hat es im Nordirak jedoch keine großen Anschläge mehr gegeben. Auch die Unzahl von „kleinen Anschlägen“ gibt es dort nicht. Das liegt daran, dass die Kurden ihr Gebiet ziemlich gut „im Griff“ haben, und zwar deshalb, weil sie die Verwaltung des Gebiets schon seit 1991 de facto ausüben und weil die kurdischen bewaffneten Verbände (Peschmerga) nicht entwaffnet worden sind, sondern nach wie vor dort „aufgestellt“ sind. Außerdem haben die Kurden schon seit langem einen eigenen Geheimdienst und eine eigene Polizei, die augenscheinlich zufrieden stellend arbeiten, jedenfalls was die Abwehr terroristischer Aktivitäten betrifft. Kurdistan ist also nicht, ganz anders als weite Teile des Zentraliraks, Schauplatz einer unablässigen Serie von Morden, Anschlägen und Attentaten (DOI vom 13.11.2006 an den Senat; keine gewalttätigen islamistischen Übergriffe mehr gemeldet seit Kriegsende: EZKS vom 12.5.2006 an VG Magdeburg; von vereinzelten Übergriffen auf Alkoholläden bzw. vereinzelten Säureattentaten auf „unislamisch gekleidete Frauen“ im KDP-Gebiet [letztere liegen bereits einige Zeit zurück]; keine gewalttätigen Aktivitäten islamistischer Gruppen bekannt: EZKS vom 15.7.2006 an VG Magdeburg). Da allgemein sich die westliche Berichterstattung aus dem Irak auf die Kriegsschauplätze in den Hochburgen des Widerstands konzentriert, wird teilweise ausgeblendet, dass weite Teile des Landes von den Kämpfen nicht berührt werden (Der Spiegel, 50/2005, 138). Dies hat nach Ansicht des Senats auch für die Beurteilung der Situation im Nordirak zu gelten. Allgemein ist er von den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Zentralirak nicht berührt (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006, aaO).
47 
Im Nordirak drohen dem Kläger auch keine anderen Nachteile, da er aus Khange/Provinz Dohuk im Nordirak stammt. Davon, dass dort nicht zumindest ein Teil seiner Sippe/Großfamilie noch lebt und er bei Rückkehr nicht in deren soziale und wirtschaftliche Verteilungsmechanismen einbezogen würde(vgl. DOI vom 14.2.2005 und vom 13.11.2006, jew. aaO), vermag der Senat sich nicht zu überzeugen. Ziel der Angaben des Klägers und seiner Schwägerin war es zwar ersichtlich, die Feststellung im Asylverfahren zu ermöglichen, dass sie mit Eltern/Schwiegereltern, Geschwistern/ Ehemann und Neffen/Kindern wegen des Kurdenaufstands im Jahr 1990 vom Nordirak in den Raum Mosul übersiedeln mussten. Diese Feststellung lässt sich indes wegen der diese Angaben jeweils kennzeichnenden Widersprüche, Steigerungen und Ungereimtheiten nicht mit der notwendigen Gewissheit treffen. Beide haben die behauptete Flucht aus dem Nordirak mit dem auf 1990 datierten Aufstand der Kurden und der Geheimdiensttätigkeit des Bruders/Ehemannes begründet. Dem Vorhalt des Bundesamtes, dass dies nicht 1990 gewesen sein könne, sind beide ausgewichen. Der Kläger hat lediglich erklärt, dass die Jeziden Angst vor den Kurden nach dem Aufstand gehabt hätten. Auch hat der Kläger zunächst angegeben, seine drei ältesten Neffen seien bei der Flucht dabei gewesen. Der Nachfrage, ob diese Neffen in Khange geboren seien, wich der Kläger aus und erklärte, dass er insoweit nicht sicher sei. Die behauptete Unkenntnis erscheint angesichts der Tatsache, dass die Neffen Karzan und Karwa drei bzw. fünf Jahre nach der behaupteten Flucht geboren wurden, nicht glaubhaft. Auch die Schwägerin verwies weiterhin darauf, dass ihr Ehemann beim Geheimdienst gearbeitet und deshalb Angst vor den Kurden gehabt habe. Auf weiteren Vorhalt, dass das Kurdengebiet 1990 unter der Herrschaft der Zentralregierung gestanden habe, wiederholte sie ihren Vortrag, dass ihr Ehemann Angst gehabt habe, weil er beim Geheimdienst gewesen sei. Der Glaubhaftigkeit einer durch Angst vor „ den Kurden“ wegen geheimdienstlicher Tätigkeit des Bruders des Klägers erzwungenen Umsiedlung steht im Übrigen schon entgegen, dass Mosul eine nur etwa 30 km vom heutigen Nordirak entfernte, überwiegend von Kurden besiedelte Stadt ist (UNHCR, Hintergrundinformation zur Situation der christlichen Bevölkerung im Irak < Stand: Juni 2006>). Auch wurden die Angehörigen der Abu-Firaz-Hamadani, denen der Bruder des Klägers nach seinen Angaben und dem Vortrag seiner Ehefrau zugehört haben will, nach dem Rückzug des Saddam-Regimes nach der Intifada des Jahres 1991 und der dadurch bewirkten kurdischen Autonomie des Nordirak ohne weiteres in die dortigen Peschmerga- Einheiten integriert (DOI, vom 14.6.2005 an VG Düsseldorf). Dass für den Bruder des Klägers, der keine eigenen „Greueltaten“, sondern lediglich Wach- und Dolmetscherdienste geleistet haben will, etwas anderes gegolten haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.
48 
Der Kläger hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gesteigert. Er gab dort erstmals an, vor seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad - in einem Alkoholladen eines Onkels - gearbeitet zu haben und von dort ausgereist zu sein. Demgegenüber hatte er beim Bundesamt noch erklärt, er sei dem im Basar in Marwan, einem Stadtteil von Mosul, betriebenen Fischhandel bis zur Ausreise nachgegangen. Auch hat er gegenüber dem Senat abweichend von seinen Angaben im Behördenverfahren erklärt, seiner Schwägerin von Bagdad aus sowohl nach Bashiqa als auch später nach Silopi Geld überbracht oder geschickt zu haben. Davon, dass er selbst Geld aus Bagdad überbrachte, war im Behördenverfahren nicht die Rede. Als Grund für die Ausreise gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, sein Onkel und sein Bruder hätten ihm geraten, das Land zu verlassen, nachdem eines Tages auf dem Markt ein Gerücht aufgekommen sei, er sei ein Verräter und man solle bei ihm nicht mehr kaufen. Dies soll geschehen sein, nachdem er vom Geheimdienst wegen der Unterstützung seiner in die Türkei ausgereisten Schwägerin festgenommen worden war. In der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats hat der Kläger dagegen Furcht vor drohender Festnahme als Ausreisegrund angegeben.
49 
Angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten kann dem Kläger nur geglaubt werden, dass er aus einer Familie aus Khange/Provinz Dohuk stammt. Dann kann er bei Rückkehr dorthin aber auf deren Verteilungsnetz zur Sicherung seiner weiteren Existenz zurückgreifen (DOI vom 13.11.2006 an den Senat). Auch hätte der Kläger bei einer Rückkehr in das kurdisch verwaltete Gebiet im Nordirak keine mit der Einreise verbundenen Probleme durch die kurdische Verwaltung oder die kurdische Sicherheitspolizei zu erwarten (EKZS vom 15.11.2006 an den Senat und DOI vom 13.11.2006 aaO). Da der Kläger nach seinen Angaben gerade nicht - wie das EKZS (aaO) irrtümlich annimmt - aus Mosul, sondern aus Khange/Provinz Dohuk stammt, können Probleme, die es laut EKZS (aaO) beim Versuch der Übersiedlung von aus Mosul stammenden Jeziden in den Nordirak geben mag, in seinem Fall nicht auftreten.
50 
4. Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, zu Gunsten des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
51 
Ob der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG eine konkret-individuell drohende Gefahr durch einen Staat oder eine staatsähnliche Organisation voraussetzt (so BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 331) oder ob wegen der Erweiterung des Tatbestands der politischen Verfolgung durch sog. nichtstaatliche Akteure gem. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG die in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG genannten Menschenrechtsverletzungen nunmehr auch von nichtstaatlicher Seite ausgehen können (so UNHCR vom 23.12.2004; amnesty international in Asyl-Info 11/2004, S. 4, 5; vgl. auch Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 60 AufenthG RdNr. 36 mit Hinweis darauf, dass sich die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts bei Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG erledigen wird), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Kläger droht schon keine Verfolgung aus religiösen Gründen, hinsichtlich derer ihm nicht zumindest eine beachtliche inländische Fluchtalternative eröffnet wäre. Dazu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
52 
Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Nach dieser Vorschrift, die - abgesehen von der Änderung der „Kann“- in eine „Soll“-Rechtsfolge - hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen inhaltlich dem bisherigen § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG entspricht (s. auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 AufenthG), soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt indes nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -BVerwGE 99, 324, 330; Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1, 7 ff. zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG). Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis in unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen könnte, sind nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.
53 
Auch bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (dazu das oben bereits angeführte Senatsurteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 - mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG).
54 
Ferner scheidet ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG aus.
55 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kommt schon deshalb nicht in Betracht, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil wird. Auf das Urteil des Senats vom 16.9.2004 zu der inhaltsgleichen Regelung im früheren § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG sowie auf die jüngst ergangenen Senatsurteile vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 und A 2 S 1122/05 - (mitgeteilt in den Dokumentationen Juris und Vensa) kann insoweit verwiesen werden. Eine die genannte Sperrwirkung überwindende verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet somit aus.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO (in entsprechender Anwendung), § 83b AsylVfG.
57 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am ...1980 geborene Kläger ist irakischer Staatangehöriger.
Der Kläger stellte am 28.05.2009 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag. Bei der Antragstellung gab er seine Volkszugehörigkeit mit Arabisch und seine Religion mit Yezidisch an.
Am 03.06.2009 wurde er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Sprache Kurdisch/Badinani angehört. Bei seiner Anhörung trug er im Wesentlichen vor, er habe bis zum 30.04.2009 in ... gelebt. Über die Türkei sei er auf dem Landweg nach Deutschland gekommen. Seine Ankunft sei am 13.05.2009 gewesen.
Der Kläger wurde bei der Anhörung zu seinen Verfolgungsgründen befragt. Unter der Überschrift „Zusammenfassung“ wird wiedergegeben, der Kläger habe gesagt, er sei Yezide. Die Lage für die Yeziden im Heimatland sei schlecht. Die Muslime betrachteten die Yeziden wegen ihres Glaubens als unrein. Sie verachteten sie. Deshalb fänden die Yeziden auch keine Arbeit. Er selbst sei persönlich nicht bedroht worden. Wenn man ihn erwischt hätte, hätte man ihn vielleicht umgebracht. Er gehöre keiner Organisation an. Probleme mit Behördenvertretern habe er nicht gehabt. Die Niederschrift über die Anhörung enthält den Vermerk, dass der Kläger Fragen zu seiner Religion nur teilweise habe beantworten können…
Das Bundesamt lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter mit Bescheid vom 15.10.2009 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Eine Abschiebungsandrohung mit einer Frist von einem Monat in den Irak wurde erlassen.
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter bestehe wegen der Einreise über einen sicheren Drittstaat nicht. Auch ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG bestehe nicht. Politisch motivierte Verfolgung von Seiten des irakischen Staates sei nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Eine nichtstaatliche Verfolgung sei nicht substantiiert und nicht glaubhaft dargelegt worden. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, Yezide zu sein. Das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2, 3 bis 7 AufenthG wurde begründet. Auf den angefochtenen Bescheid wird verwiesen. Der Bescheid mit deutscher und arabischer Rechtsbehelfsbelehrung wurde dem Kläger am 21.10.2009 zugestellt.
Der Kläger hat am 30.10.2009 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Zur Begründung trägt die Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der Kläger sei Yezide aus dem Zentralirak. Auch wenn die Weisung des BMI über die Gewährung von Flüchtlingsschutz an Yeziden aus dem Zentralirak gestoppt worden sei, habe der Kläger einen Anspruch auf Gleichbehandlung, da sich die Lage nicht geändert habe. Zum Jahrestag des Attentats von Sinjar mit unzähligen Toten sei erneut ein Anschlag auf die Yeziden in diesem Ort verübt worden. Dabei seien mindestens 18 Personen ums Leben gekommen, 32 seien verletzt worden. Bei einem weiteren Anschlag vom 29.08.2009 seien sechs weitere Yeziden in Sinjar getötet und 20 verletzt worden. Nach Aussagen des geistlichen und weltlichen Oberhaupts der Yeziden, das Göttingen besucht habe, seien die Yeziden im Irak selbst in ihrem Hauptsiedlungsgebiet vor Anschlägen islamistischer Fundamentalisten nicht sicher. Sie lebten in ständiger Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist,
10 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG vorliegen,
11 
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Der Kammer haben die Akten der Beklagten (Ausdruck aus der elektronischen Akte und die sogenannte Dokumentenmappe) vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
15 
Die Erkenntnismittel, die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung bezeichnet sind, wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Flüchtlingsschutz (1.), auf die Feststellung des Bestehens europarechtlichen (2.) bzw. nationalen (3.) subsidiären Schutzes.
1.
17 
Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung durch einen der Akteure des Satzes 4 Buchstaben a bis c bedroht ist, es sei denn es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12 - QualfRL) ergänzend anzuwenden.
18 
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ist dann zu gewähren, wenn dem Betroffenen - anhand der Sachlage im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung - bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat in seiner Person Verfolgung droht. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen wegen seines individuellen Schicksals (Einzelverfolgung) oder wegen seiner Zugehörigkeit zu einer durch gemeinsame Merkmale verbundenen Gruppe von Menschen (Gruppenverfolgung) durch den Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe a AufenthG), durch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe b AufenthG) oder durch Maßnahmen nichtsstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c AufenthG, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbaren Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nicht auf den Schutz des § 60 Abs. 1 AufenthG berufen kann sich dagegen derjenige, der aufgrund allgemeiner Unglücksfolgen, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen, sein Heimatland verlassen hat.
19 
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Ausländer vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist er wegen bestehender oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung ausgereist, so genießt er Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, wenn diese fluchtbegründenden Umstände noch fortbestehen. Gleiches gilt, wenn die fluchtbegründenden Umstände zwar entfallen sind, aber bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bestehen und eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 4 QualfRL). Ist er dagegen unverfolgt ausgereist, so steht ihm das Recht aus § 60 Abs. 1 AufenthG nach § 28 Abs. 1a AsylVfG dann zu, wenn festgestellt wird, dass ihm wegen nachträglich eingetretener objektiver Veränderungen oder aufgrund selbst herbeigeführter Umstände, die Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Verfolgungsgefahren aufgrund selbst herbeigeführter Umstände können allerdings nach § 28 Abs. 2 AsylVfG in der Regel nicht mehr in Folgeverfahren geltend gemacht werden.
20 
Der Ausländer muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht bzw. beachtliche Zweifel an seiner Sicherheit bestehen, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321/85 -, NVwZ 1987, 701 und Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, 39).
a)
21 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erklärt, er sei Yezide, und sich darauf berufen, dass die Lage für Yeziden im Heimatland schlecht sei, sie von den Muslimen als unrein betrachtet und verachtet würden und sie deshalb keine Arbeit fänden. Er selbst sei in seiner Heimat nicht bedroht worden. Mit diesem Vortrag hat der Kläger keine individuelle Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt. Er hat keine Bedrohung geschildert, die auf ihn persönlich gezielt hat. Er hat nur Umstände angeführt, die ihn als Angehörigen der Gruppe der Yeziden allgemein treffen. Da der Kläger keine individuelle Verfolgung in Anknüpfung an seine Zugehörigkeit zu den Yeziden dargelegt hat, kann offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist, was von der Beklagten bestritten wird.
b)
22 
Da Yeziden keiner Gruppenverfolgung unterliegen, kann auch in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist.
23 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11/08 - juris Rdnrn. 13 ff, unter Hinweis auf die Urteile vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 <249> Rdnr. 20 ff. und vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30 ) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
24 
„Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204>) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
25 
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie ) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.).
26 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).
27 
An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird“.
28 
Ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden liegt nach den vorliegenden Auskünften nicht vor. Das Auswärtige Amt führte im Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 15/16) dazu aus, dass eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnische Minderheiten durch staatliche Behörden nicht in systematischer Weise stattfinden. Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm ergeben sich auch nicht aus sonstigen Auskünften. Hinweise für ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, sind ebenfalls nicht vorhanden. Gegen ein staatliches Verfolgungsprogramm spricht auch die Aussage im „International Religious Freedom Report“ des US-Außenministeriums vom 26.10.2009 (Seite 1), wonach sich die Regierung seit 2003 im Allgemeinen nicht an der Verfolgung irgendeiner religiösen Gruppe beteiligt habe. („Since 2003 the Government generally has not engaged in the persecution of any religious group and has called for tolerance and acceptance of all religious minorities“.)
29 
Die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden erreichen im Übrigen auch nicht die erforderliche Dichte für die Feststellung einer Gruppenverfolgung. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse geht die Kammer davon aus, dass in der zentralirakischen Provinz Ninive ca. 500.000 Yeziden leben. Das Auswärtige Amt spricht in seinem Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 22) von 200.000-600.000 Personen. Andere Quellen gehen von 500.000 Yeziden (UK Border Agency, Country of Origin Report Iraq, 10.12.2009, Rdnr. 21.55; Bundesasylamt der Republik Österreich , Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009, Seite 8) aus. Von diesen leben etwa zwei Drittel in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa ein Drittel im Distrikt Sheikan. Ein kleinerer Teil der Yeziden lebt in den kurdischen Nordprovinzen des Irak bzw. in Großstädten des Irak.
30 
Über die im Folgenden aufgezählten Maßnahmen gegen die Yeziden wird in den vorliegenden Auskünften berichtet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker weist in ihrem Bericht, „Die Yezidi im Irak“, November 2007, darauf hin, dass Übergriffe auf Yeziden von keiner neutralen Stelle dokumentiert werden. Aus Angst vor Schikanen und Repressionen brächten die Betroffenen selbst Gewalttaten gegen sich nicht zur Anzeige. Die Darstellung erhebe daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Opfer von Morden und Anschlägen seien Männer. Dies dürfe nach der Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker vor allem darauf zurückzuführen sein, dass yezidische Frauen kaum noch in der Öffentlichkeit erschienen.
31 
Quellen:
1. Gesellschaft für bedrohte Völker, „Die Yezidi im Irak“, November 2007
2. UNHCR, „ELIGIBILITY GUIDELINES FOR ASSESSING THE
INTERNATIONAL PROTECTION NEEDS OF IRAQI
ASYLUM-SEEKERS, April 2009“ (Rdnr. 305)
( (Rdnr. 305 „In the first half of 2008, UNAMI HRO recorded at least five Yazidis murdered in Sinjar. In the second half of 2008,
several targeted attacks were reported in the media. On 2 November 2008, police found the bodies of a Yazidi couple strangled
to death inside their house in Al-Bijaaj area west of Mosul. On 7 December 2008, gunmen shot down two Yazidis inside their liquor
store in northern Mosul. And on 15 December 2008, gunmen killed seven Yazidis, all from the same family, in the town of Sinjar.
In recent years, the Yazidis’ most important ritual, the annual pilgrimage to the holy shrine in Lalish ( Cejna Cemayya ),
has not been held or only with restrictions due to ongoing threats and attacks“) )
3. BAA, „Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak“, 04.11.2009 (Seite 8)
4. U.S. Departement of State, „International Religious Freedom Report“,
26.10.2009
5. Auswärtiges Amt Lagebericht Irak, Stand August 2009, Seite 22
        
Ereignis
Quelle(n)
März 2004
Es tauchen in Mosul Flugblätter auf, die all denjenigen „Gottes Lohn“
verheißen, die Yeziden töten.
1
17.08.2004
Das Kind Fadi Aied K. aus Baschika wird von Terroristen
ermordet. Es wird enthauptet, seine Leiche verbrannt.
1
Juni und Juli 2004
In diesen Monaten allein werden 28 Drohbriefe an prominente
Yeziden gerichtet. Speziell angespannt ist die Situation in Mosul und
Kirkuk.
1
Ende August 2004
Ein Yezide, der in Mosul in einem Geschäft für Luxusgüter und
Accessoires arbeitete, wird von Unbekannten ermordet. Neben seiner
Leiche findet man einen Zettel, auf dem stand „weil er ein
Ungläubiger war“.
1
23.09. 2004
In der Universität Mosul werden öffentlich Rundschreiben mit
Drohungen gegen alle Frauen ausgehängt, die ohne Kopftuch die
Universität besuchen.
1
01.10.2004
Der Imam in der Stadt Scheikhan fordert über Lautsprecher alle
Yeziden auf, zum Islam überzutreten. Andernfalls würden sie schwer
bestraft.
1
Letztes Drittel des Jahres 2004
Es werden rund 25 Morde und über 50 Gewalttaten an Yeziden gezählt.
1
16.10.2004
Zwei Yeziden in der Stadt Telafar werden grausam getötet, weil einer
von ihnen während des Ramadans geraucht und sich daher als
Nicht-Muslim zu erkennen gegeben hatte.
1
08.12.2004
Fünf Yeziden werden von extremistischen Moslems an der
Bundesstraße Telafar Richtung Sinjar ermordet.
1
August 2004 bis Mai 2005
34 Morde an Yeziden werden gezählt, davon zehn in Mosul, neun in
der Region Sinjar und 14 in Telafar.
1
Juli 2004
Es kam zu Anschlägen auf den Kaimakam (Bürgermeister) von Sinjar.
1
17.09.2004
Das weltliche Oberhaupt der Yeziden, Mir Tashin Beg, in Alkosch,
circa vierzig Kilometer von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk
gelegen, wird Opfer eines Bombenanschlags und leicht verletzt.
1
Ab 2005
Die Situation in der Region Sinjar hat sich deutlich verschlechtert.
1
Jahr 2005
Es „gab es mehrere Dutzend Mordfälle an Jesiden, vor allem in den
Städten Tal Afar und Sindschar. Als Täter wurden Muslime
beschuldigt, die Jesiden für ihr nicht den Regeln des Korans
entsprechendes Verhalten „bestrafen“ wollten“.
5
Juli 2005
In Bagdad wird ein gezielter Mordanschlag auf einen der Leibwächter
von Mamou Othman, ehemaliger yezidischer Minister der
Übergangsregierung, verübt.
1
August 2005
Ein Yezide, der in Bagdad ein Alkoholgeschäft führte, wird entführt.
Er wird massiv gefoltert, kann aber befreit werden.
1
01.11.2005
Zwischen Sinjar und Mosul wird ein Anschlag auf yezidische Arbeiter
verübt. Sechs Personen sterben und drei weitere werden verletzt.
1
2006
Der Bildungsdirektor von Basra erklärt es für alle Studentinnen und
Arbeiterinnen in den Schulen zur Pflicht, unabhängig von ihrer
Religionszugehörigkeit das Kopftuch zu tragen.
1
20.04.2006
Hassan Nermo, ein Yezide und Mitglied des Regierungsrats von
Ninive, wird ermordet.
1
15.02.2007
Es eskalierte ein Familienkonflikt in der Stadt Sheikhan, in der
Provinz Ninive. Eine kurdisch-muslimische Frau war vor ihrem Mann
geflohen, von dem sie sich terrorisiert und tyrannisiert fühlte. Zwei
kurdisch-yezidische Sicherheitsbeamte nahmen sie in ihrem
Fahrzeug mit. Das erzählte sie später auch ihrer Familie. Einige
Familienmitglieder warfen ihr daraufhin Ehebruch vor und bedrohten
sie mit dem Tod. Auch die kurdisch- yezidischen Beamten sollten
getötet werden. Der Familienkonflikt gipfelte in gewalttätigen
Übergriffen auf kurdisch- yezidische Einrichtungen und Personen und
konnte erst mit Hilfe der kurdischen Sicherheitskräfte aus Akre und
Duhok unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Personen wurden
verhaftet. Die Frau wurde von ihrer eigenen Familie ermordet. Die
Regionalregierung hat Stellung bezogen und ihre Unterstützung der
yezidischen Gemeinschaft bekräftigt. Dr. Dakhil Said Khidir, ein
ortskundiges Beiratsmitglied der GfbV Sektion Kurdistan/ Irak,
vermutet, dass Kräfte von den Nachbarstaaten einen konfessionellen
Konflikt provozieren wollten, um Instabilität innerhalb der Region zu
schaffen.
1
15.02.2007
„In der Stadt Scheichan zu gewaltsamen Ausschreitungen
zwischen muslimischen Kurden und Jesiden, bei denen religiöse
Zentren der Jesiden, Privathäuser und Geschäfte niedergebrannt
wurden.“
5
22.04.2007
Es werden in „Mosul 24 yezidische Arbeiter getötet. Nach
Medienberichten war dieses Attentat eine Vergeltung seitens
islamischer Extremisten für die Ermordung des angeblich zum Islam
übergetreten 17jährigen yezidischen Mädchens Dua Khalil Aswad.
Sie war am 7. April 2007 Opfer eines grausamen „Ehrenmordes“
geworden. Die Angehörigen der Yeziden haben nach dem Anschlag
vom 22. April 2007 die irakische Regierung und internationale NGOs
aufgerufen, sie zu schützen. Nach diesem Anschlag sind fast alle
Yeziden aus Mosul geflohen. Über 800 yezidische Studenten gaben
ihr Studium in Mosul auf“.
1, 5
23.04.2007
Ein Anschlag in Telleskuf, in der Provinz Ninive wird verübt.
Es gibt keine Opfer.
1
04.06.2007
Ein Yezide wird von Terroristen getötet und dessen Vater verletzt.
1
03.07.2007
Zwei Yeziden werden aus der Ortschaft Bahshiqa von Unbekannten
entführt. Sie waren mit einem Lastwagen, der mit Mehl beladen war,
unterwegs nach Telkeyf, 40 km nördlich von Mosul. Die beiden
Entführten, Sari Muhsin Jori und Hilal Khairi Jori, wurden einen Tag
später im Stadtviertel Sumer in Mosul tot aufgefunden.
1
14.08.2007
Es kommt zu verheerenden Anschlägen auf Yeziden in den
Ortschaften Til Ezer und Siba Sheikh Khidir bei Sinjar in der größten
yezidischen Region des Nordirak. Mehrere mit Sprengstoff gefüllte
Autos explodieren in den zwei Dörfern. Etwa 400 Menschen werden
getötet und Hunderte verletzt. Es handelt sich um die größten
Anschläge im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein 2003.
1, 5
1. Jahreshälfte 2008
Es wird berichtet, dass in Sinjar mindestens fünf Yeziden ermordet
worden.
2
02.11.2008
Die Polizei findet die Leichen eines yezidischen Paares in seinem
Haus westlich von Mosul, das stranguliert wurde.
2
07.12.2008
Zwei Yeziden werden in ihrem Alkoholgeschäft im Norden von Mosul
erschossen.
2, 4
15.12.2008
7 Yeziden derselben Familie in Sinjar werden erschossen.
2
Dezember 2008
Durch eine Autobombe in Sinjar werden mehrere Menschen getötet
und mehr als 40 verletzt.
3
25. und 26.03.2009
Zwei Yeziden werden in der Nähe von Mosul getötet. Die irakischen
Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass eine Person Opfer einer
Stammesfehde sei.
(On March 25 and 26, 2009, two Yezidi men were shot and killed, their bodies discovered in fields near the city of Mosul.
Iraqi security forces  reportedly believed that one of the deaths was the result of a tribal feud.)
4
August 2009
Mindestens 27 Menschen in Sinjar werden durch Anschläge getötet.
3
September 2009
Reihe von Anschlägen gegen Minderheiten in der Provinz Niniwe
3
02.10.2009
Ein Anführer der Yeziden und Colonel der Polizei wird in seinem Haus
in Mosul in die Luft gesprengt.
3
                 
32 
Allgemein wird die Lage der Yeziden wie folgt beschrieben:
33 
Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak, Stand August 2009:
34 
„Mehrere ineinander greifende Konflikte überlagern sich: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzung sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden), als auch mit den Minderheiten (v.a. Christen, Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen“ (Seite 5).
35 
„Offiziell anerkannte Minderheiten wie Christen, Jesiden oder Chaldäer genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind in der Realität jedoch einem spezifischen Verfolgungs- und Vertreibungsdruck, z.B. durch islamistische Extremisten, ausgesetzt. Die Regierung hat wiederholt versprochen, sie vor dieser Verfolgung zu schützen, ist dazu jedoch häufig nicht in der Lage“ (Seite 6).
36 
„Auch in der Provinz Niniwe (Mossul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet. Da die sunnitische Bevölkerung dort mit a-Qil sympathisiert, hat sich die Terrorgruppe dort einen neuen Rückzugsort geschaffen, insbesondere seit ihrer Verdrängung Ende 2007 aus der Provinz Anbar“ (Seite 14).
37 
„Art. 2 Abs. 2< der Verfassung> erwähnt ausdrücklich Christen, Jesiden, Sabäer und Mandäer (neben Muslimen). Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgungreligiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet zwar nicht in systematischer Weise, aber in signifikantem Umfang statt.
38 
Jesiden im Nordirak sehen sich erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch z. B. den Sicherheitskräften der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) ausgesetzt“ (Seite16).
39 
„Die Zunahme der Angriffe auf Jesiden geht einher mit dem Anstieg der Spannungen zwischen Arabern und Kurden in Mossul sowie einer verstärkten Präsenz islamistischer Extremisten in der Region“ (Seite 22).
40 
BAA, Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009 (Seite 7, 8 und Seite 12)
41 
„Die fortgesetzte Gewalt steht in Zusammenhang mit dem eskalierenden Streit zwischen der Kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung um die Regionen Mossul und Kirkuk. Dort haben Christen, Jesiden und Turkmenen eine lange Tradition und sind nun zwischen die beiden konkurrierenden Institutionen geraten. Aufgrund ihrer relativ kleinen Zahl und dem mangelnden Zugang zur Justiz sind sie besonders verwundbar.
42 
Verschiedene Faktoren machen weiterhin Jesiden und andere religiöse Minderheiten zum Ziel von Anschlägen – besonders durch islamistische Extremisten:
43 
- Die Angehörigen von religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäer/Sabäer, Kaka’i und Jesiden werden auch pauschal als Anhänger der irakischen Regierung und der internationalen Truppen und oft auch als Kurden angesehen.
44 
- Dazu kommt die Verfolgung durch islamistische Extremisten, welche die Angehörigen der jesidischen Religionsgemeinschaft als „ungläubig“ ansehen.
45 
- Hinzukommt, dass Jesiden wie Christen traditionell im Alkoholverkauf tätig sind, was die in diesem Bereich tätigen Personen zusätzlich zum Ziel islamistischer Ex-tremisten macht.
46 
In Mosul riefen Flugblätter zur Ermordung aller Jesiden auf“.
47 
„Die Zahl der Yeziden fiel aufgrund gezielter Angriffe und der darauf folgenden Flucht von 700.000 im Jahr 2005 auf etwa ein halbe Million.“
48 
„Derzeit liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Sicherheitslage in den Hauptsiedlungsgebieten der Jesiden in nächster Zeit nachhaltig verbessern wird. Dafür ist die Sicherheitslage in den umstrittenen Gebieten zu sehr von einer politischen Einigung zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung abhängig… Die Jesiden selbst können kaum die lokale Lage und schon gar nicht die überregionalen Ursachen beeinflussen, welche ihre Sicherheitslage prägen. Die Hauptakteure aber im Kampf um die Provinz Ninewah - und damit eng verknüpft Kirkuk - sind ganz andere und sind im Fall der arabischen Schiiten nicht einmal durch eine größere Bevölkerungsgruppe vor Ort vertreten“.
49 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009 (Seite 11):
50 
„Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten: Christen, Yeziden, Turkmenen, Schabak, Kaka’i, Sabäer, Baha’i und Juden werden seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet. Yeziden, Schabak und Kaka’i sind wegen ihrer kurdischen Identität gefährdet, Schabak, Turkmenen und Faili-Kurden, die meistens schiitischen Glaubens sind, werden von sunnitischen Islamisten aufgrund ihres religiösen Hintergrundes umgebracht. Wegen der systematischen Verfolgung sind viele Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten geflohen, und ihre Anzahl ist stark zurückgegangen. Vor allem in den umstrittenen Gebieten geraten religiöse und ethnische Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Schabak häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen. Zwischen August und Oktober 2008 flohen nach einer Reihe von Anschlägen Tausende Christen aus Mosul“.
51 
Die Maßnahmen gegen die Yeziden, von denen die oben zitierten Auskünfte berichten, sind im Rahmen der Gewährung von Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG überwiegend (verfolgungs-)relevant. Sie treffen die Yeziden wegen ihrer Religion bzw. wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den Yeziden um eine soziale Gruppe handelt, die sich neben ihrer Religion auch durch eine eigenständige Ethnie definiert, oder ob die Maßnahmen sie auch deshalb treffen, weil sie Kurden sind oder von ihren Gegnern als solche angesehen werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 QualfRL). Yeziden sind nach den oben dargestellten Auskünften aufgrund von Anschlägen auf Leib und Leben Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Buchstabe a QualfRL ausgesetzt. Daneben dürften auch Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b QualfRL vorliegen, die aus einer Kumulierung verschiedener Maßnahmen bestehen, die das Gewicht einer Maßnahme nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a QualfRL erreicht, die für sich selbst gesehen schon verfolgungsrelevant ist. Aufgrund des politischen Umfeldes, in dem sie stattfinden, geht die Kammer auch davon aus, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle auch die nach Art. 9 Abs. 3 QualfRL erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und verfolgungsrelevantem Grund besteht, auch wenn im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass es Verfolgungshandlungen gegenüber Yeziden auch aus nicht verfolgungsrelevanten Gründen gab und geben wird.
52 
Aus diesen Auskünften folgt, dass die Yeziden einem Verfolgungsdruck unterliegen und es zu verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegen sie gekommen ist, zu denen nicht nur Anschläge auf Leib und Leben gehören. Es ist auch davon auszugehen, dass es in der näheren Zukunft und auch mittelfristig zu weiteren asylrelevanten Bedrohungen kommen wird. Dennoch kann nach den Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts (siehe oben) keine Gruppenverfolgung gegenüber den Yeziden festgestellt werden. Die Kammer geht davon aus, dass es bei Feststellung einer Gruppenverfolgung nicht darauf ankommt, ob die verfolgungsrelevanten Verfolgungshandlungen von einer homogenen Verfolgergruppe ausgehen oder dass alle Maßnahmen an dasselbe Verfolgungsmerkmal anknüpfen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegenüber einer Gruppe zusammen eine Dichte erreichen, dass im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts “für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Dies lässt sich jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nicht feststellen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass die Dichte verfolgungsrelevanter Maßnahmen gegen die Yeziden wie die Gewalt im Irak allgemein in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber den Vorjahren erheblich zurückgegangen ist. Dies spiegelt sich in den oben dargestellten Fakten wider. Zwar kann eine erhebliche Dunkelziffer auch in den Jahren 2008 und 2009 nicht ausgeschlossen werden. Über eine Größenordnung ließe sich aber nur spekulieren, so dass sie nicht in die Betrachtung einbezogen werden kann. Angesicht einer Zahl von ca. 500.000 Yeziden in der zentralirakischen Provinz Ninive lässt sich die für die Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht feststellen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass von den berichteten Anschlägen wiederum Yeziden betroffen sind, die sich durch weitere Merkmale abgrenzen ließen, so dass sich eine andere Relation der verfolgungsrelevanten Maßnahmen ergäbe.
53 
Der Kläger kann einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Yeziden ableiten, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Vergangenheit aufgrund einer Erlasslage diesen Status erhalten haben. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des 60 Abs. 1 AufenthG ist eine gebundene Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Verwaltungsgericht auf der Basis der Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu prüfen sind. Eine Bindung an eine Erlasslage besteht nicht.
2.
54 
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (europarechtlicher subsidiärer Schutz) liegen nicht vor.
55 
Für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
56 
Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.
57 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers nichts ersichtlich.
58 
Nach § 60 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung der Todesstraße besteht.
59 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers gleichfalls nichts ersichtlich.
60 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn sich die allgemeine Gefahr aufgrund individueller, gefahrerhöhender Merkmale in der Person des Klägers soweit verdichtet, dass er aufgrund willkürlicher Gewalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Liegen solche individuellen Merkmale nicht vor, ist der notwendige Grad der Gefahr auch dann erreicht, wenn die allgemeinen Gefahren eine derart hohe Dichte bzw. einen derart hohen Grad aufweisen, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9/08 - juris, Rdnr. 17 unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji ). Dabei können „für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung ..., sofern nicht Besonderheiten des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegenstehen“ (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 - juris, Rdnr. 35).
61 
Als persönliches, gefahrerhöhendes Merkmal kommt hier nur die vom Kläger behauptete Zugehörigkeit zu den Yeziden in Betracht. Daraus ergibt sich, wie oben ausgeführt, nicht die erforderliche Verfolgungsdichte für eine Gruppenverfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
62 
Die Anschläge, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist, erreichen weder für sich noch für die Yeziden im Zusammenhang mit den oben behandelten flüchtlingsschutzrelevanten Übergriffen die erforderliche Dichte für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Die Sicherheitslage hat sich gegenüber den Opferzahlen in den Jahren 2006 und 2007 im Zentral- und Südirak bedeutend verbessert (SFH, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009, Seite 4 ff.). Im Jahr 2008 lag die Zahl der Todesopfer in der Größenordnung von 9.200 Personen, im Jahr 2009 bei ca. 4.645 Personen. In der Provinz Ninive, aus der der Kläger nach seinem Vortrag kommt, ging die Zahl der Todesopfer von 100 Toten je 100.000 Einwohner im Jahr 2007 auf ca. 41 Tote je 100.000 Einwohner im Jahr 2009 zurück (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Irak, „Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte“, Januar 2010, Seiten 2, 3 und 23). Dazu kommen im Jahr 2008 verletzte Personen in einer Größenordnung von über 20.000 (vgl. SFH, aaO, Seite 5).
3.
63 
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (nationaler subsidiärer Schutz) vor.
64 
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 0.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dafür gibt es aufgrund des Vortrags des Klägers keine Anhaltspunkte.
65 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erforderlich ist eine konkrete Gefahr.
66 
Für das Vorliegen einer konkreten (individuellen) Gefahr hat der Kläger nichts vorgetragen.
67 
Soweit der Kläger sich aufgrund der allgemeinen Lage im Irak auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beruft, steht der Feststellung eines Abschiebungsverbotes Satz 3 entgegen. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner verfassungskonformen Auslegung erfüllt sind, weil der Antragsteller „im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, 1 C 18/05), kann offen bleiben, da dem Antragsteller aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zu Teil wird. Nach den „Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 01.01.2005“ – ZV-AufenthR 2005 – (24. Fortschreibung, 05.10.2009, Abschnitt D, Irak Nr. 3, Rückführung irakischer Staatsangehöriger) können weiterhin Duldungen für drei Monate erteilt bzw. verlängert werden. Rückführungen von Irakern sollen nur erfolgen, wenn es sich um Straftäter handelt oder sie die innere Sicherheit gefährden.
4.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Flüchtlingsschutz (1.), auf die Feststellung des Bestehens europarechtlichen (2.) bzw. nationalen (3.) subsidiären Schutzes.
1.
17 
Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung durch einen der Akteure des Satzes 4 Buchstaben a bis c bedroht ist, es sei denn es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12 - QualfRL) ergänzend anzuwenden.
18 
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ist dann zu gewähren, wenn dem Betroffenen - anhand der Sachlage im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung - bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat in seiner Person Verfolgung droht. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen wegen seines individuellen Schicksals (Einzelverfolgung) oder wegen seiner Zugehörigkeit zu einer durch gemeinsame Merkmale verbundenen Gruppe von Menschen (Gruppenverfolgung) durch den Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe a AufenthG), durch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe b AufenthG) oder durch Maßnahmen nichtsstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c AufenthG, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbaren Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nicht auf den Schutz des § 60 Abs. 1 AufenthG berufen kann sich dagegen derjenige, der aufgrund allgemeiner Unglücksfolgen, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen, sein Heimatland verlassen hat.
19 
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Ausländer vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist er wegen bestehender oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung ausgereist, so genießt er Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, wenn diese fluchtbegründenden Umstände noch fortbestehen. Gleiches gilt, wenn die fluchtbegründenden Umstände zwar entfallen sind, aber bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bestehen und eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 4 QualfRL). Ist er dagegen unverfolgt ausgereist, so steht ihm das Recht aus § 60 Abs. 1 AufenthG nach § 28 Abs. 1a AsylVfG dann zu, wenn festgestellt wird, dass ihm wegen nachträglich eingetretener objektiver Veränderungen oder aufgrund selbst herbeigeführter Umstände, die Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Verfolgungsgefahren aufgrund selbst herbeigeführter Umstände können allerdings nach § 28 Abs. 2 AsylVfG in der Regel nicht mehr in Folgeverfahren geltend gemacht werden.
20 
Der Ausländer muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht bzw. beachtliche Zweifel an seiner Sicherheit bestehen, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321/85 -, NVwZ 1987, 701 und Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, 39).
a)
21 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erklärt, er sei Yezide, und sich darauf berufen, dass die Lage für Yeziden im Heimatland schlecht sei, sie von den Muslimen als unrein betrachtet und verachtet würden und sie deshalb keine Arbeit fänden. Er selbst sei in seiner Heimat nicht bedroht worden. Mit diesem Vortrag hat der Kläger keine individuelle Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt. Er hat keine Bedrohung geschildert, die auf ihn persönlich gezielt hat. Er hat nur Umstände angeführt, die ihn als Angehörigen der Gruppe der Yeziden allgemein treffen. Da der Kläger keine individuelle Verfolgung in Anknüpfung an seine Zugehörigkeit zu den Yeziden dargelegt hat, kann offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist, was von der Beklagten bestritten wird.
b)
22 
Da Yeziden keiner Gruppenverfolgung unterliegen, kann auch in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist.
23 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11/08 - juris Rdnrn. 13 ff, unter Hinweis auf die Urteile vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 <249> Rdnr. 20 ff. und vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30 ) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
24 
„Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204>) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
25 
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie ) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.).
26 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).
27 
An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird“.
28 
Ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden liegt nach den vorliegenden Auskünften nicht vor. Das Auswärtige Amt führte im Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 15/16) dazu aus, dass eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnische Minderheiten durch staatliche Behörden nicht in systematischer Weise stattfinden. Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm ergeben sich auch nicht aus sonstigen Auskünften. Hinweise für ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, sind ebenfalls nicht vorhanden. Gegen ein staatliches Verfolgungsprogramm spricht auch die Aussage im „International Religious Freedom Report“ des US-Außenministeriums vom 26.10.2009 (Seite 1), wonach sich die Regierung seit 2003 im Allgemeinen nicht an der Verfolgung irgendeiner religiösen Gruppe beteiligt habe. („Since 2003 the Government generally has not engaged in the persecution of any religious group and has called for tolerance and acceptance of all religious minorities“.)
29 
Die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden erreichen im Übrigen auch nicht die erforderliche Dichte für die Feststellung einer Gruppenverfolgung. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse geht die Kammer davon aus, dass in der zentralirakischen Provinz Ninive ca. 500.000 Yeziden leben. Das Auswärtige Amt spricht in seinem Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 22) von 200.000-600.000 Personen. Andere Quellen gehen von 500.000 Yeziden (UK Border Agency, Country of Origin Report Iraq, 10.12.2009, Rdnr. 21.55; Bundesasylamt der Republik Österreich , Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009, Seite 8) aus. Von diesen leben etwa zwei Drittel in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa ein Drittel im Distrikt Sheikan. Ein kleinerer Teil der Yeziden lebt in den kurdischen Nordprovinzen des Irak bzw. in Großstädten des Irak.
30 
Über die im Folgenden aufgezählten Maßnahmen gegen die Yeziden wird in den vorliegenden Auskünften berichtet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker weist in ihrem Bericht, „Die Yezidi im Irak“, November 2007, darauf hin, dass Übergriffe auf Yeziden von keiner neutralen Stelle dokumentiert werden. Aus Angst vor Schikanen und Repressionen brächten die Betroffenen selbst Gewalttaten gegen sich nicht zur Anzeige. Die Darstellung erhebe daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Opfer von Morden und Anschlägen seien Männer. Dies dürfe nach der Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker vor allem darauf zurückzuführen sein, dass yezidische Frauen kaum noch in der Öffentlichkeit erschienen.
31 
Quellen:
1. Gesellschaft für bedrohte Völker, „Die Yezidi im Irak“, November 2007
2. UNHCR, „ELIGIBILITY GUIDELINES FOR ASSESSING THE
INTERNATIONAL PROTECTION NEEDS OF IRAQI
ASYLUM-SEEKERS, April 2009“ (Rdnr. 305)
( (Rdnr. 305 „In the first half of 2008, UNAMI HRO recorded at least five Yazidis murdered in Sinjar. In the second half of 2008,
several targeted attacks were reported in the media. On 2 November 2008, police found the bodies of a Yazidi couple strangled
to death inside their house in Al-Bijaaj area west of Mosul. On 7 December 2008, gunmen shot down two Yazidis inside their liquor
store in northern Mosul. And on 15 December 2008, gunmen killed seven Yazidis, all from the same family, in the town of Sinjar.
In recent years, the Yazidis’ most important ritual, the annual pilgrimage to the holy shrine in Lalish ( Cejna Cemayya ),
has not been held or only with restrictions due to ongoing threats and attacks“) )
3. BAA, „Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak“, 04.11.2009 (Seite 8)
4. U.S. Departement of State, „International Religious Freedom Report“,
26.10.2009
5. Auswärtiges Amt Lagebericht Irak, Stand August 2009, Seite 22
        
Ereignis
Quelle(n)
März 2004
Es tauchen in Mosul Flugblätter auf, die all denjenigen „Gottes Lohn“
verheißen, die Yeziden töten.
1
17.08.2004
Das Kind Fadi Aied K. aus Baschika wird von Terroristen
ermordet. Es wird enthauptet, seine Leiche verbrannt.
1
Juni und Juli 2004
In diesen Monaten allein werden 28 Drohbriefe an prominente
Yeziden gerichtet. Speziell angespannt ist die Situation in Mosul und
Kirkuk.
1
Ende August 2004
Ein Yezide, der in Mosul in einem Geschäft für Luxusgüter und
Accessoires arbeitete, wird von Unbekannten ermordet. Neben seiner
Leiche findet man einen Zettel, auf dem stand „weil er ein
Ungläubiger war“.
1
23.09. 2004
In der Universität Mosul werden öffentlich Rundschreiben mit
Drohungen gegen alle Frauen ausgehängt, die ohne Kopftuch die
Universität besuchen.
1
01.10.2004
Der Imam in der Stadt Scheikhan fordert über Lautsprecher alle
Yeziden auf, zum Islam überzutreten. Andernfalls würden sie schwer
bestraft.
1
Letztes Drittel des Jahres 2004
Es werden rund 25 Morde und über 50 Gewalttaten an Yeziden gezählt.
1
16.10.2004
Zwei Yeziden in der Stadt Telafar werden grausam getötet, weil einer
von ihnen während des Ramadans geraucht und sich daher als
Nicht-Muslim zu erkennen gegeben hatte.
1
08.12.2004
Fünf Yeziden werden von extremistischen Moslems an der
Bundesstraße Telafar Richtung Sinjar ermordet.
1
August 2004 bis Mai 2005
34 Morde an Yeziden werden gezählt, davon zehn in Mosul, neun in
der Region Sinjar und 14 in Telafar.
1
Juli 2004
Es kam zu Anschlägen auf den Kaimakam (Bürgermeister) von Sinjar.
1
17.09.2004
Das weltliche Oberhaupt der Yeziden, Mir Tashin Beg, in Alkosch,
circa vierzig Kilometer von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk
gelegen, wird Opfer eines Bombenanschlags und leicht verletzt.
1
Ab 2005
Die Situation in der Region Sinjar hat sich deutlich verschlechtert.
1
Jahr 2005
Es „gab es mehrere Dutzend Mordfälle an Jesiden, vor allem in den
Städten Tal Afar und Sindschar. Als Täter wurden Muslime
beschuldigt, die Jesiden für ihr nicht den Regeln des Korans
entsprechendes Verhalten „bestrafen“ wollten“.
5
Juli 2005
In Bagdad wird ein gezielter Mordanschlag auf einen der Leibwächter
von Mamou Othman, ehemaliger yezidischer Minister der
Übergangsregierung, verübt.
1
August 2005
Ein Yezide, der in Bagdad ein Alkoholgeschäft führte, wird entführt.
Er wird massiv gefoltert, kann aber befreit werden.
1
01.11.2005
Zwischen Sinjar und Mosul wird ein Anschlag auf yezidische Arbeiter
verübt. Sechs Personen sterben und drei weitere werden verletzt.
1
2006
Der Bildungsdirektor von Basra erklärt es für alle Studentinnen und
Arbeiterinnen in den Schulen zur Pflicht, unabhängig von ihrer
Religionszugehörigkeit das Kopftuch zu tragen.
1
20.04.2006
Hassan Nermo, ein Yezide und Mitglied des Regierungsrats von
Ninive, wird ermordet.
1
15.02.2007
Es eskalierte ein Familienkonflikt in der Stadt Sheikhan, in der
Provinz Ninive. Eine kurdisch-muslimische Frau war vor ihrem Mann
geflohen, von dem sie sich terrorisiert und tyrannisiert fühlte. Zwei
kurdisch-yezidische Sicherheitsbeamte nahmen sie in ihrem
Fahrzeug mit. Das erzählte sie später auch ihrer Familie. Einige
Familienmitglieder warfen ihr daraufhin Ehebruch vor und bedrohten
sie mit dem Tod. Auch die kurdisch- yezidischen Beamten sollten
getötet werden. Der Familienkonflikt gipfelte in gewalttätigen
Übergriffen auf kurdisch- yezidische Einrichtungen und Personen und
konnte erst mit Hilfe der kurdischen Sicherheitskräfte aus Akre und
Duhok unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Personen wurden
verhaftet. Die Frau wurde von ihrer eigenen Familie ermordet. Die
Regionalregierung hat Stellung bezogen und ihre Unterstützung der
yezidischen Gemeinschaft bekräftigt. Dr. Dakhil Said Khidir, ein
ortskundiges Beiratsmitglied der GfbV Sektion Kurdistan/ Irak,
vermutet, dass Kräfte von den Nachbarstaaten einen konfessionellen
Konflikt provozieren wollten, um Instabilität innerhalb der Region zu
schaffen.
1
15.02.2007
„In der Stadt Scheichan zu gewaltsamen Ausschreitungen
zwischen muslimischen Kurden und Jesiden, bei denen religiöse
Zentren der Jesiden, Privathäuser und Geschäfte niedergebrannt
wurden.“
5
22.04.2007
Es werden in „Mosul 24 yezidische Arbeiter getötet. Nach
Medienberichten war dieses Attentat eine Vergeltung seitens
islamischer Extremisten für die Ermordung des angeblich zum Islam
übergetreten 17jährigen yezidischen Mädchens Dua Khalil Aswad.
Sie war am 7. April 2007 Opfer eines grausamen „Ehrenmordes“
geworden. Die Angehörigen der Yeziden haben nach dem Anschlag
vom 22. April 2007 die irakische Regierung und internationale NGOs
aufgerufen, sie zu schützen. Nach diesem Anschlag sind fast alle
Yeziden aus Mosul geflohen. Über 800 yezidische Studenten gaben
ihr Studium in Mosul auf“.
1, 5
23.04.2007
Ein Anschlag in Telleskuf, in der Provinz Ninive wird verübt.
Es gibt keine Opfer.
1
04.06.2007
Ein Yezide wird von Terroristen getötet und dessen Vater verletzt.
1
03.07.2007
Zwei Yeziden werden aus der Ortschaft Bahshiqa von Unbekannten
entführt. Sie waren mit einem Lastwagen, der mit Mehl beladen war,
unterwegs nach Telkeyf, 40 km nördlich von Mosul. Die beiden
Entführten, Sari Muhsin Jori und Hilal Khairi Jori, wurden einen Tag
später im Stadtviertel Sumer in Mosul tot aufgefunden.
1
14.08.2007
Es kommt zu verheerenden Anschlägen auf Yeziden in den
Ortschaften Til Ezer und Siba Sheikh Khidir bei Sinjar in der größten
yezidischen Region des Nordirak. Mehrere mit Sprengstoff gefüllte
Autos explodieren in den zwei Dörfern. Etwa 400 Menschen werden
getötet und Hunderte verletzt. Es handelt sich um die größten
Anschläge im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein 2003.
1, 5
1. Jahreshälfte 2008
Es wird berichtet, dass in Sinjar mindestens fünf Yeziden ermordet
worden.
2
02.11.2008
Die Polizei findet die Leichen eines yezidischen Paares in seinem
Haus westlich von Mosul, das stranguliert wurde.
2
07.12.2008
Zwei Yeziden werden in ihrem Alkoholgeschäft im Norden von Mosul
erschossen.
2, 4
15.12.2008
7 Yeziden derselben Familie in Sinjar werden erschossen.
2
Dezember 2008
Durch eine Autobombe in Sinjar werden mehrere Menschen getötet
und mehr als 40 verletzt.
3
25. und 26.03.2009
Zwei Yeziden werden in der Nähe von Mosul getötet. Die irakischen
Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass eine Person Opfer einer
Stammesfehde sei.
(On March 25 and 26, 2009, two Yezidi men were shot and killed, their bodies discovered in fields near the city of Mosul.
Iraqi security forces  reportedly believed that one of the deaths was the result of a tribal feud.)
4
August 2009
Mindestens 27 Menschen in Sinjar werden durch Anschläge getötet.
3
September 2009
Reihe von Anschlägen gegen Minderheiten in der Provinz Niniwe
3
02.10.2009
Ein Anführer der Yeziden und Colonel der Polizei wird in seinem Haus
in Mosul in die Luft gesprengt.
3
                 
32 
Allgemein wird die Lage der Yeziden wie folgt beschrieben:
33 
Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak, Stand August 2009:
34 
„Mehrere ineinander greifende Konflikte überlagern sich: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzung sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden), als auch mit den Minderheiten (v.a. Christen, Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen“ (Seite 5).
35 
„Offiziell anerkannte Minderheiten wie Christen, Jesiden oder Chaldäer genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind in der Realität jedoch einem spezifischen Verfolgungs- und Vertreibungsdruck, z.B. durch islamistische Extremisten, ausgesetzt. Die Regierung hat wiederholt versprochen, sie vor dieser Verfolgung zu schützen, ist dazu jedoch häufig nicht in der Lage“ (Seite 6).
36 
„Auch in der Provinz Niniwe (Mossul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet. Da die sunnitische Bevölkerung dort mit a-Qil sympathisiert, hat sich die Terrorgruppe dort einen neuen Rückzugsort geschaffen, insbesondere seit ihrer Verdrängung Ende 2007 aus der Provinz Anbar“ (Seite 14).
37 
„Art. 2 Abs. 2< der Verfassung> erwähnt ausdrücklich Christen, Jesiden, Sabäer und Mandäer (neben Muslimen). Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgungreligiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet zwar nicht in systematischer Weise, aber in signifikantem Umfang statt.
38 
Jesiden im Nordirak sehen sich erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch z. B. den Sicherheitskräften der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) ausgesetzt“ (Seite16).
39 
„Die Zunahme der Angriffe auf Jesiden geht einher mit dem Anstieg der Spannungen zwischen Arabern und Kurden in Mossul sowie einer verstärkten Präsenz islamistischer Extremisten in der Region“ (Seite 22).
40 
BAA, Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009 (Seite 7, 8 und Seite 12)
41 
„Die fortgesetzte Gewalt steht in Zusammenhang mit dem eskalierenden Streit zwischen der Kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung um die Regionen Mossul und Kirkuk. Dort haben Christen, Jesiden und Turkmenen eine lange Tradition und sind nun zwischen die beiden konkurrierenden Institutionen geraten. Aufgrund ihrer relativ kleinen Zahl und dem mangelnden Zugang zur Justiz sind sie besonders verwundbar.
42 
Verschiedene Faktoren machen weiterhin Jesiden und andere religiöse Minderheiten zum Ziel von Anschlägen – besonders durch islamistische Extremisten:
43 
- Die Angehörigen von religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäer/Sabäer, Kaka’i und Jesiden werden auch pauschal als Anhänger der irakischen Regierung und der internationalen Truppen und oft auch als Kurden angesehen.
44 
- Dazu kommt die Verfolgung durch islamistische Extremisten, welche die Angehörigen der jesidischen Religionsgemeinschaft als „ungläubig“ ansehen.
45 
- Hinzukommt, dass Jesiden wie Christen traditionell im Alkoholverkauf tätig sind, was die in diesem Bereich tätigen Personen zusätzlich zum Ziel islamistischer Ex-tremisten macht.
46 
In Mosul riefen Flugblätter zur Ermordung aller Jesiden auf“.
47 
„Die Zahl der Yeziden fiel aufgrund gezielter Angriffe und der darauf folgenden Flucht von 700.000 im Jahr 2005 auf etwa ein halbe Million.“
48 
„Derzeit liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Sicherheitslage in den Hauptsiedlungsgebieten der Jesiden in nächster Zeit nachhaltig verbessern wird. Dafür ist die Sicherheitslage in den umstrittenen Gebieten zu sehr von einer politischen Einigung zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung abhängig… Die Jesiden selbst können kaum die lokale Lage und schon gar nicht die überregionalen Ursachen beeinflussen, welche ihre Sicherheitslage prägen. Die Hauptakteure aber im Kampf um die Provinz Ninewah - und damit eng verknüpft Kirkuk - sind ganz andere und sind im Fall der arabischen Schiiten nicht einmal durch eine größere Bevölkerungsgruppe vor Ort vertreten“.
49 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009 (Seite 11):
50 
„Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten: Christen, Yeziden, Turkmenen, Schabak, Kaka’i, Sabäer, Baha’i und Juden werden seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet. Yeziden, Schabak und Kaka’i sind wegen ihrer kurdischen Identität gefährdet, Schabak, Turkmenen und Faili-Kurden, die meistens schiitischen Glaubens sind, werden von sunnitischen Islamisten aufgrund ihres religiösen Hintergrundes umgebracht. Wegen der systematischen Verfolgung sind viele Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten geflohen, und ihre Anzahl ist stark zurückgegangen. Vor allem in den umstrittenen Gebieten geraten religiöse und ethnische Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Schabak häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen. Zwischen August und Oktober 2008 flohen nach einer Reihe von Anschlägen Tausende Christen aus Mosul“.
51 
Die Maßnahmen gegen die Yeziden, von denen die oben zitierten Auskünfte berichten, sind im Rahmen der Gewährung von Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG überwiegend (verfolgungs-)relevant. Sie treffen die Yeziden wegen ihrer Religion bzw. wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den Yeziden um eine soziale Gruppe handelt, die sich neben ihrer Religion auch durch eine eigenständige Ethnie definiert, oder ob die Maßnahmen sie auch deshalb treffen, weil sie Kurden sind oder von ihren Gegnern als solche angesehen werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 QualfRL). Yeziden sind nach den oben dargestellten Auskünften aufgrund von Anschlägen auf Leib und Leben Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Buchstabe a QualfRL ausgesetzt. Daneben dürften auch Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b QualfRL vorliegen, die aus einer Kumulierung verschiedener Maßnahmen bestehen, die das Gewicht einer Maßnahme nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a QualfRL erreicht, die für sich selbst gesehen schon verfolgungsrelevant ist. Aufgrund des politischen Umfeldes, in dem sie stattfinden, geht die Kammer auch davon aus, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle auch die nach Art. 9 Abs. 3 QualfRL erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und verfolgungsrelevantem Grund besteht, auch wenn im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass es Verfolgungshandlungen gegenüber Yeziden auch aus nicht verfolgungsrelevanten Gründen gab und geben wird.
52 
Aus diesen Auskünften folgt, dass die Yeziden einem Verfolgungsdruck unterliegen und es zu verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegen sie gekommen ist, zu denen nicht nur Anschläge auf Leib und Leben gehören. Es ist auch davon auszugehen, dass es in der näheren Zukunft und auch mittelfristig zu weiteren asylrelevanten Bedrohungen kommen wird. Dennoch kann nach den Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts (siehe oben) keine Gruppenverfolgung gegenüber den Yeziden festgestellt werden. Die Kammer geht davon aus, dass es bei Feststellung einer Gruppenverfolgung nicht darauf ankommt, ob die verfolgungsrelevanten Verfolgungshandlungen von einer homogenen Verfolgergruppe ausgehen oder dass alle Maßnahmen an dasselbe Verfolgungsmerkmal anknüpfen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegenüber einer Gruppe zusammen eine Dichte erreichen, dass im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts “für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Dies lässt sich jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nicht feststellen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass die Dichte verfolgungsrelevanter Maßnahmen gegen die Yeziden wie die Gewalt im Irak allgemein in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber den Vorjahren erheblich zurückgegangen ist. Dies spiegelt sich in den oben dargestellten Fakten wider. Zwar kann eine erhebliche Dunkelziffer auch in den Jahren 2008 und 2009 nicht ausgeschlossen werden. Über eine Größenordnung ließe sich aber nur spekulieren, so dass sie nicht in die Betrachtung einbezogen werden kann. Angesicht einer Zahl von ca. 500.000 Yeziden in der zentralirakischen Provinz Ninive lässt sich die für die Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht feststellen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass von den berichteten Anschlägen wiederum Yeziden betroffen sind, die sich durch weitere Merkmale abgrenzen ließen, so dass sich eine andere Relation der verfolgungsrelevanten Maßnahmen ergäbe.
53 
Der Kläger kann einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Yeziden ableiten, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Vergangenheit aufgrund einer Erlasslage diesen Status erhalten haben. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des 60 Abs. 1 AufenthG ist eine gebundene Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Verwaltungsgericht auf der Basis der Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu prüfen sind. Eine Bindung an eine Erlasslage besteht nicht.
2.
54 
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (europarechtlicher subsidiärer Schutz) liegen nicht vor.
55 
Für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
56 
Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.
57 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers nichts ersichtlich.
58 
Nach § 60 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung der Todesstraße besteht.
59 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers gleichfalls nichts ersichtlich.
60 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn sich die allgemeine Gefahr aufgrund individueller, gefahrerhöhender Merkmale in der Person des Klägers soweit verdichtet, dass er aufgrund willkürlicher Gewalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Liegen solche individuellen Merkmale nicht vor, ist der notwendige Grad der Gefahr auch dann erreicht, wenn die allgemeinen Gefahren eine derart hohe Dichte bzw. einen derart hohen Grad aufweisen, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9/08 - juris, Rdnr. 17 unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji ). Dabei können „für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung ..., sofern nicht Besonderheiten des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegenstehen“ (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 - juris, Rdnr. 35).
61 
Als persönliches, gefahrerhöhendes Merkmal kommt hier nur die vom Kläger behauptete Zugehörigkeit zu den Yeziden in Betracht. Daraus ergibt sich, wie oben ausgeführt, nicht die erforderliche Verfolgungsdichte für eine Gruppenverfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
62 
Die Anschläge, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist, erreichen weder für sich noch für die Yeziden im Zusammenhang mit den oben behandelten flüchtlingsschutzrelevanten Übergriffen die erforderliche Dichte für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Die Sicherheitslage hat sich gegenüber den Opferzahlen in den Jahren 2006 und 2007 im Zentral- und Südirak bedeutend verbessert (SFH, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009, Seite 4 ff.). Im Jahr 2008 lag die Zahl der Todesopfer in der Größenordnung von 9.200 Personen, im Jahr 2009 bei ca. 4.645 Personen. In der Provinz Ninive, aus der der Kläger nach seinem Vortrag kommt, ging die Zahl der Todesopfer von 100 Toten je 100.000 Einwohner im Jahr 2007 auf ca. 41 Tote je 100.000 Einwohner im Jahr 2009 zurück (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Irak, „Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte“, Januar 2010, Seiten 2, 3 und 23). Dazu kommen im Jahr 2008 verletzte Personen in einer Größenordnung von über 20.000 (vgl. SFH, aaO, Seite 5).
3.
63 
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (nationaler subsidiärer Schutz) vor.
64 
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 0.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dafür gibt es aufgrund des Vortrags des Klägers keine Anhaltspunkte.
65 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erforderlich ist eine konkrete Gefahr.
66 
Für das Vorliegen einer konkreten (individuellen) Gefahr hat der Kläger nichts vorgetragen.
67 
Soweit der Kläger sich aufgrund der allgemeinen Lage im Irak auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beruft, steht der Feststellung eines Abschiebungsverbotes Satz 3 entgegen. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner verfassungskonformen Auslegung erfüllt sind, weil der Antragsteller „im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, 1 C 18/05), kann offen bleiben, da dem Antragsteller aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zu Teil wird. Nach den „Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 01.01.2005“ – ZV-AufenthR 2005 – (24. Fortschreibung, 05.10.2009, Abschnitt D, Irak Nr. 3, Rückführung irakischer Staatsangehöriger) können weiterhin Duldungen für drei Monate erteilt bzw. verlängert werden. Rückführungen von Irakern sollen nur erfolgen, wenn es sich um Straftäter handelt oder sie die innere Sicherheit gefährden.
4.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Mai 2007 - A 3 K 10535/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtkostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am 1.1.1975 in Kirkuk/Irak geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung berief er sich darauf, dass er - wenn auch unwissentlich - am Schmuggel von Devisen und CDs für die Opposition gegen Saddam Hussein beteiligt gewesen sei. Er befürchte deshalb, dass er der Zugehörigkeit zur Opposition beschuldigt werde.
Das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, im Folgenden: Bundesamt) lehnte durch Bescheid vom 4.4.2001 den Asylantrag ab, stellte zugleich aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes hinsichtlich des Iraks vorliegen, da aufgrund der illegalen Ausreise des Klägers aus seinem Heimatland sowie des Umstands, dass er in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, nicht ausgeschlossen werden könne, dass er bei einer Rückkehr in den Irak mit Verfolgung zu rechnen habe.
Nach vorheriger Anhörung des Klägers widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 23.6.2005 die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, von dem ehemaligen Regime Saddam Husseins könne keine politische Verfolgung mehr ausgehen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger von der irakischen Übergangsregierung politische Verfolgung drohe, gebe es nicht. Das Vorliegen einer individuell konkreten Gefahr sei nicht dargelegt worden. Die angespannte Sicherheits- und Versorgungslage stelle eine allgemeine Gefahr i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG dar. Die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage begründe keine Extremgefahr.
Der Kläger hat am 12.7.2005 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 23.6.2005 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden Bescheids zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf den Irak festzustellen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Durch Urteil vom 25.5.2007 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 23.6.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 geltenden Fassung lägen nicht vor. Es könne offen bleiben, ob nach Art. 1 C Nr. 5 GFK dem Flüchtling eine Rückkehr erst dann zumutbar sei, wenn in seinem Herkunftsstaat eine weitgehend funktionierende Regierung vorhanden sei, die sich grundlegender Verwaltungsstrukturen bedienen könne, um eine angemessene Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten, innerhalb derer die Einwohner ihr Recht auf eine Existenzgrundlage wahrnehmen könnten. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung dürften eine solche Auslegung nahe legen. Jedenfalls müssten im Herkunftsland Verhältnisse herrschen, die mit hinreichender Sicherheit eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG ausschlössen. Danach lägen die Voraussetzungen für ein Widerruf der Flüchtlingseigenschaft des Klägers nicht vor. Zwar habe sich die Situation im Irak seit der Gewährung von Abschiebungsschutz insoweit grundlegend geändert, als das Regime Saddam Husseins durch den Einsatz amerikanischer und verbündeter Truppen beseitigt worden sei und die damals herrschenden Gruppen keine staatliche Macht mehr ausübten. Auch könne aufgrund der vorliegenden Informationen davon ausgegangen werden, dass dieses Regime nicht wieder an die Macht kommen werde. Es sei jedoch nicht hinreichend sicher, dass dem Kläger als besonders hervorgetretener Kritiker des Saddam-Regimes keine Verfolgung durch Anhänger dieses Regimes drohe, vor der ihm weder irakische Sicherheitskräfte noch multinationale Streitkräfte Schutz böten. Auch stehe ihm als Kurden aus Kirkuk keine inländische Fluchtalternative in den kurdisch verwalteten Provinzen des Nordirak zu Verfügung.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 9.2.2009 die Berufung zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.5.2007 - A 3 K 10535/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf deren Inhalt und auf die mit dem Schreiben vom 12. März 2010 mitgeteilten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, da der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid ferner zutreffend festgestellt, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, und 7 Satz 1 und 2 AufenthG nicht vorliegen.
15 
1. Der Widerruf der vom Bundesamt am 4.4.2001 getroffenen Feststellung, dass in der Person des Klägers der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind, ist durch § 73 Abs. 1 AsylVfG gedeckt.
16 
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Dies gilt nach Satz 3 nicht, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann. Danach muss die asylrelevante Verfolgungsgefahr objektiv entfallen sein, d.h. die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse müssen sich nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so geändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Das ist hier der Fall.
17 
a) Wegen seines Asylantrags und seiner illegalen Ausreise aus dem Irak drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine politischen Verfolgungsmaßnahmen (mehr). Das im Zeitpunkt des Erlasses des widerrufenen Bescheids noch herrschende Baath-Regime hat seit der Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung Saddam Husseins seine politische Macht über den Irak unumkehrbar verloren. Damit hat ein Verhalten, das unter der Herrschaft Saddam Husseins zu einer Gefährdung hätte führen können, wie die damals illegale Ausreise aus dem Irak, das illegale Verbleiben im Ausland und die Asylantragstellung, seine asylrechtliche Bedeutung verloren. Das Gleiche gilt für die vom Kläger behauptete, vom Bundesamt allerdings nicht festgestellte Tätigkeit für die Opposition gegen das frühere Regime.
18 
b) Dem Kläger droht auch nicht aus anderen Gründen asylrechtlich relevante Verfolgung. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.2.2008 (BGBl. I 162) darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) ergänzend anzuwenden.
19 
Nach diesem Maßstab droht dem Kläger im Irak keine asylrechtlich relevante Verfolgung. Das Verwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass der Kläger "als exponierter Kritiker des Regimes Saddam Husseins" vor einer Verfolgung durch Anhänger dieses Systems nicht hinreichend sicher sei und weder die irakischen Sicherheitskräfte noch die multinationalen Streitkräfte in der Lage seien, Schutz vor einer solchen Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Den im verwaltungsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen können jedoch keine Anhaltspunkte für eine erkennbare Gegnerschaft des Klägers gegen das Regime Saddam Husseins entnommen werden. Aus dem zur Begründung des im Jahre 2001 gestellten Asylantrags behaupteten - unwissentlichen - Schmuggel von Devisen und CDs für gegen das Saddam-Regime gerichtete Kräfte lässt sich eine solche erkennbare Gegnerschaft nicht herleiten. Davon abgesehen ist die Glaubhaftigkeit dieser Angaben im Behördenverfahren nicht überprüft und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne Begründung unterstellt worden. Auch dazu, welche Gründe die Anhänger des früheren Herrschaftssystems haben sollten, gegen den nach seinem eigenen Vortrag allenfalls am äußeren Rand gegen dieses System tätigen Kläger vorzugehen, kann dem Urteil des Verwaltungsgerichts nichts entnommen werden. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Anhänger des früheren Regimes macht im Übrigen auch der Kläger selbst nicht geltend.
20 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
21 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 am 28.8.2007 geltende Rechtslage. Diese Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
22 
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift, mit der die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
23 
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
24 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben "im Rahmen" dieses Konflikts ausgesetzt ist. Eine solche Gefahr lässt sich im Fall des Klägers nicht feststellen.
25 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in seiner Person werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Für das Vorliegen solcher Umstände vermag auch der Senat nichts zu erkennen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch für die Provinz Tamim, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, nicht feststellen.
26 
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12.8.2009 ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak nach wie vor verheerend ist. Zwar hat seit Frühsommer 2007 die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. Besonders gefährdet sind jedoch nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Dabei überlagern sich mehrere ineinander greifende Konflikte: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzungen sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden) als auch mit den Minderheiten (vor allem Christen und Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen. Insgesamt hat aber die interkonfessionelle Gewalt seit dem Durchgreifen der irakischen Regierung gegen die Milizen seit dem Frühjahr 2008 nachgelassen.
27 
Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts "Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte" vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar seien. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2009 habe sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Die Sicherheitslage in den sogenannten umstrittenen Gebieten habe sich verschlechtert. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.
28 
Diese Einschätzung deckt sich im Wesentlichen mit der in der genannten Ausarbeitung des Informationszentrums ebenfalls wiedergegebenen Lagebeschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, wonach sich die Sicherheitslage im Irak verbessert habe, wenn auch unsicher sei, ob dieser Fortschritt bzw. Zustand erhalten werden könne. Die Aufständischen blieben aber in der Lage, sog. „High Profile Attacks“ durchzuführen, die die Zivilbevölkerung und die irakischen Sicherheitskräfte zum Ziel hätten. Unter diese „High Profile Attacks“ fielen Autobombenanschläge, Selbstmordanschläge mit Autobomben und sonstige Selbstmordattentate, die überwiegend gemischte Gebiete, wie Bagdad, Diyala, Mossul (Provinz Ninive) und Kirkuk (Provinz Tamim) beträfen.
29 
Um den sich aus dieser Situation ergebenden Gefahrengrad abschätzen zu können, muss die Zahl der Opfer von Anschlägen in Relation zu der Zahl der gesamten Bevölkerung des Irak gesetzt werden. Nach dem in der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts zitierten Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahr 2009 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei etwa 4.645 gelegen. Im Jahr 2008 habe die Zahl noch über 9.000 betragen. Das Informationszentrum Asyl und Migration zitiert ferner einen Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009, in dem bezogen auf den Zeitraum März bis Mai 2009 eine durchschnittlichen Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von 9,2 pro Tag genannt wird. In einen späteren Bericht vom September 2009, der sich auf den Zeitraum Juni bis August 2009 beziehe, sei von durchschnittlich 204 Anschlägen pro Woche gegen die Zivilbevölkerung, die irakischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen die Rede, die damit um 19 % gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum zurückgegangen seien. Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung sei in diesem Zeitraum allerdings leicht auf 9,5 Tote pro Tag angestiegen. In der Provinz Tamim mit der Provinzhauptstadt Kirkuk, in der insgesamt zwischen 900.000 und 1.130.000 Menschen leben (davon ca. 750.000 in der Hauptstadt Kirkuk), habe es im Jahr 2009 99 Anschläge mit insgesamt 288 Toten gegeben. Dies seien bei 900.000 Einwohnern 31,9 Tote je 100.000 Einwohner bzw. bei Annahme einer Einwohnerzahl von 1.130.000 25,5 Tote je 100.000 Einwohner.
30 
Nach diesen Erkenntnissen kann selbst bei Annahme eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts in der Provinz Tamim nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.
31 
b) Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar. Nach dieser Norm soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO <211 f.>). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das unter a) Ausgeführte nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
14 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, da der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid ferner zutreffend festgestellt, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, und 7 Satz 1 und 2 AufenthG nicht vorliegen.
15 
1. Der Widerruf der vom Bundesamt am 4.4.2001 getroffenen Feststellung, dass in der Person des Klägers der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind, ist durch § 73 Abs. 1 AsylVfG gedeckt.
16 
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Dies gilt nach Satz 3 nicht, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann. Danach muss die asylrelevante Verfolgungsgefahr objektiv entfallen sein, d.h. die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse müssen sich nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so geändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Das ist hier der Fall.
17 
a) Wegen seines Asylantrags und seiner illegalen Ausreise aus dem Irak drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine politischen Verfolgungsmaßnahmen (mehr). Das im Zeitpunkt des Erlasses des widerrufenen Bescheids noch herrschende Baath-Regime hat seit der Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung Saddam Husseins seine politische Macht über den Irak unumkehrbar verloren. Damit hat ein Verhalten, das unter der Herrschaft Saddam Husseins zu einer Gefährdung hätte führen können, wie die damals illegale Ausreise aus dem Irak, das illegale Verbleiben im Ausland und die Asylantragstellung, seine asylrechtliche Bedeutung verloren. Das Gleiche gilt für die vom Kläger behauptete, vom Bundesamt allerdings nicht festgestellte Tätigkeit für die Opposition gegen das frühere Regime.
18 
b) Dem Kläger droht auch nicht aus anderen Gründen asylrechtlich relevante Verfolgung. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.2.2008 (BGBl. I 162) darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) ergänzend anzuwenden.
19 
Nach diesem Maßstab droht dem Kläger im Irak keine asylrechtlich relevante Verfolgung. Das Verwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass der Kläger "als exponierter Kritiker des Regimes Saddam Husseins" vor einer Verfolgung durch Anhänger dieses Systems nicht hinreichend sicher sei und weder die irakischen Sicherheitskräfte noch die multinationalen Streitkräfte in der Lage seien, Schutz vor einer solchen Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Den im verwaltungsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen können jedoch keine Anhaltspunkte für eine erkennbare Gegnerschaft des Klägers gegen das Regime Saddam Husseins entnommen werden. Aus dem zur Begründung des im Jahre 2001 gestellten Asylantrags behaupteten - unwissentlichen - Schmuggel von Devisen und CDs für gegen das Saddam-Regime gerichtete Kräfte lässt sich eine solche erkennbare Gegnerschaft nicht herleiten. Davon abgesehen ist die Glaubhaftigkeit dieser Angaben im Behördenverfahren nicht überprüft und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne Begründung unterstellt worden. Auch dazu, welche Gründe die Anhänger des früheren Herrschaftssystems haben sollten, gegen den nach seinem eigenen Vortrag allenfalls am äußeren Rand gegen dieses System tätigen Kläger vorzugehen, kann dem Urteil des Verwaltungsgerichts nichts entnommen werden. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Anhänger des früheren Regimes macht im Übrigen auch der Kläger selbst nicht geltend.
20 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
21 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 am 28.8.2007 geltende Rechtslage. Diese Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
22 
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift, mit der die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
23 
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
24 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben "im Rahmen" dieses Konflikts ausgesetzt ist. Eine solche Gefahr lässt sich im Fall des Klägers nicht feststellen.
25 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in seiner Person werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Für das Vorliegen solcher Umstände vermag auch der Senat nichts zu erkennen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch für die Provinz Tamim, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, nicht feststellen.
26 
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12.8.2009 ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak nach wie vor verheerend ist. Zwar hat seit Frühsommer 2007 die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. Besonders gefährdet sind jedoch nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Dabei überlagern sich mehrere ineinander greifende Konflikte: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzungen sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden) als auch mit den Minderheiten (vor allem Christen und Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen. Insgesamt hat aber die interkonfessionelle Gewalt seit dem Durchgreifen der irakischen Regierung gegen die Milizen seit dem Frühjahr 2008 nachgelassen.
27 
Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts "Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte" vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar seien. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2009 habe sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Die Sicherheitslage in den sogenannten umstrittenen Gebieten habe sich verschlechtert. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.
28 
Diese Einschätzung deckt sich im Wesentlichen mit der in der genannten Ausarbeitung des Informationszentrums ebenfalls wiedergegebenen Lagebeschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, wonach sich die Sicherheitslage im Irak verbessert habe, wenn auch unsicher sei, ob dieser Fortschritt bzw. Zustand erhalten werden könne. Die Aufständischen blieben aber in der Lage, sog. „High Profile Attacks“ durchzuführen, die die Zivilbevölkerung und die irakischen Sicherheitskräfte zum Ziel hätten. Unter diese „High Profile Attacks“ fielen Autobombenanschläge, Selbstmordanschläge mit Autobomben und sonstige Selbstmordattentate, die überwiegend gemischte Gebiete, wie Bagdad, Diyala, Mossul (Provinz Ninive) und Kirkuk (Provinz Tamim) beträfen.
29 
Um den sich aus dieser Situation ergebenden Gefahrengrad abschätzen zu können, muss die Zahl der Opfer von Anschlägen in Relation zu der Zahl der gesamten Bevölkerung des Irak gesetzt werden. Nach dem in der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts zitierten Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahr 2009 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei etwa 4.645 gelegen. Im Jahr 2008 habe die Zahl noch über 9.000 betragen. Das Informationszentrum Asyl und Migration zitiert ferner einen Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009, in dem bezogen auf den Zeitraum März bis Mai 2009 eine durchschnittlichen Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von 9,2 pro Tag genannt wird. In einen späteren Bericht vom September 2009, der sich auf den Zeitraum Juni bis August 2009 beziehe, sei von durchschnittlich 204 Anschlägen pro Woche gegen die Zivilbevölkerung, die irakischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen die Rede, die damit um 19 % gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum zurückgegangen seien. Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung sei in diesem Zeitraum allerdings leicht auf 9,5 Tote pro Tag angestiegen. In der Provinz Tamim mit der Provinzhauptstadt Kirkuk, in der insgesamt zwischen 900.000 und 1.130.000 Menschen leben (davon ca. 750.000 in der Hauptstadt Kirkuk), habe es im Jahr 2009 99 Anschläge mit insgesamt 288 Toten gegeben. Dies seien bei 900.000 Einwohnern 31,9 Tote je 100.000 Einwohner bzw. bei Annahme einer Einwohnerzahl von 1.130.000 25,5 Tote je 100.000 Einwohner.
30 
Nach diesen Erkenntnissen kann selbst bei Annahme eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts in der Provinz Tamim nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.
31 
b) Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar. Nach dieser Norm soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO <211 f.>). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das unter a) Ausgeführte nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten und der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. März 2002 - A 12 K 10694/01 - teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten im ersten Rechtszug, die dieser selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben am 11.2.1982 in Makhmour/Zentralirak geboren und irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Bei seiner Asylantragstellung am 1.3.2001 gab er an, nicht im Besitz von Personalpapieren zu sein.
Am 14.3.2001 wurde der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich angehört. Er gab an, auf dem Landweg über die Türkei in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Der Schlepper habe ihm seinen Personalausweis in Istanbul abgenommen. Für die gesamte Ausreise habe er 3.500,-- Dollar bezahlt. Er habe den Irak verlassen müssen, weil ihm Verhaftung gedroht habe.  Er habe zusammen mit einem Freund  ein Geschäft betrieben, in dem Fenster, Türen und Wagen hergestellt worden seien. Sein Freund habe ohne sein Wissen über einen Offizier Eisenteile aus Armeebeständen und aus der Stromwirtschaft bezogen. Nachdem dies entdeckt worden sei, seien beide festgenommen worden und spurlos verschwunden. Auch gegen ihn sei ein Haftbefehl erlassen worden. Nachdem sein Vater am 15. oder 16.1.2001 festgenommen worden sei, hätten seine Verwandten Geld gesammelt und seine Ausreise ermöglicht. Sein Vater sei noch im Gefängnis des Geheimdienstes von Makhmour.
Mit Bescheid vom 10.5.2001 wurde der Asylantrag des Klägers abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak angedroht.
Der Kläger hat am 28.5.2001 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10.5.2001 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise: Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - vorliegen. Den angekündigten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat er in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
Mit Urteil vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Asylanerkennung zurückgenommen worden war. Weiter hat es die Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 10.5.2001 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Denn ihm drohe auf Grund von Nachfluchtgründen, nämlich seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung im Bundesgebiet, im Falle der Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Auf die Schutzzone im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, denn er stamme nicht von dort und habe dort auch keine Familienangehörigen, weshalb das wirtschaftliche Existenzminimum für ihn nicht gewährleistet sein würde. Auf die Möglichkeit der Aufnahme in ein vom UNHCR betriebenes Lager im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, weil seine Existenz dort nicht gesichert sein würde.
Auf Antrag der Beklagten und des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 10.6.2002 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und die angefochtene Abschiebungsandrohung betrifft.
Die Beklagte und der Beteiligte beantragen,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
 
14 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die den Beteiligten überlassene Liste von Erkenntnismitteln und die in der mündlichen Verhandlung erfolgten ergänzenden Hinweise (s. Sitzungsniederschrift vom 16.9.2004) wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in deren Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.), oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
(1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische Verfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 10).
17 
Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem  Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.).
18 
Wer demgegenüber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345;  BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171).
19 
Der Kläger unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise nicht politischer Verfolgung.
20 
Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klägers, sein Heimatland zu verlassen, auf die Befürchtung zurück, wegen von seinem ehemaligen Geschäftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener Eigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befürchteten Sanktion wäre schon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog. Vorverfolgung tragen könnte, denn sie hätte sich ausschließlich als staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts  dargestellt. Der Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat wäre nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut geprägt gewesen.
21 
Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Kläger steht auch ein nach § 51 Abs. 1 AuslG zu berücksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn für den Fall einer Rückkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit der zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und für die nächste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Irak ausgeschlossen.
22 
Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer irakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen könnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im jetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit für das anhängige Asylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak auszugehen.
23 
Staatlichkeit (und „Quasi-Staatlichkeit“) im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist im Zusammenhang mit dem Begriff des „politisch“ Verfolgten zu betrachten und daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Politische Verfolgung geht demnach von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.). Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Bürgerkriegssituation hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in einem „Kernterritorium“ ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne einer „übergreifenden Friedensordnung“ (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsächlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem einem mehr staatsrechtlichen Verständnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997, BVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen maßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflösung der bisherigen Staatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu beurteilen, ob sie eine im genannten Sinne „übergreifende Friedensordnung“ geschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen.
24 
Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung des Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen „Machtvakuum“ neu entstanden. Das ehemalige Regime hat seine politische und militärische Herrschaft durch die am 20.03.2003 unter der Führung der USA begonnenen Militäraktionen endgültig verloren (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom 7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl. vom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B 573/02 -). Die Militäraktionen führten zur Auflösung der staatstragenden Organisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-Partei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde festgesetzt, die meisten der an der Regierungsausübung beteiligten Angehörigen und eine Vielzahl an Funktionsträgern sind entmachtet. Nach Abschluss der Militäraktionen wurde eine „provisorische Behörde“ (Coalition Provisional Authority - CPA) gebildet, die sich auf Kräfte der amerikanischen und britischen Armee sowie auf Militär- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten stützte (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behörde begann mit dem Neuaufbau einer Verwaltung, um die öffentliche Sicherheit und die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (Auswärtiges Amt, a.a.O.).
25 
Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein Regierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern aller Bevölkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und von einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Präsidentschaft geführt wurde. Der Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung auszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es zur Bildung eines 25-köpfigen Interimskabinetts, das dem politischen und religiösen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA am 15.11.2003 die „Beschleunigung des politischen Prozesses“, wobei u.a. die Verpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum 1.7.2004 vorgesehen wurde.
26 
Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt und eine Nationalversammlung einberufen, die ein künftiges Parlament bestimmen und Wahlen für Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung Allawi hat die Geschäfte einer Übergangsregierung übernommen und leitet die Verwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht muss sich noch auf die Koalitionstruppen stützen, um den um die Teilhabe an der Macht kämpfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat sich Anfang Juni 2004 aufgelöst, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine Übergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist. In ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten, darunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a. die Staatsbürgerschaft, das Recht auf Wiedereinbürgerung (Art. 11) und Abschiebungsschutz für Flüchtlinge (Art. 19).
27 
Die staatliche Souveränität ist - auch nach außen - gestärkt durch den einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die Machtübergabe an eine souveräne Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004 hervorhebt und die Erklärung enthält, dass die neue Regierung des Iraks jederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist ein Veto-Recht gegen US-geführte Militäreinsätze nicht vorgesehen, das Mandat hierfür läuft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar 2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die amerikanisch geführte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische Übergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse nach Auflösung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a. (Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das Straffreiheit für geringfügige Delikte regelt; ausgenommen sind Tötungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder eingeführt für Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein bereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung umfangreiche Vollmachten und namentlich die Möglichkeit, das Kriegsrecht zu verhängen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang und Polizeikräfte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und Sicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im August 2004 belegt. Die irakische Armee verfügt derzeit über sieben ausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch formal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem 1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwürdigung der aufgezeigten derzeitigen Verhältnisse im Irak insgesamt die Herausbildung einer irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung für eine ihr zurechenbare politische Verfolgung gegeben.
28 
Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse, auch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es geht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen in der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch jederzeit durch Benutzen allgemein zugänglicher Quellen unschwer überzeugen können (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99; Urteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102). Zwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein zugänglichen Medien - namentlich der Presse - veröffentlicht wird (dazu BVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts des konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu aufdrängt. In Ergänzung dessen ist den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zudem auch eine Presseübersicht aus neuerer Zeit ausgehändigt worden.
29 
Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung des Klägers durch die irakische Staatsgewalt ergeben könnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, wäre ihm Abschiebungsschutz grundsätzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wäre (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994, NVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und der damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknüpfung zwischen erlittener und künftig drohender Verfolgung für die Frage der Schutzgewährung voraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003          - 20 A 430/02. A -). Eine situationsbedingte Vorverfolgung führt nur bei der Gefahr der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der Zumutbarkeit der Rückkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umständen das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden Anknüpfungspunkt der Verfolgung, ist zu prüfen, ob eine darauf beruhende Vorverfolgung auch unter veränderten politischen Verhältnissen - wie etwa bei einem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom 18.2.1997, BVerwGE 104, 97).
30 
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung aus Gründen, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben sollen, ist der Kläger hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak in Anknüpfung an die ihm zur Last gelegten Vorgänge - ihren „politischen“ Charakter als gegen das Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten unterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen hätte. Vielmehr ist es mehr als überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger in Anknüpfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine asylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt für die Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in seiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstände zum Anlass für asyl- bzw. abschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch Nds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende strafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in Anknüpfung an Vorgänge vor der Ausreise wären in diesem Zusammenhang - wie oben dargelegt - ohnehin bedeutungslos.
31 
(2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.
32 
Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehende konkret-individuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt -Anhaltspunkte für vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der genannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und vom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind.
33 
Dem Kläger drohen bei einer unterstellten Rückkehr auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt. vom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der ein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfüllen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
34 
Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen, handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77).
35 
Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, können sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung führen. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe (als abgrenzbarer Teil der Bevölkerung) gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der möglicherweise Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten Landesbehörden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324, 327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist für das genannte Bundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 20 Abs. 3 GG regelmäßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379).
36 
Auch ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht.
37 
Ausnahmsweise dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer außergewöhnlichen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer in Folge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Gleiches folgt mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber keinen gleichwertigen Schutz bieten.
38 
Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erteilt worden ist und deren Schutzwirkung nicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zurückbleibt. Dies dient auch der Verfahrens- und Prozessökonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -u.U. aufwändigen - Prüfung einer extremen Gefahrenlage zu entlasten, wenn der Aufenthalt des Ausländers wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann.
39 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulässig, wenn ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage besteht. Für diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht und anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht zulässig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Wird ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die Abschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der Ausreisepflicht -in widerruflicher Weise für die Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von drei Monaten entscheidet die Ausländerbehörde - unter Beachtung der Bindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG - über die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420 f., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts).
40 
Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klägers auf der Grundlage der baden-württembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003 (abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Rückkehr in den Irak Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung dorthin, von der erst nach Schaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Ländern Gebrauch gemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-Württemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene Duldungen verlängert werden.
41 
Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, für dessen Umsetzung das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom 29.7.2004 (4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in den Irak grundsätzlich möglich und zumutbar und es kommt daher die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch können Duldungen weiterhin für jeweils drei Monate verlängert werden. Sobald Rückkehrmöglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium darüber informieren.
42 
Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz bezieht (und beschränkt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage auch von der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr der Betroffenen in den Irak ausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Ausländer bereits eine den vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm auf Grund der ausländerrechtlichen Erlasslage gewährt wird oder gewährt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Rückkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG beruhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr, da er nach politischem Ermessen gewährt wird. Abschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewährt werden, wenn dieser weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
43 
Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist entsprechend der o.a. Erlassregelung gewährleistet, nach der irakischen Staatsangehörigen mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in ihrem Heimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls erfasste Kläger steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er im Falle der Gewährung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54 AuslG stünde. Dann hätte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung gestütztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes wäre eine Rechtsschutzlücke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende Erlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein gleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob dieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig) entspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG aus.
44 
Sie kommt unabhängig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine außergewöhnliche („extreme“) Gefahrenlage für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Irak nicht festgestellt werden kann.
45 
Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhältnissen des Landes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhältnisse sind landesweit in Blick zu nehmen. Auch wenn man erhebliche Gefährdungsmomente für einen zurückkehrenden Iraker annehmen würde, wäre diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land anzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung irakischer Staatsangehöriger würden diese gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das bereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lässt sich nicht feststellen.
46 
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak äußerst angespannt ist und Gewaltakte, wie der täglichen Berichterstattung durch die Medien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswärtiges Amt , Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 7.5.2004; Süddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalität - vor allem in den Städten - hat zugenommen, wenn auch Polizei- und Ordnungskräfte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalität aufweisen können (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische Machtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die zukünftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der mäßigende Einfluss des schiitischen Führers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in Nadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht uneingeschränkt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttätigen terroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch ausländischen Gruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfänglich stabilen Norden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Rückkehrgefährdung irakischer Schutzsuchender vom März 2003).
47 
Indes lässt sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit erfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und lokale Bereiche, die von gewalttätigen terroristischen Anschlägen betroffen sind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen zusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehörige, die mit Racheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen Polizeikräfte sind immer mehr Ziel von Anschlägen (AA vom 7.5.2004; Die Welt vom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen - Auseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt anzusehen sind und namentlich die größeren Städte oder Orte mit exponierten Einrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende Gefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fällt auf, dass erkennbares Ziel von Anschlägen vor allem herausragende Persönlichkeiten (prominente Politiker und Geistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die Folgen solcher gewalttätigen Auseinandersetzungen und Anschläge die Bevölkerung gleichsam „blind“ (mit-)treffen können, ist in Betracht zu ziehen, trägt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen Gefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO).
48 
Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell gefährdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des „Oil-for-Food“-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewährleistet, auch wenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom 7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlägen auf die Elektrizitätswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr zusammenhängende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass indes von einer „existenziellen Gefährdung“ ausgegangen werden kann (AA vom 7.5.2004). Eine befürchtete „humanitäre Katastrophe“ ist ausgeblieben, wobei die Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser ist als im Süden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische Grundversorgung ist möglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach gewährleistet (AA vom 7.5.2004).
49 
Unter den genannten Umständen, dass einerseits die möglicherweise extreme Gefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als zwar angespannt aber nicht existenziell gefährdend zu beurteilen ist, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dies würde unabhängig davon gelten, ob es ihm gelingen würde, im Nordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen wäre, in sein Herkunftsgebiet im Zentralirak zurückzukehren.
50 
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG).
51 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, § 83b AsylVfG.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in deren Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.), oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
(1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische Verfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 10).
17 
Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem  Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.).
18 
Wer demgegenüber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345;  BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171).
19 
Der Kläger unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise nicht politischer Verfolgung.
20 
Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klägers, sein Heimatland zu verlassen, auf die Befürchtung zurück, wegen von seinem ehemaligen Geschäftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener Eigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befürchteten Sanktion wäre schon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog. Vorverfolgung tragen könnte, denn sie hätte sich ausschließlich als staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts  dargestellt. Der Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat wäre nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut geprägt gewesen.
21 
Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Kläger steht auch ein nach § 51 Abs. 1 AuslG zu berücksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn für den Fall einer Rückkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit der zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und für die nächste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Irak ausgeschlossen.
22 
Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer irakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen könnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im jetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit für das anhängige Asylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak auszugehen.
23 
Staatlichkeit (und „Quasi-Staatlichkeit“) im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist im Zusammenhang mit dem Begriff des „politisch“ Verfolgten zu betrachten und daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Politische Verfolgung geht demnach von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.). Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Bürgerkriegssituation hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in einem „Kernterritorium“ ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne einer „übergreifenden Friedensordnung“ (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsächlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem einem mehr staatsrechtlichen Verständnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997, BVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen maßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflösung der bisherigen Staatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu beurteilen, ob sie eine im genannten Sinne „übergreifende Friedensordnung“ geschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen.
24 
Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung des Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen „Machtvakuum“ neu entstanden. Das ehemalige Regime hat seine politische und militärische Herrschaft durch die am 20.03.2003 unter der Führung der USA begonnenen Militäraktionen endgültig verloren (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom 7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl. vom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B 573/02 -). Die Militäraktionen führten zur Auflösung der staatstragenden Organisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-Partei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde festgesetzt, die meisten der an der Regierungsausübung beteiligten Angehörigen und eine Vielzahl an Funktionsträgern sind entmachtet. Nach Abschluss der Militäraktionen wurde eine „provisorische Behörde“ (Coalition Provisional Authority - CPA) gebildet, die sich auf Kräfte der amerikanischen und britischen Armee sowie auf Militär- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten stützte (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behörde begann mit dem Neuaufbau einer Verwaltung, um die öffentliche Sicherheit und die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (Auswärtiges Amt, a.a.O.).
25 
Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein Regierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern aller Bevölkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und von einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Präsidentschaft geführt wurde. Der Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung auszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es zur Bildung eines 25-köpfigen Interimskabinetts, das dem politischen und religiösen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA am 15.11.2003 die „Beschleunigung des politischen Prozesses“, wobei u.a. die Verpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum 1.7.2004 vorgesehen wurde.
26 
Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt und eine Nationalversammlung einberufen, die ein künftiges Parlament bestimmen und Wahlen für Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung Allawi hat die Geschäfte einer Übergangsregierung übernommen und leitet die Verwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht muss sich noch auf die Koalitionstruppen stützen, um den um die Teilhabe an der Macht kämpfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat sich Anfang Juni 2004 aufgelöst, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine Übergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist. In ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten, darunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a. die Staatsbürgerschaft, das Recht auf Wiedereinbürgerung (Art. 11) und Abschiebungsschutz für Flüchtlinge (Art. 19).
27 
Die staatliche Souveränität ist - auch nach außen - gestärkt durch den einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die Machtübergabe an eine souveräne Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004 hervorhebt und die Erklärung enthält, dass die neue Regierung des Iraks jederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist ein Veto-Recht gegen US-geführte Militäreinsätze nicht vorgesehen, das Mandat hierfür läuft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar 2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die amerikanisch geführte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische Übergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse nach Auflösung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a. (Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das Straffreiheit für geringfügige Delikte regelt; ausgenommen sind Tötungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder eingeführt für Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein bereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung umfangreiche Vollmachten und namentlich die Möglichkeit, das Kriegsrecht zu verhängen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang und Polizeikräfte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und Sicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im August 2004 belegt. Die irakische Armee verfügt derzeit über sieben ausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch formal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem 1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwürdigung der aufgezeigten derzeitigen Verhältnisse im Irak insgesamt die Herausbildung einer irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung für eine ihr zurechenbare politische Verfolgung gegeben.
28 
Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse, auch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es geht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen in der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch jederzeit durch Benutzen allgemein zugänglicher Quellen unschwer überzeugen können (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99; Urteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102). Zwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein zugänglichen Medien - namentlich der Presse - veröffentlicht wird (dazu BVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts des konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu aufdrängt. In Ergänzung dessen ist den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zudem auch eine Presseübersicht aus neuerer Zeit ausgehändigt worden.
29 
Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung des Klägers durch die irakische Staatsgewalt ergeben könnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, wäre ihm Abschiebungsschutz grundsätzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wäre (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994, NVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und der damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknüpfung zwischen erlittener und künftig drohender Verfolgung für die Frage der Schutzgewährung voraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003          - 20 A 430/02. A -). Eine situationsbedingte Vorverfolgung führt nur bei der Gefahr der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der Zumutbarkeit der Rückkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umständen das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden Anknüpfungspunkt der Verfolgung, ist zu prüfen, ob eine darauf beruhende Vorverfolgung auch unter veränderten politischen Verhältnissen - wie etwa bei einem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom 18.2.1997, BVerwGE 104, 97).
30 
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung aus Gründen, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben sollen, ist der Kläger hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak in Anknüpfung an die ihm zur Last gelegten Vorgänge - ihren „politischen“ Charakter als gegen das Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten unterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen hätte. Vielmehr ist es mehr als überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger in Anknüpfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine asylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt für die Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in seiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstände zum Anlass für asyl- bzw. abschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch Nds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende strafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in Anknüpfung an Vorgänge vor der Ausreise wären in diesem Zusammenhang - wie oben dargelegt - ohnehin bedeutungslos.
31 
(2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.
32 
Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehende konkret-individuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt -Anhaltspunkte für vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der genannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und vom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind.
33 
Dem Kläger drohen bei einer unterstellten Rückkehr auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt. vom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der ein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfüllen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
34 
Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen, handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77).
35 
Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, können sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung führen. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe (als abgrenzbarer Teil der Bevölkerung) gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der möglicherweise Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten Landesbehörden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324, 327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist für das genannte Bundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 20 Abs. 3 GG regelmäßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379).
36 
Auch ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht.
37 
Ausnahmsweise dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer außergewöhnlichen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer in Folge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Gleiches folgt mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber keinen gleichwertigen Schutz bieten.
38 
Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erteilt worden ist und deren Schutzwirkung nicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zurückbleibt. Dies dient auch der Verfahrens- und Prozessökonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -u.U. aufwändigen - Prüfung einer extremen Gefahrenlage zu entlasten, wenn der Aufenthalt des Ausländers wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann.
39 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulässig, wenn ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage besteht. Für diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht und anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht zulässig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Wird ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die Abschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der Ausreisepflicht -in widerruflicher Weise für die Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von drei Monaten entscheidet die Ausländerbehörde - unter Beachtung der Bindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG - über die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420 f., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts).
40 
Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klägers auf der Grundlage der baden-württembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003 (abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Rückkehr in den Irak Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung dorthin, von der erst nach Schaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Ländern Gebrauch gemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-Württemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene Duldungen verlängert werden.
41 
Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, für dessen Umsetzung das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom 29.7.2004 (4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in den Irak grundsätzlich möglich und zumutbar und es kommt daher die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch können Duldungen weiterhin für jeweils drei Monate verlängert werden. Sobald Rückkehrmöglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium darüber informieren.
42 
Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz bezieht (und beschränkt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage auch von der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr der Betroffenen in den Irak ausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Ausländer bereits eine den vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm auf Grund der ausländerrechtlichen Erlasslage gewährt wird oder gewährt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Rückkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG beruhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr, da er nach politischem Ermessen gewährt wird. Abschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewährt werden, wenn dieser weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
43 
Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist entsprechend der o.a. Erlassregelung gewährleistet, nach der irakischen Staatsangehörigen mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in ihrem Heimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls erfasste Kläger steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er im Falle der Gewährung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54 AuslG stünde. Dann hätte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung gestütztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes wäre eine Rechtsschutzlücke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende Erlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein gleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob dieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig) entspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG aus.
44 
Sie kommt unabhängig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine außergewöhnliche („extreme“) Gefahrenlage für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Irak nicht festgestellt werden kann.
45 
Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhältnissen des Landes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhältnisse sind landesweit in Blick zu nehmen. Auch wenn man erhebliche Gefährdungsmomente für einen zurückkehrenden Iraker annehmen würde, wäre diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land anzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung irakischer Staatsangehöriger würden diese gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das bereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lässt sich nicht feststellen.
46 
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak äußerst angespannt ist und Gewaltakte, wie der täglichen Berichterstattung durch die Medien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswärtiges Amt , Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 7.5.2004; Süddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalität - vor allem in den Städten - hat zugenommen, wenn auch Polizei- und Ordnungskräfte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalität aufweisen können (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische Machtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die zukünftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der mäßigende Einfluss des schiitischen Führers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in Nadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht uneingeschränkt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttätigen terroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch ausländischen Gruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfänglich stabilen Norden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Rückkehrgefährdung irakischer Schutzsuchender vom März 2003).
47 
Indes lässt sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit erfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und lokale Bereiche, die von gewalttätigen terroristischen Anschlägen betroffen sind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen zusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehörige, die mit Racheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen Polizeikräfte sind immer mehr Ziel von Anschlägen (AA vom 7.5.2004; Die Welt vom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen - Auseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt anzusehen sind und namentlich die größeren Städte oder Orte mit exponierten Einrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende Gefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fällt auf, dass erkennbares Ziel von Anschlägen vor allem herausragende Persönlichkeiten (prominente Politiker und Geistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die Folgen solcher gewalttätigen Auseinandersetzungen und Anschläge die Bevölkerung gleichsam „blind“ (mit-)treffen können, ist in Betracht zu ziehen, trägt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen Gefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO).
48 
Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell gefährdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des „Oil-for-Food“-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewährleistet, auch wenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom 7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlägen auf die Elektrizitätswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr zusammenhängende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass indes von einer „existenziellen Gefährdung“ ausgegangen werden kann (AA vom 7.5.2004). Eine befürchtete „humanitäre Katastrophe“ ist ausgeblieben, wobei die Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser ist als im Süden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische Grundversorgung ist möglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach gewährleistet (AA vom 7.5.2004).
49 
Unter den genannten Umständen, dass einerseits die möglicherweise extreme Gefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als zwar angespannt aber nicht existenziell gefährdend zu beurteilen ist, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dies würde unabhängig davon gelten, ob es ihm gelingen würde, im Nordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen wäre, in sein Herkunftsgebiet im Zentralirak zurückzukehren.
50 
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG).
51 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, § 83b AsylVfG.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Februar 2006 - A 11 K 17/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger, nach seinen Angaben ein am 17.8.1967 in Bagdad/Irak geborener irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit schiitischen Glaubens, reiste im Januar 2000 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt - stellte mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.1.2000 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks vorliegen.
Nach vorheriger Anhörung widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 22.8.2005 die Feststellung, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und stellte zugleich das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG fest. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Feststellung des Abschiebungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht mehr vor. Die Prognose einer drohenden politischen Verfolgung lasse sich nicht mehr treffen, nachdem sich die Herrschaftsverhältnisse im Irak seit der am 20.3.2003 begonnenen Militäraktion einer Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten grundlegend geändert hätten und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass das frühere Regime unter Saddam Hussein die Staatsmacht wieder erlangen könnte.
Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 12.9.2005 Klage erhoben, mit der er beantragt, den Widerrufsbescheid vom 22.8.2005 aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
Durch Urteil vom 13.2.2006 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 22.8.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 geltenden Fassung lägen nicht vor. Nach der auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist anwendbaren Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitigen internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) lägen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erst dann vor, wenn aufgrund nachhaltiger und dauerhafter Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eine effektive Schutzgewährung unter Beachtung des Zumutbarkeitskriteriums des Art. 1 C Nr. 5 GFK und Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie bejaht werden könne. Es könne offen bleiben, ob nach Art. 1 C Nr. 5 GFK dem Flüchtling eine Rückkehr erst dann zumutbar sei, wenn in seinem Herkunftsstaat eine weitgehend funktionierende Regierung vorhanden sei, die sich grundlegender Verwaltungsstrukturen bedienen könne, um eine angemessene Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten, innerhalb derer die Einwohner ihr Recht auf eine Existenzgrundlage wahrnehmen könnten. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung dürften eine solche Auslegung nahe legen. Jedenfalls müssten im Herkunftsland Verhältnisse herrschen, die mit hinreichender Sicherheit eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG ausschlössen, denn nur dann sei es einem früheren Flüchtling zumutbar, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen. Ob diese Voraussetzungen in Bezug auf ein Land gegeben seien, erfordere eine Bewertung der jeweiligen Lage. Hierbei dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden, indem etwa Verhältnisse gefordert würden, wie sie in Europa üblich seien. Allerdings sei es nach Überzeugung der Kammer auch nicht zulässig, wesentliche Aspekte der Schutzgewährung, wie die allgemeine Sicherheitslage, die sich unmittelbar auf die Sicherheit für Leib oder Leben der Betroffenen auswirken könnten, bei der Entziehung einer schützenden Rechtsposition gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszuklammern und lediglich im Rahmen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu berücksichtigen, zumal wenn der Einzelne mangels staatlich gewährleisteter Sicherheit fürchten müsse, Opfer einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. b oder c AufenthG zu werden. Insbesondere werde der Regelungsgehalt des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verkannt, wenn man trotz erheblicher Gefahren für Leib und Leben die Flüchtlingseigenschaft entziehe und die Betroffenen auf Abschiebungsschutz aufgrund vorübergehender Erlasslagen verweise. Danach lägen die Voraussetzungen für ein Widerruf der Flüchtlingseigenschaft des Klägers nicht vor. Zwar habe sich die Situation im Irak seit der Gewährung von Abschiebungsschutz insoweit grundlegend geändert, als das Regime Saddam Husseins durch den Einsatz amerikanischer und verbündeter Truppen beseitigt worden sei und die damals herrschenden Gruppen keine staatliche Macht mehr ausübten, auch könne aufgrund der vorliegenden Informationen davon ausgegangen werden, dass dieses Regime nicht wieder an die Macht kommen werde. Es lasse sich jedoch nicht abschließend beurteilen, in welchem Umfang Angehörige der früheren Machtstrukturen in den Terrorgruppen verankert seien und dort entscheidenden Einfluss hätten, deren Sprengstoffanschläge und sonstigen Gewaltaktionen in den Städten täglich zahlreiche Todesopfer auch unter der Zivilbevölkerung forderten. Solange es der Übergangsregierung noch nicht gelungen sei, einigermaßen stabile rechtsstaatliche Verwaltungsstrukturen zu schaffen, durch die ein etwaiger verwaltungsinterner Machtmissbrauch früherer Regimeangehöriger wirksam unterbunden werden könne, sei im Hinblick auf eine mögliche Verfolgungsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG noch keine dauerhafte und stabile Veränderung der Umstände festzustellen.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 22.3.2007 die Berufung zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.2.2006 - A 11 K 17/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf deren Inhalt und auf die mit dem Anhörungsschreiben vom 1.6.2007 mitgeteilten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
13 
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 130 a VwGO, da der Senat das zulässige Rechtsmittel der Beklagten einstimmig für begründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
14 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt, dass in der Person des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5, 7 AufenthG und Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2004/83/EG nicht vorliegen. Ein bei sachdienlicher Auslegung des klägerischen Begehrens jedenfalls hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten besteht nicht.
15 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil sind allgemeine Gefahren (z.B. aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder einer schlechten Wirtschaftslage) von dem Schutz der bei der Anwendung der Regelung des Widerrufs gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG heranzuziehenden „Beendigungsklausel“ gemäß Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK nicht umfasst, da unter dem Begriff „Schutz“ nach Wortlaut und Zusammenhang der sogenannten Beendigungsklausel ausschließlich der Schutz vor erneuter Verfolgung zu verstehen ist. Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsland eine Rückkehr nicht zuzumuten ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen. Vielmehr kann insoweit Schutz nach den allgemeinen Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts gewährt werden. Nichts anderes ergibt sich - ungeachtet der Problematik der rechtlichen Vorwirkung von Richtlinien vor Ablauf der Umsetzungsfrist - auch im Hinblick auf die Regelung in Art. 11 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie, da auch diese Vorschrift auf die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung abstellt. Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung hat der beschließende Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1122/05 - im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 - (ZAR 2006, 107) ausgeführt, es könne angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse im Irak mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Anhänger des früheren Baath-Regimes bei realistischer Betrachtung wieder staatliche Herrschaftsgewalt ausüben werden. Eine politische Verfolgung, die eine Verknüpfung mit einer etwaigen früheren Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins aufweisen könnte, kann bei einer Rückkehr in den Irak hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Politische Verfolgung wegen illegalen Auslandsaufenthalts oder Asylantragstellung im Ausland droht Betroffenen nicht mehr. Auf die Gründe dieses Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
16 
Dem Kläger droht politische Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG auch nicht von nichtstaatlichen Akteuren (§ 60 Abs. 1 S. 4 c AufenthG). Droht dem anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung, ist der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht der erleichterte sog. herabgestufte Maßstab der hinreichenden Sicherheit vor erneuter bzw. wiederholter Verfolgung anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -, InfAuslR 2007, 33). Ob die vom Kläger behauptete Verfolgungsgefahr seitens nichtstaatlicher Akteure - hier Angehörige des ehemaligen Baath-Regimes - eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung darstellt, die in keinem inneren Zusammenhang mit der früheren mehr steht, kann der Senat offen lassen. Denn nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen und unter Würdigung des klägerischen Vortrags kann für diesen eine Gefährdung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 c AufenthG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die Annahme einer Gefährdung durch Angehörige des ehemaligen Baath-Regimes bleibt substanzlos und stellt sich als reine Spekulation dar. Der Kläger schildert in diesem Zusammenhang keinen Sachverhalt, aus dem sich eine auf seine Person bezogene konkrete Verfolgungsgefahr für die heutige Zeit ergeben könnte.
17 
Es fehlen insbesondere auch Referenzfälle dafür, dass Verfolgte des Saddam-Regimes nach dem Regierungswechsel weiterhin gezielten Verfolgungsmaßnahmen - etwa in Form terroristischer Anschläge durch die militante Opposition im Irak, die sich teilweise aus arabisch-nationalistischen Kräften, die vom Saddam-Regime profitiert hatten und die im gegenwärtigen Irak keine Zukunft für sich sehen, speist - ausgesetzt sind. Die Gefahren, die durch die zahlreichen terroristischen Anschläge und die auch ansonsten katastrophale Sicherheitslage in Teilen des Iraks herrühren, sind vielmehr als allgemeine Gefahren zu qualifizieren, die die gesamte Bevölkerung - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - und nicht speziell ehemalige Opfer des Saddam-Regimes betreffen.
18 
Unabhängig davon ist es auch wenig wahrscheinlich, dass frühere Mitglieder und Anhänger der Baath-Partei die Opfer des Saddam-Regimes weiter verfolgen, um sich selbst - etwa vor Strafverfahren - zu schützen. Die justizielle Aufarbeitung der Verbrechen des Baath-Regimes beschränkte sich auf die „Großverbrechen“, deren Aburteilung bzw. deren strafrechtliche Aufarbeitung Gegenstand des Verfahrens ist, das gegen Saddam Hussein und den engsten Kreis der obersten seinerzeitigen Machthaber Iraks durchgeführt wurde und wird. Es gibt dagegen keine Erkenntnisse, dass Baathisten der mittleren oder gar der unteren Ebene staatlichen Verfolgungsmaßnahmen - etwa in Form von Strafverfahren - nach dem Sturz Saddam Husseins ausgesetzt waren und sind (DOI vom 1.9.2006 an VG München). Auch private Racheakte an ehemaligen Baath-Funktionären sind - in vereinzelter Form - nur bis Anfang 2004 belegt (DOI vom 1.9.2006 an VG München). Vor dem Hintergrund dieser Auskunftslage ist eine Furcht ehemaliger Baathisten vor Denunziation durch aus dem Ausland rückkehrende Verfolgte des Saddam-Regimes wenig wahrscheinlich. Gleichermaßen unwahrscheinlich sind damit auch zielgerichtete Verfolgungsmaßnahmen ehemaliger Baathisten gegenüber aus dem Ausland rückkehrende Opfer des Saddam-Regimes.
19 
Im Urteil vom 4.5.2006 (aaO) wird ferner unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.11.2005 (aaO) dargelegt, dass zwingende, einem Widerruf entgegenstehende Gründe im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG nur solche sein können, die auf einer früheren Verfolgung beruhen, mithin zwischen der Verfolgung und der Unzumutbarkeit der Rückkehr bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ein kausaler Zusammenhang bestehen muss. Derartige Gründe macht der Kläger jedoch nicht geltend, wenn er auf die instabilen politischen Verhältnisse sowie die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage verweist.
20 
Der Senat hat im Urteil vom 4.5.2006 (aaO) ferner unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.11.2005 (aaO) ausgeführt, dass das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Entscheidung über den Widerruf gem. § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG ausschließlich öffentlichen Interessen dient, so dass ein Verstoß hiergegen schon kein subjektives Recht des betreffenden Ausländers verletzen kann.
21 
Auch aus der am 1.1.2005 in Kraft getretenen Regelung in § 73 Abs. 2 a AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Die Vorschrift ist zwar im Grundsatz auch auf vor dem 1.1.2005 unanfechtbar gewordene Anerkennungen anwendbar. Das bedeutet aber nicht etwa, dass nach Ablauf von drei Jahren seit Unanfechtbarkeit der Anerkennung ein Widerruf nur noch im Wege einer für die Anerkannten günstigeren Ermessensentscheidung getroffen werden kann und darf. Denn nach dem in § 73 Abs. 2 a AsylVfG vorgesehenen neuen zweistufigen Verfahren ist ein solches Ermessen erst dann eröffnet, wenn eine vorangegangene erste Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen stattgefunden und nicht zu einem Widerruf geführt hat (Negativentscheidung). Daran fehlt es hier. Darüber hinaus war auch die dem Bundesamt in der Vorschrift nunmehr gesetzte Frist für eine derartige erste Prüfung („spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung“) noch nicht abgelaufen, da diese Frist bei Altfällen wie hier erst mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1.1.2005 zu laufen begonnen hat. Die Frage, was bei einer Versäumung der Prüfungsfrist zu gelten hat, stellt sich daher im hier zu beurteilenden Fall nicht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 20.3.2007 - 21.06, 34.06 und 28.06 -, Juris; Senatsurteile vom 4.5.2006, aaO).
22 
Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 (aaO) im Einzelnen ausgeführt, unter welchen Umständen ein Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG in Betracht kommt. Dem Vorbringen sind Anhaltspunkte für die Annahme eines Abschiebungsverbots im Sinne dieser Vorschriften nicht zu entnehmen.
23 
Darüber hinaus drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Die Vorschrift verlangt eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit; die Annahme einer „konkreten“ Gefahr in diesem Sinne setzt eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus. Dem vorliegenden Akteninhalt lassen sich Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefährdungssituation nicht entnehmen. Bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen im Heimatland des Klägers handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen können, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Diese Umstände führen auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zu einer Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, da dem Kläger aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil wird. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe im Senatsurteil vom 4.5.2006 (aaO) verwiesen.
24 
Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 (ABl. L 304/12). Die Richtlinie - hier ihre Regelungen über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 in Verb. mit Art. 15 - ist nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie) unmittelbar anwendbar. Art. 2 lit.e) der Richtlinie 2004/83/EG definiert die „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ als Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der bei einer Rückkehr Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden. Als ernsthafter Schaden gem. Art. 15 lit.c) der Richtlinie 2004/83/EG gilt u.a. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Davon ausgehend dürften die punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen - insbesondere zwischen Sunniten und Schiiten - in Teilgebieten des Zentraliraks, vor allem in Teilen Bagdads und in anderen Städten im sog. „sunnitischen Dreieck“, die Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erfüllen (vgl. zum Begriff des „innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“: Hess. VGH, Urteil vom 9.11.2006 - 3 UE 3238/03.A - Juris; Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, Teil 2 - Subsidiärer Schutz -, Rdnr. 66 bis 68). Ob diese punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen auch das Gebiet erfassen, aus dem der Kläger stammt und in dessen weiterem Umfeld er seinen Lebensmittelpunkt hatte, lässt der Senat offen.
25 
Es kann schon eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers bei Rückkehr in den Irak nicht angenommen werden.
26 
Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2004/83/EG ist im Lichte ihres 26. Erwägungsgrundes auszulegen. Begründungserwägungen, die jedem gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakt vorangestellt werden, sind integraler Bestandteil des Rechtsakts und deshalb zur Auslegung der Vorschriften des betreffenden Rechtsakts heranzuziehen. Dies gilt insbesondere im Rahmen der systematisch-teleologischen Auslegung, auf die der EuGH regelmäßig als notwendige Ergänzung und unerlässliches Korrektiv der Wortlautinterpretation zurückgreift (vgl. zum Ganzen: Borchardt in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 220 Rdnr. 23 und 24 vgl. auch EuGH, Urteil vom 20.09.2001 - Rs C-184/99-, Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193)). Nur diese „Gesamtschau“ von Richtlinientext und Erwägungsgründen führt zu einer sachgerechten Auslegung und Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen. Für die Auslegung des Art. 15 lit.c) der Richtlinie 2004/83/EG bedeutet dies Folgendes:
27 
Nach dem 26. Erwägungsgrund stellen Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Damit entspricht die Regelung über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit.c) der Richtlinie - bei der Abgrenzung einer individuellen Gefahrenlage für den betreffenden Ausländer von allgemeinen Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes mehr oder weniger gleichartig ausgesetzt sind - im Kern der bisherigen Rechtslage nach § 60 Abs. 7 AufenthG (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.12.2006 - 1 LA 125/06 - Juris; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand Mai 2007, § 60 AufenthG Rdnr. 134; a.A. VG Stuttgart, Urteil vom 21.5.2007 - 4 K 2563/07 -, InfAuslR 2007, 321, wonach „dem subsidiären Schutz nach Art. 15 lit.c) der Richtlinie 2004/83/EG eine dem § 60 Abs. 7 AufenthG vergleichbare Differenzierung zwischen allgemeinen Gefahren und solchen nicht allgemeiner Art fremd“ sei).
28 
Allgemeine Gefahren auf Grund der punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Teilen des Zentraliraks - etwa Bedrohungen der Zivilbevölkerung auf Grund von Kampfhandlungen zwischen der irakischen Regierung bzw. den multinationalen Streitkräften einerseits und bewaffneten Aufständischen/Islamisten andererseits oder Bedrohungen wegen der schlechten Sicherheitslage bzw. auf Grund der zahlreichen terroristischen Anschläge - betreffen die gesamte irakische Bevölkerung in den genannten „Kampfgebieten“. „Kollateralschäden“ etwaiger Kampfhandlungen und die Folgen der zahlreichen Bombenanschläge treffen allgemein Zivilpersonen, die sich am Ort des Geschehens aufhalten; für die Annahme einer individuellen Bedrohung im Sinne des Art. 15 lit.c) der Richtlinie kann dies noch nicht als ausreichend erachtet werden. Die individuelle Bedrohung im Sinne von Art. 15 lit.c) der Richtlinie setzt vielmehr - zusätzlich - eine auf die betreffende Person zugeschnittene besondere - konkrete - Gefährdungslage voraus. Eine solche besondere Gefährdungslage lässt sich den Erkenntnisquellen (vgl. u.a. AA-Lagebericht vom 11.1.2007) etwa für Mitglieder der politischen Parteien im Irak, für Journalisten sowie für die intellektuelle Elite des Iraks (z.B. Professoren, Ärzte, Künstler) entnehmen. Auch Soldaten und Polizisten zählen zu den Personen, die besonders häufig und gezielt Opfer von Gewaltverbrechen werden. Für Personen, die besonders im Visier der militanten Opposition stehen, kann - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - mithin eine individuelle Bedrohung angenommen werden, die über die allgemeine Gefahrenlage im Sinne des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie hinausgeht.
29 
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Urteil vom 21.5.2007, aaO), das dem 26. Erwägungsgrund keine entscheidende Bedeutung beimisst, weil Art. 15 lit. c) der Richtlinie eine eindeutige Bestimmung sei und kein Auslegungsbedarf bestehe, folgt der Senat nicht. Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber ist selbst vom Gegenteil ausgegangen. Der 26. Erwägungsgrund ist gerade auf Art. 15 lit. c) der Richtlinie zugeschnitten; die dort aufgeführten Begriffe „ernsthafter Schaden“ und „individuelle Bedrohung“ werden aufgegriffen und einschränkend erläutert bzw. definiert. Dass im Übrigen das Tatbestandsmerkmal einer „ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson“ und damit der Regelungsgehalt des Art. 15 lit. c) der Richtlinie - wie jede andere Rechtsvorschrift auch - einen Auslegungsspielraum eröffnet und damit auch der Auslegung bedarf, liegt auf der Hand.
30 
Die Auslegung des Senats, wonach auf der Grundlage des 26. Erwägungsgrundes eine Gefahrenlage, der die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich keinen Anspruch auf subsidiären Schutz begründet, führt auch nicht zu einem „Anwendungsausschluss“ oder „Leerlaufen“ des Art. 15 lit. c) der Richtlinie (a.A. VG Stuttgart, aaO). Wie oben dargelegt, eröffnet Art. 15 lit. c) der Richtlinie auch bei Berücksichtigung des Erwägungsgrundes in Fällen einer besonderen Gefährdungslage einen - wenn auch engen - Anwendungsbereich. Im Übrigen setzt die Richtlinie 2004/83/EG lediglich einen Mindeststandard für den Flüchtlingsschutz fest, den die Mitgliedstaaten nicht unterschreiten dürfen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Bezeichnung der Richtlinie als Richtlinie „über Mindestnormen“, sondern auch aus der 6. Begründungserwägung. Es liegt in der Natur von Mindestnormen, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, günstigere Regelungen für Flüchtlinge zu schaffen (vgl. dazu die 8. Begründungserwägung). Demzufolge können sich „Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ im Sinne von Art 2 lit. e) der Richtlinie 2004/83/EG in der Bundesrepublik Deutschland - als Mindeststandard - nicht nur auf diese Richtlinie, sondern darüber hinaus auf ein abgestuftes und differenziertes System zur Gewährung von Abschiebungsschutz und Duldung nach §§ 60 Abs. 7, 60 a Abs. 1 AufenthG berufen, das auch eine verfassungskonforme Auslegung von § 60 Abs. 7 AufenthG bei einer extremen allgemeinen Gefahrenlage (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 203) umfasst. § 60 Abs. 7 AufenthG und die in diesem Zusammenhang erfolgte Rechtsfortbildung enthält etwa günstigere Regelungen für Flüchtlinge hinsichtlich der beachtlichen Anknüpfungspunkte für relevante Gefahren (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.3.2007 - 20 A 5164/-, Juris).
31 
Nicht gefolgt werden kann ferner der Auffassung von Marx (aaO, Rdnr. 79), dass - wenn die Situation im Herkunftsland von willkürlichen Gewaltmustern geprägt sei - keine Situation allgemeiner Gewalt im Sinne des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie vorliege. Nach dieser Auffassung begründen allgemeine Gefahren infolge interner bewaffneter Konflikte generell subsidiären Schutz im Sinne von Art. 15 lit. c) der Richtlinie. Der subsidiäre Schutz sei nur dann ausgeschlossen, wenn die allgemeinen Gefahren - wie etwa die aus der allgemeinen Kriminalität resultierenden allgemeinen Gefahren - nicht Ausdruck interner bewaffneter Konflikte seien. Eine solche Auslegung lässt sich mit dem Gehalt des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie nicht vereinbaren. Art. 15 lit. c) der Richtlinie setzt bereits tatbestandlich Gefahren auf Grund eines internen bewaffneten Konflikts voraus, allgemeine Kriminalitätsgefahren unterfallen mithin von vornherein nicht dem Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes. Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie wäre also für den Ausschluss allgemeiner Kriminalitätsgefahren von vornherein überflüssig. Den Anwendungsbereich des Art. 15 lit. c) der Richtlinie konkretisierende Wirkung kommt der 26. Begründungserwägung insoweit nur dann zu, wenn der Anspruch auf subsidiären Schutz - für den Normalfall - auch dann ausgeschlossen ist, wenn die allgemeine Gefahrenlage Ausdruck und Folge interner bewaffneter Konflikte ist.
32 
Vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsgrundsätze sind keine Anhaltspunkte vorgetragen und im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass für den Kläger - im Falle seiner Rückkehr in den Irak - eine individuelle besondere Gefährdungssituation gegeben ist und er insbesondere ins Visier der militanten Opposition rücken würde.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Oktober 2001 - A 12 K 11052/00 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der erstinstanzlichen Kosten des Bundesbeauftragten, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben am ....1979 in Khange, Provinz Dohuk (Irak) geboren und irakischer Staatsangehöriger jezidischen Glaubens. Er stellte am 7.9.1999 Antrag auf Gewährung von Asyl.
Am 8.9.1999 wurde der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich angehört. Er erklärte, auf dem Landweg in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Seine Volkszugehörigkeit gab er mit arabisch an, weil das Oberhaupt der irakischen Jeziden, Thassin Beg empfohlen habe, mit der Regierung zusammenzuarbeiten. 1990 sei er zusammen mit Eltern und Geschwistern nach Baschiqa (etwa 30 km von Mosul entfernt) gezogen. Er habe zunächst etwa drei Jahre im Spirituosenladen eines Onkels mitgearbeitet. Danach sei er im Fischhandel beschäftigt gewesen. Bis zur Ausreise habe er im Basar in Marwan, einem Stadtteil von Mosul, mit Fischen gehandelt. Sein Vater sei 1996 verstorben, seine Mutter 1998. Seine Brüder Salim und Sabah lebten in Bagdad. Zwei verheiratete Schwestern wohnten im Sindjar. Sein Bruder Hassan lebe in Deutschland. Er habe zuletzt mit dessen Ehefrau, seiner Schwägerin ... - der Klägerin des Verfahrens A 2 S 992/04 -, und ihren fünf Kindern zusammen gelebt. Sie seien mit ihm nach Deutschland gekommen. Er habe seiner Schwägerin, die bereits zwei Jahre vor ihm in die Türkei ausgereist sei, durch einen türkischen Jeziden Geld geschickt. Dies habe der Geheimdienstmann aus Tikrit entdeckt, mit dem schon sein Bruder Schwierigkeiten gehabt habe. Der habe ihn im April 1999 festgenommen. Er, der Kläger, habe dann eine Erklärung unterschreiben müssen, dass er das (das Versenden von Geld an seine Schwägerin) nie wieder tun werde. Dann sei eines Tages auf dem Markt das Gerücht aufgekommen, er sei ein Verräter, bei man nicht mehr kaufen solle. Sein Onkel mütterlicherseits und sein Bruder hätten ihm deshalb geraten, das Land zu verlassen. Dieser Onkel habe früher eine Bar gehabt, aus der er später einen Laden gemacht habe. Ob sein Bruder auch in der Bar gearbeitet habe, könne er nicht sagen, weil dieser beim Geheimdienst gearbeitet habe. Der türkische Jezide, der der Schwägerin das Geld gebracht habe, sei ihm von Jeziden aus Khange benannt worden, von denen viele nach Mosul gekommen seien. Er selbst habe nicht nach Khange zurück gedurft. Seine Familie , d.h. seine Eltern, seine drei Brüder und die Schwägerin ... sowie drei ihrer Kinder, seien 1990 von dort deportiert worden, weil sein Bruder vor dem Kurdenaufstand 1990 Mitglied des irakischen Geheimdienstes gewesen sei. Während des Aufstands seien viele Geheimdienstmitarbeiter, darunter viele Jeziden, getötet worden. Nach dem Aufstand hätten die Jeziden Angst vor den Kurden gehabt und seien nach Mosul geflüchtet. Die Kurden erlaubten ihnen die Rückkehr nicht. Sein Bruder habe auch in Baschiqa weiterhin für den irakischen Geheimdienst gearbeitet. Als dieser Probleme mit einem Kollegen bekommen habe, der Waffen geschmuggelt habe, habe er das Land verlassen müssen.
Mit Bescheid vom 28.3.2000 wurde der Asylantrag des Klägers abgelehnt (Nr.1) und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (Nr.2) und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (Nr.3) nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr.4). Der Bescheid wurde dem Kläger am 4.4.2000 zugestellt.
Am 12.4.2000 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und zuletzt beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28.3.2000 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise: Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - vorliegen. Den angekündigten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat er in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
Mit Urteil vom 8.10.2001 - A 12 K 11052/00 - hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Asylanerkennung zurückgenommen worden war. Weiter hat es die Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 28.3.2000 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Denn ihm drohe auf Grund von Nachfluchtgründen, nämlich seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung im Bundesgebiet, im Fall der Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Auf die Schutzzone im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, denn dort würde das wirtschaftliche Existenzminimum für ihn nicht gewährleistet sein. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Nordirak Aufnahme und Unterstützung finden könne. Er habe seinen Lebensmittelpunkt in Al-Risala bei Mosul, nachdem seine Familie im Jahr 1990 dorthin übergesiedelt sei. Nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung habe er sich wegen der Kontakte seines Bruders Hassan zu den Sicherheitsdiensten Saddam Husseins im Nordirak nicht mehr sicher vor Übergriffen seitens der kurdischen Parteien gefühlt. Beziehungen verwandtschaftlicher oder sonstiger Art könnten daher den Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz im Nordirak für ihn nicht ermöglichen.
Auf Antrag des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 10.4.2002 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Der Beteiligte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8.10.2001 - A 12 K 11052/00 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Für das Berufungsverfahren wurde mit Beschluss vom 7.5.2003 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit Schriftsatz vom 2.9.2004 hat die Beklagte das Verfahren wieder angerufen. Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13.3.2006 macht der Kläger ferner geltend, ihm drohe bei Rückkehr in den Irak Verfolgung wegen seiner jezidischen Religionszugehörigkeit.
14 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
15 
Dem Senat lagen die im Fall des Klägers, seines Bruders ... ... (2 271 100-438) und seiner Schwägerin ... ..., der Klägerin des Verfahrens A 2 S 992/04, angefallenen Akten des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Akten des Verwaltungsgerichts vor. Auf diese Akten und die den Beteiligten überlassene Liste von Erkenntnismitteln und die gesondert übersandten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die vom Senat zugelassene Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in dessen Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87 b AsylVfG i.d.F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3 , 5 und 7 AufenthG (früher § 53 AuslG) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
1. Über das Verpflichtungsbegehren des Klägers ist mangels einschlägiger Übergangsregelung nach der neuen, durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geänderten Rechtslage zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.5.2006 - 1 C 8.05 -, NVwZ 2006, 1180).
18 
Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl II 1953 S.559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 (auch) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (Buchst. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren (Buchst. c) ausgehen, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
19 
Religiöse oder religiös motivierte Verfolgung - wie sie vom Kläger im Berufungsverfahren in erster Linie geltend gemacht wird - ist allgemeiner Ansicht nach politische Verfolgung, wenn sie nach Art und Schwere geeignet ist, die Menschenwürde zu verletzen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a., BVerfGE 54, 341, 357; Urteil vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86, BVerfGE 76, 143, 158). Art. 16a GG (und mithin § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) schützt daher vor Verfolgung jedenfalls im privaten Bereich und daher das „religiöse Existenzminimum“. Dieses ist u.a. berührt, wenn dem Betroffenen seine religiöse Identität geraubt wird, indem ihm etwa unter Androhung von Strafen für Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender Inhalte ihrer Glaubensüberzeugung zugemutet wird oder er daran gehindert wird, seinen eigenen Glauben, so wie er ihn versteht, im privaten Bereich und zusammen mit anderen Gläubigen zu bekennen. Steht nicht die Gruppe der Gläubigen im Blickfeld der Verfolger, ist zudem zu fordern, dass die Verfolgung am Herkunftsort die „religiös personale“ Identität des Betroffenen betrifft (vgl. BVerfG, Urteil vom 1.7.1987, aaO, 159 f.). Diese Forderung ergibt sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die asylrechtliche Rechtfertigung der Erheblichkeit eines objektiven Nachfluchtgrundes - wie er hier geltend gemacht wird - die in der Unzumutbarkeit der Rückkehr des Betroffenen zu sehen ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9.4.1991 - 9 C 100/90 -BVerwGE 88, 92, 96 = NVwZ 1992, 272).
20 
Religiös motivierte Verfolgung ist auch Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rats vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie). Nach Art. 10 Abs. 1 b dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Verfolgungsgründe, dass der Begriff der Religion u.a. die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich umfasst. Mit diesem Inhalt wird der Schutz vor Verfolgung auf solche Maßnahmen ausgedehnt, die an die öffentliche Glaubensbetätigung anknüpfen. Nach Art. 38 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie ist der Mitgliedsstaat verpflichtet, sein innerstaatliches Recht und seine Verwaltungspraxis mit der Richtlinie spätestens bis zum 10.10.2006 in Übereinstimmung zu bringen. Diese Pflicht trifft auch die nationalen Gerichte vor Ablauf der Umsetzungsfrist (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006 - A 2 S 571/05 -, AuAS 2006, 175). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist geht der erkennende Senat von der unmittelbaren Geltung der Richtlinie auch im vorliegenden Berufungsverfahren aus. Allerdings ist nicht jede Diskriminierung in dem so verstandenen religiösen Schutzbereich zugleich auch Verfolgung wegen der Religion. Sie muss vielmehr das Maß überschreiten, das lediglich zu einer durch die Diskriminierung eintretenden Bevorzugung anderer führt, sich mithin also als ernsthafter Eingriff in die Religionsfreiheit darstellen (dazu Marx, AsylVfG, 6. A., § 1 Rdnr. 212 m.w.N.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die auf die - häuslich-private, aber auch öffentliche - Religionsausübung gerichtete Maßnahme zugleich auch mit Gefahr für Leib und Leben verbunden ist oder zu einer dem entsprechenden „Ausgrenzung“ führt (vgl. dazu auch Marx, aaO Rdnr. 208 f. m.w.N.).
21 
2. Bei der Prüfung, ob dem Asylsuchenden im Fall der Rückkehr in sein Heimatland politische Verfolgung droht, ist sowohl dann, wenn es an einer Vorverfolgung fehlt, als auch dann, wenn diese keinerlei Verknüpfung mit den für die Zukunft befürchteten Maßnahmen aufweist, der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht der sog. abgeschwächte Prognosemaßstab der hinreichenden Sicherheit vor erneuter bzw. wiederholter Verfolgung maßgeblich (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 191 und vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -). Danach kommt es darauf an, ob dem Ausländer bei verständiger, objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falls nicht zuzumuten ist, in den Heimatstaat zurückzukehren, d.h. ob durch diese Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des betreffenden Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Das ist der Fall, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgeblich ist dabei letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162).
22 
Hier erscheint schon die behauptete Vorverfolgung nicht glaubhaft; denn der Kläger hat zum Beweis für die vom Geheimdienst im April 1999 erzwungene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiterer Unterstützung seiner Schwägerin eine am 2.4.1998 abgegebene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiteren Kontakts mit dem aus dem Irak geflohenen Bruder vorgelegt. Auch weichen die Angaben von Bruder und Schwägerin zu den Ausreisegründen des Erstgenannten signifikant voneinander ab. Während der Bruder angab, auf Grund einer im Verlauf von Wochen deutlich gewordenen Bedrohung durch einen Geheimdienstoffizier zur Ausreise veranlasst worden zu sein, sprach die Schwägerin von der mit einem Vorlauf von etwa einem halben Jahr verwirklichten Absicht, ins Ausland zu gehen. Weitere Ungereimtheiten im Sachvortrag des Klägers ergeben sich aus der Schilderung des Geldtransfers in die Türkei. So gab der Kläger zunächst an, dass er das Geld einem ihm bekannten türkischen Jeziden namens K. G. übergeben habe, der ganz offiziell Handel in Mosul betreibe. Erst auf Vorhalt, dass dies zumindest offiziell nicht möglich sei, erklärte er dann, der Handel sei wohl im Kurdengebiet betrieben worden. Der Frage, wie er sich denn mit diesem Mann getroffen habe, wich er mehrmals aus und gab dann an, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Die Geldübergabe sei über zwei Jeziden aus seinem Dorf erfolgt.
23 
Auch müssen durch das Baath-Regime Vorverfolgte bei Rückkehr in den Irak nicht mehr politisch erhebliche Verfolgung durch dieses Regime befürchten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/ 05 -, DVBl 2006,1059 dargelegt, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. An dieser Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der neuen Berichterstattung festzuhalten, wie im Senatsurteil vom 21.6.2006 (aaO) dargelegt wird, auf dessen Begründung auch insoweit verwiesen wird. Jedenfalls stünde die geltend gemachte Vorverfolgung durch das Baath-Regime wegen der Unterstützung der Schwägerin in keinem Zusammenhang mit einer für die Zukunft geltend gemachten Gefahr von Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit des Klägers als Jezide (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05).
24 
3. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak wegen seiner Religionszugehörigkeit derzeit und auf absehbare Zeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche oder „quasi-staatliche“ Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a) und (b). Auch wäre er nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nichtstaatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt (c). Offen bleiben kann, ob der Kläger wegen seiner Religionszugehörigkeit als Einzelner politischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre, da er jedenfalls in den kurdisch verwalteten Gebieten des Nordirak eine innerstaatliche Fluchtalternative hätte (d).
25 
Die jezidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Entstehungsgeschichte etwa 4 000 Jahre zurückreicht. Die Zugehörigkeit zur jezidischen Glaubensgemeinschaft wird nur durch Vererbung erworben, es besteht keine Möglichkeit, zum Jezidentum zu konvertieren. Das Jezidentum gilt nach islamischer Lehre im Gegensatz zum Christen- oder Judentum nicht als schutzwürdige Glaubensgemeinschaft einer Buchreligion, da die jezidische Religion mündlich tradiert wird. Jeziden gelten daher für einige Muslime als Häretiker bzw. Andersgläubige und werden als „ungläubig“, „gottlos“ und „unrein“ bezeichnet. Es wird berichtet, dass radikale Muslime die Auffassung vertreten, die Tötung eines Jeziden sei eine heilige Handlung, die dem Täter den Einlass ins Paradies garantiere, und dass muslimische Geistliche u.a. auch in den kurdischen Städten Dohuk und Semele Hass und Verachtung gegen Ungläubige schüren (amnesty international - a.i. - vom 16.8.2005 an VG Köln). Hinzu kommt, dass die Jeziden Kurden sind und allgemein für Kurden gehalten werden, auch solche, die sich in der Saddam-Zeit als Araber deklariert haben. Kurden stehen als treue Verbündete der Amerikaner im Kampf um die Gestaltung der Zukunft des Iraks und wegen ihrer „gottesstaatsfeindlichen, auf die Errichtung eines im Wesentlichen laizistischen Staatswesens gerichteten politischen Haltung“ den amerikanischen Wertevorstellungen besonders nah und haben deshalb bei Terroristen und sonstigen „Widerstandskämpfern“ den Ruch der Kollaboration und bieten sich auch deshalb als Angriffsziele für diese dar (Deutsches Orient-Institut - DOI - vom 14.2.2005 an VG Köln). Sowohl muslimische als auch arabisch-nationalistische Kreise begreifen die Kurden als „Verräter“. So gut wie alle Jeziden definieren sich als Kurden. Es gab in letzter Zeit wiederholt Aufrufe in Moscheen in Mosul und anderen Städten des Zentralirak dazu, Kurden zu töten, bzw. in denen die Ermordung von Kurden sogar als dringlicher und „besser als die Ermordung von Juden und Amerikanern bezeichnet wurde“ (vgl. zum Ganzen: Europäisches Zentrum für kurdische Studien - EKZS - vom 3.11.2004 an VG Köln) .
26 
a) Eine Verfolgung durch den irakischen Staat, die mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist, droht dem Kläger mit Blick auf die behaupteten, vom Senat allerdings als nicht glaubhaft erachteten Vorverfolgungsgründe (s. oben) weder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in der für die anzustellende Gefährdungsprognose in den Blick zu nehmenden absehbaren Zukunft. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 - eingehend dargelegt. Auf die Gründe kann daher verwiesen werden. Unter dem weiteren Gesichtspunkt der Verfolgung religiöser Minderheiten, zu denen auch die Jeziden gehören, fehlt es an Anhaltspunkten für eine vom irakischen Staat ausgehende Verfolgung. Zwar wird - wie oben dargestellt - von Übergriffen auch gegen Jeziden berichtet. Gewaltsame Übergriffe durch staatliche Akteure finden sich in diesen Berichten indes nicht (etwa UNHCR vom 2.8.2006 an VG Ansbach; ai vom 16.8.2005 an VG Köln; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln; EZKS vom 3. 11. 2004 an VG Köln). Betont wird ausschließlich die Machtlosigkeit der staatlichen Institutionen, namentlich der Polizei, die weder über Mittel noch Wege verfügt, sich dem islamistischen Einfluss zu entziehen oder Verbrechensbekämpfung vorzunehmen, geschweige denn sich selbst zu schützen (EZKS vom 7.3.2005 an VG Köln; AA, Lagebericht vom 29.6.2006; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln).
27 
b) Auch geht der erkennende Senat davon aus, dass dem Kläger im Fall einer Rückkehr in den Irak keine quasi-staatliche Verfolgung droht (zu ihr vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260, 1353/98 - NVwZ 2000, 1165). Gruppierungen, die - wie etwa die Koalitionsstreitkräfte - als „staatsähnliche“ Verfolger in Betracht kommen könnten, üben zwar mannigfaltig Repressionen aus; es fehlt aber jeglicher Anhalt dafür, dass die Gewalttätigkeiten auf Jeziden und deren Religionsausübung ausgerichtet sein könnten. Dies gilt im Übrigen auch für die beiden sich im Nordirak die Herrschaftsgewalt teilenden kurdischen Parteien (UNHCR, Hintergrundinformation: Religiöse Minderheiten vom Oktober 2005 und vom 2.8. 2006 an VG Ansbach).
28 
c) Gegenwärtig lässt sich auch nicht feststellen, dass Jeziden - wie der Kläger - im Irak als Gruppe wegen ihrer Religion von insoweit allein in Betracht kommenden nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden.
29 
Legt man den Wortlaut des Abs. 1 Satz 4 Buchst. c des § 60 AufenthG und seine systematische Stellung im Normgefüge des Abs. 1 zu Grunde, ist der Begriff des nichtstaatlichen Akteurs gegenüber denen der Buchst. a und b ein „Auffangbegriff“, dessen Regelungsbereich über den der Vorgängerregelung in § 51 Abs. 1 AuslG hinausgeht, und der ein weites Verständnis fordert. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -) erfasst § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere Einschränkung, namentlich auch Einzelpersonen, sofern von ihnen Verfolgungshandlungen im Sinne des Satzes 1 ausgehen. Auch bei einem derartigen Verständnis der nichtstaatlich Handelnden lässt sich eine von diesen ausgehende Verfolgung der Jeziden als Gruppe nicht feststellen. Eine solche Verfolgung ist dann gegeben, wenn die Verfolgung der durch asylerhebliche Merkmale gekennzeichneten Gruppe als solcher und damit grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern gilt. In diesem Fall kann die Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, dass jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat jederzeit eigene Verfolgung erwarten muss (dazu BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/83 u.a. - BVerfGE 83, 216, 231 f.). Diese Annahme setzt allerdings voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsgutbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst Opfer solcher Maßnahmen zu werden (BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991, aaO, 232). Diese Verfolgungsdichte, die mit Blick auf eine Anzahl von Eingriffen, den Zeitraum, in dem die Eingriffe erfolgen, und die dabei in Rede stehenden Gebiete des Verfolgerstaates zu bestimmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, aaO 169 = NVwZ 1992, 582), ist bei Jeziden im Irak nicht in dem für die Annahme einer Gruppenverfolgung geforderten Umfang gegeben.
30 
Die Zahl der Jeziden liegt Schätzungen zu Folge zwischen 200 000 und 600 000 (AA, Lagebericht vom 29.6.2006; nach UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, Oktober 2005: bei 550 000; nach DOI vom 14.2.2005 an VG Köln zwischen 200 000 bis 250 000). Mit lediglich einem von 275 Sitzen im irakischen Parlament hat der Vertreter der jezidischen Religionsgemeinschaft im Irak politisch kaum Gewicht (AA, Lagebericht vom 29.6.2006).
31 
Nach EZKS (vom 3.11.2004 an VG Köln) leben die meisten Jeziden, um die 90 %, in Gebieten, die bis zum 3. Golfkrieg 2003 auf zentralirakischem Gebiet lagen, nur etwa 10 % leben auf derzeit kurdisch verwaltetem Territorium, die meisten von ihnen in der Provinz Dohuk. Hauptsiedlungsgebiet der Jeziden ist nach dieser Quelle das Scheikhan-Gebiet (Scheikhan und Jebel Sindjar). Der Sindjar liegt, ebenso wie der größte Teil des Scheikhan in der ehemals zentralirakischen Provinz Niniveh. Nur ein kleiner Teil Scheikhans, der Norden inklusive des Lalischtals, des wichtigsten Wallfahrtsorts der Jeziden, wo sich der Schrein von Scheich Adi befindet, liegt in der kurdischen Provinz Dohuk. Scheikhan wie Sindjar gehören zu den früheren Arabisierungsgebieten des Landes; der Jebel Sindjar wurde in den Jahren 1965, 1973 bis 1975 sowie 1986 bis 1987 entvölkert, die jezidischen Bewohner aus rd. 400 Dörfern wurden gezwungen, fortan in sogenannten Zentral- oder Sammeldörfern zu leben, wo sie, entfernt von ihren Ländereien und in Abhängigkeit von staatlichen Lebensmittelzuteilungen, leicht kontrollierbar waren. Ihre Dörfer wurden entweder zerstört oder aber Angehörigen arabischer Stämme überlassen. Das Scheikhangebiet erlitt 10 Jahre später, ab 1975, dasselbe Schicksal. Die Mehrheit der Jeziden lebt somit nach EZKS (aaO) in Dörfern bzw. Zentraldörfern im Sindjar und Scheikhan, darüber hinaus gibt es in den großen Städten des kurdisch verwalteten Nordens, insbesondere in Dohuk, sowie in Mosul und Bagdad eine kleine jezidische Bevölkerungsgruppe. In der irakischen Hauptstadt leben 50 bis 70 jezidische Familien, außerdem sind dort junge Männer aus den jezidischen Zentraldörfern zu finden, die auf der Suche nach Arbeit nach Bagdad migriert sind, während ihre Familien weiter in Zentraldörfern leben.
32 
Nach den Erkenntnissen von ai (aaO) gewährt die Kurdische Demokratische Partei (KDP) den Jeziden in ihrer Einflusszone einige Rechte wie beispielsweise jezidischen Religionsunterricht an Schulen mit jezidischen Schülern/innen und die Beteiligung von Jeziden an der kurdischen Regionalregierung. Im Anschluss an die Eingliederung des Lalischtals in das kurdische Autonomiegebiet der KDP sei mit Unterstützung der KDP 1992 ein jezidisches Kulturzentrum gegründet worden. Nach Einschätzung einiger Beobachter scheinen die Jeziden für die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistan), die traditionell um die Vorherrschaft im kurdischen Gebiet rivalisieren, als Wählergruppe von Interesse zu sein. Berichten zufolge sollen die Jeziden eher als Anhänger der PUK gelten, während die 10 % Jeziden im kurdischen Nordirak fast ausschließlich im Gebiet der KDP siedeln. Auch hinsichtlich der künftigen Grenzziehung des kurdischen Gebiets könnten die Jeziden in der Zukunft möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, denn die kurdischen Parteien streben die Eingliederung von Teilen der gemischt ethnischen Provinzen Niniveh und Ta’nim (Kirkuk) in das kurdische Autonomiegebiet an. Sollte über die Grenzziehung in der Zukunft die betroffene Bevölkerung in den beiden Provinzen in einem Referendum abstimmen, dürften die Jeziden als Wähler für die kurdischen Parteien eine wichtige Zielgruppe darstellen.
33 
Nach Ansicht von ai sind im Zentralirak mit dem Sturz der Baath-Regierung unter Saddam Hussein keine staatlichen Zwangsmaßnahmen wie Vertreibung, Enteignung und Arabisierung zu befürchten, doch lebten die Jeziden in einer Region des Irak, die auf Grund der Vertreibungen und der Ansiedlung arabischer Siedler durch besondere ethnisch-religiöse Spannungen gezeichnet sei. Hinzu komme die politische Unsicherheit der Religion durch die von mehreren Seiten erhobenen Ansprüche auf einige Teilgebiete (ai vom 16.8.2005 an VG Köln).
34 
Auch nach den Erkenntnissen von EKZS (aaO) begreifen die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK - insbesondere die KDP, auf deren Gebiet die Mehrheit der in den kurdischen Provinzen ansässigen Jeziden lebt - die Jeziden bereits seit den 1990er Jahren als wichtige politische Zielgruppe. Dies hängt damit zusammen, dass die überwiegende Mehrheit der Jeziden sich als kurdisch definiert, nur eine verschwindende Minderheit bezeichnet sich als arabisch. Indem Protagonisten der kurdischen Nationalbewegung das Jezidentum als eigentliche und ursprüngliche Religion aller Kurden bezeichnen, schaffen sie den Mythos einer vorislamischen, alle Kurden miteinander verbindenden und von anderen Nationen des nahen Ostens abgrenzenden Religion. Die kulturelle und religiöse Anerkennung des Jeziden im Irak ist somit eng verbunden mit (parteipolitischer) Instrumentalisierung. Die politische Wertschätzung des Jezidentums hat sich auch praktisch niedergeschlagen. 1992 wurde in Dohuk das Lalisch-Kulturzentrum gegründet (mit dem Angebot jezidischen Religionsunterrichts). Dieses Zentrum hat mehrere Zweigstellen in Scheikhan und Sindjar. Die Finanzierung erfolgt in erster Linie über die KDP. Religiöse und kulturelle Rechte der Jeziden sind derzeit im kurdisch verwalteten Norden gewährleistet.
35 
Übergriffe gegen die Jeziden erfahren nach EZKS (aaO) allerdings selbst dann, wenn sie tödlich sind, kaum Beachtung in der (internationalen) Presse. Das Interesse der arabischen Medien ist auf Grund der kurdischen Ethnizität der Jeziden gering. Hinzu kommt, dass die jezidische Bevölkerung, anders als etwa die Christen im Irak, im Ausland über keine institutionalisierte Lobby verfügt, die in der Lage wäre, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Auch nach ai (aaO) gestaltet sich die Informationslage hinsichtlich Übergriffen auf Jeziden wegen ihrer Religionszugehörigkeit deshalb als äußerst schwierig, weil selten in der Presse über Jeziden berichtet wird. Dies möge auch daran liegen, dass Jeziden aus Angst vor weiteren Schikanen und Repressalien generell nicht zur Anzeige von Gewalttaten unter Offenbarung ihrer Religionszugehörigkeit neigten.
36 
In der Zeit zwischen Mai und Oktober 2004 wurden im Auftrag des EZKS (aaO) folgende Vorfälle ermittelt: Am Morgen des 22.8.2004 wurde Schukur Jankir Jina, geboren 1957, in der Nähe seines Hauses vor einer Bäckerei erschossen. Schukur Jankir Jina war Gelegenheitsarbeiter und stammte ursprünglich aus dem Zentraldorf Khanek in der Provinz Dohuk. Von dort war er mit seiner Familie in den Mosuler Stadtteil Tahrir gezogen. Als Grund der Ermordung wird seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Am Morgen des 23.8.2004 wurde Schukri Ali Jolo, geboren 1954, auf der Baustelle seines neuen Hauses erschossen. Schukri Ali Jolo war ebenfalls Gelegenheitsarbeiter. Auch er stammte ursprünglich aus Khanek und lebte mit seiner Familie im Mosuler Stadtteil El-Arabi. Als Grund der Ermordung wird ebenfalls seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Der Jezide Kassim Khalaf Raschu, der in Mosul einem Geschäft für Luxusgüter und Accessoires arbeitete, wurde am 27.8.2004 von Unbekannten ermordet. Auf der Leiche des Opfers soll ein Zettel gelegen haben, auf dem stand „.... weil er ein Ungläubiger war“. Darüber hinaus wurden zwei bis drei weitere Morde an Jeziden berichtet, die im Mosuler Vergnügungsviertel im Alkoholverkauf tätig waren. Die Morde sollen in der letzten August- bzw. ersten Septemberwoche 2004 stattgefunden haben. Sämtliche Opfer sollen erschossen worden sein. Ob es sich um kriminelle Akte handelte oder ob islamische Gruppierungen hinter den Anschlägen vermutet werden müssen, ist unklar. Die Aufklärungsrate bei derartigen Verbrechen tendiert gegen Null. Der Journalist Khidir Domle berichtet in seinem Zeitungsartikel „Zunahme von Mordanschlägen auf Jeziden in Mosul“ vom 18.9.2004, dass allein im August 2004 neun Jeziden Opfer von Mordanschlägen wurden - sechs in Mosul und drei in Bagdad. In Mosul wurde in der zweiten Oktoberhälfte ein Jezide umgebracht, weil er das Rauchverbot während des Ramadan missachtete und in der Öffentlichkeit rauchte. Zwei jezidische Gelegenheitsarbeiter aus Sindjar - Jeziden aus diesem Gebiet sind an ihrer Kleidung leicht zu erkennen - wurden Ende Oktober in Mosul ermordet. Sie wurden zunächst mit Rasierklingen geschändet, dann wurde ihnen die Kehle durchgeschnitten. Ende Juni/Ende Anfang Juli 2004 wurde ein Anschlag auf den jezidischen Kaimakam (Bürgermeister von Sindjar) verübt. Auf das weltliche Oberhaupt der Jeziden, Mir Thassin Beg, wurde am 17.9.2004 in Al-Kosh, ca. 40 km von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk gelegen, ein Bombenanschlag verübt, den er leicht verletzt überlebte. Auch aus Angst vor Anschlägen konnten im Jahr 2004 das wichtigste jezidische Fest, das Fest der Versammlung (Cejna Cemayya), das alljährlich vom 6. bis 13. Oktober im Lalisch-Tal begangen wird, nur eingeschränkt stattfinden. Mir Thassin Beg hatte dazu aufgerufen, das Fest in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen nicht zu feiern, obgleich das Lalisch-Tal im eigentlich „sicheren“ Dohuk liegt. Tatsächlich wurden die wichtigsten religiösen Riten in diesem Jahr nicht durchgeführt, weder der Mir noch das religiöse Oberhaupt der Jeziden, der Baba-Scheich, waren anwesend. Insgesamt nahmen nur einige hundert Jeziden an der Zeremonie teil, im Gegensatz zu 1 500 bis 2 000 in früheren Jahren. Insbesondere Jeziden aus dem Sindjar, die ansonsten die Mehrheit der Festteilnehmer ausmachen, waren ferngeblieben.
37 
Hinzu kommen zahlreiche Anschläge auf Alkoholläden und Kneipen, vor allem im Großraum Mosul sowie im Großraum Bagdad. Ebenfalls gefährdet sind Schönheitssalons und Damenfrisöre - auch das Betreiben bzw. der Besuch derselben wird von radikalislamischen Kreisen als „unislamisch“ begriffen. Selbst in der Stadt Arbil, im kurdisch verwalteten Norden, wurde ein Schönheitssalon in Luft gesprengt, der Damenfrisör in Dohuk hatte im Herbst 2004 seine Fenster aus Angst vor Angriffen verbarrikadiert. Schönheitssalons und Damenfrisöre werden in der Regel von christlichen, seltener von jezidischen Frauen geführt.
38 
Der jezidische Arzt Abdul Aziz Sulaiman, der in Mosul praktizierte, wurde von Islamisten mit dem Tode bedroht, sollte er seine Praxis nicht schließen und seine Arbeit im Al-Razi-Krankenhaus in Mosul nicht einstellen. Der Arzt hat Mosul aus Angst verlassen. Der jezidische Arzt Abd al-Aziz Sulaiman Siwo, Vorsitzender des Lalisch-Kulturzentrums, erhielt im Januar 2004 einen Drohbrief, unterzeichnet von der Islamischen Ansar Al-Islam, Abteilung Verteidigung. Abd al-Aziz Sulaiman Siwo wurde in dem Schreiben vorgeworfen, mit Amerikanern, Zionisten und der PUK zusammenzuarbeiten. Er wurde aufgefordert, Mosul innerhalb einer Woche zu verlassen, ansonsten werde er getötet. Der Betroffene erhielt darüber hinaus mehrere telefonische Morddrohungen.
39 
Im Mai 2004 wurden in den Mosuler Stadtteilen Al Jahid, Hay Tayraan, Hay Arabii und Hay Al-Kerama Plakate geklebt, auf denen sinngemäß der folgende Text zu lesen war: „Es ist Rechtens (arabisch: Halaal) Jeziden wie Juden zu töten, sowie es Rechtens ist, Christen und Amerikaner zu töten“. Verantwortlich für diese Plakataktion soll eine islamische Gruppierung namens Islamische Jugendorganisation in Mosul (Jamaiya As-Shaban Al-Muslimin/Al-Mosul) sein. Im Juni/Juli 2004 erhielten insgesamt 28 in Mosul lebende oder arbeitende Personen einen von der Gruppe Al Mudjaheddin unterzeichneten Drohbrief, in dem sie aufgefordert wurden, ihre Kooperation mit den Besatzern einzustellen, da sie ansonsten die Konsequenzen zu tragen hätten. Einer der Adressaten des Briefes war der an der Universität Mosul, Fachbereich Wirtschaft, tätige Jezide Derman Suleyman. Abgesehen von seiner Universitätstätigkeit ist Dr. Suleyman im Lalisch-Kulturzentrum aktiv. Die Tatsache, dass er als (engagierter) Jezide erfolgreich Karriere an der Universität Mosul gemacht hat, wird als Grund für das „Interesse“ seiner Bedrohung angesehen. Weitere Jeziden aus Dohuk, Ain Sifni Scheikhan, dem Sindjar-Gebiete und vor allem aus Mosul und den umliegenden Gebieten mit mehrheitlich jezidischer Bevölkerung (z.B. Baschik und Bahzani), die führende Funktion innehaben und insofern als Prominente zu bezeichnen sind, erhielten telefonische Morddrohungen. Unter ihnen sind der Vorsitzende des Lalisch-Kulturzentrums sowie politische Funktionäre der KDP in Dohuk. Am 18.10.2004 wurde in Mosul ein Taxifahrer angegriffen und die Windschutzscheibe seines Taxis beschädigt, nachdem die Angreifer herausgefunden hatten, dass es sich bei dem Taxifahrer um einen Jeziden handelte. Der Taxifahrer, der aus dem jezidischen Zentraldorf Scharya in der Provinz Dohuk stammt, wurde mit dem Tod bedroht, sollte er noch einmal nach Mosul kommen. Der Fahrer, der bis zu diesem Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt mit Fahrten zwischen Dohuk und Mosul verdiente, hat diese Fahrten aus Angst eingestellt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Vorfall nicht um einen Einzelfall handelt. In der zweiten und dritten Oktoberwoche 2004 klebte eine islamische Gruppe an der Universität Mosul Plakate, auf denen zu lesen war, dass Frauen sich „anständig“, d.h. islamisch zu kleiden hätten. Unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund sehen Frauen, die an der Universität Mosul lehren bzw. studieren, sich gezwungen, lange Röcke sowie ein Kopftuch zu tragen, da sie ansonsten Repressionen von Seiten islamischer Gruppierungen und Einzelpersonen befürchten. Einige Personen haben das Studium an der Universität Mosul auf Grund solcher und ähnlicher Repressionen bereits aufgegeben. Darüber hinaus wurde der Beginn des Semesters aus Sicherheitsgründen verschoben. Im Oktober 2004, mit Beginn des Fastenmonats Ramadan (15. Oktober), waren an mehreren Moscheen in verschiedenen Stadtteilen Mosuls Plakate angebracht, auf denen zu lesen war, dass „Personen, die während der Fastenzeit in der Öffentlichkeit rauchen, getötet werden“. Die Drohung wurde von den Personen, die über sie berichteten, sehr ernst genommen. Selbst in Dohuk, einer eher liberalen Stadt im kurdisch verwalteten Norden, die einen vergleichsweise hohen christlichen und jezidischen Bevölkerungsanteil hat, war es untersagt, während des Ramadan öffentlich zu rauchen oder zu essen. Personen, die gegen diese Vorgabe verstießen, wurden unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei festgenommen. In den offiziellen Büros in Dohuk (von Parteien bzw. der Regionalregierung) wurde selbst Gästen nicht einmal ein Glas Wasser angeboten - offensichtlich ein Zugeständnis an islamische Kräfte.
40 
Nicht in jedem der genannten Einzelfälle ist nach den Erkenntnissen des EKZS (aaO) eindeutig zu entscheiden, ob die Anschläge sich gegen Jeziden als Jeziden gerichtet haben oder gegen sie als Personen, die etwa bestimmte Berufe ausüben (z. den des Alkoholverkäufers). Indessen sei es kein Zufall, dass gerade Jeziden (und Christen) im Alkoholverkauf, im Gaststättengewerbe und in der Vergnügungsindustrie tätig seien. Denn einerseits erlaube ihnen ihre Religion derartige Tätigkeiten. Andererseits fänden sie hier eine Nische, in der sie ihr ökonomisches Leben zu sichern versuchten. Angriffe gegen Personen, die in diesen Berufszweigen arbeiteten, seien damit auch als Angriffe auf den Wertekanon der jezidischen respektive christlichen Bevölkerung im Irak zu verstehen bzw. als Versuch, ein flächendeckendes, radikal-islamisches Wertesystem zu erzwingen. Besondere Gefährdungen bestünden im Großraum Mosul oder Bagdad für jezidische Intellektuelle, die allein durch ihren öffentlich sichtbaren Einfluss/Erfolg bestimmte islamische Kreise provozieren, jezidische Würdenträger, Jeziden, die regelmäßig jezidische Einrichtungen besuchen, dort arbeiten oder deren Funktionsträger sind, Jeziden, die im Alkoholgeschäft, im Gaststätten- und Hotelgewerbe oder in der Vergnügungsindustrie tätig sind, Jeziden, die in Schönheits- oder Frisörsalons arbeiten, Jeziden, die in Berufen arbeiten, die sie in häufigen Kontakt mit der muslimischen Bevölkerung bringen (Polizisten, Taxifahrer), jezidische Frauen, die - wie es für Jeziden üblich ist - unverschleiert in die Öffentlichkeit gehen und Jeziden, die auf Grund anderer äußerer Merkmale als Jeziden auffallen, z.B. weil sie bestimmte typische Kleidungsstücke tragen (wie die Jeziden aus dem Sindjar). Geringer sei die Gefahr, Opfer eines Anschlags zu werden, für den oben genannten Personenkreis außerhalb des Großraums Mosul und Bagdad. Die Situation in rein jezidischen Dörfern sei eher sicherer als an gemischten Orten. Auch ist sei sie umso besser, je höher die Präsenz bewaffneter kurdischer Sicherheitskräfte (Peschmerga) sei. Problematisch sei, dass viele in Scheikhan und Sindjar lebende Jeziden sich allein aus ökonomischen Gründen regelmäßig in eine der größeren Städte der Umgebung, d.h. nach Mosul oder Dohuk begäben, um dort nach Gelegenheitsarbeiten zu suchen, weil der Arbeitsmarkt in Scheikhan und Sindjar nicht groß genug sei. Deutlich besser sei die Situation in den kurdisch verwalteten Gebieten (Dohuk, Arbil, Sulaimaniya). Die Gefahr, Opfer eines gewalttätigen, jezidenfeindlichen Angriffs zu werden, sei hier eher gering. Das bedeute allerdings nicht, dass es gegenüber der jezidischen Bevölkerung nicht zu alltäglichen Diskriminierungen von Seiten der muslimischen Mehrheit käme. So werde beispielsweise immer wieder berichtet, dass Jeziden ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht verkaufen könnten bzw. die Preise erheblich senken müssten, weil ein Teil der Muslime es ablehne, bei „Ungläubigen“ zu kaufen.
41 
Allerdings sind die oben angeführten Übergriffe nicht auf Jeziden beschränkt, sondern treffen muslimische und christliche Iraker gleichermaßen. So sind allgemein Hochschullehrer und Ärzte betroffen, desgleichen irakische Staatsangehörige, die für die eigene Verwaltung oder für die Koalitionsstreitkräfte arbeiten. Entführungen sind landesweit üblich und Ausdruck von Gewaltkriminalität und Sozialneid, bisweilen sind sie Mittel, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu wecken. Und sie sind ferner Ausdruck einer stärker werdenden Islamisierung des Alltags, der gleichermaßen Muslime betrifft (EZKS vom 3.7.2005 an das VG Köln; Lagebericht AA vom 10.6.2005).
42 
Nach Mitteilung von UNHCR (Hintergrundinformation) haben internationale Menschenrechtsorganisationen mehr als 25 Morde und über 50 Gewaltverbrechen an Jeziden im letzten Drittel des Jahres 2004 gezählt. Viele Übergriffe auf Jeziden hatten einen mittelbaren oder unmittelbaren religiösen Zusammenhang. So wurde beispielsweise am 17.8.2004 ein junger Mann aus der Ortschaft Bashiqa deshalb von Terroristen enthauptet und sein Leichnam geschändet, weil er in den Augen der Täter als ungläubig und unrein angesehen wurde. Am 21.10.2004 wurden an der Straße zwischen den Städten Telafar und Sindjar die enthaupteten Leichen zweier Männer gefunden, die einige Tage zuvor in Telafar von radikalen Muslimen mit Strafe bedroht worden waren, weil sie sich an das für Muslime während des Fastenmonats Ramadan geltende Rauchverbot nicht gehalten hatten. Bei einem weiteren Übergriff fanatischer Muslime in der Stadt Telafar wurden im Dezember 2004 fünf Jeziden getötet. In Mosul wurden gleichzeitig Flugblätter mit der Aufforderung, alle Jeziden zu töten, verbreitet. Die genannten Verfolgungsmaßnahmen knüpfen nicht in allen Fällen unmittelbar an das religiöse Bekenntnis der Betroffenen oder die Ausübung ihres religiösen Glaubens an. Vielmehr kam als Motiv für Verfolgungsmaßnahmen häufig die Verbindung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft mit tatsächlichen oder unterstellen zusätzlichen Merkmalen der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft - wie beispielsweise die vermeintliche Sympathie mit den Koalitionsstreitkräften oder die allen nicht muslimischen Religionsgemeinschaften unterstelle Ignoranz gegenüber traditionellen Moralvorstellungen - in Betracht. Jeziden sind dementsprechend von Kampagnen zur Einhaltung islamischer Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften betroffen (UNHCR vom Oktober 2005).
43 
Nimmt man danach die Verfolgungsdichte in quantitativer Hinsicht in Blick, ist die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Jeziden (s. oben) nicht geeignet, eine Verfolgung der Jeziden als religiöser Gruppe zu belegen.
44 
d) Ob sich der geschilderten Entwicklung die Prognose herleiten lässt, dem Kläger drohe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als einzelnem bei einer Rückkehr in den Nordirak politische Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Ausübung seiner jezidischen Religion, kann der Senat offen lassen. Nach den derzeit zugänglichen, oben angeführten Erkenntnismitteln richten sich die Angriffe von Dritten zwar ersichtlich auch gegen die Jeziden in ihrer Eigenschaft als solche. Schon die oben erwähnten Angriffe auf deren Würdenträger und herausgehobene sonstige Mitgläubige verdeutlichen, dass diese zumindest auch an deren Jezidentum anknüpfen und nicht lediglich einer allgemeinen „Destabilisierung“ der Gesamtsituation im Irak dienen. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da dem Kläger jedenfalls bei einer Rückkehr in die kurdisch regierten Landesteile im Norden des Iraks, aus denen er stammt, eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG eröffnet ist.
45 
Eine solche Fluchtalternative besteht dann, wenn der Betroffene in Teilen des Verfolgerstaates nicht in eine ausweglose Lage gerät. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315, 343 f.).
46 
Die Verfolgungssicherheit als Sicherheit vor asylrelevanten Übergriffen der o.a. nicht staatlich Handelnden ist hier für den Kläger nach dem Dargelegten jedenfalls im angesprochenen Nordirak gegeben. Allgemein wird hervorgehoben, dass sich die Sicherheitslage im Nordirak als „stabil“ darstellt (EZKS vom 26.10.2005 an das VG München; vom 4.10.2005 an das VG Ansbach: „relativ stabil“). Der Nordirak ist sicherheitsmäßig kein Krisengebiet. Zwar hat es auch dort heftige Anschläge gegeben. Der letzte datiert indessen aus dem Jahr 2004. Damals ist von einem jemenitischen Terroristen ein Anschlag auf das KDP-Büro in Arbil verübt worden, bei dem 46 Menschen getötet wurden. Seither hat es im Nordirak jedoch keine großen Anschläge mehr gegeben. Auch die Unzahl von „kleinen Anschlägen“ gibt es dort nicht. Das liegt daran, dass die Kurden ihr Gebiet ziemlich gut „im Griff“ haben, und zwar deshalb, weil sie die Verwaltung des Gebiets schon seit 1991 de facto ausüben und weil die kurdischen bewaffneten Verbände (Peschmerga) nicht entwaffnet worden sind, sondern nach wie vor dort „aufgestellt“ sind. Außerdem haben die Kurden schon seit langem einen eigenen Geheimdienst und eine eigene Polizei, die augenscheinlich zufrieden stellend arbeiten, jedenfalls was die Abwehr terroristischer Aktivitäten betrifft. Kurdistan ist also nicht, ganz anders als weite Teile des Zentraliraks, Schauplatz einer unablässigen Serie von Morden, Anschlägen und Attentaten (DOI vom 13.11.2006 an den Senat; keine gewalttätigen islamistischen Übergriffe mehr gemeldet seit Kriegsende: EZKS vom 12.5.2006 an VG Magdeburg; von vereinzelten Übergriffen auf Alkoholläden bzw. vereinzelten Säureattentaten auf „unislamisch gekleidete Frauen“ im KDP-Gebiet [letztere liegen bereits einige Zeit zurück]; keine gewalttätigen Aktivitäten islamistischer Gruppen bekannt: EZKS vom 15.7.2006 an VG Magdeburg). Da allgemein sich die westliche Berichterstattung aus dem Irak auf die Kriegsschauplätze in den Hochburgen des Widerstands konzentriert, wird teilweise ausgeblendet, dass weite Teile des Landes von den Kämpfen nicht berührt werden (Der Spiegel, 50/2005, 138). Dies hat nach Ansicht des Senats auch für die Beurteilung der Situation im Nordirak zu gelten. Allgemein ist er von den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Zentralirak nicht berührt (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006, aaO).
47 
Im Nordirak drohen dem Kläger auch keine anderen Nachteile, da er aus Khange/Provinz Dohuk im Nordirak stammt. Davon, dass dort nicht zumindest ein Teil seiner Sippe/Großfamilie noch lebt und er bei Rückkehr nicht in deren soziale und wirtschaftliche Verteilungsmechanismen einbezogen würde(vgl. DOI vom 14.2.2005 und vom 13.11.2006, jew. aaO), vermag der Senat sich nicht zu überzeugen. Ziel der Angaben des Klägers und seiner Schwägerin war es zwar ersichtlich, die Feststellung im Asylverfahren zu ermöglichen, dass sie mit Eltern/Schwiegereltern, Geschwistern/ Ehemann und Neffen/Kindern wegen des Kurdenaufstands im Jahr 1990 vom Nordirak in den Raum Mosul übersiedeln mussten. Diese Feststellung lässt sich indes wegen der diese Angaben jeweils kennzeichnenden Widersprüche, Steigerungen und Ungereimtheiten nicht mit der notwendigen Gewissheit treffen. Beide haben die behauptete Flucht aus dem Nordirak mit dem auf 1990 datierten Aufstand der Kurden und der Geheimdiensttätigkeit des Bruders/Ehemannes begründet. Dem Vorhalt des Bundesamtes, dass dies nicht 1990 gewesen sein könne, sind beide ausgewichen. Der Kläger hat lediglich erklärt, dass die Jeziden Angst vor den Kurden nach dem Aufstand gehabt hätten. Auch hat der Kläger zunächst angegeben, seine drei ältesten Neffen seien bei der Flucht dabei gewesen. Der Nachfrage, ob diese Neffen in Khange geboren seien, wich der Kläger aus und erklärte, dass er insoweit nicht sicher sei. Die behauptete Unkenntnis erscheint angesichts der Tatsache, dass die Neffen Karzan und Karwa drei bzw. fünf Jahre nach der behaupteten Flucht geboren wurden, nicht glaubhaft. Auch die Schwägerin verwies weiterhin darauf, dass ihr Ehemann beim Geheimdienst gearbeitet und deshalb Angst vor den Kurden gehabt habe. Auf weiteren Vorhalt, dass das Kurdengebiet 1990 unter der Herrschaft der Zentralregierung gestanden habe, wiederholte sie ihren Vortrag, dass ihr Ehemann Angst gehabt habe, weil er beim Geheimdienst gewesen sei. Der Glaubhaftigkeit einer durch Angst vor „ den Kurden“ wegen geheimdienstlicher Tätigkeit des Bruders des Klägers erzwungenen Umsiedlung steht im Übrigen schon entgegen, dass Mosul eine nur etwa 30 km vom heutigen Nordirak entfernte, überwiegend von Kurden besiedelte Stadt ist (UNHCR, Hintergrundinformation zur Situation der christlichen Bevölkerung im Irak < Stand: Juni 2006>). Auch wurden die Angehörigen der Abu-Firaz-Hamadani, denen der Bruder des Klägers nach seinen Angaben und dem Vortrag seiner Ehefrau zugehört haben will, nach dem Rückzug des Saddam-Regimes nach der Intifada des Jahres 1991 und der dadurch bewirkten kurdischen Autonomie des Nordirak ohne weiteres in die dortigen Peschmerga- Einheiten integriert (DOI, vom 14.6.2005 an VG Düsseldorf). Dass für den Bruder des Klägers, der keine eigenen „Greueltaten“, sondern lediglich Wach- und Dolmetscherdienste geleistet haben will, etwas anderes gegolten haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.
48 
Der Kläger hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gesteigert. Er gab dort erstmals an, vor seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad - in einem Alkoholladen eines Onkels - gearbeitet zu haben und von dort ausgereist zu sein. Demgegenüber hatte er beim Bundesamt noch erklärt, er sei dem im Basar in Marwan, einem Stadtteil von Mosul, betriebenen Fischhandel bis zur Ausreise nachgegangen. Auch hat er gegenüber dem Senat abweichend von seinen Angaben im Behördenverfahren erklärt, seiner Schwägerin von Bagdad aus sowohl nach Bashiqa als auch später nach Silopi Geld überbracht oder geschickt zu haben. Davon, dass er selbst Geld aus Bagdad überbrachte, war im Behördenverfahren nicht die Rede. Als Grund für die Ausreise gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, sein Onkel und sein Bruder hätten ihm geraten, das Land zu verlassen, nachdem eines Tages auf dem Markt ein Gerücht aufgekommen sei, er sei ein Verräter und man solle bei ihm nicht mehr kaufen. Dies soll geschehen sein, nachdem er vom Geheimdienst wegen der Unterstützung seiner in die Türkei ausgereisten Schwägerin festgenommen worden war. In der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats hat der Kläger dagegen Furcht vor drohender Festnahme als Ausreisegrund angegeben.
49 
Angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten kann dem Kläger nur geglaubt werden, dass er aus einer Familie aus Khange/Provinz Dohuk stammt. Dann kann er bei Rückkehr dorthin aber auf deren Verteilungsnetz zur Sicherung seiner weiteren Existenz zurückgreifen (DOI vom 13.11.2006 an den Senat). Auch hätte der Kläger bei einer Rückkehr in das kurdisch verwaltete Gebiet im Nordirak keine mit der Einreise verbundenen Probleme durch die kurdische Verwaltung oder die kurdische Sicherheitspolizei zu erwarten (EKZS vom 15.11.2006 an den Senat und DOI vom 13.11.2006 aaO). Da der Kläger nach seinen Angaben gerade nicht - wie das EKZS (aaO) irrtümlich annimmt - aus Mosul, sondern aus Khange/Provinz Dohuk stammt, können Probleme, die es laut EKZS (aaO) beim Versuch der Übersiedlung von aus Mosul stammenden Jeziden in den Nordirak geben mag, in seinem Fall nicht auftreten.
50 
4. Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, zu Gunsten des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
51 
Ob der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG eine konkret-individuell drohende Gefahr durch einen Staat oder eine staatsähnliche Organisation voraussetzt (so BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 331) oder ob wegen der Erweiterung des Tatbestands der politischen Verfolgung durch sog. nichtstaatliche Akteure gem. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG die in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG genannten Menschenrechtsverletzungen nunmehr auch von nichtstaatlicher Seite ausgehen können (so UNHCR vom 23.12.2004; amnesty international in Asyl-Info 11/2004, S. 4, 5; vgl. auch Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 60 AufenthG RdNr. 36 mit Hinweis darauf, dass sich die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts bei Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG erledigen wird), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Kläger droht schon keine Verfolgung aus religiösen Gründen, hinsichtlich derer ihm nicht zumindest eine beachtliche inländische Fluchtalternative eröffnet wäre. Dazu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
52 
Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Nach dieser Vorschrift, die - abgesehen von der Änderung der „Kann“- in eine „Soll“-Rechtsfolge - hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen inhaltlich dem bisherigen § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG entspricht (s. auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 AufenthG), soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt indes nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -BVerwGE 99, 324, 330; Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1, 7 ff. zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG). Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis in unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen könnte, sind nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.
53 
Auch bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (dazu das oben bereits angeführte Senatsurteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 - mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG).
54 
Ferner scheidet ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG aus.
55 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kommt schon deshalb nicht in Betracht, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil wird. Auf das Urteil des Senats vom 16.9.2004 zu der inhaltsgleichen Regelung im früheren § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG sowie auf die jüngst ergangenen Senatsurteile vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 und A 2 S 1122/05 - (mitgeteilt in den Dokumentationen Juris und Vensa) kann insoweit verwiesen werden. Eine die genannte Sperrwirkung überwindende verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet somit aus.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO (in entsprechender Anwendung), § 83b AsylVfG.
57 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
16 
Die vom Senat zugelassene Berufung des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in dessen Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87 b AsylVfG i.d.F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und auch begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3 , 5 und 7 AufenthG (früher § 53 AuslG) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 S. 1 VwGO).
17 
1. Über das Verpflichtungsbegehren des Klägers ist mangels einschlägiger Übergangsregelung nach der neuen, durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geänderten Rechtslage zu entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 9.5.2006 - 1 C 8.05 -, NVwZ 2006, 1180).
18 
Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) liegen beim Kläger die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vor. Nach Absatz 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Ausländer in Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention (Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl II 1953 S.559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 (auch) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (Buchst. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren (Buchst. c) ausgehen, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
19 
Religiöse oder religiös motivierte Verfolgung - wie sie vom Kläger im Berufungsverfahren in erster Linie geltend gemacht wird - ist allgemeiner Ansicht nach politische Verfolgung, wenn sie nach Art und Schwere geeignet ist, die Menschenwürde zu verletzen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a., BVerfGE 54, 341, 357; Urteil vom 1.7.1987 - 2 BvR 478, 962/86, BVerfGE 76, 143, 158). Art. 16a GG (und mithin § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG) schützt daher vor Verfolgung jedenfalls im privaten Bereich und daher das „religiöse Existenzminimum“. Dieses ist u.a. berührt, wenn dem Betroffenen seine religiöse Identität geraubt wird, indem ihm etwa unter Androhung von Strafen für Leib, Leben oder persönlicher Freiheit eine Verleugnung oder gar Preisgabe tragender Inhalte ihrer Glaubensüberzeugung zugemutet wird oder er daran gehindert wird, seinen eigenen Glauben, so wie er ihn versteht, im privaten Bereich und zusammen mit anderen Gläubigen zu bekennen. Steht nicht die Gruppe der Gläubigen im Blickfeld der Verfolger, ist zudem zu fordern, dass die Verfolgung am Herkunftsort die „religiös personale“ Identität des Betroffenen betrifft (vgl. BVerfG, Urteil vom 1.7.1987, aaO, 159 f.). Diese Forderung ergibt sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die asylrechtliche Rechtfertigung der Erheblichkeit eines objektiven Nachfluchtgrundes - wie er hier geltend gemacht wird - die in der Unzumutbarkeit der Rückkehr des Betroffenen zu sehen ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9.4.1991 - 9 C 100/90 -BVerwGE 88, 92, 96 = NVwZ 1992, 272).
20 
Religiös motivierte Verfolgung ist auch Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 1, 10 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG des Rats vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sog. Qualifikationsrichtlinie). Nach Art. 10 Abs. 1 b dieser Richtlinie berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Verfolgungsgründe, dass der Begriff der Religion u.a. die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten und öffentlichen Bereich umfasst. Mit diesem Inhalt wird der Schutz vor Verfolgung auf solche Maßnahmen ausgedehnt, die an die öffentliche Glaubensbetätigung anknüpfen. Nach Art. 38 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie ist der Mitgliedsstaat verpflichtet, sein innerstaatliches Recht und seine Verwaltungspraxis mit der Richtlinie spätestens bis zum 10.10.2006 in Übereinstimmung zu bringen. Diese Pflicht trifft auch die nationalen Gerichte vor Ablauf der Umsetzungsfrist (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006 - A 2 S 571/05 -, AuAS 2006, 175). Nach Ablauf der Umsetzungsfrist geht der erkennende Senat von der unmittelbaren Geltung der Richtlinie auch im vorliegenden Berufungsverfahren aus. Allerdings ist nicht jede Diskriminierung in dem so verstandenen religiösen Schutzbereich zugleich auch Verfolgung wegen der Religion. Sie muss vielmehr das Maß überschreiten, das lediglich zu einer durch die Diskriminierung eintretenden Bevorzugung anderer führt, sich mithin also als ernsthafter Eingriff in die Religionsfreiheit darstellen (dazu Marx, AsylVfG, 6. A., § 1 Rdnr. 212 m.w.N.). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die auf die - häuslich-private, aber auch öffentliche - Religionsausübung gerichtete Maßnahme zugleich auch mit Gefahr für Leib und Leben verbunden ist oder zu einer dem entsprechenden „Ausgrenzung“ führt (vgl. dazu auch Marx, aaO Rdnr. 208 f. m.w.N.).
21 
2. Bei der Prüfung, ob dem Asylsuchenden im Fall der Rückkehr in sein Heimatland politische Verfolgung droht, ist sowohl dann, wenn es an einer Vorverfolgung fehlt, als auch dann, wenn diese keinerlei Verknüpfung mit den für die Zukunft befürchteten Maßnahmen aufweist, der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht der sog. abgeschwächte Prognosemaßstab der hinreichenden Sicherheit vor erneuter bzw. wiederholter Verfolgung maßgeblich (vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 191 und vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -). Danach kommt es darauf an, ob dem Ausländer bei verständiger, objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falls nicht zuzumuten ist, in den Heimatstaat zurückzukehren, d.h. ob durch diese Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des betreffenden Ausländers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Das ist der Fall, wenn bei der zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände größeres Gewicht besitzen und daher gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgeblich ist dabei letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162).
22 
Hier erscheint schon die behauptete Vorverfolgung nicht glaubhaft; denn der Kläger hat zum Beweis für die vom Geheimdienst im April 1999 erzwungene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiterer Unterstützung seiner Schwägerin eine am 2.4.1998 abgegebene Selbstverpflichtung zur Unterlassung weiteren Kontakts mit dem aus dem Irak geflohenen Bruder vorgelegt. Auch weichen die Angaben von Bruder und Schwägerin zu den Ausreisegründen des Erstgenannten signifikant voneinander ab. Während der Bruder angab, auf Grund einer im Verlauf von Wochen deutlich gewordenen Bedrohung durch einen Geheimdienstoffizier zur Ausreise veranlasst worden zu sein, sprach die Schwägerin von der mit einem Vorlauf von etwa einem halben Jahr verwirklichten Absicht, ins Ausland zu gehen. Weitere Ungereimtheiten im Sachvortrag des Klägers ergeben sich aus der Schilderung des Geldtransfers in die Türkei. So gab der Kläger zunächst an, dass er das Geld einem ihm bekannten türkischen Jeziden namens K. G. übergeben habe, der ganz offiziell Handel in Mosul betreibe. Erst auf Vorhalt, dass dies zumindest offiziell nicht möglich sei, erklärte er dann, der Handel sei wohl im Kurdengebiet betrieben worden. Der Frage, wie er sich denn mit diesem Mann getroffen habe, wich er mehrmals aus und gab dann an, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Die Geldübergabe sei über zwei Jeziden aus seinem Dorf erfolgt.
23 
Auch müssen durch das Baath-Regime Vorverfolgte bei Rückkehr in den Irak nicht mehr politisch erhebliche Verfolgung durch dieses Regime befürchten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/ 05 -, DVBl 2006,1059 dargelegt, auf dessen Begründung Bezug genommen wird. An dieser Einschätzung ist auch unter Berücksichtigung der neuen Berichterstattung festzuhalten, wie im Senatsurteil vom 21.6.2006 (aaO) dargelegt wird, auf dessen Begründung auch insoweit verwiesen wird. Jedenfalls stünde die geltend gemachte Vorverfolgung durch das Baath-Regime wegen der Unterstützung der Schwägerin in keinem Zusammenhang mit einer für die Zukunft geltend gemachten Gefahr von Verfolgung wegen der Religionszugehörigkeit des Klägers als Jezide (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05).
24 
3. Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in den Irak wegen seiner Religionszugehörigkeit derzeit und auf absehbare Zeit nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche oder „quasi-staatliche“ Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (a) und (b). Auch wäre er nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer nichtstaatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt (c). Offen bleiben kann, ob der Kläger wegen seiner Religionszugehörigkeit als Einzelner politischer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt wäre, da er jedenfalls in den kurdisch verwalteten Gebieten des Nordirak eine innerstaatliche Fluchtalternative hätte (d).
25 
Die jezidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Entstehungsgeschichte etwa 4 000 Jahre zurückreicht. Die Zugehörigkeit zur jezidischen Glaubensgemeinschaft wird nur durch Vererbung erworben, es besteht keine Möglichkeit, zum Jezidentum zu konvertieren. Das Jezidentum gilt nach islamischer Lehre im Gegensatz zum Christen- oder Judentum nicht als schutzwürdige Glaubensgemeinschaft einer Buchreligion, da die jezidische Religion mündlich tradiert wird. Jeziden gelten daher für einige Muslime als Häretiker bzw. Andersgläubige und werden als „ungläubig“, „gottlos“ und „unrein“ bezeichnet. Es wird berichtet, dass radikale Muslime die Auffassung vertreten, die Tötung eines Jeziden sei eine heilige Handlung, die dem Täter den Einlass ins Paradies garantiere, und dass muslimische Geistliche u.a. auch in den kurdischen Städten Dohuk und Semele Hass und Verachtung gegen Ungläubige schüren (amnesty international - a.i. - vom 16.8.2005 an VG Köln). Hinzu kommt, dass die Jeziden Kurden sind und allgemein für Kurden gehalten werden, auch solche, die sich in der Saddam-Zeit als Araber deklariert haben. Kurden stehen als treue Verbündete der Amerikaner im Kampf um die Gestaltung der Zukunft des Iraks und wegen ihrer „gottesstaatsfeindlichen, auf die Errichtung eines im Wesentlichen laizistischen Staatswesens gerichteten politischen Haltung“ den amerikanischen Wertevorstellungen besonders nah und haben deshalb bei Terroristen und sonstigen „Widerstandskämpfern“ den Ruch der Kollaboration und bieten sich auch deshalb als Angriffsziele für diese dar (Deutsches Orient-Institut - DOI - vom 14.2.2005 an VG Köln). Sowohl muslimische als auch arabisch-nationalistische Kreise begreifen die Kurden als „Verräter“. So gut wie alle Jeziden definieren sich als Kurden. Es gab in letzter Zeit wiederholt Aufrufe in Moscheen in Mosul und anderen Städten des Zentralirak dazu, Kurden zu töten, bzw. in denen die Ermordung von Kurden sogar als dringlicher und „besser als die Ermordung von Juden und Amerikanern bezeichnet wurde“ (vgl. zum Ganzen: Europäisches Zentrum für kurdische Studien - EKZS - vom 3.11.2004 an VG Köln) .
26 
a) Eine Verfolgung durch den irakischen Staat, die mit Blick auf § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist, droht dem Kläger mit Blick auf die behaupteten, vom Senat allerdings als nicht glaubhaft erachteten Vorverfolgungsgründe (s. oben) weder im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch in der für die anzustellende Gefährdungsprognose in den Blick zu nehmenden absehbaren Zukunft. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 - eingehend dargelegt. Auf die Gründe kann daher verwiesen werden. Unter dem weiteren Gesichtspunkt der Verfolgung religiöser Minderheiten, zu denen auch die Jeziden gehören, fehlt es an Anhaltspunkten für eine vom irakischen Staat ausgehende Verfolgung. Zwar wird - wie oben dargestellt - von Übergriffen auch gegen Jeziden berichtet. Gewaltsame Übergriffe durch staatliche Akteure finden sich in diesen Berichten indes nicht (etwa UNHCR vom 2.8.2006 an VG Ansbach; ai vom 16.8.2005 an VG Köln; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln; EZKS vom 3. 11. 2004 an VG Köln). Betont wird ausschließlich die Machtlosigkeit der staatlichen Institutionen, namentlich der Polizei, die weder über Mittel noch Wege verfügt, sich dem islamistischen Einfluss zu entziehen oder Verbrechensbekämpfung vorzunehmen, geschweige denn sich selbst zu schützen (EZKS vom 7.3.2005 an VG Köln; AA, Lagebericht vom 29.6.2006; DOI vom 14.2.2005 an VG Köln).
27 
b) Auch geht der erkennende Senat davon aus, dass dem Kläger im Fall einer Rückkehr in den Irak keine quasi-staatliche Verfolgung droht (zu ihr vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260, 1353/98 - NVwZ 2000, 1165). Gruppierungen, die - wie etwa die Koalitionsstreitkräfte - als „staatsähnliche“ Verfolger in Betracht kommen könnten, üben zwar mannigfaltig Repressionen aus; es fehlt aber jeglicher Anhalt dafür, dass die Gewalttätigkeiten auf Jeziden und deren Religionsausübung ausgerichtet sein könnten. Dies gilt im Übrigen auch für die beiden sich im Nordirak die Herrschaftsgewalt teilenden kurdischen Parteien (UNHCR, Hintergrundinformation: Religiöse Minderheiten vom Oktober 2005 und vom 2.8. 2006 an VG Ansbach).
28 
c) Gegenwärtig lässt sich auch nicht feststellen, dass Jeziden - wie der Kläger - im Irak als Gruppe wegen ihrer Religion von insoweit allein in Betracht kommenden nichtstaatlichen Akteuren verfolgt werden.
29 
Legt man den Wortlaut des Abs. 1 Satz 4 Buchst. c des § 60 AufenthG und seine systematische Stellung im Normgefüge des Abs. 1 zu Grunde, ist der Begriff des nichtstaatlichen Akteurs gegenüber denen der Buchst. a und b ein „Auffangbegriff“, dessen Regelungsbereich über den der Vorgängerregelung in § 51 Abs. 1 AuslG hinausgeht, und der ein weites Verständnis fordert. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -) erfasst § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG alle nichtstaatlichen Akteure ohne weitere Einschränkung, namentlich auch Einzelpersonen, sofern von ihnen Verfolgungshandlungen im Sinne des Satzes 1 ausgehen. Auch bei einem derartigen Verständnis der nichtstaatlich Handelnden lässt sich eine von diesen ausgehende Verfolgung der Jeziden als Gruppe nicht feststellen. Eine solche Verfolgung ist dann gegeben, wenn die Verfolgung der durch asylerhebliche Merkmale gekennzeichneten Gruppe als solcher und damit grundsätzlich allen Gruppenmitgliedern gilt. In diesem Fall kann die Gruppengerichtetheit der Verfolgung dazu führen, dass jedes Mitglied der Gruppe im Verfolgerstaat jederzeit eigene Verfolgung erwarten muss (dazu BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/83 u.a. - BVerfGE 83, 216, 231 f.). Diese Annahme setzt allerdings voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsgutbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst Opfer solcher Maßnahmen zu werden (BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991, aaO, 232). Diese Verfolgungsdichte, die mit Blick auf eine Anzahl von Eingriffen, den Zeitraum, in dem die Eingriffe erfolgen, und die dabei in Rede stehenden Gebiete des Verfolgerstaates zu bestimmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, aaO 169 = NVwZ 1992, 582), ist bei Jeziden im Irak nicht in dem für die Annahme einer Gruppenverfolgung geforderten Umfang gegeben.
30 
Die Zahl der Jeziden liegt Schätzungen zu Folge zwischen 200 000 und 600 000 (AA, Lagebericht vom 29.6.2006; nach UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, Oktober 2005: bei 550 000; nach DOI vom 14.2.2005 an VG Köln zwischen 200 000 bis 250 000). Mit lediglich einem von 275 Sitzen im irakischen Parlament hat der Vertreter der jezidischen Religionsgemeinschaft im Irak politisch kaum Gewicht (AA, Lagebericht vom 29.6.2006).
31 
Nach EZKS (vom 3.11.2004 an VG Köln) leben die meisten Jeziden, um die 90 %, in Gebieten, die bis zum 3. Golfkrieg 2003 auf zentralirakischem Gebiet lagen, nur etwa 10 % leben auf derzeit kurdisch verwaltetem Territorium, die meisten von ihnen in der Provinz Dohuk. Hauptsiedlungsgebiet der Jeziden ist nach dieser Quelle das Scheikhan-Gebiet (Scheikhan und Jebel Sindjar). Der Sindjar liegt, ebenso wie der größte Teil des Scheikhan in der ehemals zentralirakischen Provinz Niniveh. Nur ein kleiner Teil Scheikhans, der Norden inklusive des Lalischtals, des wichtigsten Wallfahrtsorts der Jeziden, wo sich der Schrein von Scheich Adi befindet, liegt in der kurdischen Provinz Dohuk. Scheikhan wie Sindjar gehören zu den früheren Arabisierungsgebieten des Landes; der Jebel Sindjar wurde in den Jahren 1965, 1973 bis 1975 sowie 1986 bis 1987 entvölkert, die jezidischen Bewohner aus rd. 400 Dörfern wurden gezwungen, fortan in sogenannten Zentral- oder Sammeldörfern zu leben, wo sie, entfernt von ihren Ländereien und in Abhängigkeit von staatlichen Lebensmittelzuteilungen, leicht kontrollierbar waren. Ihre Dörfer wurden entweder zerstört oder aber Angehörigen arabischer Stämme überlassen. Das Scheikhangebiet erlitt 10 Jahre später, ab 1975, dasselbe Schicksal. Die Mehrheit der Jeziden lebt somit nach EZKS (aaO) in Dörfern bzw. Zentraldörfern im Sindjar und Scheikhan, darüber hinaus gibt es in den großen Städten des kurdisch verwalteten Nordens, insbesondere in Dohuk, sowie in Mosul und Bagdad eine kleine jezidische Bevölkerungsgruppe. In der irakischen Hauptstadt leben 50 bis 70 jezidische Familien, außerdem sind dort junge Männer aus den jezidischen Zentraldörfern zu finden, die auf der Suche nach Arbeit nach Bagdad migriert sind, während ihre Familien weiter in Zentraldörfern leben.
32 
Nach den Erkenntnissen von ai (aaO) gewährt die Kurdische Demokratische Partei (KDP) den Jeziden in ihrer Einflusszone einige Rechte wie beispielsweise jezidischen Religionsunterricht an Schulen mit jezidischen Schülern/innen und die Beteiligung von Jeziden an der kurdischen Regionalregierung. Im Anschluss an die Eingliederung des Lalischtals in das kurdische Autonomiegebiet der KDP sei mit Unterstützung der KDP 1992 ein jezidisches Kulturzentrum gegründet worden. Nach Einschätzung einiger Beobachter scheinen die Jeziden für die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistan), die traditionell um die Vorherrschaft im kurdischen Gebiet rivalisieren, als Wählergruppe von Interesse zu sein. Berichten zufolge sollen die Jeziden eher als Anhänger der PUK gelten, während die 10 % Jeziden im kurdischen Nordirak fast ausschließlich im Gebiet der KDP siedeln. Auch hinsichtlich der künftigen Grenzziehung des kurdischen Gebiets könnten die Jeziden in der Zukunft möglicherweise eine wichtige Rolle spielen, denn die kurdischen Parteien streben die Eingliederung von Teilen der gemischt ethnischen Provinzen Niniveh und Ta’nim (Kirkuk) in das kurdische Autonomiegebiet an. Sollte über die Grenzziehung in der Zukunft die betroffene Bevölkerung in den beiden Provinzen in einem Referendum abstimmen, dürften die Jeziden als Wähler für die kurdischen Parteien eine wichtige Zielgruppe darstellen.
33 
Nach Ansicht von ai sind im Zentralirak mit dem Sturz der Baath-Regierung unter Saddam Hussein keine staatlichen Zwangsmaßnahmen wie Vertreibung, Enteignung und Arabisierung zu befürchten, doch lebten die Jeziden in einer Region des Irak, die auf Grund der Vertreibungen und der Ansiedlung arabischer Siedler durch besondere ethnisch-religiöse Spannungen gezeichnet sei. Hinzu komme die politische Unsicherheit der Religion durch die von mehreren Seiten erhobenen Ansprüche auf einige Teilgebiete (ai vom 16.8.2005 an VG Köln).
34 
Auch nach den Erkenntnissen von EKZS (aaO) begreifen die beiden großen kurdischen Parteien KDP und PUK - insbesondere die KDP, auf deren Gebiet die Mehrheit der in den kurdischen Provinzen ansässigen Jeziden lebt - die Jeziden bereits seit den 1990er Jahren als wichtige politische Zielgruppe. Dies hängt damit zusammen, dass die überwiegende Mehrheit der Jeziden sich als kurdisch definiert, nur eine verschwindende Minderheit bezeichnet sich als arabisch. Indem Protagonisten der kurdischen Nationalbewegung das Jezidentum als eigentliche und ursprüngliche Religion aller Kurden bezeichnen, schaffen sie den Mythos einer vorislamischen, alle Kurden miteinander verbindenden und von anderen Nationen des nahen Ostens abgrenzenden Religion. Die kulturelle und religiöse Anerkennung des Jeziden im Irak ist somit eng verbunden mit (parteipolitischer) Instrumentalisierung. Die politische Wertschätzung des Jezidentums hat sich auch praktisch niedergeschlagen. 1992 wurde in Dohuk das Lalisch-Kulturzentrum gegründet (mit dem Angebot jezidischen Religionsunterrichts). Dieses Zentrum hat mehrere Zweigstellen in Scheikhan und Sindjar. Die Finanzierung erfolgt in erster Linie über die KDP. Religiöse und kulturelle Rechte der Jeziden sind derzeit im kurdisch verwalteten Norden gewährleistet.
35 
Übergriffe gegen die Jeziden erfahren nach EZKS (aaO) allerdings selbst dann, wenn sie tödlich sind, kaum Beachtung in der (internationalen) Presse. Das Interesse der arabischen Medien ist auf Grund der kurdischen Ethnizität der Jeziden gering. Hinzu kommt, dass die jezidische Bevölkerung, anders als etwa die Christen im Irak, im Ausland über keine institutionalisierte Lobby verfügt, die in der Lage wäre, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Auch nach ai (aaO) gestaltet sich die Informationslage hinsichtlich Übergriffen auf Jeziden wegen ihrer Religionszugehörigkeit deshalb als äußerst schwierig, weil selten in der Presse über Jeziden berichtet wird. Dies möge auch daran liegen, dass Jeziden aus Angst vor weiteren Schikanen und Repressalien generell nicht zur Anzeige von Gewalttaten unter Offenbarung ihrer Religionszugehörigkeit neigten.
36 
In der Zeit zwischen Mai und Oktober 2004 wurden im Auftrag des EZKS (aaO) folgende Vorfälle ermittelt: Am Morgen des 22.8.2004 wurde Schukur Jankir Jina, geboren 1957, in der Nähe seines Hauses vor einer Bäckerei erschossen. Schukur Jankir Jina war Gelegenheitsarbeiter und stammte ursprünglich aus dem Zentraldorf Khanek in der Provinz Dohuk. Von dort war er mit seiner Familie in den Mosuler Stadtteil Tahrir gezogen. Als Grund der Ermordung wird seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Am Morgen des 23.8.2004 wurde Schukri Ali Jolo, geboren 1954, auf der Baustelle seines neuen Hauses erschossen. Schukri Ali Jolo war ebenfalls Gelegenheitsarbeiter. Auch er stammte ursprünglich aus Khanek und lebte mit seiner Familie im Mosuler Stadtteil El-Arabi. Als Grund der Ermordung wird ebenfalls seine jezidische Religionszugehörigkeit vermutet. Der Jezide Kassim Khalaf Raschu, der in Mosul einem Geschäft für Luxusgüter und Accessoires arbeitete, wurde am 27.8.2004 von Unbekannten ermordet. Auf der Leiche des Opfers soll ein Zettel gelegen haben, auf dem stand „.... weil er ein Ungläubiger war“. Darüber hinaus wurden zwei bis drei weitere Morde an Jeziden berichtet, die im Mosuler Vergnügungsviertel im Alkoholverkauf tätig waren. Die Morde sollen in der letzten August- bzw. ersten Septemberwoche 2004 stattgefunden haben. Sämtliche Opfer sollen erschossen worden sein. Ob es sich um kriminelle Akte handelte oder ob islamische Gruppierungen hinter den Anschlägen vermutet werden müssen, ist unklar. Die Aufklärungsrate bei derartigen Verbrechen tendiert gegen Null. Der Journalist Khidir Domle berichtet in seinem Zeitungsartikel „Zunahme von Mordanschlägen auf Jeziden in Mosul“ vom 18.9.2004, dass allein im August 2004 neun Jeziden Opfer von Mordanschlägen wurden - sechs in Mosul und drei in Bagdad. In Mosul wurde in der zweiten Oktoberhälfte ein Jezide umgebracht, weil er das Rauchverbot während des Ramadan missachtete und in der Öffentlichkeit rauchte. Zwei jezidische Gelegenheitsarbeiter aus Sindjar - Jeziden aus diesem Gebiet sind an ihrer Kleidung leicht zu erkennen - wurden Ende Oktober in Mosul ermordet. Sie wurden zunächst mit Rasierklingen geschändet, dann wurde ihnen die Kehle durchgeschnitten. Ende Juni/Ende Anfang Juli 2004 wurde ein Anschlag auf den jezidischen Kaimakam (Bürgermeister von Sindjar) verübt. Auf das weltliche Oberhaupt der Jeziden, Mir Thassin Beg, wurde am 17.9.2004 in Al-Kosh, ca. 40 km von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk gelegen, ein Bombenanschlag verübt, den er leicht verletzt überlebte. Auch aus Angst vor Anschlägen konnten im Jahr 2004 das wichtigste jezidische Fest, das Fest der Versammlung (Cejna Cemayya), das alljährlich vom 6. bis 13. Oktober im Lalisch-Tal begangen wird, nur eingeschränkt stattfinden. Mir Thassin Beg hatte dazu aufgerufen, das Fest in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen nicht zu feiern, obgleich das Lalisch-Tal im eigentlich „sicheren“ Dohuk liegt. Tatsächlich wurden die wichtigsten religiösen Riten in diesem Jahr nicht durchgeführt, weder der Mir noch das religiöse Oberhaupt der Jeziden, der Baba-Scheich, waren anwesend. Insgesamt nahmen nur einige hundert Jeziden an der Zeremonie teil, im Gegensatz zu 1 500 bis 2 000 in früheren Jahren. Insbesondere Jeziden aus dem Sindjar, die ansonsten die Mehrheit der Festteilnehmer ausmachen, waren ferngeblieben.
37 
Hinzu kommen zahlreiche Anschläge auf Alkoholläden und Kneipen, vor allem im Großraum Mosul sowie im Großraum Bagdad. Ebenfalls gefährdet sind Schönheitssalons und Damenfrisöre - auch das Betreiben bzw. der Besuch derselben wird von radikalislamischen Kreisen als „unislamisch“ begriffen. Selbst in der Stadt Arbil, im kurdisch verwalteten Norden, wurde ein Schönheitssalon in Luft gesprengt, der Damenfrisör in Dohuk hatte im Herbst 2004 seine Fenster aus Angst vor Angriffen verbarrikadiert. Schönheitssalons und Damenfrisöre werden in der Regel von christlichen, seltener von jezidischen Frauen geführt.
38 
Der jezidische Arzt Abdul Aziz Sulaiman, der in Mosul praktizierte, wurde von Islamisten mit dem Tode bedroht, sollte er seine Praxis nicht schließen und seine Arbeit im Al-Razi-Krankenhaus in Mosul nicht einstellen. Der Arzt hat Mosul aus Angst verlassen. Der jezidische Arzt Abd al-Aziz Sulaiman Siwo, Vorsitzender des Lalisch-Kulturzentrums, erhielt im Januar 2004 einen Drohbrief, unterzeichnet von der Islamischen Ansar Al-Islam, Abteilung Verteidigung. Abd al-Aziz Sulaiman Siwo wurde in dem Schreiben vorgeworfen, mit Amerikanern, Zionisten und der PUK zusammenzuarbeiten. Er wurde aufgefordert, Mosul innerhalb einer Woche zu verlassen, ansonsten werde er getötet. Der Betroffene erhielt darüber hinaus mehrere telefonische Morddrohungen.
39 
Im Mai 2004 wurden in den Mosuler Stadtteilen Al Jahid, Hay Tayraan, Hay Arabii und Hay Al-Kerama Plakate geklebt, auf denen sinngemäß der folgende Text zu lesen war: „Es ist Rechtens (arabisch: Halaal) Jeziden wie Juden zu töten, sowie es Rechtens ist, Christen und Amerikaner zu töten“. Verantwortlich für diese Plakataktion soll eine islamische Gruppierung namens Islamische Jugendorganisation in Mosul (Jamaiya As-Shaban Al-Muslimin/Al-Mosul) sein. Im Juni/Juli 2004 erhielten insgesamt 28 in Mosul lebende oder arbeitende Personen einen von der Gruppe Al Mudjaheddin unterzeichneten Drohbrief, in dem sie aufgefordert wurden, ihre Kooperation mit den Besatzern einzustellen, da sie ansonsten die Konsequenzen zu tragen hätten. Einer der Adressaten des Briefes war der an der Universität Mosul, Fachbereich Wirtschaft, tätige Jezide Derman Suleyman. Abgesehen von seiner Universitätstätigkeit ist Dr. Suleyman im Lalisch-Kulturzentrum aktiv. Die Tatsache, dass er als (engagierter) Jezide erfolgreich Karriere an der Universität Mosul gemacht hat, wird als Grund für das „Interesse“ seiner Bedrohung angesehen. Weitere Jeziden aus Dohuk, Ain Sifni Scheikhan, dem Sindjar-Gebiete und vor allem aus Mosul und den umliegenden Gebieten mit mehrheitlich jezidischer Bevölkerung (z.B. Baschik und Bahzani), die führende Funktion innehaben und insofern als Prominente zu bezeichnen sind, erhielten telefonische Morddrohungen. Unter ihnen sind der Vorsitzende des Lalisch-Kulturzentrums sowie politische Funktionäre der KDP in Dohuk. Am 18.10.2004 wurde in Mosul ein Taxifahrer angegriffen und die Windschutzscheibe seines Taxis beschädigt, nachdem die Angreifer herausgefunden hatten, dass es sich bei dem Taxifahrer um einen Jeziden handelte. Der Taxifahrer, der aus dem jezidischen Zentraldorf Scharya in der Provinz Dohuk stammt, wurde mit dem Tod bedroht, sollte er noch einmal nach Mosul kommen. Der Fahrer, der bis zu diesem Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt mit Fahrten zwischen Dohuk und Mosul verdiente, hat diese Fahrten aus Angst eingestellt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei diesem Vorfall nicht um einen Einzelfall handelt. In der zweiten und dritten Oktoberwoche 2004 klebte eine islamische Gruppe an der Universität Mosul Plakate, auf denen zu lesen war, dass Frauen sich „anständig“, d.h. islamisch zu kleiden hätten. Unabhängig von ihrem ethnischen und religiösen Hintergrund sehen Frauen, die an der Universität Mosul lehren bzw. studieren, sich gezwungen, lange Röcke sowie ein Kopftuch zu tragen, da sie ansonsten Repressionen von Seiten islamischer Gruppierungen und Einzelpersonen befürchten. Einige Personen haben das Studium an der Universität Mosul auf Grund solcher und ähnlicher Repressionen bereits aufgegeben. Darüber hinaus wurde der Beginn des Semesters aus Sicherheitsgründen verschoben. Im Oktober 2004, mit Beginn des Fastenmonats Ramadan (15. Oktober), waren an mehreren Moscheen in verschiedenen Stadtteilen Mosuls Plakate angebracht, auf denen zu lesen war, dass „Personen, die während der Fastenzeit in der Öffentlichkeit rauchen, getötet werden“. Die Drohung wurde von den Personen, die über sie berichteten, sehr ernst genommen. Selbst in Dohuk, einer eher liberalen Stadt im kurdisch verwalteten Norden, die einen vergleichsweise hohen christlichen und jezidischen Bevölkerungsanteil hat, war es untersagt, während des Ramadan öffentlich zu rauchen oder zu essen. Personen, die gegen diese Vorgabe verstießen, wurden unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit von der Polizei festgenommen. In den offiziellen Büros in Dohuk (von Parteien bzw. der Regionalregierung) wurde selbst Gästen nicht einmal ein Glas Wasser angeboten - offensichtlich ein Zugeständnis an islamische Kräfte.
40 
Nicht in jedem der genannten Einzelfälle ist nach den Erkenntnissen des EKZS (aaO) eindeutig zu entscheiden, ob die Anschläge sich gegen Jeziden als Jeziden gerichtet haben oder gegen sie als Personen, die etwa bestimmte Berufe ausüben (z. den des Alkoholverkäufers). Indessen sei es kein Zufall, dass gerade Jeziden (und Christen) im Alkoholverkauf, im Gaststättengewerbe und in der Vergnügungsindustrie tätig seien. Denn einerseits erlaube ihnen ihre Religion derartige Tätigkeiten. Andererseits fänden sie hier eine Nische, in der sie ihr ökonomisches Leben zu sichern versuchten. Angriffe gegen Personen, die in diesen Berufszweigen arbeiteten, seien damit auch als Angriffe auf den Wertekanon der jezidischen respektive christlichen Bevölkerung im Irak zu verstehen bzw. als Versuch, ein flächendeckendes, radikal-islamisches Wertesystem zu erzwingen. Besondere Gefährdungen bestünden im Großraum Mosul oder Bagdad für jezidische Intellektuelle, die allein durch ihren öffentlich sichtbaren Einfluss/Erfolg bestimmte islamische Kreise provozieren, jezidische Würdenträger, Jeziden, die regelmäßig jezidische Einrichtungen besuchen, dort arbeiten oder deren Funktionsträger sind, Jeziden, die im Alkoholgeschäft, im Gaststätten- und Hotelgewerbe oder in der Vergnügungsindustrie tätig sind, Jeziden, die in Schönheits- oder Frisörsalons arbeiten, Jeziden, die in Berufen arbeiten, die sie in häufigen Kontakt mit der muslimischen Bevölkerung bringen (Polizisten, Taxifahrer), jezidische Frauen, die - wie es für Jeziden üblich ist - unverschleiert in die Öffentlichkeit gehen und Jeziden, die auf Grund anderer äußerer Merkmale als Jeziden auffallen, z.B. weil sie bestimmte typische Kleidungsstücke tragen (wie die Jeziden aus dem Sindjar). Geringer sei die Gefahr, Opfer eines Anschlags zu werden, für den oben genannten Personenkreis außerhalb des Großraums Mosul und Bagdad. Die Situation in rein jezidischen Dörfern sei eher sicherer als an gemischten Orten. Auch ist sei sie umso besser, je höher die Präsenz bewaffneter kurdischer Sicherheitskräfte (Peschmerga) sei. Problematisch sei, dass viele in Scheikhan und Sindjar lebende Jeziden sich allein aus ökonomischen Gründen regelmäßig in eine der größeren Städte der Umgebung, d.h. nach Mosul oder Dohuk begäben, um dort nach Gelegenheitsarbeiten zu suchen, weil der Arbeitsmarkt in Scheikhan und Sindjar nicht groß genug sei. Deutlich besser sei die Situation in den kurdisch verwalteten Gebieten (Dohuk, Arbil, Sulaimaniya). Die Gefahr, Opfer eines gewalttätigen, jezidenfeindlichen Angriffs zu werden, sei hier eher gering. Das bedeute allerdings nicht, dass es gegenüber der jezidischen Bevölkerung nicht zu alltäglichen Diskriminierungen von Seiten der muslimischen Mehrheit käme. So werde beispielsweise immer wieder berichtet, dass Jeziden ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht verkaufen könnten bzw. die Preise erheblich senken müssten, weil ein Teil der Muslime es ablehne, bei „Ungläubigen“ zu kaufen.
41 
Allerdings sind die oben angeführten Übergriffe nicht auf Jeziden beschränkt, sondern treffen muslimische und christliche Iraker gleichermaßen. So sind allgemein Hochschullehrer und Ärzte betroffen, desgleichen irakische Staatsangehörige, die für die eigene Verwaltung oder für die Koalitionsstreitkräfte arbeiten. Entführungen sind landesweit üblich und Ausdruck von Gewaltkriminalität und Sozialneid, bisweilen sind sie Mittel, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit zu wecken. Und sie sind ferner Ausdruck einer stärker werdenden Islamisierung des Alltags, der gleichermaßen Muslime betrifft (EZKS vom 3.7.2005 an das VG Köln; Lagebericht AA vom 10.6.2005).
42 
Nach Mitteilung von UNHCR (Hintergrundinformation) haben internationale Menschenrechtsorganisationen mehr als 25 Morde und über 50 Gewaltverbrechen an Jeziden im letzten Drittel des Jahres 2004 gezählt. Viele Übergriffe auf Jeziden hatten einen mittelbaren oder unmittelbaren religiösen Zusammenhang. So wurde beispielsweise am 17.8.2004 ein junger Mann aus der Ortschaft Bashiqa deshalb von Terroristen enthauptet und sein Leichnam geschändet, weil er in den Augen der Täter als ungläubig und unrein angesehen wurde. Am 21.10.2004 wurden an der Straße zwischen den Städten Telafar und Sindjar die enthaupteten Leichen zweier Männer gefunden, die einige Tage zuvor in Telafar von radikalen Muslimen mit Strafe bedroht worden waren, weil sie sich an das für Muslime während des Fastenmonats Ramadan geltende Rauchverbot nicht gehalten hatten. Bei einem weiteren Übergriff fanatischer Muslime in der Stadt Telafar wurden im Dezember 2004 fünf Jeziden getötet. In Mosul wurden gleichzeitig Flugblätter mit der Aufforderung, alle Jeziden zu töten, verbreitet. Die genannten Verfolgungsmaßnahmen knüpfen nicht in allen Fällen unmittelbar an das religiöse Bekenntnis der Betroffenen oder die Ausübung ihres religiösen Glaubens an. Vielmehr kam als Motiv für Verfolgungsmaßnahmen häufig die Verbindung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft mit tatsächlichen oder unterstellen zusätzlichen Merkmalen der Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft - wie beispielsweise die vermeintliche Sympathie mit den Koalitionsstreitkräften oder die allen nicht muslimischen Religionsgemeinschaften unterstelle Ignoranz gegenüber traditionellen Moralvorstellungen - in Betracht. Jeziden sind dementsprechend von Kampagnen zur Einhaltung islamischer Bekleidungs- und Verhaltensvorschriften betroffen (UNHCR vom Oktober 2005).
43 
Nimmt man danach die Verfolgungsdichte in quantitativer Hinsicht in Blick, ist die bekannt gewordene Zahl der Übergriffe in den vergangenen Jahren - ungeachtet der anzunehmenden Dunkelziffer - gemessen an der Gesamtzahl der im Irak lebenden Jeziden (s. oben) nicht geeignet, eine Verfolgung der Jeziden als religiöser Gruppe zu belegen.
44 
d) Ob sich der geschilderten Entwicklung die Prognose herleiten lässt, dem Kläger drohe mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als einzelnem bei einer Rückkehr in den Nordirak politische Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Ausübung seiner jezidischen Religion, kann der Senat offen lassen. Nach den derzeit zugänglichen, oben angeführten Erkenntnismitteln richten sich die Angriffe von Dritten zwar ersichtlich auch gegen die Jeziden in ihrer Eigenschaft als solche. Schon die oben erwähnten Angriffe auf deren Würdenträger und herausgehobene sonstige Mitgläubige verdeutlichen, dass diese zumindest auch an deren Jezidentum anknüpfen und nicht lediglich einer allgemeinen „Destabilisierung“ der Gesamtsituation im Irak dienen. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da dem Kläger jedenfalls bei einer Rückkehr in die kurdisch regierten Landesteile im Norden des Iraks, aus denen er stammt, eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 4 Buchst. c AufenthG eröffnet ist.
45 
Eine solche Fluchtalternative besteht dann, wenn der Betroffene in Teilen des Verfolgerstaates nicht in eine ausweglose Lage gerät. Dies setzt voraus, dass er in den in Betracht kommenden Gebieten vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist und ihm jedenfalls dort auch keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315, 343 f.).
46 
Die Verfolgungssicherheit als Sicherheit vor asylrelevanten Übergriffen der o.a. nicht staatlich Handelnden ist hier für den Kläger nach dem Dargelegten jedenfalls im angesprochenen Nordirak gegeben. Allgemein wird hervorgehoben, dass sich die Sicherheitslage im Nordirak als „stabil“ darstellt (EZKS vom 26.10.2005 an das VG München; vom 4.10.2005 an das VG Ansbach: „relativ stabil“). Der Nordirak ist sicherheitsmäßig kein Krisengebiet. Zwar hat es auch dort heftige Anschläge gegeben. Der letzte datiert indessen aus dem Jahr 2004. Damals ist von einem jemenitischen Terroristen ein Anschlag auf das KDP-Büro in Arbil verübt worden, bei dem 46 Menschen getötet wurden. Seither hat es im Nordirak jedoch keine großen Anschläge mehr gegeben. Auch die Unzahl von „kleinen Anschlägen“ gibt es dort nicht. Das liegt daran, dass die Kurden ihr Gebiet ziemlich gut „im Griff“ haben, und zwar deshalb, weil sie die Verwaltung des Gebiets schon seit 1991 de facto ausüben und weil die kurdischen bewaffneten Verbände (Peschmerga) nicht entwaffnet worden sind, sondern nach wie vor dort „aufgestellt“ sind. Außerdem haben die Kurden schon seit langem einen eigenen Geheimdienst und eine eigene Polizei, die augenscheinlich zufrieden stellend arbeiten, jedenfalls was die Abwehr terroristischer Aktivitäten betrifft. Kurdistan ist also nicht, ganz anders als weite Teile des Zentraliraks, Schauplatz einer unablässigen Serie von Morden, Anschlägen und Attentaten (DOI vom 13.11.2006 an den Senat; keine gewalttätigen islamistischen Übergriffe mehr gemeldet seit Kriegsende: EZKS vom 12.5.2006 an VG Magdeburg; von vereinzelten Übergriffen auf Alkoholläden bzw. vereinzelten Säureattentaten auf „unislamisch gekleidete Frauen“ im KDP-Gebiet [letztere liegen bereits einige Zeit zurück]; keine gewalttätigen Aktivitäten islamistischer Gruppen bekannt: EZKS vom 15.7.2006 an VG Magdeburg). Da allgemein sich die westliche Berichterstattung aus dem Irak auf die Kriegsschauplätze in den Hochburgen des Widerstands konzentriert, wird teilweise ausgeblendet, dass weite Teile des Landes von den Kämpfen nicht berührt werden (Der Spiegel, 50/2005, 138). Dies hat nach Ansicht des Senats auch für die Beurteilung der Situation im Nordirak zu gelten. Allgemein ist er von den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Zentralirak nicht berührt (vgl. Senatsurteil vom 21.6.2006, aaO).
47 
Im Nordirak drohen dem Kläger auch keine anderen Nachteile, da er aus Khange/Provinz Dohuk im Nordirak stammt. Davon, dass dort nicht zumindest ein Teil seiner Sippe/Großfamilie noch lebt und er bei Rückkehr nicht in deren soziale und wirtschaftliche Verteilungsmechanismen einbezogen würde(vgl. DOI vom 14.2.2005 und vom 13.11.2006, jew. aaO), vermag der Senat sich nicht zu überzeugen. Ziel der Angaben des Klägers und seiner Schwägerin war es zwar ersichtlich, die Feststellung im Asylverfahren zu ermöglichen, dass sie mit Eltern/Schwiegereltern, Geschwistern/ Ehemann und Neffen/Kindern wegen des Kurdenaufstands im Jahr 1990 vom Nordirak in den Raum Mosul übersiedeln mussten. Diese Feststellung lässt sich indes wegen der diese Angaben jeweils kennzeichnenden Widersprüche, Steigerungen und Ungereimtheiten nicht mit der notwendigen Gewissheit treffen. Beide haben die behauptete Flucht aus dem Nordirak mit dem auf 1990 datierten Aufstand der Kurden und der Geheimdiensttätigkeit des Bruders/Ehemannes begründet. Dem Vorhalt des Bundesamtes, dass dies nicht 1990 gewesen sein könne, sind beide ausgewichen. Der Kläger hat lediglich erklärt, dass die Jeziden Angst vor den Kurden nach dem Aufstand gehabt hätten. Auch hat der Kläger zunächst angegeben, seine drei ältesten Neffen seien bei der Flucht dabei gewesen. Der Nachfrage, ob diese Neffen in Khange geboren seien, wich der Kläger aus und erklärte, dass er insoweit nicht sicher sei. Die behauptete Unkenntnis erscheint angesichts der Tatsache, dass die Neffen Karzan und Karwa drei bzw. fünf Jahre nach der behaupteten Flucht geboren wurden, nicht glaubhaft. Auch die Schwägerin verwies weiterhin darauf, dass ihr Ehemann beim Geheimdienst gearbeitet und deshalb Angst vor den Kurden gehabt habe. Auf weiteren Vorhalt, dass das Kurdengebiet 1990 unter der Herrschaft der Zentralregierung gestanden habe, wiederholte sie ihren Vortrag, dass ihr Ehemann Angst gehabt habe, weil er beim Geheimdienst gewesen sei. Der Glaubhaftigkeit einer durch Angst vor „ den Kurden“ wegen geheimdienstlicher Tätigkeit des Bruders des Klägers erzwungenen Umsiedlung steht im Übrigen schon entgegen, dass Mosul eine nur etwa 30 km vom heutigen Nordirak entfernte, überwiegend von Kurden besiedelte Stadt ist (UNHCR, Hintergrundinformation zur Situation der christlichen Bevölkerung im Irak < Stand: Juni 2006>). Auch wurden die Angehörigen der Abu-Firaz-Hamadani, denen der Bruder des Klägers nach seinen Angaben und dem Vortrag seiner Ehefrau zugehört haben will, nach dem Rückzug des Saddam-Regimes nach der Intifada des Jahres 1991 und der dadurch bewirkten kurdischen Autonomie des Nordirak ohne weiteres in die dortigen Peschmerga- Einheiten integriert (DOI, vom 14.6.2005 an VG Düsseldorf). Dass für den Bruder des Klägers, der keine eigenen „Greueltaten“, sondern lediglich Wach- und Dolmetscherdienste geleistet haben will, etwas anderes gegolten haben sollte, ist nicht nachvollziehbar.
48 
Der Kläger hat seinen Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gesteigert. Er gab dort erstmals an, vor seiner Ausreise aus dem Irak in Bagdad - in einem Alkoholladen eines Onkels - gearbeitet zu haben und von dort ausgereist zu sein. Demgegenüber hatte er beim Bundesamt noch erklärt, er sei dem im Basar in Marwan, einem Stadtteil von Mosul, betriebenen Fischhandel bis zur Ausreise nachgegangen. Auch hat er gegenüber dem Senat abweichend von seinen Angaben im Behördenverfahren erklärt, seiner Schwägerin von Bagdad aus sowohl nach Bashiqa als auch später nach Silopi Geld überbracht oder geschickt zu haben. Davon, dass er selbst Geld aus Bagdad überbrachte, war im Behördenverfahren nicht die Rede. Als Grund für die Ausreise gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, sein Onkel und sein Bruder hätten ihm geraten, das Land zu verlassen, nachdem eines Tages auf dem Markt ein Gerücht aufgekommen sei, er sei ein Verräter und man solle bei ihm nicht mehr kaufen. Dies soll geschehen sein, nachdem er vom Geheimdienst wegen der Unterstützung seiner in die Türkei ausgereisten Schwägerin festgenommen worden war. In der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats hat der Kläger dagegen Furcht vor drohender Festnahme als Ausreisegrund angegeben.
49 
Angesichts der aufgezeigten Widersprüche und Ungereimtheiten kann dem Kläger nur geglaubt werden, dass er aus einer Familie aus Khange/Provinz Dohuk stammt. Dann kann er bei Rückkehr dorthin aber auf deren Verteilungsnetz zur Sicherung seiner weiteren Existenz zurückgreifen (DOI vom 13.11.2006 an den Senat). Auch hätte der Kläger bei einer Rückkehr in das kurdisch verwaltete Gebiet im Nordirak keine mit der Einreise verbundenen Probleme durch die kurdische Verwaltung oder die kurdische Sicherheitspolizei zu erwarten (EKZS vom 15.11.2006 an den Senat und DOI vom 13.11.2006 aaO). Da der Kläger nach seinen Angaben gerade nicht - wie das EKZS (aaO) irrtümlich annimmt - aus Mosul, sondern aus Khange/Provinz Dohuk stammt, können Probleme, die es laut EKZS (aaO) beim Versuch der Übersiedlung von aus Mosul stammenden Jeziden in den Nordirak geben mag, in seinem Fall nicht auftreten.
50 
4. Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, zu Gunsten des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
51 
Ob der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG eine konkret-individuell drohende Gefahr durch einen Staat oder eine staatsähnliche Organisation voraussetzt (so BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 331) oder ob wegen der Erweiterung des Tatbestands der politischen Verfolgung durch sog. nichtstaatliche Akteure gem. § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG die in § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG genannten Menschenrechtsverletzungen nunmehr auch von nichtstaatlicher Seite ausgehen können (so UNHCR vom 23.12.2004; amnesty international in Asyl-Info 11/2004, S. 4, 5; vgl. auch Renner, Ausländerrecht, Kommentar, 8. Aufl., § 60 AufenthG RdNr. 36 mit Hinweis darauf, dass sich die Divergenz zwischen der Rechtsprechung des EGMR und des Bundesverwaltungsgerichts bei Umsetzung der Richtlinie 2004/83/EG erledigen wird), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Kläger droht schon keine Verfolgung aus religiösen Gründen, hinsichtlich derer ihm nicht zumindest eine beachtliche inländische Fluchtalternative eröffnet wäre. Dazu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
52 
Dem Kläger drohen bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Nach dieser Vorschrift, die - abgesehen von der Änderung der „Kann“- in eine „Soll“-Rechtsfolge - hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen inhaltlich dem bisherigen § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG entspricht (s. auch Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 15/420 zu § 60 AufenthG), soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt indes nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 des § 60 Abs. 7 AufenthG deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -BVerwGE 99, 324, 330; Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1, 7 ff. zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG). Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers ein Abschiebungshindernis in unmittelbarer Anwendung des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen könnte, sind nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich.
53 
Auch bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (dazu das oben bereits angeführte Senatsurteil vom 16.9.2004 - A 2 S 471/02 - mit Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 8.12.1998 - 9 C 4.98 -, BVerwGE 108, 77 zu § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG).
54 
Ferner scheidet ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG aus.
55 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG kommt schon deshalb nicht in Betracht, da dem Kläger auf Grund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 S. 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil wird. Auf das Urteil des Senats vom 16.9.2004 zu der inhaltsgleichen Regelung im früheren § 53 Abs. 6 S. 2 AuslG sowie auf die jüngst ergangenen Senatsurteile vom 4.5.2006 - A 2 S 1046/05 und A 2 S 1122/05 - (mitgeteilt in den Dokumentationen Juris und Vensa) kann insoweit verwiesen werden. Eine die genannte Sperrwirkung überwindende verfassungskonforme Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheidet somit aus.
56 
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO (in entsprechender Anwendung), § 83b AsylVfG.
57 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der am ...1980 geborene Kläger ist irakischer Staatangehöriger.
Der Kläger stellte am 28.05.2009 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag. Bei der Antragstellung gab er seine Volkszugehörigkeit mit Arabisch und seine Religion mit Yezidisch an.
Am 03.06.2009 wurde er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Sprache Kurdisch/Badinani angehört. Bei seiner Anhörung trug er im Wesentlichen vor, er habe bis zum 30.04.2009 in ... gelebt. Über die Türkei sei er auf dem Landweg nach Deutschland gekommen. Seine Ankunft sei am 13.05.2009 gewesen.
Der Kläger wurde bei der Anhörung zu seinen Verfolgungsgründen befragt. Unter der Überschrift „Zusammenfassung“ wird wiedergegeben, der Kläger habe gesagt, er sei Yezide. Die Lage für die Yeziden im Heimatland sei schlecht. Die Muslime betrachteten die Yeziden wegen ihres Glaubens als unrein. Sie verachteten sie. Deshalb fänden die Yeziden auch keine Arbeit. Er selbst sei persönlich nicht bedroht worden. Wenn man ihn erwischt hätte, hätte man ihn vielleicht umgebracht. Er gehöre keiner Organisation an. Probleme mit Behördenvertretern habe er nicht gehabt. Die Niederschrift über die Anhörung enthält den Vermerk, dass der Kläger Fragen zu seiner Religion nur teilweise habe beantworten können…
Das Bundesamt lehnte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter mit Bescheid vom 15.10.2009 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Eine Abschiebungsandrohung mit einer Frist von einem Monat in den Irak wurde erlassen.
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, ein Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter bestehe wegen der Einreise über einen sicheren Drittstaat nicht. Auch ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG bestehe nicht. Politisch motivierte Verfolgung von Seiten des irakischen Staates sei nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Eine nichtstaatliche Verfolgung sei nicht substantiiert und nicht glaubhaft dargelegt worden. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft machen können, Yezide zu sein. Das Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2, 3 bis 7 AufenthG wurde begründet. Auf den angefochtenen Bescheid wird verwiesen. Der Bescheid mit deutscher und arabischer Rechtsbehelfsbelehrung wurde dem Kläger am 21.10.2009 zugestellt.
Der Kläger hat am 30.10.2009 Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben. Zur Begründung trägt die Prozessbevollmächtigte des Klägers vor, der Kläger sei Yezide aus dem Zentralirak. Auch wenn die Weisung des BMI über die Gewährung von Flüchtlingsschutz an Yeziden aus dem Zentralirak gestoppt worden sei, habe der Kläger einen Anspruch auf Gleichbehandlung, da sich die Lage nicht geändert habe. Zum Jahrestag des Attentats von Sinjar mit unzähligen Toten sei erneut ein Anschlag auf die Yeziden in diesem Ort verübt worden. Dabei seien mindestens 18 Personen ums Leben gekommen, 32 seien verletzt worden. Bei einem weiteren Anschlag vom 29.08.2009 seien sechs weitere Yeziden in Sinjar getötet und 20 verletzt worden. Nach Aussagen des geistlichen und weltlichen Oberhaupts der Yeziden, das Göttingen besucht habe, seien die Yeziden im Irak selbst in ihrem Hauptsiedlungsgebiet vor Anschlägen islamistischer Fundamentalisten nicht sicher. Sie lebten in ständiger Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.11.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist,
10 
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG vorliegen,
11 
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
12 
Die Beklagte beantragt,
13 
die Klage abzuweisen.
14 
Der Kammer haben die Akten der Beklagten (Ausdruck aus der elektronischen Akte und die sogenannte Dokumentenmappe) vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte verwiesen.
15 
Die Erkenntnismittel, die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung bezeichnet sind, wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

 
16 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Flüchtlingsschutz (1.), auf die Feststellung des Bestehens europarechtlichen (2.) bzw. nationalen (3.) subsidiären Schutzes.
1.
17 
Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung durch einen der Akteure des Satzes 4 Buchstaben a bis c bedroht ist, es sei denn es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12 - QualfRL) ergänzend anzuwenden.
18 
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ist dann zu gewähren, wenn dem Betroffenen - anhand der Sachlage im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung - bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat in seiner Person Verfolgung droht. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen wegen seines individuellen Schicksals (Einzelverfolgung) oder wegen seiner Zugehörigkeit zu einer durch gemeinsame Merkmale verbundenen Gruppe von Menschen (Gruppenverfolgung) durch den Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe a AufenthG), durch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe b AufenthG) oder durch Maßnahmen nichtsstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c AufenthG, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbaren Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nicht auf den Schutz des § 60 Abs. 1 AufenthG berufen kann sich dagegen derjenige, der aufgrund allgemeiner Unglücksfolgen, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen, sein Heimatland verlassen hat.
19 
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Ausländer vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist er wegen bestehender oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung ausgereist, so genießt er Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, wenn diese fluchtbegründenden Umstände noch fortbestehen. Gleiches gilt, wenn die fluchtbegründenden Umstände zwar entfallen sind, aber bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bestehen und eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 4 QualfRL). Ist er dagegen unverfolgt ausgereist, so steht ihm das Recht aus § 60 Abs. 1 AufenthG nach § 28 Abs. 1a AsylVfG dann zu, wenn festgestellt wird, dass ihm wegen nachträglich eingetretener objektiver Veränderungen oder aufgrund selbst herbeigeführter Umstände, die Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Verfolgungsgefahren aufgrund selbst herbeigeführter Umstände können allerdings nach § 28 Abs. 2 AsylVfG in der Regel nicht mehr in Folgeverfahren geltend gemacht werden.
20 
Der Ausländer muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht bzw. beachtliche Zweifel an seiner Sicherheit bestehen, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321/85 -, NVwZ 1987, 701 und Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, 39).
a)
21 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erklärt, er sei Yezide, und sich darauf berufen, dass die Lage für Yeziden im Heimatland schlecht sei, sie von den Muslimen als unrein betrachtet und verachtet würden und sie deshalb keine Arbeit fänden. Er selbst sei in seiner Heimat nicht bedroht worden. Mit diesem Vortrag hat der Kläger keine individuelle Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt. Er hat keine Bedrohung geschildert, die auf ihn persönlich gezielt hat. Er hat nur Umstände angeführt, die ihn als Angehörigen der Gruppe der Yeziden allgemein treffen. Da der Kläger keine individuelle Verfolgung in Anknüpfung an seine Zugehörigkeit zu den Yeziden dargelegt hat, kann offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist, was von der Beklagten bestritten wird.
b)
22 
Da Yeziden keiner Gruppenverfolgung unterliegen, kann auch in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist.
23 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11/08 - juris Rdnrn. 13 ff, unter Hinweis auf die Urteile vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 <249> Rdnr. 20 ff. und vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30 ) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
24 
„Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204>) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
25 
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie ) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.).
26 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).
27 
An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird“.
28 
Ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden liegt nach den vorliegenden Auskünften nicht vor. Das Auswärtige Amt führte im Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 15/16) dazu aus, dass eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnische Minderheiten durch staatliche Behörden nicht in systematischer Weise stattfinden. Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm ergeben sich auch nicht aus sonstigen Auskünften. Hinweise für ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, sind ebenfalls nicht vorhanden. Gegen ein staatliches Verfolgungsprogramm spricht auch die Aussage im „International Religious Freedom Report“ des US-Außenministeriums vom 26.10.2009 (Seite 1), wonach sich die Regierung seit 2003 im Allgemeinen nicht an der Verfolgung irgendeiner religiösen Gruppe beteiligt habe. („Since 2003 the Government generally has not engaged in the persecution of any religious group and has called for tolerance and acceptance of all religious minorities“.)
29 
Die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden erreichen im Übrigen auch nicht die erforderliche Dichte für die Feststellung einer Gruppenverfolgung. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse geht die Kammer davon aus, dass in der zentralirakischen Provinz Ninive ca. 500.000 Yeziden leben. Das Auswärtige Amt spricht in seinem Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 22) von 200.000-600.000 Personen. Andere Quellen gehen von 500.000 Yeziden (UK Border Agency, Country of Origin Report Iraq, 10.12.2009, Rdnr. 21.55; Bundesasylamt der Republik Österreich , Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009, Seite 8) aus. Von diesen leben etwa zwei Drittel in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa ein Drittel im Distrikt Sheikan. Ein kleinerer Teil der Yeziden lebt in den kurdischen Nordprovinzen des Irak bzw. in Großstädten des Irak.
30 
Über die im Folgenden aufgezählten Maßnahmen gegen die Yeziden wird in den vorliegenden Auskünften berichtet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker weist in ihrem Bericht, „Die Yezidi im Irak“, November 2007, darauf hin, dass Übergriffe auf Yeziden von keiner neutralen Stelle dokumentiert werden. Aus Angst vor Schikanen und Repressionen brächten die Betroffenen selbst Gewalttaten gegen sich nicht zur Anzeige. Die Darstellung erhebe daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Opfer von Morden und Anschlägen seien Männer. Dies dürfe nach der Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker vor allem darauf zurückzuführen sein, dass yezidische Frauen kaum noch in der Öffentlichkeit erschienen.
31 
Quellen:
1. Gesellschaft für bedrohte Völker, „Die Yezidi im Irak“, November 2007
2. UNHCR, „ELIGIBILITY GUIDELINES FOR ASSESSING THE
INTERNATIONAL PROTECTION NEEDS OF IRAQI
ASYLUM-SEEKERS, April 2009“ (Rdnr. 305)
( (Rdnr. 305 „In the first half of 2008, UNAMI HRO recorded at least five Yazidis murdered in Sinjar. In the second half of 2008,
several targeted attacks were reported in the media. On 2 November 2008, police found the bodies of a Yazidi couple strangled
to death inside their house in Al-Bijaaj area west of Mosul. On 7 December 2008, gunmen shot down two Yazidis inside their liquor
store in northern Mosul. And on 15 December 2008, gunmen killed seven Yazidis, all from the same family, in the town of Sinjar.
In recent years, the Yazidis’ most important ritual, the annual pilgrimage to the holy shrine in Lalish ( Cejna Cemayya ),
has not been held or only with restrictions due to ongoing threats and attacks“) )
3. BAA, „Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak“, 04.11.2009 (Seite 8)
4. U.S. Departement of State, „International Religious Freedom Report“,
26.10.2009
5. Auswärtiges Amt Lagebericht Irak, Stand August 2009, Seite 22
        
Ereignis
Quelle(n)
März 2004
Es tauchen in Mosul Flugblätter auf, die all denjenigen „Gottes Lohn“
verheißen, die Yeziden töten.
1
17.08.2004
Das Kind Fadi Aied K. aus Baschika wird von Terroristen
ermordet. Es wird enthauptet, seine Leiche verbrannt.
1
Juni und Juli 2004
In diesen Monaten allein werden 28 Drohbriefe an prominente
Yeziden gerichtet. Speziell angespannt ist die Situation in Mosul und
Kirkuk.
1
Ende August 2004
Ein Yezide, der in Mosul in einem Geschäft für Luxusgüter und
Accessoires arbeitete, wird von Unbekannten ermordet. Neben seiner
Leiche findet man einen Zettel, auf dem stand „weil er ein
Ungläubiger war“.
1
23.09. 2004
In der Universität Mosul werden öffentlich Rundschreiben mit
Drohungen gegen alle Frauen ausgehängt, die ohne Kopftuch die
Universität besuchen.
1
01.10.2004
Der Imam in der Stadt Scheikhan fordert über Lautsprecher alle
Yeziden auf, zum Islam überzutreten. Andernfalls würden sie schwer
bestraft.
1
Letztes Drittel des Jahres 2004
Es werden rund 25 Morde und über 50 Gewalttaten an Yeziden gezählt.
1
16.10.2004
Zwei Yeziden in der Stadt Telafar werden grausam getötet, weil einer
von ihnen während des Ramadans geraucht und sich daher als
Nicht-Muslim zu erkennen gegeben hatte.
1
08.12.2004
Fünf Yeziden werden von extremistischen Moslems an der
Bundesstraße Telafar Richtung Sinjar ermordet.
1
August 2004 bis Mai 2005
34 Morde an Yeziden werden gezählt, davon zehn in Mosul, neun in
der Region Sinjar und 14 in Telafar.
1
Juli 2004
Es kam zu Anschlägen auf den Kaimakam (Bürgermeister) von Sinjar.
1
17.09.2004
Das weltliche Oberhaupt der Yeziden, Mir Tashin Beg, in Alkosch,
circa vierzig Kilometer von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk
gelegen, wird Opfer eines Bombenanschlags und leicht verletzt.
1
Ab 2005
Die Situation in der Region Sinjar hat sich deutlich verschlechtert.
1
Jahr 2005
Es „gab es mehrere Dutzend Mordfälle an Jesiden, vor allem in den
Städten Tal Afar und Sindschar. Als Täter wurden Muslime
beschuldigt, die Jesiden für ihr nicht den Regeln des Korans
entsprechendes Verhalten „bestrafen“ wollten“.
5
Juli 2005
In Bagdad wird ein gezielter Mordanschlag auf einen der Leibwächter
von Mamou Othman, ehemaliger yezidischer Minister der
Übergangsregierung, verübt.
1
August 2005
Ein Yezide, der in Bagdad ein Alkoholgeschäft führte, wird entführt.
Er wird massiv gefoltert, kann aber befreit werden.
1
01.11.2005
Zwischen Sinjar und Mosul wird ein Anschlag auf yezidische Arbeiter
verübt. Sechs Personen sterben und drei weitere werden verletzt.
1
2006
Der Bildungsdirektor von Basra erklärt es für alle Studentinnen und
Arbeiterinnen in den Schulen zur Pflicht, unabhängig von ihrer
Religionszugehörigkeit das Kopftuch zu tragen.
1
20.04.2006
Hassan Nermo, ein Yezide und Mitglied des Regierungsrats von
Ninive, wird ermordet.
1
15.02.2007
Es eskalierte ein Familienkonflikt in der Stadt Sheikhan, in der
Provinz Ninive. Eine kurdisch-muslimische Frau war vor ihrem Mann
geflohen, von dem sie sich terrorisiert und tyrannisiert fühlte. Zwei
kurdisch-yezidische Sicherheitsbeamte nahmen sie in ihrem
Fahrzeug mit. Das erzählte sie später auch ihrer Familie. Einige
Familienmitglieder warfen ihr daraufhin Ehebruch vor und bedrohten
sie mit dem Tod. Auch die kurdisch- yezidischen Beamten sollten
getötet werden. Der Familienkonflikt gipfelte in gewalttätigen
Übergriffen auf kurdisch- yezidische Einrichtungen und Personen und
konnte erst mit Hilfe der kurdischen Sicherheitskräfte aus Akre und
Duhok unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Personen wurden
verhaftet. Die Frau wurde von ihrer eigenen Familie ermordet. Die
Regionalregierung hat Stellung bezogen und ihre Unterstützung der
yezidischen Gemeinschaft bekräftigt. Dr. Dakhil Said Khidir, ein
ortskundiges Beiratsmitglied der GfbV Sektion Kurdistan/ Irak,
vermutet, dass Kräfte von den Nachbarstaaten einen konfessionellen
Konflikt provozieren wollten, um Instabilität innerhalb der Region zu
schaffen.
1
15.02.2007
„In der Stadt Scheichan zu gewaltsamen Ausschreitungen
zwischen muslimischen Kurden und Jesiden, bei denen religiöse
Zentren der Jesiden, Privathäuser und Geschäfte niedergebrannt
wurden.“
5
22.04.2007
Es werden in „Mosul 24 yezidische Arbeiter getötet. Nach
Medienberichten war dieses Attentat eine Vergeltung seitens
islamischer Extremisten für die Ermordung des angeblich zum Islam
übergetreten 17jährigen yezidischen Mädchens Dua Khalil Aswad.
Sie war am 7. April 2007 Opfer eines grausamen „Ehrenmordes“
geworden. Die Angehörigen der Yeziden haben nach dem Anschlag
vom 22. April 2007 die irakische Regierung und internationale NGOs
aufgerufen, sie zu schützen. Nach diesem Anschlag sind fast alle
Yeziden aus Mosul geflohen. Über 800 yezidische Studenten gaben
ihr Studium in Mosul auf“.
1, 5
23.04.2007
Ein Anschlag in Telleskuf, in der Provinz Ninive wird verübt.
Es gibt keine Opfer.
1
04.06.2007
Ein Yezide wird von Terroristen getötet und dessen Vater verletzt.
1
03.07.2007
Zwei Yeziden werden aus der Ortschaft Bahshiqa von Unbekannten
entführt. Sie waren mit einem Lastwagen, der mit Mehl beladen war,
unterwegs nach Telkeyf, 40 km nördlich von Mosul. Die beiden
Entführten, Sari Muhsin Jori und Hilal Khairi Jori, wurden einen Tag
später im Stadtviertel Sumer in Mosul tot aufgefunden.
1
14.08.2007
Es kommt zu verheerenden Anschlägen auf Yeziden in den
Ortschaften Til Ezer und Siba Sheikh Khidir bei Sinjar in der größten
yezidischen Region des Nordirak. Mehrere mit Sprengstoff gefüllte
Autos explodieren in den zwei Dörfern. Etwa 400 Menschen werden
getötet und Hunderte verletzt. Es handelt sich um die größten
Anschläge im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein 2003.
1, 5
1. Jahreshälfte 2008
Es wird berichtet, dass in Sinjar mindestens fünf Yeziden ermordet
worden.
2
02.11.2008
Die Polizei findet die Leichen eines yezidischen Paares in seinem
Haus westlich von Mosul, das stranguliert wurde.
2
07.12.2008
Zwei Yeziden werden in ihrem Alkoholgeschäft im Norden von Mosul
erschossen.
2, 4
15.12.2008
7 Yeziden derselben Familie in Sinjar werden erschossen.
2
Dezember 2008
Durch eine Autobombe in Sinjar werden mehrere Menschen getötet
und mehr als 40 verletzt.
3
25. und 26.03.2009
Zwei Yeziden werden in der Nähe von Mosul getötet. Die irakischen
Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass eine Person Opfer einer
Stammesfehde sei.
(On March 25 and 26, 2009, two Yezidi men were shot and killed, their bodies discovered in fields near the city of Mosul.
Iraqi security forces  reportedly believed that one of the deaths was the result of a tribal feud.)
4
August 2009
Mindestens 27 Menschen in Sinjar werden durch Anschläge getötet.
3
September 2009
Reihe von Anschlägen gegen Minderheiten in der Provinz Niniwe
3
02.10.2009
Ein Anführer der Yeziden und Colonel der Polizei wird in seinem Haus
in Mosul in die Luft gesprengt.
3
                 
32 
Allgemein wird die Lage der Yeziden wie folgt beschrieben:
33 
Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak, Stand August 2009:
34 
„Mehrere ineinander greifende Konflikte überlagern sich: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzung sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden), als auch mit den Minderheiten (v.a. Christen, Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen“ (Seite 5).
35 
„Offiziell anerkannte Minderheiten wie Christen, Jesiden oder Chaldäer genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind in der Realität jedoch einem spezifischen Verfolgungs- und Vertreibungsdruck, z.B. durch islamistische Extremisten, ausgesetzt. Die Regierung hat wiederholt versprochen, sie vor dieser Verfolgung zu schützen, ist dazu jedoch häufig nicht in der Lage“ (Seite 6).
36 
„Auch in der Provinz Niniwe (Mossul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet. Da die sunnitische Bevölkerung dort mit a-Qil sympathisiert, hat sich die Terrorgruppe dort einen neuen Rückzugsort geschaffen, insbesondere seit ihrer Verdrängung Ende 2007 aus der Provinz Anbar“ (Seite 14).
37 
„Art. 2 Abs. 2< der Verfassung> erwähnt ausdrücklich Christen, Jesiden, Sabäer und Mandäer (neben Muslimen). Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgungreligiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet zwar nicht in systematischer Weise, aber in signifikantem Umfang statt.
38 
Jesiden im Nordirak sehen sich erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch z. B. den Sicherheitskräften der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) ausgesetzt“ (Seite16).
39 
„Die Zunahme der Angriffe auf Jesiden geht einher mit dem Anstieg der Spannungen zwischen Arabern und Kurden in Mossul sowie einer verstärkten Präsenz islamistischer Extremisten in der Region“ (Seite 22).
40 
BAA, Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009 (Seite 7, 8 und Seite 12)
41 
„Die fortgesetzte Gewalt steht in Zusammenhang mit dem eskalierenden Streit zwischen der Kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung um die Regionen Mossul und Kirkuk. Dort haben Christen, Jesiden und Turkmenen eine lange Tradition und sind nun zwischen die beiden konkurrierenden Institutionen geraten. Aufgrund ihrer relativ kleinen Zahl und dem mangelnden Zugang zur Justiz sind sie besonders verwundbar.
42 
Verschiedene Faktoren machen weiterhin Jesiden und andere religiöse Minderheiten zum Ziel von Anschlägen – besonders durch islamistische Extremisten:
43 
- Die Angehörigen von religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäer/Sabäer, Kaka’i und Jesiden werden auch pauschal als Anhänger der irakischen Regierung und der internationalen Truppen und oft auch als Kurden angesehen.
44 
- Dazu kommt die Verfolgung durch islamistische Extremisten, welche die Angehörigen der jesidischen Religionsgemeinschaft als „ungläubig“ ansehen.
45 
- Hinzukommt, dass Jesiden wie Christen traditionell im Alkoholverkauf tätig sind, was die in diesem Bereich tätigen Personen zusätzlich zum Ziel islamistischer Ex-tremisten macht.
46 
In Mosul riefen Flugblätter zur Ermordung aller Jesiden auf“.
47 
„Die Zahl der Yeziden fiel aufgrund gezielter Angriffe und der darauf folgenden Flucht von 700.000 im Jahr 2005 auf etwa ein halbe Million.“
48 
„Derzeit liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Sicherheitslage in den Hauptsiedlungsgebieten der Jesiden in nächster Zeit nachhaltig verbessern wird. Dafür ist die Sicherheitslage in den umstrittenen Gebieten zu sehr von einer politischen Einigung zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung abhängig… Die Jesiden selbst können kaum die lokale Lage und schon gar nicht die überregionalen Ursachen beeinflussen, welche ihre Sicherheitslage prägen. Die Hauptakteure aber im Kampf um die Provinz Ninewah - und damit eng verknüpft Kirkuk - sind ganz andere und sind im Fall der arabischen Schiiten nicht einmal durch eine größere Bevölkerungsgruppe vor Ort vertreten“.
49 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009 (Seite 11):
50 
„Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten: Christen, Yeziden, Turkmenen, Schabak, Kaka’i, Sabäer, Baha’i und Juden werden seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet. Yeziden, Schabak und Kaka’i sind wegen ihrer kurdischen Identität gefährdet, Schabak, Turkmenen und Faili-Kurden, die meistens schiitischen Glaubens sind, werden von sunnitischen Islamisten aufgrund ihres religiösen Hintergrundes umgebracht. Wegen der systematischen Verfolgung sind viele Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten geflohen, und ihre Anzahl ist stark zurückgegangen. Vor allem in den umstrittenen Gebieten geraten religiöse und ethnische Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Schabak häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen. Zwischen August und Oktober 2008 flohen nach einer Reihe von Anschlägen Tausende Christen aus Mosul“.
51 
Die Maßnahmen gegen die Yeziden, von denen die oben zitierten Auskünfte berichten, sind im Rahmen der Gewährung von Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG überwiegend (verfolgungs-)relevant. Sie treffen die Yeziden wegen ihrer Religion bzw. wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den Yeziden um eine soziale Gruppe handelt, die sich neben ihrer Religion auch durch eine eigenständige Ethnie definiert, oder ob die Maßnahmen sie auch deshalb treffen, weil sie Kurden sind oder von ihren Gegnern als solche angesehen werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 QualfRL). Yeziden sind nach den oben dargestellten Auskünften aufgrund von Anschlägen auf Leib und Leben Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Buchstabe a QualfRL ausgesetzt. Daneben dürften auch Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b QualfRL vorliegen, die aus einer Kumulierung verschiedener Maßnahmen bestehen, die das Gewicht einer Maßnahme nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a QualfRL erreicht, die für sich selbst gesehen schon verfolgungsrelevant ist. Aufgrund des politischen Umfeldes, in dem sie stattfinden, geht die Kammer auch davon aus, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle auch die nach Art. 9 Abs. 3 QualfRL erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und verfolgungsrelevantem Grund besteht, auch wenn im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass es Verfolgungshandlungen gegenüber Yeziden auch aus nicht verfolgungsrelevanten Gründen gab und geben wird.
52 
Aus diesen Auskünften folgt, dass die Yeziden einem Verfolgungsdruck unterliegen und es zu verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegen sie gekommen ist, zu denen nicht nur Anschläge auf Leib und Leben gehören. Es ist auch davon auszugehen, dass es in der näheren Zukunft und auch mittelfristig zu weiteren asylrelevanten Bedrohungen kommen wird. Dennoch kann nach den Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts (siehe oben) keine Gruppenverfolgung gegenüber den Yeziden festgestellt werden. Die Kammer geht davon aus, dass es bei Feststellung einer Gruppenverfolgung nicht darauf ankommt, ob die verfolgungsrelevanten Verfolgungshandlungen von einer homogenen Verfolgergruppe ausgehen oder dass alle Maßnahmen an dasselbe Verfolgungsmerkmal anknüpfen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegenüber einer Gruppe zusammen eine Dichte erreichen, dass im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts “für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Dies lässt sich jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nicht feststellen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass die Dichte verfolgungsrelevanter Maßnahmen gegen die Yeziden wie die Gewalt im Irak allgemein in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber den Vorjahren erheblich zurückgegangen ist. Dies spiegelt sich in den oben dargestellten Fakten wider. Zwar kann eine erhebliche Dunkelziffer auch in den Jahren 2008 und 2009 nicht ausgeschlossen werden. Über eine Größenordnung ließe sich aber nur spekulieren, so dass sie nicht in die Betrachtung einbezogen werden kann. Angesicht einer Zahl von ca. 500.000 Yeziden in der zentralirakischen Provinz Ninive lässt sich die für die Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht feststellen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass von den berichteten Anschlägen wiederum Yeziden betroffen sind, die sich durch weitere Merkmale abgrenzen ließen, so dass sich eine andere Relation der verfolgungsrelevanten Maßnahmen ergäbe.
53 
Der Kläger kann einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Yeziden ableiten, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Vergangenheit aufgrund einer Erlasslage diesen Status erhalten haben. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des 60 Abs. 1 AufenthG ist eine gebundene Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Verwaltungsgericht auf der Basis der Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu prüfen sind. Eine Bindung an eine Erlasslage besteht nicht.
2.
54 
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (europarechtlicher subsidiärer Schutz) liegen nicht vor.
55 
Für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
56 
Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.
57 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers nichts ersichtlich.
58 
Nach § 60 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung der Todesstraße besteht.
59 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers gleichfalls nichts ersichtlich.
60 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn sich die allgemeine Gefahr aufgrund individueller, gefahrerhöhender Merkmale in der Person des Klägers soweit verdichtet, dass er aufgrund willkürlicher Gewalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Liegen solche individuellen Merkmale nicht vor, ist der notwendige Grad der Gefahr auch dann erreicht, wenn die allgemeinen Gefahren eine derart hohe Dichte bzw. einen derart hohen Grad aufweisen, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9/08 - juris, Rdnr. 17 unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji ). Dabei können „für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung ..., sofern nicht Besonderheiten des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegenstehen“ (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 - juris, Rdnr. 35).
61 
Als persönliches, gefahrerhöhendes Merkmal kommt hier nur die vom Kläger behauptete Zugehörigkeit zu den Yeziden in Betracht. Daraus ergibt sich, wie oben ausgeführt, nicht die erforderliche Verfolgungsdichte für eine Gruppenverfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
62 
Die Anschläge, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist, erreichen weder für sich noch für die Yeziden im Zusammenhang mit den oben behandelten flüchtlingsschutzrelevanten Übergriffen die erforderliche Dichte für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Die Sicherheitslage hat sich gegenüber den Opferzahlen in den Jahren 2006 und 2007 im Zentral- und Südirak bedeutend verbessert (SFH, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009, Seite 4 ff.). Im Jahr 2008 lag die Zahl der Todesopfer in der Größenordnung von 9.200 Personen, im Jahr 2009 bei ca. 4.645 Personen. In der Provinz Ninive, aus der der Kläger nach seinem Vortrag kommt, ging die Zahl der Todesopfer von 100 Toten je 100.000 Einwohner im Jahr 2007 auf ca. 41 Tote je 100.000 Einwohner im Jahr 2009 zurück (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Irak, „Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte“, Januar 2010, Seiten 2, 3 und 23). Dazu kommen im Jahr 2008 verletzte Personen in einer Größenordnung von über 20.000 (vgl. SFH, aaO, Seite 5).
3.
63 
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (nationaler subsidiärer Schutz) vor.
64 
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 0.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dafür gibt es aufgrund des Vortrags des Klägers keine Anhaltspunkte.
65 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erforderlich ist eine konkrete Gefahr.
66 
Für das Vorliegen einer konkreten (individuellen) Gefahr hat der Kläger nichts vorgetragen.
67 
Soweit der Kläger sich aufgrund der allgemeinen Lage im Irak auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beruft, steht der Feststellung eines Abschiebungsverbotes Satz 3 entgegen. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner verfassungskonformen Auslegung erfüllt sind, weil der Antragsteller „im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, 1 C 18/05), kann offen bleiben, da dem Antragsteller aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zu Teil wird. Nach den „Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 01.01.2005“ – ZV-AufenthR 2005 – (24. Fortschreibung, 05.10.2009, Abschnitt D, Irak Nr. 3, Rückführung irakischer Staatsangehöriger) können weiterhin Duldungen für drei Monate erteilt bzw. verlängert werden. Rückführungen von Irakern sollen nur erfolgen, wenn es sich um Straftäter handelt oder sie die innere Sicherheit gefährden.
4.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

Gründe

 
16 
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Flüchtlingsschutz (1.), auf die Feststellung des Bestehens europarechtlichen (2.) bzw. nationalen (3.) subsidiären Schutzes.
1.
17 
Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung durch einen der Akteure des Satzes 4 Buchstaben a bis c bedroht ist, es sei denn es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG vorliegt, sind Artikel 4 Abs. 4 sowie die Artikel 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12 - QualfRL) ergänzend anzuwenden.
18 
Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG ist dann zu gewähren, wenn dem Betroffenen - anhand der Sachlage im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung - bei einer Rückkehr in seinen Heimatstaat in seiner Person Verfolgung droht. Eine Verfolgung liegt vor, wenn dem Einzelnen wegen seines individuellen Schicksals (Einzelverfolgung) oder wegen seiner Zugehörigkeit zu einer durch gemeinsame Merkmale verbundenen Gruppe von Menschen (Gruppenverfolgung) durch den Staat (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe a AufenthG), durch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (§ 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe b AufenthG) oder durch Maßnahmen nichtsstaatlicher Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c AufenthG, in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder für ihn unverfügbaren Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die nach ihrer Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und ihn aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Nicht auf den Schutz des § 60 Abs. 1 AufenthG berufen kann sich dagegen derjenige, der aufgrund allgemeiner Unglücksfolgen, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen, sein Heimatland verlassen hat.
19 
Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, ob der Ausländer vorverfolgt oder unverfolgt ausgereist ist. Ist er wegen bestehender oder unmittelbar bevorstehender Verfolgung ausgereist, so genießt er Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG, wenn diese fluchtbegründenden Umstände noch fortbestehen. Gleiches gilt, wenn die fluchtbegründenden Umstände zwar entfallen sind, aber bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernsthafte Zweifel an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bestehen und eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (§ 4 Abs. 4 QualfRL). Ist er dagegen unverfolgt ausgereist, so steht ihm das Recht aus § 60 Abs. 1 AufenthG nach § 28 Abs. 1a AsylVfG dann zu, wenn festgestellt wird, dass ihm wegen nachträglich eingetretener objektiver Veränderungen oder aufgrund selbst herbeigeführter Umstände, die Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sind, Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Verfolgungsgefahren aufgrund selbst herbeigeführter Umstände können allerdings nach § 28 Abs. 2 AsylVfG in der Regel nicht mehr in Folgeverfahren geltend gemacht werden.
20 
Der Ausländer muss unter Angaben genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht bzw. beachtliche Zweifel an seiner Sicherheit bestehen, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321/85 -, NVwZ 1987, 701 und Beschluss vom 26.10.1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38, 39).
a)
21 
Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erklärt, er sei Yezide, und sich darauf berufen, dass die Lage für Yeziden im Heimatland schlecht sei, sie von den Muslimen als unrein betrachtet und verachtet würden und sie deshalb keine Arbeit fänden. Er selbst sei in seiner Heimat nicht bedroht worden. Mit diesem Vortrag hat der Kläger keine individuelle Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt. Er hat keine Bedrohung geschildert, die auf ihn persönlich gezielt hat. Er hat nur Umstände angeführt, die ihn als Angehörigen der Gruppe der Yeziden allgemein treffen. Da der Kläger keine individuelle Verfolgung in Anknüpfung an seine Zugehörigkeit zu den Yeziden dargelegt hat, kann offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist, was von der Beklagten bestritten wird.
b)
22 
Da Yeziden keiner Gruppenverfolgung unterliegen, kann auch in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist.
23 
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11/08 - juris Rdnrn. 13 ff, unter Hinweis auf die Urteile vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 <249> Rdnr. 20 ff. und vom 1. Februar 2007 - BVerwG 1 C 24.06 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 30 ) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
24 
„Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 AufenthG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204>) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
25 
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie ) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.).
26 
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).
27 
An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird“.
28 
Ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden liegt nach den vorliegenden Auskünften nicht vor. Das Auswärtige Amt führte im Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 15/16) dazu aus, dass eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnische Minderheiten durch staatliche Behörden nicht in systematischer Weise stattfinden. Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm ergeben sich auch nicht aus sonstigen Auskünften. Hinweise für ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, sind ebenfalls nicht vorhanden. Gegen ein staatliches Verfolgungsprogramm spricht auch die Aussage im „International Religious Freedom Report“ des US-Außenministeriums vom 26.10.2009 (Seite 1), wonach sich die Regierung seit 2003 im Allgemeinen nicht an der Verfolgung irgendeiner religiösen Gruppe beteiligt habe. („Since 2003 the Government generally has not engaged in the persecution of any religious group and has called for tolerance and acceptance of all religious minorities“.)
29 
Die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden erreichen im Übrigen auch nicht die erforderliche Dichte für die Feststellung einer Gruppenverfolgung. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse geht die Kammer davon aus, dass in der zentralirakischen Provinz Ninive ca. 500.000 Yeziden leben. Das Auswärtige Amt spricht in seinem Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 22) von 200.000-600.000 Personen. Andere Quellen gehen von 500.000 Yeziden (UK Border Agency, Country of Origin Report Iraq, 10.12.2009, Rdnr. 21.55; Bundesasylamt der Republik Österreich , Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009, Seite 8) aus. Von diesen leben etwa zwei Drittel in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa ein Drittel im Distrikt Sheikan. Ein kleinerer Teil der Yeziden lebt in den kurdischen Nordprovinzen des Irak bzw. in Großstädten des Irak.
30 
Über die im Folgenden aufgezählten Maßnahmen gegen die Yeziden wird in den vorliegenden Auskünften berichtet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker weist in ihrem Bericht, „Die Yezidi im Irak“, November 2007, darauf hin, dass Übergriffe auf Yeziden von keiner neutralen Stelle dokumentiert werden. Aus Angst vor Schikanen und Repressionen brächten die Betroffenen selbst Gewalttaten gegen sich nicht zur Anzeige. Die Darstellung erhebe daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Opfer von Morden und Anschlägen seien Männer. Dies dürfe nach der Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker vor allem darauf zurückzuführen sein, dass yezidische Frauen kaum noch in der Öffentlichkeit erschienen.
31 
Quellen:
1. Gesellschaft für bedrohte Völker, „Die Yezidi im Irak“, November 2007
2. UNHCR, „ELIGIBILITY GUIDELINES FOR ASSESSING THE
INTERNATIONAL PROTECTION NEEDS OF IRAQI
ASYLUM-SEEKERS, April 2009“ (Rdnr. 305)
( (Rdnr. 305 „In the first half of 2008, UNAMI HRO recorded at least five Yazidis murdered in Sinjar. In the second half of 2008,
several targeted attacks were reported in the media. On 2 November 2008, police found the bodies of a Yazidi couple strangled
to death inside their house in Al-Bijaaj area west of Mosul. On 7 December 2008, gunmen shot down two Yazidis inside their liquor
store in northern Mosul. And on 15 December 2008, gunmen killed seven Yazidis, all from the same family, in the town of Sinjar.
In recent years, the Yazidis’ most important ritual, the annual pilgrimage to the holy shrine in Lalish ( Cejna Cemayya ),
has not been held or only with restrictions due to ongoing threats and attacks“) )
3. BAA, „Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak“, 04.11.2009 (Seite 8)
4. U.S. Departement of State, „International Religious Freedom Report“,
26.10.2009
5. Auswärtiges Amt Lagebericht Irak, Stand August 2009, Seite 22
        
Ereignis
Quelle(n)
März 2004
Es tauchen in Mosul Flugblätter auf, die all denjenigen „Gottes Lohn“
verheißen, die Yeziden töten.
1
17.08.2004
Das Kind Fadi Aied K. aus Baschika wird von Terroristen
ermordet. Es wird enthauptet, seine Leiche verbrannt.
1
Juni und Juli 2004
In diesen Monaten allein werden 28 Drohbriefe an prominente
Yeziden gerichtet. Speziell angespannt ist die Situation in Mosul und
Kirkuk.
1
Ende August 2004
Ein Yezide, der in Mosul in einem Geschäft für Luxusgüter und
Accessoires arbeitete, wird von Unbekannten ermordet. Neben seiner
Leiche findet man einen Zettel, auf dem stand „weil er ein
Ungläubiger war“.
1
23.09. 2004
In der Universität Mosul werden öffentlich Rundschreiben mit
Drohungen gegen alle Frauen ausgehängt, die ohne Kopftuch die
Universität besuchen.
1
01.10.2004
Der Imam in der Stadt Scheikhan fordert über Lautsprecher alle
Yeziden auf, zum Islam überzutreten. Andernfalls würden sie schwer
bestraft.
1
Letztes Drittel des Jahres 2004
Es werden rund 25 Morde und über 50 Gewalttaten an Yeziden gezählt.
1
16.10.2004
Zwei Yeziden in der Stadt Telafar werden grausam getötet, weil einer
von ihnen während des Ramadans geraucht und sich daher als
Nicht-Muslim zu erkennen gegeben hatte.
1
08.12.2004
Fünf Yeziden werden von extremistischen Moslems an der
Bundesstraße Telafar Richtung Sinjar ermordet.
1
August 2004 bis Mai 2005
34 Morde an Yeziden werden gezählt, davon zehn in Mosul, neun in
der Region Sinjar und 14 in Telafar.
1
Juli 2004
Es kam zu Anschlägen auf den Kaimakam (Bürgermeister) von Sinjar.
1
17.09.2004
Das weltliche Oberhaupt der Yeziden, Mir Tashin Beg, in Alkosch,
circa vierzig Kilometer von Mosul an der Provinzgrenze zu Dohuk
gelegen, wird Opfer eines Bombenanschlags und leicht verletzt.
1
Ab 2005
Die Situation in der Region Sinjar hat sich deutlich verschlechtert.
1
Jahr 2005
Es „gab es mehrere Dutzend Mordfälle an Jesiden, vor allem in den
Städten Tal Afar und Sindschar. Als Täter wurden Muslime
beschuldigt, die Jesiden für ihr nicht den Regeln des Korans
entsprechendes Verhalten „bestrafen“ wollten“.
5
Juli 2005
In Bagdad wird ein gezielter Mordanschlag auf einen der Leibwächter
von Mamou Othman, ehemaliger yezidischer Minister der
Übergangsregierung, verübt.
1
August 2005
Ein Yezide, der in Bagdad ein Alkoholgeschäft führte, wird entführt.
Er wird massiv gefoltert, kann aber befreit werden.
1
01.11.2005
Zwischen Sinjar und Mosul wird ein Anschlag auf yezidische Arbeiter
verübt. Sechs Personen sterben und drei weitere werden verletzt.
1
2006
Der Bildungsdirektor von Basra erklärt es für alle Studentinnen und
Arbeiterinnen in den Schulen zur Pflicht, unabhängig von ihrer
Religionszugehörigkeit das Kopftuch zu tragen.
1
20.04.2006
Hassan Nermo, ein Yezide und Mitglied des Regierungsrats von
Ninive, wird ermordet.
1
15.02.2007
Es eskalierte ein Familienkonflikt in der Stadt Sheikhan, in der
Provinz Ninive. Eine kurdisch-muslimische Frau war vor ihrem Mann
geflohen, von dem sie sich terrorisiert und tyrannisiert fühlte. Zwei
kurdisch-yezidische Sicherheitsbeamte nahmen sie in ihrem
Fahrzeug mit. Das erzählte sie später auch ihrer Familie. Einige
Familienmitglieder warfen ihr daraufhin Ehebruch vor und bedrohten
sie mit dem Tod. Auch die kurdisch- yezidischen Beamten sollten
getötet werden. Der Familienkonflikt gipfelte in gewalttätigen
Übergriffen auf kurdisch- yezidische Einrichtungen und Personen und
konnte erst mit Hilfe der kurdischen Sicherheitskräfte aus Akre und
Duhok unter Kontrolle gebracht werden. Mehrere Personen wurden
verhaftet. Die Frau wurde von ihrer eigenen Familie ermordet. Die
Regionalregierung hat Stellung bezogen und ihre Unterstützung der
yezidischen Gemeinschaft bekräftigt. Dr. Dakhil Said Khidir, ein
ortskundiges Beiratsmitglied der GfbV Sektion Kurdistan/ Irak,
vermutet, dass Kräfte von den Nachbarstaaten einen konfessionellen
Konflikt provozieren wollten, um Instabilität innerhalb der Region zu
schaffen.
1
15.02.2007
„In der Stadt Scheichan zu gewaltsamen Ausschreitungen
zwischen muslimischen Kurden und Jesiden, bei denen religiöse
Zentren der Jesiden, Privathäuser und Geschäfte niedergebrannt
wurden.“
5
22.04.2007
Es werden in „Mosul 24 yezidische Arbeiter getötet. Nach
Medienberichten war dieses Attentat eine Vergeltung seitens
islamischer Extremisten für die Ermordung des angeblich zum Islam
übergetreten 17jährigen yezidischen Mädchens Dua Khalil Aswad.
Sie war am 7. April 2007 Opfer eines grausamen „Ehrenmordes“
geworden. Die Angehörigen der Yeziden haben nach dem Anschlag
vom 22. April 2007 die irakische Regierung und internationale NGOs
aufgerufen, sie zu schützen. Nach diesem Anschlag sind fast alle
Yeziden aus Mosul geflohen. Über 800 yezidische Studenten gaben
ihr Studium in Mosul auf“.
1, 5
23.04.2007
Ein Anschlag in Telleskuf, in der Provinz Ninive wird verübt.
Es gibt keine Opfer.
1
04.06.2007
Ein Yezide wird von Terroristen getötet und dessen Vater verletzt.
1
03.07.2007
Zwei Yeziden werden aus der Ortschaft Bahshiqa von Unbekannten
entführt. Sie waren mit einem Lastwagen, der mit Mehl beladen war,
unterwegs nach Telkeyf, 40 km nördlich von Mosul. Die beiden
Entführten, Sari Muhsin Jori und Hilal Khairi Jori, wurden einen Tag
später im Stadtviertel Sumer in Mosul tot aufgefunden.
1
14.08.2007
Es kommt zu verheerenden Anschlägen auf Yeziden in den
Ortschaften Til Ezer und Siba Sheikh Khidir bei Sinjar in der größten
yezidischen Region des Nordirak. Mehrere mit Sprengstoff gefüllte
Autos explodieren in den zwei Dörfern. Etwa 400 Menschen werden
getötet und Hunderte verletzt. Es handelt sich um die größten
Anschläge im Irak seit dem Sturz von Saddam Hussein 2003.
1, 5
1. Jahreshälfte 2008
Es wird berichtet, dass in Sinjar mindestens fünf Yeziden ermordet
worden.
2
02.11.2008
Die Polizei findet die Leichen eines yezidischen Paares in seinem
Haus westlich von Mosul, das stranguliert wurde.
2
07.12.2008
Zwei Yeziden werden in ihrem Alkoholgeschäft im Norden von Mosul
erschossen.
2, 4
15.12.2008
7 Yeziden derselben Familie in Sinjar werden erschossen.
2
Dezember 2008
Durch eine Autobombe in Sinjar werden mehrere Menschen getötet
und mehr als 40 verletzt.
3
25. und 26.03.2009
Zwei Yeziden werden in der Nähe von Mosul getötet. Die irakischen
Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass eine Person Opfer einer
Stammesfehde sei.
(On March 25 and 26, 2009, two Yezidi men were shot and killed, their bodies discovered in fields near the city of Mosul.
Iraqi security forces  reportedly believed that one of the deaths was the result of a tribal feud.)
4
August 2009
Mindestens 27 Menschen in Sinjar werden durch Anschläge getötet.
3
September 2009
Reihe von Anschlägen gegen Minderheiten in der Provinz Niniwe
3
02.10.2009
Ein Anführer der Yeziden und Colonel der Polizei wird in seinem Haus
in Mosul in die Luft gesprengt.
3
                 
32 
Allgemein wird die Lage der Yeziden wie folgt beschrieben:
33 
Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak, Stand August 2009:
34 
„Mehrere ineinander greifende Konflikte überlagern sich: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzung sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden), als auch mit den Minderheiten (v.a. Christen, Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen“ (Seite 5).
35 
„Offiziell anerkannte Minderheiten wie Christen, Jesiden oder Chaldäer genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind in der Realität jedoch einem spezifischen Verfolgungs- und Vertreibungsdruck, z.B. durch islamistische Extremisten, ausgesetzt. Die Regierung hat wiederholt versprochen, sie vor dieser Verfolgung zu schützen, ist dazu jedoch häufig nicht in der Lage“ (Seite 6).
36 
„Auch in der Provinz Niniwe (Mossul) ist die Lage durch hohe Gewaltbereitschaft zwischen ethnischen und religiösen Gruppen gekennzeichnet. Da die sunnitische Bevölkerung dort mit a-Qil sympathisiert, hat sich die Terrorgruppe dort einen neuen Rückzugsort geschaffen, insbesondere seit ihrer Verdrängung Ende 2007 aus der Provinz Anbar“ (Seite 14).
37 
„Art. 2 Abs. 2< der Verfassung> erwähnt ausdrücklich Christen, Jesiden, Sabäer und Mandäer (neben Muslimen). Eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgungreligiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet zwar nicht in systematischer Weise, aber in signifikantem Umfang statt.
38 
Jesiden im Nordirak sehen sich erheblichem Verfolgungsdruck durch Extremisten, aber auch z. B. den Sicherheitskräften der irakisch-kurdischen Partei KDP (sog. Peshmerga) ausgesetzt“ (Seite16).
39 
„Die Zunahme der Angriffe auf Jesiden geht einher mit dem Anstieg der Spannungen zwischen Arabern und Kurden in Mossul sowie einer verstärkten Präsenz islamistischer Extremisten in der Region“ (Seite 22).
40 
BAA, Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009 (Seite 7, 8 und Seite 12)
41 
„Die fortgesetzte Gewalt steht in Zusammenhang mit dem eskalierenden Streit zwischen der Kurdischen Regionalregierung und der Zentralregierung um die Regionen Mossul und Kirkuk. Dort haben Christen, Jesiden und Turkmenen eine lange Tradition und sind nun zwischen die beiden konkurrierenden Institutionen geraten. Aufgrund ihrer relativ kleinen Zahl und dem mangelnden Zugang zur Justiz sind sie besonders verwundbar.
42 
Verschiedene Faktoren machen weiterhin Jesiden und andere religiöse Minderheiten zum Ziel von Anschlägen – besonders durch islamistische Extremisten:
43 
- Die Angehörigen von religiösen Minderheiten wie Christen, Mandäer/Sabäer, Kaka’i und Jesiden werden auch pauschal als Anhänger der irakischen Regierung und der internationalen Truppen und oft auch als Kurden angesehen.
44 
- Dazu kommt die Verfolgung durch islamistische Extremisten, welche die Angehörigen der jesidischen Religionsgemeinschaft als „ungläubig“ ansehen.
45 
- Hinzukommt, dass Jesiden wie Christen traditionell im Alkoholverkauf tätig sind, was die in diesem Bereich tätigen Personen zusätzlich zum Ziel islamistischer Ex-tremisten macht.
46 
In Mosul riefen Flugblätter zur Ermordung aller Jesiden auf“.
47 
„Die Zahl der Yeziden fiel aufgrund gezielter Angriffe und der darauf folgenden Flucht von 700.000 im Jahr 2005 auf etwa ein halbe Million.“
48 
„Derzeit liegen keine Informationen vor, die darauf schließen lassen, dass sich die Sicherheitslage in den Hauptsiedlungsgebieten der Jesiden in nächster Zeit nachhaltig verbessern wird. Dafür ist die Sicherheitslage in den umstrittenen Gebieten zu sehr von einer politischen Einigung zwischen der Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung abhängig… Die Jesiden selbst können kaum die lokale Lage und schon gar nicht die überregionalen Ursachen beeinflussen, welche ihre Sicherheitslage prägen. Die Hauptakteure aber im Kampf um die Provinz Ninewah - und damit eng verknüpft Kirkuk - sind ganz andere und sind im Fall der arabischen Schiiten nicht einmal durch eine größere Bevölkerungsgruppe vor Ort vertreten“.
49 
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009 (Seite 11):
50 
„Mitglieder religiöser und ethnischer Minderheiten: Christen, Yeziden, Turkmenen, Schabak, Kaka’i, Sabäer, Baha’i und Juden werden seit 2003 bedroht, vertrieben, verfolgt und getötet. Yeziden, Schabak und Kaka’i sind wegen ihrer kurdischen Identität gefährdet, Schabak, Turkmenen und Faili-Kurden, die meistens schiitischen Glaubens sind, werden von sunnitischen Islamisten aufgrund ihres religiösen Hintergrundes umgebracht. Wegen der systematischen Verfolgung sind viele Angehörige religiöser oder ethnischer Minderheiten geflohen, und ihre Anzahl ist stark zurückgegangen. Vor allem in den umstrittenen Gebieten geraten religiöse und ethnische Minderheiten wie Christen, Yeziden oder Schabak häufig zwischen die Fronten von Kurden, Arabern und Turkmenen. Zwischen August und Oktober 2008 flohen nach einer Reihe von Anschlägen Tausende Christen aus Mosul“.
51 
Die Maßnahmen gegen die Yeziden, von denen die oben zitierten Auskünfte berichten, sind im Rahmen der Gewährung von Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG überwiegend (verfolgungs-)relevant. Sie treffen die Yeziden wegen ihrer Religion bzw. wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei den Yeziden um eine soziale Gruppe handelt, die sich neben ihrer Religion auch durch eine eigenständige Ethnie definiert, oder ob die Maßnahmen sie auch deshalb treffen, weil sie Kurden sind oder von ihren Gegnern als solche angesehen werden (vgl. Art. 10 Abs. 2 QualfRL). Yeziden sind nach den oben dargestellten Auskünften aufgrund von Anschlägen auf Leib und Leben Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Buchstabe a QualfRL ausgesetzt. Daneben dürften auch Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe b QualfRL vorliegen, die aus einer Kumulierung verschiedener Maßnahmen bestehen, die das Gewicht einer Maßnahme nach Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a QualfRL erreicht, die für sich selbst gesehen schon verfolgungsrelevant ist. Aufgrund des politischen Umfeldes, in dem sie stattfinden, geht die Kammer auch davon aus, dass in der überwiegenden Zahl der Fälle auch die nach Art. 9 Abs. 3 QualfRL erforderliche Verknüpfung zwischen Verfolgungshandlung und verfolgungsrelevantem Grund besteht, auch wenn im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann, dass es Verfolgungshandlungen gegenüber Yeziden auch aus nicht verfolgungsrelevanten Gründen gab und geben wird.
52 
Aus diesen Auskünften folgt, dass die Yeziden einem Verfolgungsdruck unterliegen und es zu verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegen sie gekommen ist, zu denen nicht nur Anschläge auf Leib und Leben gehören. Es ist auch davon auszugehen, dass es in der näheren Zukunft und auch mittelfristig zu weiteren asylrelevanten Bedrohungen kommen wird. Dennoch kann nach den Kriterien des Bundesverwaltungsgerichts (siehe oben) keine Gruppenverfolgung gegenüber den Yeziden festgestellt werden. Die Kammer geht davon aus, dass es bei Feststellung einer Gruppenverfolgung nicht darauf ankommt, ob die verfolgungsrelevanten Verfolgungshandlungen von einer homogenen Verfolgergruppe ausgehen oder dass alle Maßnahmen an dasselbe Verfolgungsmerkmal anknüpfen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die verfolgungsrelevanten Maßnahmen gegenüber einer Gruppe zusammen eine Dichte erreichen, dass im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts “für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Dies lässt sich jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer nicht feststellen. Maßgeblich für diese Beurteilung ist, dass die Dichte verfolgungsrelevanter Maßnahmen gegen die Yeziden wie die Gewalt im Irak allgemein in den Jahren 2008 und 2009 gegenüber den Vorjahren erheblich zurückgegangen ist. Dies spiegelt sich in den oben dargestellten Fakten wider. Zwar kann eine erhebliche Dunkelziffer auch in den Jahren 2008 und 2009 nicht ausgeschlossen werden. Über eine Größenordnung ließe sich aber nur spekulieren, so dass sie nicht in die Betrachtung einbezogen werden kann. Angesicht einer Zahl von ca. 500.000 Yeziden in der zentralirakischen Provinz Ninive lässt sich die für die Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht feststellen. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass von den berichteten Anschlägen wiederum Yeziden betroffen sind, die sich durch weitere Merkmale abgrenzen ließen, so dass sich eine andere Relation der verfolgungsrelevanten Maßnahmen ergäbe.
53 
Der Kläger kann einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch nicht aus einem Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Yeziden ableiten, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Vergangenheit aufgrund einer Erlasslage diesen Status erhalten haben. Die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des 60 Abs. 1 AufenthG ist eine gebundene Entscheidung, deren Voraussetzungen vom Verwaltungsgericht auf der Basis der Sach- und Rechtlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung zu prüfen sind. Eine Bindung an eine Erlasslage besteht nicht.
2.
54 
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (europarechtlicher subsidiärer Schutz) liegen nicht vor.
55 
Für die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 7 Satz 2 AufenthG gelten nach § 60 Abs. 11 AufenthG die Art. 4 Abs. 4, Art. 5 Abs. 1 und 2 und die Art. 6 bis 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12).
56 
Nach § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden.
57 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers nichts ersichtlich.
58 
Nach § 60 Abs. 3 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung der Todesstraße besteht.
59 
Dafür ist nach dem Vortrag des Klägers gleichfalls nichts ersichtlich.
60 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt ist. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn sich die allgemeine Gefahr aufgrund individueller, gefahrerhöhender Merkmale in der Person des Klägers soweit verdichtet, dass er aufgrund willkürlicher Gewalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist. Liegen solche individuellen Merkmale nicht vor, ist der notwendige Grad der Gefahr auch dann erreicht, wenn die allgemeinen Gefahren eine derart hohe Dichte bzw. einen derart hohen Grad aufweisen, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9/08 - juris, Rdnr. 17 unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17.02.2009 - C-465/07 - Elgafaji ). Dabei können „für die Feststellung der Gefahrendichte ähnliche Kriterien gelten wie im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung ..., sofern nicht Besonderheiten des subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG entgegenstehen“ (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43/07 - juris, Rdnr. 35).
61 
Als persönliches, gefahrerhöhendes Merkmal kommt hier nur die vom Kläger behauptete Zugehörigkeit zu den Yeziden in Betracht. Daraus ergibt sich, wie oben ausgeführt, nicht die erforderliche Verfolgungsdichte für eine Gruppenverfolgung im Sinne des Flüchtlingsschutzes nach § 60 Abs. 1 AufenthG.
62 
Die Anschläge, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist, erreichen weder für sich noch für die Yeziden im Zusammenhang mit den oben behandelten flüchtlingsschutzrelevanten Übergriffen die erforderliche Dichte für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Die Sicherheitslage hat sich gegenüber den Opferzahlen in den Jahren 2006 und 2007 im Zentral- und Südirak bedeutend verbessert (SFH, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak, 05.11.2009, Seite 4 ff.). Im Jahr 2008 lag die Zahl der Todesopfer in der Größenordnung von 9.200 Personen, im Jahr 2009 bei ca. 4.645 Personen. In der Provinz Ninive, aus der der Kläger nach seinem Vortrag kommt, ging die Zahl der Todesopfer von 100 Toten je 100.000 Einwohner im Jahr 2007 auf ca. 41 Tote je 100.000 Einwohner im Jahr 2009 zurück (BAMF, Informationszentrum Asyl und Migration, Irak, „Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte“, Januar 2010, Seiten 2, 3 und 23). Dazu kommen im Jahr 2008 verletzte Personen in einer Größenordnung von über 20.000 (vgl. SFH, aaO, Seite 5).
3.
63 
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG (nationaler subsidiärer Schutz) vor.
64 
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 0.11.1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Dafür gibt es aufgrund des Vortrags des Klägers keine Anhaltspunkte.
65 
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erforderlich ist eine konkrete Gefahr.
66 
Für das Vorliegen einer konkreten (individuellen) Gefahr hat der Kläger nichts vorgetragen.
67 
Soweit der Kläger sich aufgrund der allgemeinen Lage im Irak auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beruft, steht der Feststellung eines Abschiebungsverbotes Satz 3 entgegen. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in seiner verfassungskonformen Auslegung erfüllt sind, weil der Antragsteller „im Falle seiner Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (BVerwG, Urteil vom 17.10.2006, 1 C 18/05), kann offen bleiben, da dem Antragsteller aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zu Teil wird. Nach den „Zusammengefassten Vorgaben des Innenministeriums zur Anwendung aufenthalts- und asylrechtlicher Regelungen ab dem 01.01.2005“ – ZV-AufenthR 2005 – (24. Fortschreibung, 05.10.2009, Abschnitt D, Irak Nr. 3, Rückführung irakischer Staatsangehöriger) können weiterhin Duldungen für drei Monate erteilt bzw. verlängert werden. Rückführungen von Irakern sollen nur erfolgen, wenn es sich um Straftäter handelt oder sie die innere Sicherheit gefährden.
4.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Kammer macht von der Möglichkeit des § 167 Abs. 2 VwGO, das Urteil wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar zu erklären, keinen Gebrauch.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ausländer dürfen nur in das Bundesgebiet einreisen oder sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht auch durch den Besitz eines Ausweisersatzes (§ 48 Abs. 2).

(2) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat oder die von ihm bestimmte Stelle kann in begründeten Einzelfällen vor der Einreise des Ausländers für den Grenzübertritt und einen anschließenden Aufenthalt von bis zu sechs Monaten Ausnahmen von der Passpflicht zulassen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. Mai 2007 - A 3 K 10535/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des - gerichtkostenfreien - Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger, ein nach seinen Angaben am 1.1.1975 in Kirkuk/Irak geborener irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, reiste 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung berief er sich darauf, dass er - wenn auch unwissentlich - am Schmuggel von Devisen und CDs für die Opposition gegen Saddam Hussein beteiligt gewesen sei. Er befürchte deshalb, dass er der Zugehörigkeit zur Opposition beschuldigt werde.
Das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, im Folgenden: Bundesamt) lehnte durch Bescheid vom 4.4.2001 den Asylantrag ab, stellte zugleich aber fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes hinsichtlich des Iraks vorliegen, da aufgrund der illegalen Ausreise des Klägers aus seinem Heimatland sowie des Umstands, dass er in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, nicht ausgeschlossen werden könne, dass er bei einer Rückkehr in den Irak mit Verfolgung zu rechnen habe.
Nach vorheriger Anhörung des Klägers widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 23.6.2005 die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung führte es aus, von dem ehemaligen Regime Saddam Husseins könne keine politische Verfolgung mehr ausgehen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger von der irakischen Übergangsregierung politische Verfolgung drohe, gebe es nicht. Das Vorliegen einer individuell konkreten Gefahr sei nicht dargelegt worden. Die angespannte Sicherheits- und Versorgungslage stelle eine allgemeine Gefahr i.S.d. § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG dar. Die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage begründe keine Extremgefahr.
Der Kläger hat am 12.7.2005 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben und beantragt, den Bescheid des Bundesamts vom 23.6.2005 aufzuheben, hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung des insoweit entgegenstehenden Bescheids zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf den Irak festzustellen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Durch Urteil vom 25.5.2007 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 23.6.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004 geltenden Fassung lägen nicht vor. Es könne offen bleiben, ob nach Art. 1 C Nr. 5 GFK dem Flüchtling eine Rückkehr erst dann zumutbar sei, wenn in seinem Herkunftsstaat eine weitgehend funktionierende Regierung vorhanden sei, die sich grundlegender Verwaltungsstrukturen bedienen könne, um eine angemessene Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten, innerhalb derer die Einwohner ihr Recht auf eine Existenzgrundlage wahrnehmen könnten. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung dürften eine solche Auslegung nahe legen. Jedenfalls müssten im Herkunftsland Verhältnisse herrschen, die mit hinreichender Sicherheit eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG ausschlössen. Danach lägen die Voraussetzungen für ein Widerruf der Flüchtlingseigenschaft des Klägers nicht vor. Zwar habe sich die Situation im Irak seit der Gewährung von Abschiebungsschutz insoweit grundlegend geändert, als das Regime Saddam Husseins durch den Einsatz amerikanischer und verbündeter Truppen beseitigt worden sei und die damals herrschenden Gruppen keine staatliche Macht mehr ausübten. Auch könne aufgrund der vorliegenden Informationen davon ausgegangen werden, dass dieses Regime nicht wieder an die Macht kommen werde. Es sei jedoch nicht hinreichend sicher, dass dem Kläger als besonders hervorgetretener Kritiker des Saddam-Regimes keine Verfolgung durch Anhänger dieses Regimes drohe, vor der ihm weder irakische Sicherheitskräfte noch multinationale Streitkräfte Schutz böten. Auch stehe ihm als Kurden aus Kirkuk keine inländische Fluchtalternative in den kurdisch verwalteten Provinzen des Nordirak zu Verfügung.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 9.2.2009 die Berufung zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.5.2007 - A 3 K 10535/05 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf deren Inhalt und auf die mit dem Schreiben vom 12. März 2010 mitgeteilten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
14 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, da der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid ferner zutreffend festgestellt, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, und 7 Satz 1 und 2 AufenthG nicht vorliegen.
15 
1. Der Widerruf der vom Bundesamt am 4.4.2001 getroffenen Feststellung, dass in der Person des Klägers der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind, ist durch § 73 Abs. 1 AsylVfG gedeckt.
16 
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Dies gilt nach Satz 3 nicht, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann. Danach muss die asylrelevante Verfolgungsgefahr objektiv entfallen sein, d.h. die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse müssen sich nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so geändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Das ist hier der Fall.
17 
a) Wegen seines Asylantrags und seiner illegalen Ausreise aus dem Irak drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine politischen Verfolgungsmaßnahmen (mehr). Das im Zeitpunkt des Erlasses des widerrufenen Bescheids noch herrschende Baath-Regime hat seit der Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung Saddam Husseins seine politische Macht über den Irak unumkehrbar verloren. Damit hat ein Verhalten, das unter der Herrschaft Saddam Husseins zu einer Gefährdung hätte führen können, wie die damals illegale Ausreise aus dem Irak, das illegale Verbleiben im Ausland und die Asylantragstellung, seine asylrechtliche Bedeutung verloren. Das Gleiche gilt für die vom Kläger behauptete, vom Bundesamt allerdings nicht festgestellte Tätigkeit für die Opposition gegen das frühere Regime.
18 
b) Dem Kläger droht auch nicht aus anderen Gründen asylrechtlich relevante Verfolgung. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.2.2008 (BGBl. I 162) darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) ergänzend anzuwenden.
19 
Nach diesem Maßstab droht dem Kläger im Irak keine asylrechtlich relevante Verfolgung. Das Verwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass der Kläger "als exponierter Kritiker des Regimes Saddam Husseins" vor einer Verfolgung durch Anhänger dieses Systems nicht hinreichend sicher sei und weder die irakischen Sicherheitskräfte noch die multinationalen Streitkräfte in der Lage seien, Schutz vor einer solchen Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Den im verwaltungsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen können jedoch keine Anhaltspunkte für eine erkennbare Gegnerschaft des Klägers gegen das Regime Saddam Husseins entnommen werden. Aus dem zur Begründung des im Jahre 2001 gestellten Asylantrags behaupteten - unwissentlichen - Schmuggel von Devisen und CDs für gegen das Saddam-Regime gerichtete Kräfte lässt sich eine solche erkennbare Gegnerschaft nicht herleiten. Davon abgesehen ist die Glaubhaftigkeit dieser Angaben im Behördenverfahren nicht überprüft und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne Begründung unterstellt worden. Auch dazu, welche Gründe die Anhänger des früheren Herrschaftssystems haben sollten, gegen den nach seinem eigenen Vortrag allenfalls am äußeren Rand gegen dieses System tätigen Kläger vorzugehen, kann dem Urteil des Verwaltungsgerichts nichts entnommen werden. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Anhänger des früheren Regimes macht im Übrigen auch der Kläger selbst nicht geltend.
20 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
21 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 am 28.8.2007 geltende Rechtslage. Diese Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
22 
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift, mit der die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
23 
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
24 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben "im Rahmen" dieses Konflikts ausgesetzt ist. Eine solche Gefahr lässt sich im Fall des Klägers nicht feststellen.
25 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in seiner Person werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Für das Vorliegen solcher Umstände vermag auch der Senat nichts zu erkennen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch für die Provinz Tamim, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, nicht feststellen.
26 
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12.8.2009 ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak nach wie vor verheerend ist. Zwar hat seit Frühsommer 2007 die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. Besonders gefährdet sind jedoch nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Dabei überlagern sich mehrere ineinander greifende Konflikte: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzungen sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden) als auch mit den Minderheiten (vor allem Christen und Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen. Insgesamt hat aber die interkonfessionelle Gewalt seit dem Durchgreifen der irakischen Regierung gegen die Milizen seit dem Frühjahr 2008 nachgelassen.
27 
Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts "Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte" vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar seien. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2009 habe sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Die Sicherheitslage in den sogenannten umstrittenen Gebieten habe sich verschlechtert. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.
28 
Diese Einschätzung deckt sich im Wesentlichen mit der in der genannten Ausarbeitung des Informationszentrums ebenfalls wiedergegebenen Lagebeschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, wonach sich die Sicherheitslage im Irak verbessert habe, wenn auch unsicher sei, ob dieser Fortschritt bzw. Zustand erhalten werden könne. Die Aufständischen blieben aber in der Lage, sog. „High Profile Attacks“ durchzuführen, die die Zivilbevölkerung und die irakischen Sicherheitskräfte zum Ziel hätten. Unter diese „High Profile Attacks“ fielen Autobombenanschläge, Selbstmordanschläge mit Autobomben und sonstige Selbstmordattentate, die überwiegend gemischte Gebiete, wie Bagdad, Diyala, Mossul (Provinz Ninive) und Kirkuk (Provinz Tamim) beträfen.
29 
Um den sich aus dieser Situation ergebenden Gefahrengrad abschätzen zu können, muss die Zahl der Opfer von Anschlägen in Relation zu der Zahl der gesamten Bevölkerung des Irak gesetzt werden. Nach dem in der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts zitierten Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahr 2009 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei etwa 4.645 gelegen. Im Jahr 2008 habe die Zahl noch über 9.000 betragen. Das Informationszentrum Asyl und Migration zitiert ferner einen Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009, in dem bezogen auf den Zeitraum März bis Mai 2009 eine durchschnittlichen Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von 9,2 pro Tag genannt wird. In einen späteren Bericht vom September 2009, der sich auf den Zeitraum Juni bis August 2009 beziehe, sei von durchschnittlich 204 Anschlägen pro Woche gegen die Zivilbevölkerung, die irakischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen die Rede, die damit um 19 % gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum zurückgegangen seien. Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung sei in diesem Zeitraum allerdings leicht auf 9,5 Tote pro Tag angestiegen. In der Provinz Tamim mit der Provinzhauptstadt Kirkuk, in der insgesamt zwischen 900.000 und 1.130.000 Menschen leben (davon ca. 750.000 in der Hauptstadt Kirkuk), habe es im Jahr 2009 99 Anschläge mit insgesamt 288 Toten gegeben. Dies seien bei 900.000 Einwohnern 31,9 Tote je 100.000 Einwohner bzw. bei Annahme einer Einwohnerzahl von 1.130.000 25,5 Tote je 100.000 Einwohner.
30 
Nach diesen Erkenntnissen kann selbst bei Annahme eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts in der Provinz Tamim nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.
31 
b) Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar. Nach dieser Norm soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO <211 f.>). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das unter a) Ausgeführte nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
14 
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben, da der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid ferner zutreffend festgestellt, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2, 3, und 7 Satz 1 und 2 AufenthG nicht vorliegen.
15 
1. Der Widerruf der vom Bundesamt am 4.4.2001 getroffenen Feststellung, dass in der Person des Klägers der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben sind, ist durch § 73 Abs. 1 AsylVfG gedeckt.
16 
Die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist nach Satz 2 insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Dies gilt nach Satz 3 nicht, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann. Danach muss die asylrelevante Verfolgungsgefahr objektiv entfallen sein, d.h. die für die Beurteilung der Verfolgungslage maßgeblichen Verhältnisse müssen sich nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so geändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Das ist hier der Fall.
17 
a) Wegen seines Asylantrags und seiner illegalen Ausreise aus dem Irak drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine politischen Verfolgungsmaßnahmen (mehr). Das im Zeitpunkt des Erlasses des widerrufenen Bescheids noch herrschende Baath-Regime hat seit der Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung Saddam Husseins seine politische Macht über den Irak unumkehrbar verloren. Damit hat ein Verhalten, das unter der Herrschaft Saddam Husseins zu einer Gefährdung hätte führen können, wie die damals illegale Ausreise aus dem Irak, das illegale Verbleiben im Ausland und die Asylantragstellung, seine asylrechtliche Bedeutung verloren. Das Gleiche gilt für die vom Kläger behauptete, vom Bundesamt allerdings nicht festgestellte Tätigkeit für die Opposition gegen das frühere Regime.
18 
b) Dem Kläger droht auch nicht aus anderen Gründen asylrechtlich relevante Verfolgung. Nach § 60 Abs. 1 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.2.2008 (BGBl. I 162) darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) ergänzend anzuwenden.
19 
Nach diesem Maßstab droht dem Kläger im Irak keine asylrechtlich relevante Verfolgung. Das Verwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass der Kläger "als exponierter Kritiker des Regimes Saddam Husseins" vor einer Verfolgung durch Anhänger dieses Systems nicht hinreichend sicher sei und weder die irakischen Sicherheitskräfte noch die multinationalen Streitkräfte in der Lage seien, Schutz vor einer solchen Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Den im verwaltungsgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen können jedoch keine Anhaltspunkte für eine erkennbare Gegnerschaft des Klägers gegen das Regime Saddam Husseins entnommen werden. Aus dem zur Begründung des im Jahre 2001 gestellten Asylantrags behaupteten - unwissentlichen - Schmuggel von Devisen und CDs für gegen das Saddam-Regime gerichtete Kräfte lässt sich eine solche erkennbare Gegnerschaft nicht herleiten. Davon abgesehen ist die Glaubhaftigkeit dieser Angaben im Behördenverfahren nicht überprüft und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ohne Begründung unterstellt worden. Auch dazu, welche Gründe die Anhänger des früheren Herrschaftssystems haben sollten, gegen den nach seinem eigenen Vortrag allenfalls am äußeren Rand gegen dieses System tätigen Kläger vorzugehen, kann dem Urteil des Verwaltungsgerichts nichts entnommen werden. Eine Verfolgung oder Bedrohung durch die Anhänger des früheren Regimes macht im Übrigen auch der Kläger selbst nicht geltend.
20 
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
21 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger der begehrte Abschiebungsschutz zusteht, ist gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG die neue, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 am 28.8.2007 geltende Rechtslage. Diese Rechtsänderung hat zur Folge, dass sich der Streitgegenstand bei der Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geändert hat und hinsichtlich der vom Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak geltend gemachten Gefahren die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil bilden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
22 
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift, mit der die sich aus Art. 18 in Verbindung mit Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht umgesetzt werden, ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall.
23 
Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u. a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO).
24 
Die Frage, ob die derzeitige Situation im Irak die landesweit oder auch nur regional gültige Annahme eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts rechtfertigt, dürfte hiervon ausgehend zu verneinen sein. Die Frage kann jedoch auf sich beruhen, da selbst bei der Annahme eines solchen Konflikts ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG nur besteht, wenn der Ausländer einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben "im Rahmen" dieses Konflikts ausgesetzt ist. Eine solche Gefahr lässt sich im Fall des Klägers nicht feststellen.
25 
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 - (BVerwGE 134, 188) kann sich die nach § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG erforderliche Individualisierung der sich aus einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ergebenden allgemeinen Gefahr nicht nur aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann vielmehr unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Gefahrerhöhende Umstände in seiner Person werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Für das Vorliegen solcher Umstände vermag auch der Senat nichts zu erkennen. Die erforderliche Individualisierung könnte sich daher nur durch einen besonders hohen Grad der dem Kläger in seiner Heimatregion drohenden Gefahren ergeben, vor denen er auch in den übrigen Teilen des Irak keinen Schutz finden kann. Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, lässt sich jedoch für die Provinz Tamim, aus welcher der Kläger nach seinen Angaben stammt, nicht feststellen.
26 
Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12.8.2009 ist davon auszugehen, dass die Sicherheitslage im Irak nach wie vor verheerend ist. Zwar hat seit Frühsommer 2007 die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle um ca. 80 % abgenommen. Besonders gefährdet sind jedoch nach wie vor Polizisten, Soldaten, Intellektuelle und alle Mitglieder der Regierung bzw. Repräsentanten des früheren Regimes, die inzwischen mit der neuen Regierung zusammenarbeiten, Mitglieder politischer Parteien, Mitarbeiter von Medien und freie Journalisten sowie Ärzte und medizinisches Personal. Dabei überlagern sich mehrere ineinander greifende Konflikte: der Kampf der irakischen Regierung und der multinationalen Streitkräfte gegen Aufständische; Terroranschläge gegen die Zivilbevölkerung; konfessionell-ethnische Auseinandersetzungen sowohl zwischen den großen Bevölkerungsgruppen (arabische Sunniten, arabische Schiiten und Kurden) als auch mit den Minderheiten (vor allem Christen und Jesiden); Kämpfe zwischen Milizen um Macht und Ressourcen. Insgesamt hat aber die interkonfessionelle Gewalt seit dem Durchgreifen der irakischen Regierung gegen die Milizen seit dem Frühjahr 2008 nachgelassen.
27 
Auch nach der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts "Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte" vom Januar 2010 besteht für die irakische Bevölkerung weiterhin die Gefahr, das Opfer von Anschlägen zu werden, deren Urheber meist nicht eindeutig identifizierbar seien. Insbesondere in den Provinzen Bagdad, Diyala und Ninive komme es weiterhin zu zahlreichen Vorfällen mit Todesopfern. Die Gefahr, durch militärische Aktionen im klassischen Sinne zu Schaden zu kommen, sei jedoch zurückgegangen. Auch nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom November 2009 habe sich die Sicherheitslage im Zentral- und Südirak seit 2007 allgemein verbessert. Dennoch komme es weiterhin zu Anschlägen auf Militär, Polizei und Zivilisten. Die militanten Gruppierungen seien zwar geschwächt, jedoch noch immer in der Lage, Anschläge mit hohen Opferzahlen zu verüben. Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Sprengfallen gegen die Zivilbevölkerung führten zu Hunderten von Toten. Gezielten Anschlägen fielen vor allem Sicherheitspersonal, Beamte, religiöse und politische Führer, spezielle Berufsgruppen wie Journalisten, Lehrer, medizinisches Personal, Richter und Anwälte, aber auch Angehörige von Minderheiten zum Opfer. Die Sicherheitslage in den sogenannten umstrittenen Gebieten habe sich verschlechtert. Ein Großteil der Gewalt sei in Provinzen mit gemischt ethnischer/religiöser Bevölkerung zu verzeichnen gewesen, insbesondere in den Gebieten in und um Bagdad sowie in den nördlichen Provinzen Ninive, Tamim und Diyala, wobei hier häufig Minderheiten betroffen gewesen seien.
28 
Diese Einschätzung deckt sich im Wesentlichen mit der in der genannten Ausarbeitung des Informationszentrums ebenfalls wiedergegebenen Lagebeschreibung des amerikanischen Verteidigungsministeriums, wonach sich die Sicherheitslage im Irak verbessert habe, wenn auch unsicher sei, ob dieser Fortschritt bzw. Zustand erhalten werden könne. Die Aufständischen blieben aber in der Lage, sog. „High Profile Attacks“ durchzuführen, die die Zivilbevölkerung und die irakischen Sicherheitskräfte zum Ziel hätten. Unter diese „High Profile Attacks“ fielen Autobombenanschläge, Selbstmordanschläge mit Autobomben und sonstige Selbstmordattentate, die überwiegend gemischte Gebiete, wie Bagdad, Diyala, Mossul (Provinz Ninive) und Kirkuk (Provinz Tamim) beträfen.
29 
Um den sich aus dieser Situation ergebenden Gefahrengrad abschätzen zu können, muss die Zahl der Opfer von Anschlägen in Relation zu der Zahl der gesamten Bevölkerung des Irak gesetzt werden. Nach dem in der Ausarbeitung des Informationszentrums Asyl und Migration des Bundesamts zitierten Bericht der britischen Nichtregierungsorganisation Iraq Body Count, die seit dem Einmarsch der Koalitionsstreitkräfte in den Irak die Verluste unter der irakischen Zivilbevölkerung zählt, sind diese im Jahr 2009 auf den niedrigsten Stand seit 2003 gefallen. Im Jahr 2009 habe die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung bei etwa 4.645 gelegen. Im Jahr 2008 habe die Zahl noch über 9.000 betragen. Das Informationszentrum Asyl und Migration zitiert ferner einen Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums vom Juni 2009, in dem bezogen auf den Zeitraum März bis Mai 2009 eine durchschnittlichen Zahl der Todesopfer unter der Zivilbevölkerung von 9,2 pro Tag genannt wird. In einen späteren Bericht vom September 2009, der sich auf den Zeitraum Juni bis August 2009 beziehe, sei von durchschnittlich 204 Anschlägen pro Woche gegen die Zivilbevölkerung, die irakischen Sicherheitskräfte und die Koalitionstruppen die Rede, die damit um 19 % gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum zurückgegangen seien. Die Zahl der Toten unter der Zivilbevölkerung sei in diesem Zeitraum allerdings leicht auf 9,5 Tote pro Tag angestiegen. In der Provinz Tamim mit der Provinzhauptstadt Kirkuk, in der insgesamt zwischen 900.000 und 1.130.000 Menschen leben (davon ca. 750.000 in der Hauptstadt Kirkuk), habe es im Jahr 2009 99 Anschläge mit insgesamt 288 Toten gegeben. Dies seien bei 900.000 Einwohnern 31,9 Tote je 100.000 Einwohner bzw. bei Annahme einer Einwohnerzahl von 1.130.000 25,5 Tote je 100.000 Einwohner.
30 
Nach diesen Erkenntnissen kann selbst bei Annahme eines innerstaatlichen oder internationalen Konflikts in der Provinz Tamim nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt ist.
31 
b) Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle des Klägers nicht erkennbar. Nach dieser Norm soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008, aaO <211 f.>). Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für den Kläger im Hinblick auf das unter a) Ausgeführte nicht.
32 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten und der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. März 2002 - A 12 K 10694/01 - teilweise geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der Kosten des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten im ersten Rechtszug, die dieser selbst trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist nach seinen Angaben am 11.2.1982 in Makhmour/Zentralirak geboren und irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Bei seiner Asylantragstellung am 1.3.2001 gab er an, nicht im Besitz von Personalpapieren zu sein.
Am 14.3.2001 wurde der Kläger beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge persönlich angehört. Er gab an, auf dem Landweg über die Türkei in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Der Schlepper habe ihm seinen Personalausweis in Istanbul abgenommen. Für die gesamte Ausreise habe er 3.500,-- Dollar bezahlt. Er habe den Irak verlassen müssen, weil ihm Verhaftung gedroht habe.  Er habe zusammen mit einem Freund  ein Geschäft betrieben, in dem Fenster, Türen und Wagen hergestellt worden seien. Sein Freund habe ohne sein Wissen über einen Offizier Eisenteile aus Armeebeständen und aus der Stromwirtschaft bezogen. Nachdem dies entdeckt worden sei, seien beide festgenommen worden und spurlos verschwunden. Auch gegen ihn sei ein Haftbefehl erlassen worden. Nachdem sein Vater am 15. oder 16.1.2001 festgenommen worden sei, hätten seine Verwandten Geld gesammelt und seine Ausreise ermöglicht. Sein Vater sei noch im Gefängnis des Geheimdienstes von Makhmour.
Mit Bescheid vom 10.5.2001 wurde der Asylantrag des Klägers abgelehnt und festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen und ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak angedroht.
Der Kläger hat am 28.5.2001 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 10.5.2001 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG - hilfsweise: Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG - vorliegen. Den angekündigten Antrag auf Verpflichtung der Beklagten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, hat er in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der beteiligte Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat sich nicht geäußert.
Mit Urteil vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt, soweit die Klage hinsichtlich des Begehrens auf Asylanerkennung zurückgenommen worden war. Weiter hat es die Nrn. 2 und 4 des Bescheids des Bundesamts vom 10.5.2001 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Kläger vorverfolgt ausgereist sei. Denn ihm drohe auf Grund von Nachfluchtgründen, nämlich seiner illegalen Ausreise aus dem Irak und der Asylantragstellung im Bundesgebiet, im Falle der Rückkehr in den Irak mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung. Auf die Schutzzone im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, denn er stamme nicht von dort und habe dort auch keine Familienangehörigen, weshalb das wirtschaftliche Existenzminimum für ihn nicht gewährleistet sein würde. Auf die Möglichkeit der Aufnahme in ein vom UNHCR betriebenes Lager im Nordirak könne er nicht verwiesen werden, weil seine Existenz dort nicht gesichert sein würde.
Auf Antrag der Beklagten und des Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 10.6.2002 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, soweit es die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und die angefochtene Abschiebungsandrohung betrifft.
Die Beklagte und der Beteiligte beantragen,
10 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.3.2002 - A 12 K 10694/01 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden. Wegen seiner Angaben wird auf die Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
 
14 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf sie und auf die den Beteiligten überlassene Liste von Erkenntnismitteln und die in der mündlichen Verhandlung erfolgten ergänzenden Hinweise (s. Sitzungsniederschrift vom 16.9.2004) wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in deren Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.), oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
(1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische Verfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 10).
17 
Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem  Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.).
18 
Wer demgegenüber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345;  BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171).
19 
Der Kläger unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise nicht politischer Verfolgung.
20 
Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klägers, sein Heimatland zu verlassen, auf die Befürchtung zurück, wegen von seinem ehemaligen Geschäftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener Eigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befürchteten Sanktion wäre schon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog. Vorverfolgung tragen könnte, denn sie hätte sich ausschließlich als staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts  dargestellt. Der Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat wäre nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut geprägt gewesen.
21 
Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Kläger steht auch ein nach § 51 Abs. 1 AuslG zu berücksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn für den Fall einer Rückkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit der zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und für die nächste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Irak ausgeschlossen.
22 
Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer irakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen könnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im jetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit für das anhängige Asylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak auszugehen.
23 
Staatlichkeit (und „Quasi-Staatlichkeit“) im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist im Zusammenhang mit dem Begriff des „politisch“ Verfolgten zu betrachten und daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Politische Verfolgung geht demnach von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.). Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Bürgerkriegssituation hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in einem „Kernterritorium“ ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne einer „übergreifenden Friedensordnung“ (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsächlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem einem mehr staatsrechtlichen Verständnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997, BVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen maßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflösung der bisherigen Staatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu beurteilen, ob sie eine im genannten Sinne „übergreifende Friedensordnung“ geschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen.
24 
Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung des Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen „Machtvakuum“ neu entstanden. Das ehemalige Regime hat seine politische und militärische Herrschaft durch die am 20.03.2003 unter der Führung der USA begonnenen Militäraktionen endgültig verloren (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom 7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl. vom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B 573/02 -). Die Militäraktionen führten zur Auflösung der staatstragenden Organisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-Partei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde festgesetzt, die meisten der an der Regierungsausübung beteiligten Angehörigen und eine Vielzahl an Funktionsträgern sind entmachtet. Nach Abschluss der Militäraktionen wurde eine „provisorische Behörde“ (Coalition Provisional Authority - CPA) gebildet, die sich auf Kräfte der amerikanischen und britischen Armee sowie auf Militär- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten stützte (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behörde begann mit dem Neuaufbau einer Verwaltung, um die öffentliche Sicherheit und die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (Auswärtiges Amt, a.a.O.).
25 
Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein Regierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern aller Bevölkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und von einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Präsidentschaft geführt wurde. Der Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung auszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es zur Bildung eines 25-köpfigen Interimskabinetts, das dem politischen und religiösen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA am 15.11.2003 die „Beschleunigung des politischen Prozesses“, wobei u.a. die Verpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum 1.7.2004 vorgesehen wurde.
26 
Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt und eine Nationalversammlung einberufen, die ein künftiges Parlament bestimmen und Wahlen für Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung Allawi hat die Geschäfte einer Übergangsregierung übernommen und leitet die Verwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht muss sich noch auf die Koalitionstruppen stützen, um den um die Teilhabe an der Macht kämpfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat sich Anfang Juni 2004 aufgelöst, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine Übergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist. In ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten, darunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a. die Staatsbürgerschaft, das Recht auf Wiedereinbürgerung (Art. 11) und Abschiebungsschutz für Flüchtlinge (Art. 19).
27 
Die staatliche Souveränität ist - auch nach außen - gestärkt durch den einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die Machtübergabe an eine souveräne Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004 hervorhebt und die Erklärung enthält, dass die neue Regierung des Iraks jederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist ein Veto-Recht gegen US-geführte Militäreinsätze nicht vorgesehen, das Mandat hierfür läuft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar 2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die amerikanisch geführte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische Übergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse nach Auflösung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a. (Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das Straffreiheit für geringfügige Delikte regelt; ausgenommen sind Tötungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder eingeführt für Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein bereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung umfangreiche Vollmachten und namentlich die Möglichkeit, das Kriegsrecht zu verhängen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang und Polizeikräfte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und Sicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im August 2004 belegt. Die irakische Armee verfügt derzeit über sieben ausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch formal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem 1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwürdigung der aufgezeigten derzeitigen Verhältnisse im Irak insgesamt die Herausbildung einer irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung für eine ihr zurechenbare politische Verfolgung gegeben.
28 
Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse, auch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es geht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen in der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch jederzeit durch Benutzen allgemein zugänglicher Quellen unschwer überzeugen können (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99; Urteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102). Zwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein zugänglichen Medien - namentlich der Presse - veröffentlicht wird (dazu BVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts des konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu aufdrängt. In Ergänzung dessen ist den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zudem auch eine Presseübersicht aus neuerer Zeit ausgehändigt worden.
29 
Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung des Klägers durch die irakische Staatsgewalt ergeben könnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, wäre ihm Abschiebungsschutz grundsätzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wäre (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994, NVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und der damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknüpfung zwischen erlittener und künftig drohender Verfolgung für die Frage der Schutzgewährung voraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003          - 20 A 430/02. A -). Eine situationsbedingte Vorverfolgung führt nur bei der Gefahr der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der Zumutbarkeit der Rückkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umständen das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden Anknüpfungspunkt der Verfolgung, ist zu prüfen, ob eine darauf beruhende Vorverfolgung auch unter veränderten politischen Verhältnissen - wie etwa bei einem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom 18.2.1997, BVerwGE 104, 97).
30 
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung aus Gründen, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben sollen, ist der Kläger hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak in Anknüpfung an die ihm zur Last gelegten Vorgänge - ihren „politischen“ Charakter als gegen das Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten unterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen hätte. Vielmehr ist es mehr als überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger in Anknüpfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine asylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt für die Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in seiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstände zum Anlass für asyl- bzw. abschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch Nds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende strafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in Anknüpfung an Vorgänge vor der Ausreise wären in diesem Zusammenhang - wie oben dargelegt - ohnehin bedeutungslos.
31 
(2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.
32 
Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehende konkret-individuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt -Anhaltspunkte für vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der genannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und vom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind.
33 
Dem Kläger drohen bei einer unterstellten Rückkehr auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt. vom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der ein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfüllen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
34 
Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen, handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77).
35 
Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, können sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung führen. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe (als abgrenzbarer Teil der Bevölkerung) gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der möglicherweise Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten Landesbehörden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324, 327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist für das genannte Bundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 20 Abs. 3 GG regelmäßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379).
36 
Auch ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht.
37 
Ausnahmsweise dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer außergewöhnlichen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer in Folge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Gleiches folgt mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber keinen gleichwertigen Schutz bieten.
38 
Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erteilt worden ist und deren Schutzwirkung nicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zurückbleibt. Dies dient auch der Verfahrens- und Prozessökonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -u.U. aufwändigen - Prüfung einer extremen Gefahrenlage zu entlasten, wenn der Aufenthalt des Ausländers wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann.
39 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulässig, wenn ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage besteht. Für diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht und anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht zulässig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Wird ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die Abschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der Ausreisepflicht -in widerruflicher Weise für die Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von drei Monaten entscheidet die Ausländerbehörde - unter Beachtung der Bindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG - über die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420 f., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts).
40 
Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klägers auf der Grundlage der baden-württembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003 (abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Rückkehr in den Irak Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung dorthin, von der erst nach Schaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Ländern Gebrauch gemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-Württemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene Duldungen verlängert werden.
41 
Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, für dessen Umsetzung das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom 29.7.2004 (4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in den Irak grundsätzlich möglich und zumutbar und es kommt daher die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch können Duldungen weiterhin für jeweils drei Monate verlängert werden. Sobald Rückkehrmöglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium darüber informieren.
42 
Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz bezieht (und beschränkt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage auch von der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr der Betroffenen in den Irak ausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Ausländer bereits eine den vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm auf Grund der ausländerrechtlichen Erlasslage gewährt wird oder gewährt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Rückkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG beruhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr, da er nach politischem Ermessen gewährt wird. Abschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewährt werden, wenn dieser weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
43 
Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist entsprechend der o.a. Erlassregelung gewährleistet, nach der irakischen Staatsangehörigen mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in ihrem Heimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls erfasste Kläger steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er im Falle der Gewährung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54 AuslG stünde. Dann hätte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung gestütztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes wäre eine Rechtsschutzlücke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende Erlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein gleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob dieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig) entspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG aus.
44 
Sie kommt unabhängig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine außergewöhnliche („extreme“) Gefahrenlage für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Irak nicht festgestellt werden kann.
45 
Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhältnissen des Landes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhältnisse sind landesweit in Blick zu nehmen. Auch wenn man erhebliche Gefährdungsmomente für einen zurückkehrenden Iraker annehmen würde, wäre diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land anzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung irakischer Staatsangehöriger würden diese gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das bereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lässt sich nicht feststellen.
46 
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak äußerst angespannt ist und Gewaltakte, wie der täglichen Berichterstattung durch die Medien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswärtiges Amt , Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 7.5.2004; Süddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalität - vor allem in den Städten - hat zugenommen, wenn auch Polizei- und Ordnungskräfte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalität aufweisen können (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische Machtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die zukünftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der mäßigende Einfluss des schiitischen Führers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in Nadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht uneingeschränkt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttätigen terroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch ausländischen Gruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfänglich stabilen Norden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Rückkehrgefährdung irakischer Schutzsuchender vom März 2003).
47 
Indes lässt sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit erfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und lokale Bereiche, die von gewalttätigen terroristischen Anschlägen betroffen sind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen zusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehörige, die mit Racheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen Polizeikräfte sind immer mehr Ziel von Anschlägen (AA vom 7.5.2004; Die Welt vom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen - Auseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt anzusehen sind und namentlich die größeren Städte oder Orte mit exponierten Einrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende Gefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fällt auf, dass erkennbares Ziel von Anschlägen vor allem herausragende Persönlichkeiten (prominente Politiker und Geistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die Folgen solcher gewalttätigen Auseinandersetzungen und Anschläge die Bevölkerung gleichsam „blind“ (mit-)treffen können, ist in Betracht zu ziehen, trägt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen Gefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO).
48 
Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell gefährdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des „Oil-for-Food“-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewährleistet, auch wenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom 7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlägen auf die Elektrizitätswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr zusammenhängende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass indes von einer „existenziellen Gefährdung“ ausgegangen werden kann (AA vom 7.5.2004). Eine befürchtete „humanitäre Katastrophe“ ist ausgeblieben, wobei die Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser ist als im Süden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische Grundversorgung ist möglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach gewährleistet (AA vom 7.5.2004).
49 
Unter den genannten Umständen, dass einerseits die möglicherweise extreme Gefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als zwar angespannt aber nicht existenziell gefährdend zu beurteilen ist, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dies würde unabhängig davon gelten, ob es ihm gelingen würde, im Nordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen wäre, in sein Herkunftsgebiet im Zentralirak zurückzukehren.
50 
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG).
51 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, § 83b AsylVfG.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
15 
Die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten und des beteiligten Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten, über die der Senat in deren Abwesenheit entscheidet (vgl. § 125 Abs. 1, § 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig (vgl. auch § 87b AsylVfG i. d. F. des Art. 3 Nr. 48 des Zuwanderungsgesetzes) und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen; denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen (dazu 1.), oder hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG (dazu 2.) vorliegen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
16 
(1) Nach § 51 Abs. 1 AuslG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Der Begriff des Verfolgten im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist , was die Verfolgungsmaßnahmen, die geschützten Rechtsgüter und den politischen Charakter der Verfolgung angeht, mit dem entsprechenden Begriff in Art. 16a Abs. 1 GG identisch (vgl. BVerwG, Urteile vom 18.2.1992, Buchholz 402.25 § 7 AsylVfG Nr. 1 und vom 18.4.1994, NVwZ 1994, 497; vgl. ferner etwa Kanein/Renner, Ausländerrecht, 6. Aufl., § 51 AuslG RdNr. 9). Politische Verfolgung im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist grundsätzlich staatliche Verfolgung durch Zufügung gezielter Rechtsverletzungen, die den Betroffenen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345; BVerwG, Urteil vom 22.3.1994, NVwZ 1994, 1112). Der Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG greift weitergehend aber auch dann ein, wenn etwa politische Verfolgung wegen eines unbeachtlichen Nachfluchtgrunds droht oder ein Asylanspruch an einer früher erlangten anderweitigen Sicherheit vor Verfolgung gemäß § 27 AsylVfG oder der Einreise aus einem sicheren Drittstaat nach § 26a AsylVfG scheitert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.3.1992, Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 10).
17 
Bei unverfolgt aus dem Heimatstaat ausgereisten Schutzsuchenden gilt der allgemeine Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit im Abschiebungsverfahren nach § 51 Abs. 1 AuslG ebenso wie im Anerkennungsverfahren nach Art. 16a Abs. 1 GG (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.11.1992, InfAuslR 1993, 150). Dieser Prognosemaßstab enthält neben dem Element der Eintrittswahrscheinlichkeit auch das Element der zeitlichen Nähe des befürchteten Eingriffs (BVerwG, Urteil vom 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166). Von einer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden oder - was gleichbedeutend ist - unmittelbaren Verfolgung ist dann auszugehen, wenn die für die Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, BVerwGE 89, 162, 169 ff.). Dabei ist eine rein quantitative oder statistische Betrachtung nicht angezeigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.7.1991, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 146). Maßgebend ist letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat; dieser bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die Möglichkeit einer Verfolgung im Heimatland muss derart greifbar sein, dass ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr nicht auf sich nimmt, wobei auch die Schwere des befürchteten Eingriffs in gewissem  Umfang zu berücksichtigen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991, a.a.O.).
18 
Wer demgegenüber bereits vor der Flucht vom Verfolgungsmaßnahmen betroffen oder unmittelbar damit bedroht war, ist nur dann nicht als politisch verfolgt anzusehen, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen im Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989, BVerfGE 80, 315, 345;  BVerwG, Urteil vom 25.9.1984, BVerwGE 70, 169, 171).
19 
Der Kläger unterlag nach Überzeugung des Senats in seinem Heimatland bis zu seiner Ausreise nicht politischer Verfolgung.
20 
Geht man von seinen Angaben aus, so geht der Entschluss des Klägers, sein Heimatland zu verlassen, auf die Befürchtung zurück, wegen von seinem ehemaligen Geschäftspartner zum Nachteil des irakischen Staates begangener Eigentumsdelikte ebenfalls bestraft zu werden. Der befürchteten Sanktion wäre schon kein Verfolgungscharakter zugekommen, der die Annahme einer sog. Vorverfolgung tragen könnte, denn sie hätte sich ausschließlich als staatliche Verfolgung kriminellen Unrechts  dargestellt. Der Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat wäre nicht durch einen Angriff auf ein politisches Rechtsgut geprägt gewesen.
21 
Dem nach allem unverfolgt ausgereisten Kläger steht auch ein nach § 51 Abs. 1 AuslG zu berücksichtigender Nachfluchtgrund nicht zu. Denn für den Fall einer Rückkehr in den Irak drohen ihm asylrechtlich erhebliche Maßnahmen mit der zu fordernden beachtlichen Wahrscheinlichkeit nicht. Derzeit und für die nächste Zukunft ist eine politische Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr in den Irak ausgeschlossen.
22 
Zwar kann mittlerweile nicht mehr davon die Rede sein, es fehle an einer irakischen Staatsmacht, die politische Verfolgung zurechenbar veranlassen könnte (so noch der Senat im Beschluss vom 26.4.2004 - A 2 S 172/02 -). Im jetzigen Zeitpunkt (vgl. dazu auch § 77 AsylVfG) und damit für das anhängige Asylverfahren ist von dem Vorhandensein einer staatlichen Macht im Irak auszugehen.
23 
Staatlichkeit (und „Quasi-Staatlichkeit“) im Sinne vom Art. 16a Abs. 1 GG ist im Zusammenhang mit dem Begriff des „politisch“ Verfolgten zu betrachten und daher in Beziehung zu setzen zu der Frage, ob eine Maßnahme den Charakter einer politischen Verfolgung im Sinne des Art. 16a GG aufweist, vor der dem davon Betroffenen Schutz gewährt werden soll. Politische Verfolgung geht demnach von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht aus, der der Verletzte unterworfen ist; politische Verfolgung ist demnach grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 333 ff.). Maßgeblich für die Bewertung einer Maßnahme als politische Verfolgung ist, dass der Schutzsuchende einerseits in ein übergreifendes, das Zusammenleben in der konkreten Gemeinschaft durch Befehl und Zwang ordnendes Herrschaftsgefüge eingebunden ist, welches den ihm Unterworfenen in der Regel Schutz gewährt, andererseits aber wegen asylerheblicher Merkmale von diesem Schutz ausgenommen und durch gezielt zugefügte Rechtsverletzungen aus der konkreten Gemeinschaft ausgeschlossen wird, was ihn in eine ausweglose Lage bringt, der er sich nur durch Flucht entziehen kann. Mit Blick auf eine Bürgerkriegssituation hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass sich die Frage, ob nach dem Fortfall der bisherigen Staatsgewalt von einer Kriegspartei politische Verfolgung ausgehen kann, maßgeblich danach beurteilt, ob diese zumindest in einem „Kernterritorium“ ein solches Herrschaftsgefüge von gewisser Stabilität - im Sinne einer „übergreifenden Friedensordnung“ (BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989, a.a.O., 334 ff.) -tatsächlich errichtet hat (so BVerfG, Beschluss vom 10.8.2000 - 2 BvR 260/98, 1353/98 -). Dieser rechtliche Ansatz, mit dem einem mehr staatsrechtlichen Verständnis (so BVerwG, Urteil vom 4.11.1997, BVerwGE 105, 306) entgegengetreten wird, ist auch in Übergangssituationen maßgeblich, in denen sich - wie hier - nach Auflösung der bisherigen Staatsmacht eine neue Herrschaftsordnung bildet. Auch Letztere ist danach zu beurteilen, ob sie eine im genannten Sinne „übergreifende Friedensordnung“ geschaffen hat. Dies ist im Falle des Iraks zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) anzunehmen.
24 
Die staatliche Macht, wie sie sich derzeit darstellt, ist nach Beendigung des Saddam-Regimes und einem zwischenzeitlichen „Machtvakuum“ neu entstanden. Das ehemalige Regime hat seine politische und militärische Herrschaft durch die am 20.03.2003 unter der Führung der USA begonnenen Militäraktionen endgültig verloren (Auswärtiges Amt, Lageberichte vom 06.11.2003 und vom 7.5.2004; Senat, Beschl. vom 27.01.2004 - A 2 S 1079/02 -; HessVGH, Beschl. vom 21.11.2003 - 10 UZ 984/03.A -; OVG Sachsen, Beschl. vom 28.08.2003 - A 4 B 573/02 -). Die Militäraktionen führten zur Auflösung der staatstragenden Organisationen und Institutionen dieses Regimes wie beispielsweise der Baath-Partei, der Armee und der Geheimdienste. Saddam Hussein selbst wurde festgesetzt, die meisten der an der Regierungsausübung beteiligten Angehörigen und eine Vielzahl an Funktionsträgern sind entmachtet. Nach Abschluss der Militäraktionen wurde eine „provisorische Behörde“ (Coalition Provisional Authority - CPA) gebildet, die sich auf Kräfte der amerikanischen und britischen Armee sowie auf Militär- und Polizeikontingente weiterer 36 Staaten stützte (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 6.11.2003). Diese Behörde begann mit dem Neuaufbau einer Verwaltung, um die öffentliche Sicherheit und die Grundversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten (Auswärtiges Amt, a.a.O.).
25 
Als erster Schritt zum Aufbau einer Übergangsregierung wurde ein Regierungsrat (Transitory Governing Council) berufen, der sich aus Vertretern aller Bevölkerungsschichten, Ethnien und Glaubensrichtungen zusammensetzte und von einer unter den Ratsmitgliedern rotierenden Präsidentschaft geführt wurde. Der Übergangsrat hatte unter anderem die Aufgabe, eine neue Verfassung auszuarbeiten sowie allgemeine freie Wahlen vorzubereiten (dazu Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Berichte vom 7.8. und 6.12.2003.). Anfang September 2003 kam es zur Bildung eines 25-köpfigen Interimskabinetts, das dem politischen und religiösen Anteil des Übergangsrats entsprach. Dieser vereinbarte mit der CPA am 15.11.2003 die „Beschleunigung des politischen Prozesses“, wobei u.a. die Verpflichtung der Vereinigten Staaten zur Beendigung der Besatzung zum 1.7.2004 vorgesehen wurde.
26 
Mittlerweile ist am 1.7.2004 die irakische Übergangsregierung eingesetzt und eine Nationalversammlung einberufen, die ein künftiges Parlament bestimmen und Wahlen für Januar 2005 vorbereiten soll (FAZ vom 16.8.2004). Die Regierung Allawi hat die Geschäfte einer Übergangsregierung übernommen und leitet die Verwaltung des Landes - wenn auch dies alles im Rahmen einer noch nicht abgeschlossenen Anlaufphase erfolgt. Namentlich die staatliche Ordnungsmacht muss sich noch auf die Koalitionstruppen stützen, um den um die Teilhabe an der Macht kämpfenden Gruppierungen im Land zu begegnen. Der Übergangsrat hat sich Anfang Juni 2004 aufgelöst, nachdem er sich am 01.03.2004 auf eine Übergangsverfassung geeinigt hatte, die am 8.3.2004 unterzeichnet worden ist. In ihr bekennt sich der irakische Staat zu demokratischen Grundwerten, darunter Meinungs- und Religionsfreiheit (BNN vom 09.03.2004), und regelt u.a. die Staatsbürgerschaft, das Recht auf Wiedereinbürgerung (Art. 11) und Abschiebungsschutz für Flüchtlinge (Art. 19).
27 
Die staatliche Souveränität ist - auch nach außen - gestärkt durch den einstimmigen Beschluss des UN-Sicherheitsrats vom 8.6.2004, der die Machtübergabe an eine souveräne Übergangsregierung im Irak zum 30.6.2004 hervorhebt und die Erklärung enthält, dass die neue Regierung des Iraks jederzeit die internationalen Truppen zum Abzug aufzufordern darf. Zwar ist ein Veto-Recht gegen US-geführte Militäreinsätze nicht vorgesehen, das Mandat hierfür läuft jedoch entsprechend der Resolution auf jeden Fall Ende Januar 2006 aus (NZZ vom 9.6.2004 und BNN vom 10.6.2004). Am 28.6.2004 hat die amerikanisch geführte Zivilverwaltung ihre Befugnisse an die irakische Übergangsregierung Allawi abgetreten. Diese nimmt die staatlichen Befugnisse nach Auflösung des Übergangsrats Anfang Juni 2004 auch wahr. So wurde u.a. (Die Welt vom 9.8.2004) am 7.8.2004 ein Amnestiegesetz unterzeichnet, das Straffreiheit für geringfügige Delikte regelt; ausgenommen sind Tötungsdelikte. Auch wurde (so Die Welt a.a.O.) die Todesstrafe wieder eingeführt für Morddelikte und Delikte gegen die Sicherheit des Landes. Ein bereits am 7.7.2004 unterzeichnetes Notstandsgesetz gibt der Regierung umfangreiche Vollmachten und namentlich die Möglichkeit, das Kriegsrecht zu verhängen (BZ vom 8.7.2004). Der Aufbau einer Ordnungsmacht ist in vollem Gang und Polizeikräfte des Iraks nehmen umfangreiche Ordnungs- und Sicherheitsmaßnahmen wahr, wie die Auseinandersetzung um die Stadt Nadjaf im August 2004 belegt. Die irakische Armee verfügt derzeit über sieben ausgebildete und einsatzbereite Bataillone (FAZ vom 16.8.2004). Nachdem auch formal als Folge der o.a. UN-Resolution eine Besetzung des Iraks seit dem 1.7.2004 nicht mehr gegeben ist, ist bei einer Gesamtwürdigung der aufgezeigten derzeitigen Verhältnisse im Irak insgesamt die Herausbildung einer irakischen Staatsgewalt als Grundvoraussetzung für eine ihr zurechenbare politische Verfolgung gegeben.
28 
Diese Entwicklung darf der Senat auf der Grundlage der o.a. Erkenntnisse, auch soweit sie allgemeinkundige Tatsachen betreffen, hier verwerten. Denn es geht bei Letzteren um Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen in der Regel ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich doch jederzeit durch Benutzen allgemein zugänglicher Quellen unschwer überzeugen können (zu dieser Voraussetzung BVerwG, Urteil vom 13.7.1982, NVwZ 1983, 99; Urteil vom 20.10.1992, BVerwGE 91, 104, 108 = NVwZ 1993, 275; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 7.11.1990 - 2 BvR 1566/87 -, InfAuslR 1991, 100, 102). Zwar ist eine Tatsache nicht schon dann allgemeinkundig, wenn sie in allgemein zugänglichen Medien - namentlich der Presse - veröffentlicht wird (dazu BVerfG, Beschl. vom 4.12.1991 - 2 BvR 675/91 -, NVwZ 1992, 561, 562). Indes ist hier zu berücksichtigen, dass sich der Zugang zu diesen Quellen angesichts des konkreten Bezugs der Beteiligten zur anstehenden Problematik nahezu aufdrängt. In Ergänzung dessen ist den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zudem auch eine Presseübersicht aus neuerer Zeit ausgehändigt worden.
29 
Dass sich mit Blick auf die aufgezeigte Entwicklung eine Wahrscheinlichkeit für eine politische Verfolgung des Klägers durch die irakische Staatsgewalt ergeben könnte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass er den Irak als Vorverfolgter verlassen hat, wäre ihm Abschiebungsschutz grundsätzlich nur dann zu versagen, wenn eine Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen wäre (sog. herabgestufter Prognosemaßstab, vgl. BVerwG, Urt. vom 5.7.1994, NVwZ 1994, 500). Eine solche Wiederholung steht aber nicht in Rede. Sie und der damit anzuwendende Prognosemaßstab setzen eine Verknüpfung zwischen erlittener und künftig drohender Verfolgung für die Frage der Schutzgewährung voraus (vgl. OVG NW, Urt. vom 14.8.2003          - 20 A 430/02. A -). Eine situationsbedingte Vorverfolgung führt nur bei der Gefahr der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung zur Anwendung des herabgestuften Maßstabs. Der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist nur dann anzuwenden, wenn bei einer am Gedanken der Zumutbarkeit der Rückkehr ausgerichteten wertenden Betrachtung ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter Verfolgung dergestalt besteht, dass bei Rückkehr des Asylsuchenden mit einem Wiederaufleben der bereits einmal erlittenen Verfolgung zu rechnen ist oder nach den gesamten Umständen das Risiko der Wiederholung einer gleichartigen Verfolgung besteht. Ist die (vermutete) politische Überzeugung oder Gesinnung des Asylsuchenden Anknüpfungspunkt der Verfolgung, ist zu prüfen, ob eine darauf beruhende Vorverfolgung auch unter veränderten politischen Verhältnissen - wie etwa bei einem Regimewechsel - ein Wiederholungsrisiko indiziert (BVerwG, Urt. vom 18.2.1997, BVerwGE 104, 97).
30 
Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Vor einer Verfolgungswiederholung aus Gründen, die den Anlass zu der behaupteten Vorverfolgung gegeben haben sollen, ist der Kläger hinreichend sicher. Es sind keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak in Anknüpfung an die ihm zur Last gelegten Vorgänge - ihren „politischen“ Charakter als gegen das Regime Saddam Husseins gerichtetes oder von diesem so gewertetes Verhalten unterstellt - von der neu gebildeten Staatsgewalt Übergriffe zu besorgen hätte. Vielmehr ist es mehr als überwiegend wahrscheinlich, dass dem Kläger in Anknüpfung an das bisher Vorgetragene durch die jetzige Staatsgewalt keine asylrelevanten Nachteile drohen, eine Wiederholungsgefahr mithin mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11.2.2004 - 1 C 23.02 -; Urteil vom 24.2.2004 -1 C 24.02 -). Gleiches gilt für die Bewertung des ungenehmigten Auslandsaufenthaltes und der Asylantragstellung. Es ist nicht zu erkennen, dass der irakische Staat in seiner jetzigen Herrschaftsform diese Umstände zum Anlass für asyl- bzw. abschiebungsrelevante Verfolgungsmaßnahmen nehmen wird (vgl. dazu auch Nds.OVG, Beschl. vom 30.3.2004, AuAS 2004, 13, 14). Etwa drohende strafrechtliche Ermittlungen oder die Ahndung kriminellen Unrechts in Anknüpfung an Vorgänge vor der Ausreise wären in diesem Zusammenhang - wie oben dargelegt - ohnehin bedeutungslos.
31 
(2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.
32 
Ein Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 1 bis Abs. 4 AuslG erfordert eine von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgehende konkret-individuell drohende Gefahr. Daran fehlt es, da - wie oben dargelegt -Anhaltspunkte für vom irakischen Staat ausgehende Gefahren im Sinne der genannten Bestimmungen (vgl. BVerwG, Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und vom 15.4.1997, BVerwGE 104, 265) nicht gegeben sind.
33 
Dem Kläger drohen bei einer unterstellten Rückkehr auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG begründen. Danach kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme einer solchen Gefahr genügt nicht die lediglich denkbare Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in die genannten Rechtsgüter zu werden. Gefordert ist vielmehr die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines derartigen Eingriffs. Die Annahme einer „konkreten“ Gefahr setzt - wie durch Satz 2 der Bestimmung deutlich wird - eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zugerechnet werden muss (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324; Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 115, 1, 7 ff. und neuerdings Urt. vom 16.6.2004 - 1 C 27.03 -). Einen solchermaßen bestimmten Sachverhalt, der ein Abschiebungshindernis nach diesen Voraussetzungen erfüllen könnte, hat der Kläger nicht vorgetragen.
34 
Auch bei der allgemeinen unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen, handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG führen, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Individuelle Gefährdungen des Ausländers, die sich aus allgemeinen Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ergeben, können auch dann nicht als Abschiebungshindernis unmittelbar nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG berücksichtigt werden, wenn sie durch Umstände in der Person oder in den Lebensverhältnissen des Ausländers begründet oder verstärkt werden, aber nur typische Auswirkungen der allgemeinen Gefahrenlage sind (BVerwG, Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77).
35 
Handelt es sich um allgemeine Gefahren, denen aber die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, können sie im Grundsatz nur entsprechend der Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG aufgrund einer Entscheidung der obersten Landesbehörde nach § 54 AuslG zur Aussetzung der Abschiebung führen. Mit dieser Regelung soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe (als abgrenzbarer Teil der Bevölkerung) gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) und eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der möglicherweise Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten Landesbehörden, gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, entschieden wird (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324, 327; Urt. vom 27.4.1998, NVwZ 1998, 973 und Urt. vom 8.12.1998, BVerwGE 108, 77, 80). Diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung ist für das genannte Bundesamt und die Verwaltungsgerichte wegen der verfassungsrechtlichen Vorgabe in Art. 20 Abs. 3 GG regelmäßig bindend (vgl. BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379).
36 
Auch ein Anspruch des Klägers auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses auf der Grundlage einer verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG besteht nicht.
37 
Ausnahmsweise dürfen das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte im Einzelfall Ausländern, die zwar einer gefährdeten Gruppe im Sinne von § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 54 AuslG nicht besteht, Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 53 Abs. 6 AuslG zusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer außergewöhnlichen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer in Folge einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG als Ausdruck eines menschenrechtlichen Mindeststandards, jedem betroffenen Ausländer trotz Fehlens einer Ermessensentscheidung nach §§ 53 Abs. 6 Satz 2, 54 AuslG Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zu gewähren. Gleiches folgt mit Rücksicht auf das gesetzliche Schutzkonzept auch dann, wenn der Abschiebung zwar anderweitige - nicht unter § 53 Abs. 1, 2, 4 und Abs. 6 Satz 1 AuslG oder § 54 AuslG - fallende Hindernisse entgegenstehen, diese aber keinen gleichwertigen Schutz bieten.
38 
Gleichwertig ist ein anderweitiger Schutz nur, wenn er dem entspricht, den der Ausländer bei Vorliegen eines Erlasses nach § 54 AuslG hätte oder den er bei Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Anderweitiger vergleichbarer Schutz vor Abschiebung besteht ferner dann, wenn der Ausländer im entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung als eines weiterreichenden Titels zum legalen Aufenthalt oder zumindest einer Duldung ist, die aus asylverfahrensunabhängigen Gründen erteilt worden ist und deren Schutzwirkung nicht hinter der einer gesetzlichen Duldung nach § 41 AsylVfG zurückbleibt. Dies dient auch der Verfahrens- und Prozessökonomie, das Bundesamt und die Gerichte von der -u.U. aufwändigen - Prüfung einer extremen Gefahrenlage zu entlasten, wenn der Aufenthalt des Ausländers wegen eines anderweitigen Bleiberechts oder Abschiebungshindernisses ohnehin nicht in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem negativen Abschluss des Asylverfahrens beendet werden kann.
39 
Ein Durchbrechen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ist unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit demnach nicht zulässig, wenn ebenso wie bei einem Erlass nach § 54 AuslG eine entsprechende sonstige Erlasslage besteht. Für diese ist ebenso wie bei § 54 AuslG nur maßgebend, ob sie besteht und anwendbar ist. Ein Durchbrechen der o.g. Sperrwirkung ist ferner nicht zulässig, wenn der Betroffene einen Abschiebungsschutz besitzt, den er bei unmittelbarer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erreichen könnte. Wird ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG festgestellt, ist die Abschiebung in den betreffenden Staat - ohne Aufhebung der Androhung und der Ausreisepflicht -in widerruflicher Weise für die Dauer von zunächst drei Monaten ausgesetzt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AsylVfG); nach Ablauf von drei Monaten entscheidet die Ausländerbehörde - unter Beachtung der Bindungswirkung der Entscheidung zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nach § 42 AsylVfG - über die Erteilung einer Duldung (§ 41 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG) (zum Ganzen vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 12.7.2001, BVerwGE 114, 379 f. = NVwZ 2001, 1420 f., m.w.N. zur Rspr. des Gerichts).
40 
Ein danach gleichwertiger Abschiebungsschutz besteht im Falle des Klägers auf der Grundlage der baden-württembergischen Erlasslage. Nach dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren vom 21.11.2003 (abgedruckt u.a. in Asylmagazin 2003, 15) hat eine freiwillige Rückkehr in den Irak Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung dorthin, von der erst nach Schaffung eines abgestimmten Konzepts des Bundes mit den Ländern Gebrauch gemacht werden soll. Dem Rechnung tragend hat das Innenministerium Baden-Württemberg durch Erlass vom 27.11.2003 (4-13-IRK/12) entschieden, dass irakischen Staatsangehörigen Duldungen erteilt werden bzw. ausgesprochene Duldungen verlängert werden.
41 
Einen entsprechenden Beschluss hat die Konferenz der Innenminister und -senatoren in ihrer Sitzung vom 7. und 8. Juli 2004 gefasst, für dessen Umsetzung das Innenministerium Baden-Württemberg mit Erlass vom 29.7.2004 (4-13-IRK/12) eine weitere Regelung getroffen hat. Danach ist eine freiwillige Rückkehr in den Irak grundsätzlich möglich und zumutbar und es kommt daher die Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 30 Abs. 3 und Abs. 4 AuslG in der Regel nicht mehr in Betracht. Jedoch können Duldungen weiterhin für jeweils drei Monate verlängert werden. Sobald Rückkehrmöglichkeiten gegeben seien, wird das Innenministerium darüber informieren.
42 
Da sich die Frage nach der Gleichwertigkeit auf den Abschiebungsschutz bezieht (und beschränkt), ist es rechtlich unerheblich, dass die Erlasslage auch von der Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr der Betroffenen in den Irak ausgeht und deshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für Betroffene ausschließt. Folgt aus dem Nachrang der verfassungskonformen Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG deren Nichtanwendung dann, wenn der Ausländer bereits eine den vergleichbar wirksamen Abschiebungsschutz vermittelnde Duldung besitzt oder diese ihm auf Grund der ausländerrechtlichen Erlasslage gewährt wird oder gewährt werden muss, so kommt es nicht darauf an, ob der Schutz auf rechtlichen - insbesondere inlandsbezogenen - Abschiebungshindernissen, die auch die Zumutbarkeit der freiwilligen Rückkehr ausschließen, oder lediglich auf faktischen Abschiebungshindernissen beruht. Denn auch der auf § 54 AuslG beruhende Abschiebungsschutz umfasst keine Feststellung zur Zumutbarkeit einer freiwilligen Rückkehr, da er nach politischem Ermessen gewährt wird. Abschiebungsschutz in diesem Sinn kann auch dann gewährt werden, wenn dieser weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich zwingend geboten ist.
43 
Der nach allem entscheidungserhebliche gleichwertige Abschiebungsschutz ist entsprechend der o.a. Erlassregelung gewährleistet, nach der irakischen Staatsangehörigen mit Blick auf die derzeitigen Verhältnisse in ihrem Heimatland eine dreimonatige Duldung zu erteilen ist. Der hiervon gleichfalls erfasste Kläger steht im rechtlichen Ergebnis deshalb nicht schlechter als er im Falle der Gewährung von Abschiebungsschutz durch einen Erlass nach § 54 AuslG stünde. Dann hätte ein auf § 53 Abs. 6 AuslG in verfassungskonformer Anwendung gestütztes Feststellungsbegehren zwar keinen Erfolg, indes wäre eine Rechtsschutzlücke nicht gegeben. Sollte der durch die in Rede stehende Erlasslage vermittelte Abschiebungsschutz entfallen, kann der Betroffene unter Berufung auf eine extreme Gefahrenlage jederzeit ein Wiederaufgreifen des Verfahrens fordern. Bis zu einer Entscheidung des Bundesamts darf die Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen (Eil-)Rechtsschutzes hatte (dazu BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.). Ist davon auszugehen, dass ein gleichwertiger Abschiebungsschutz hier gegeben ist, kann offen bleiben, ob dieser auch dem aus § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG folgenden (gleichwertig) entspricht. Jedenfalls scheidet eine Feststellung eines Abschiebungshindernisses in verfassungskonformer Anwendung von § 53 Abs. 6 AuslG aus.
44 
Sie kommt unabhängig davon auch deshalb nicht in Betracht, weil eine außergewöhnliche („extreme“) Gefahrenlage für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Irak nicht festgestellt werden kann.
45 
Ob von einer solchen Lage auszugehen ist, ist nach den Verhältnissen des Landes zu beurteilen, in das abgeschoben werden soll (BVerwG, Urt. vom 12.7.2001, a.a.O.). Diese Verhältnisse sind landesweit in Blick zu nehmen. Auch wenn man erhebliche Gefährdungsmomente für einen zurückkehrenden Iraker annehmen würde, wäre diese Gefahrenlage indes nicht im gesamten Land anzunehmen. Dass allein der Schluss erlaubt sei, im Falle der Abschiebung irakischer Staatsangehöriger würden diese gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen oder mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungerstod ausgeliefert (s. dazu das bereits oben genannte Urteil des BVerwG vom 12.7.2001, a.a.O., m.w.N.), lässt sich nicht feststellen.
46 
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass die Sicherheitslage im Irak äußerst angespannt ist und Gewaltakte, wie der täglichen Berichterstattung durch die Medien zu entnehmen ist, an der Tagesordnung sind (Auswärtiges Amt , Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Irak vom 7.5.2004; Süddeutsche Zeitung vom 30.6.2004). Auch die Kriminalität - vor allem in den Städten - hat zugenommen, wenn auch Polizei- und Ordnungskräfte begrenzte Erfolge im Kampf gegen die allgemeine Kriminalität aufweisen können (AA vom 7.5.2004). Ferner zeigt der innerirakische politische Machtkampf, dass eine erhebliche Gewaltbereitschaft besteht, wenn es um die zukünftige Teilhabe an der Regierungsmacht geht. Der mäßigende Einfluss des schiitischen Führers Sistani, dem es gelang, die Auseinandersetzungen in Nadjaf zu beenden, ist bislang selbst bei den Schiiten des Landes nicht uneingeschränkt wirksam. Zunehmend ist auch die Zahl der gewalttätigen terroristischen Auseinandersetzungen, die irakischen, aber auch ausländischen Gruppen zugeschrieben werden, und die zunehmend auch im anfänglich stabilen Norden des Landes erfolgen (UNCHR, UNHCR-Position zur Rückkehrgefährdung irakischer Schutzsuchender vom März 2003).
47 
Indes lässt sich nicht feststellen, dass Terror und Gewalt landesweit erfolgen. Vielmehr sind es vorwiegend wirtschaftlich bedeutsame Objekte und lokale Bereiche, die von gewalttätigen terroristischen Anschlägen betroffen sind. So sind es vor allem die Besatzungstruppen, die mit ihnen zusammenarbeitenden Politiker und sonstige irakische Staatsangehörige, die mit Racheakten zu rechnen haben. Namentlich auch die neu gebildeten irakischen Polizeikräfte sind immer mehr Ziel von Anschlägen (AA vom 7.5.2004; Die Welt vom 16.4.2004). Auszugehen ist daher von - wenn auch erheblichen - Auseinandersetzungen gewaltsamer Art, die aber als noch regional begrenzt anzusehen sind und namentlich die größeren Städte oder Orte mit exponierten Einrichtungen betreffen, jedenfalls aber nicht als landesweit bestehende Gefahrenlage zu beurteilen sind. Auch fällt auf, dass erkennbares Ziel von Anschlägen vor allem herausragende Persönlichkeiten (prominente Politiker und Geistliche) bzw. besondere Einrichtungen sind (FAZ vom 14.6.2004). Dass die Folgen solcher gewalttätigen Auseinandersetzungen und Anschläge die Bevölkerung gleichsam „blind“ (mit-)treffen können, ist in Betracht zu ziehen, trägt allerdings die Annahme einer landesweit bestehenden extremen Gefahrenlage nicht (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 30.3.2004, aaO).
48 
Auch die Versorgungslage im Irak stellt sich nicht als extrem existenziell gefährdend dar. Die Lebensmittelversorgung ist seit der Wiederaufnahme des „Oil-for-Food“-Programms nach den Kriegshandlungen wieder gewährleistet, auch wenn Millionen von Menschen auf fremde Hilfe angewiesen bleiben (AA vom 7.5.2004). Die Stromversorgung leidet zwar zunehmend unter den Anschlägen auf die Elektrizitätswerke (FAZ vom 21.6.2004) und wird - wie die mit ihr zusammenhängende Trinkwasserversorgung - als kritisch bezeichnet, ohne dass indes von einer „existenziellen Gefährdung“ ausgegangen werden kann (AA vom 7.5.2004). Eine befürchtete „humanitäre Katastrophe“ ist ausgeblieben, wobei die Lage im Nordirak wegen der dort vorhandenen Verwaltungsstrukturen besser ist als im Süden des Landes und im Zentralirak. Die medizinische Grundversorgung ist möglicherweise nicht im Einzelfall, aber dem Grunde nach gewährleistet (AA vom 7.5.2004).
49 
Unter den genannten Umständen, dass einerseits die möglicherweise extreme Gefahrenlage nicht landesweit besteht und andererseits die Versorgungslage als zwar angespannt aber nicht existenziell gefährdend zu beurteilen ist, kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde. Dies würde unabhängig davon gelten, ob es ihm gelingen würde, im Nordirak Fuß zu fassen, oder ob er gezwungen wäre, in sein Herkunftsgebiet im Zentralirak zurückzukehren.
50 
Auch die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. dazu §§ 34, 38 AsylVfG i.V.m. § 50 AuslG).
51 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 (entspr.) VwGO, § 83b AsylVfG.
52 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Februar 2006 - A 11 K 17/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger, nach seinen Angaben ein am 17.8.1967 in Bagdad/Irak geborener irakischer Staatsangehöriger arabischer Volkszugehörigkeit schiitischen Glaubens, reiste im Januar 2000 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt - stellte mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.1.2000 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Iraks vorliegen.
Nach vorheriger Anhörung widerrief das Bundesamt mit Bescheid vom 22.8.2005 die Feststellung, dass im Fall des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und stellte zugleich das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG fest. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Feststellung des Abschiebungsverbots gemäß § 51 Abs. 1 AuslG lägen nicht mehr vor. Die Prognose einer drohenden politischen Verfolgung lasse sich nicht mehr treffen, nachdem sich die Herrschaftsverhältnisse im Irak seit der am 20.3.2003 begonnenen Militäraktion einer Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten grundlegend geändert hätten und keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich seien, dass das frühere Regime unter Saddam Hussein die Staatsmacht wieder erlangen könnte.
Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 12.9.2005 Klage erhoben, mit der er beantragt, den Widerrufsbescheid vom 22.8.2005 aufzuheben, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
Durch Urteil vom 13.2.2006 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Bundesamts vom 22.8.2005 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG in der durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 geltenden Fassung lägen nicht vor. Nach der auch schon vor Ablauf der Umsetzungsfrist anwendbaren Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitigen internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (sogenannte Qualifikationsrichtlinie) lägen die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erst dann vor, wenn aufgrund nachhaltiger und dauerhafter Veränderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eine effektive Schutzgewährung unter Beachtung des Zumutbarkeitskriteriums des Art. 1 C Nr. 5 GFK und Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie bejaht werden könne. Es könne offen bleiben, ob nach Art. 1 C Nr. 5 GFK dem Flüchtling eine Rückkehr erst dann zumutbar sei, wenn in seinem Herkunftsstaat eine weitgehend funktionierende Regierung vorhanden sei, die sich grundlegender Verwaltungsstrukturen bedienen könne, um eine angemessene Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten, innerhalb derer die Einwohner ihr Recht auf eine Existenzgrundlage wahrnehmen könnten. Sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Regelung dürften eine solche Auslegung nahe legen. Jedenfalls müssten im Herkunftsland Verhältnisse herrschen, die mit hinreichender Sicherheit eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG ausschlössen, denn nur dann sei es einem früheren Flüchtling zumutbar, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen. Ob diese Voraussetzungen in Bezug auf ein Land gegeben seien, erfordere eine Bewertung der jeweiligen Lage. Hierbei dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden, indem etwa Verhältnisse gefordert würden, wie sie in Europa üblich seien. Allerdings sei es nach Überzeugung der Kammer auch nicht zulässig, wesentliche Aspekte der Schutzgewährung, wie die allgemeine Sicherheitslage, die sich unmittelbar auf die Sicherheit für Leib oder Leben der Betroffenen auswirken könnten, bei der Entziehung einer schützenden Rechtsposition gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszuklammern und lediglich im Rahmen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG zu berücksichtigen, zumal wenn der Einzelne mangels staatlich gewährleisteter Sicherheit fürchten müsse, Opfer einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. b oder c AufenthG zu werden. Insbesondere werde der Regelungsgehalt des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG verkannt, wenn man trotz erheblicher Gefahren für Leib und Leben die Flüchtlingseigenschaft entziehe und die Betroffenen auf Abschiebungsschutz aufgrund vorübergehender Erlasslagen verweise. Danach lägen die Voraussetzungen für ein Widerruf der Flüchtlingseigenschaft des Klägers nicht vor. Zwar habe sich die Situation im Irak seit der Gewährung von Abschiebungsschutz insoweit grundlegend geändert, als das Regime Saddam Husseins durch den Einsatz amerikanischer und verbündeter Truppen beseitigt worden sei und die damals herrschenden Gruppen keine staatliche Macht mehr ausübten, auch könne aufgrund der vorliegenden Informationen davon ausgegangen werden, dass dieses Regime nicht wieder an die Macht kommen werde. Es lasse sich jedoch nicht abschließend beurteilen, in welchem Umfang Angehörige der früheren Machtstrukturen in den Terrorgruppen verankert seien und dort entscheidenden Einfluss hätten, deren Sprengstoffanschläge und sonstigen Gewaltaktionen in den Städten täglich zahlreiche Todesopfer auch unter der Zivilbevölkerung forderten. Solange es der Übergangsregierung noch nicht gelungen sei, einigermaßen stabile rechtsstaatliche Verwaltungsstrukturen zu schaffen, durch die ein etwaiger verwaltungsinterner Machtmissbrauch früherer Regimeangehöriger wirksam unterbunden werden könne, sei im Hinblick auf eine mögliche Verfolgungsgefahr im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG noch keine dauerhafte und stabile Veränderung der Umstände festzustellen.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 22.3.2007 die Berufung zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.2.2006 - A 11 K 17/06 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
10 
Der Kläger beantragt,
11 
die Berufung zurückzuweisen.
12 
Dem Senat liegen die angefallenen Akten des Bundesamts und die des Verwaltungsgerichts vor. Auf deren Inhalt und auf die mit dem Anhörungsschreiben vom 1.6.2007 mitgeteilten Erkenntnismittel wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
II.
13 
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss nach § 130 a VwGO, da der Senat das zulässige Rechtsmittel der Beklagten einstimmig für begründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
14 
Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, da der Widerruf der Feststellung, dass in der Person des Klägers die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (jetzt: § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen, rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt, dass in der Person des Klägers Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5, 7 AufenthG und Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2004/83/EG nicht vorliegen. Ein bei sachdienlicher Auslegung des klägerischen Begehrens jedenfalls hilfsweise geltend gemachter Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten besteht nicht.
15 
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Urteil sind allgemeine Gefahren (z.B. aufgrund von Kriegen, Naturkatastrophen oder einer schlechten Wirtschaftslage) von dem Schutz der bei der Anwendung der Regelung des Widerrufs gemäß § 73 Abs. 1 AsylVfG heranzuziehenden „Beendigungsklausel“ gemäß Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK nicht umfasst, da unter dem Begriff „Schutz“ nach Wortlaut und Zusammenhang der sogenannten Beendigungsklausel ausschließlich der Schutz vor erneuter Verfolgung zu verstehen ist. Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsland eine Rückkehr nicht zuzumuten ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingseigenschaft nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen. Vielmehr kann insoweit Schutz nach den allgemeinen Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts gewährt werden. Nichts anderes ergibt sich - ungeachtet der Problematik der rechtlichen Vorwirkung von Richtlinien vor Ablauf der Umsetzungsfrist - auch im Hinblick auf die Regelung in Art. 11 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie, da auch diese Vorschrift auf die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung abstellt. Ausgehend von dieser rechtlichen Beurteilung hat der beschließende Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 - A 2 S 1122/05 - im Anschluss an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 - (ZAR 2006, 107) ausgeführt, es könne angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse im Irak mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass Anhänger des früheren Baath-Regimes bei realistischer Betrachtung wieder staatliche Herrschaftsgewalt ausüben werden. Eine politische Verfolgung, die eine Verknüpfung mit einer etwaigen früheren Verfolgung durch das Regime Saddam Husseins aufweisen könnte, kann bei einer Rückkehr in den Irak hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Politische Verfolgung wegen illegalen Auslandsaufenthalts oder Asylantragstellung im Ausland droht Betroffenen nicht mehr. Auf die Gründe dieses Urteils wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
16 
Dem Kläger droht politische Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG auch nicht von nichtstaatlichen Akteuren (§ 60 Abs. 1 S. 4 c AufenthG). Droht dem anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung, ist der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht der erleichterte sog. herabgestufte Maßstab der hinreichenden Sicherheit vor erneuter bzw. wiederholter Verfolgung anzuwenden (BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -, InfAuslR 2007, 33). Ob die vom Kläger behauptete Verfolgungsgefahr seitens nichtstaatlicher Akteure - hier Angehörige des ehemaligen Baath-Regimes - eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung darstellt, die in keinem inneren Zusammenhang mit der früheren mehr steht, kann der Senat offen lassen. Denn nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen und unter Würdigung des klägerischen Vortrags kann für diesen eine Gefährdung durch nichtstaatliche Akteure im Sinne des § 60 Abs. 1 S. 4 c AufenthG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Die Annahme einer Gefährdung durch Angehörige des ehemaligen Baath-Regimes bleibt substanzlos und stellt sich als reine Spekulation dar. Der Kläger schildert in diesem Zusammenhang keinen Sachverhalt, aus dem sich eine auf seine Person bezogene konkrete Verfolgungsgefahr für die heutige Zeit ergeben könnte.
17 
Es fehlen insbesondere auch Referenzfälle dafür, dass Verfolgte des Saddam-Regimes nach dem Regierungswechsel weiterhin gezielten Verfolgungsmaßnahmen - etwa in Form terroristischer Anschläge durch die militante Opposition im Irak, die sich teilweise aus arabisch-nationalistischen Kräften, die vom Saddam-Regime profitiert hatten und die im gegenwärtigen Irak keine Zukunft für sich sehen, speist - ausgesetzt sind. Die Gefahren, die durch die zahlreichen terroristischen Anschläge und die auch ansonsten katastrophale Sicherheitslage in Teilen des Iraks herrühren, sind vielmehr als allgemeine Gefahren zu qualifizieren, die die gesamte Bevölkerung - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - und nicht speziell ehemalige Opfer des Saddam-Regimes betreffen.
18 
Unabhängig davon ist es auch wenig wahrscheinlich, dass frühere Mitglieder und Anhänger der Baath-Partei die Opfer des Saddam-Regimes weiter verfolgen, um sich selbst - etwa vor Strafverfahren - zu schützen. Die justizielle Aufarbeitung der Verbrechen des Baath-Regimes beschränkte sich auf die „Großverbrechen“, deren Aburteilung bzw. deren strafrechtliche Aufarbeitung Gegenstand des Verfahrens ist, das gegen Saddam Hussein und den engsten Kreis der obersten seinerzeitigen Machthaber Iraks durchgeführt wurde und wird. Es gibt dagegen keine Erkenntnisse, dass Baathisten der mittleren oder gar der unteren Ebene staatlichen Verfolgungsmaßnahmen - etwa in Form von Strafverfahren - nach dem Sturz Saddam Husseins ausgesetzt waren und sind (DOI vom 1.9.2006 an VG München). Auch private Racheakte an ehemaligen Baath-Funktionären sind - in vereinzelter Form - nur bis Anfang 2004 belegt (DOI vom 1.9.2006 an VG München). Vor dem Hintergrund dieser Auskunftslage ist eine Furcht ehemaliger Baathisten vor Denunziation durch aus dem Ausland rückkehrende Verfolgte des Saddam-Regimes wenig wahrscheinlich. Gleichermaßen unwahrscheinlich sind damit auch zielgerichtete Verfolgungsmaßnahmen ehemaliger Baathisten gegenüber aus dem Ausland rückkehrende Opfer des Saddam-Regimes.
19 
Im Urteil vom 4.5.2006 (aaO) wird ferner unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.11.2005 (aaO) dargelegt, dass zwingende, einem Widerruf entgegenstehende Gründe im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG nur solche sein können, die auf einer früheren Verfolgung beruhen, mithin zwischen der Verfolgung und der Unzumutbarkeit der Rückkehr bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ein kausaler Zusammenhang bestehen muss. Derartige Gründe macht der Kläger jedoch nicht geltend, wenn er auf die instabilen politischen Verhältnisse sowie die schlechte Sicherheits- und Versorgungslage verweist.
20 
Der Senat hat im Urteil vom 4.5.2006 (aaO) ferner unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1.11.2005 (aaO) ausgeführt, dass das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Entscheidung über den Widerruf gem. § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG ausschließlich öffentlichen Interessen dient, so dass ein Verstoß hiergegen schon kein subjektives Recht des betreffenden Ausländers verletzen kann.
21 
Auch aus der am 1.1.2005 in Kraft getretenen Regelung in § 73 Abs. 2 a AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Die Vorschrift ist zwar im Grundsatz auch auf vor dem 1.1.2005 unanfechtbar gewordene Anerkennungen anwendbar. Das bedeutet aber nicht etwa, dass nach Ablauf von drei Jahren seit Unanfechtbarkeit der Anerkennung ein Widerruf nur noch im Wege einer für die Anerkannten günstigeren Ermessensentscheidung getroffen werden kann und darf. Denn nach dem in § 73 Abs. 2 a AsylVfG vorgesehenen neuen zweistufigen Verfahren ist ein solches Ermessen erst dann eröffnet, wenn eine vorangegangene erste Prüfung der Widerrufsvoraussetzungen stattgefunden und nicht zu einem Widerruf geführt hat (Negativentscheidung). Daran fehlt es hier. Darüber hinaus war auch die dem Bundesamt in der Vorschrift nunmehr gesetzte Frist für eine derartige erste Prüfung („spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung“) noch nicht abgelaufen, da diese Frist bei Altfällen wie hier erst mit dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1.1.2005 zu laufen begonnen hat. Die Frage, was bei einer Versäumung der Prüfungsfrist zu gelten hat, stellt sich daher im hier zu beurteilenden Fall nicht (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteile vom 20.3.2007 - 21.06, 34.06 und 28.06 -, Juris; Senatsurteile vom 4.5.2006, aaO).
22 
Schließlich hat der Senat in seinem Urteil vom 4.5.2006 (aaO) im Einzelnen ausgeführt, unter welchen Umständen ein Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines (zielstaatsbezogenen) Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 5 AufenthG in Betracht kommt. Dem Vorbringen sind Anhaltspunkte für die Annahme eines Abschiebungsverbots im Sinne dieser Vorschriften nicht zu entnehmen.
23 
Darüber hinaus drohen dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak auch keine landesweiten Gefahren, die ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen. Die Vorschrift verlangt eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit; die Annahme einer „konkreten“ Gefahr in diesem Sinne setzt eine einzelfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefährdungssituation voraus. Dem vorliegenden Akteninhalt lassen sich Anhaltspunkte für die Annahme einer solchen Gefährdungssituation nicht entnehmen. Bei der allgemein unsicheren Lage, den terroristischen Anschlägen und den wirtschaftlich schlechten Lebensumständen im Heimatland des Klägers handelt es sich um Gefahren allgemeiner Art, die nicht zum Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG führen können, weil ihnen die gesamte Bevölkerung des betroffenen Landes - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß - ausgesetzt ist. Diese Umstände führen auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zu einer Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, da dem Kläger aufgrund der baden-württembergischen Erlasslage ein der gesetzlichen Duldung nach §§ 60 Abs. 7 Satz 2, 60 a AufenthG entsprechender, gleichwertiger Abschiebungsschutz zuteil wird. Auch insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe im Senatsurteil vom 4.5.2006 (aaO) verwiesen.
24 
Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach der Richtlinie 2004/83/EG vom 29.4.2004 (ABl. L 304/12). Die Richtlinie - hier ihre Regelungen über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 in Verb. mit Art. 15 - ist nach Ablauf der Umsetzungsfrist am 10.10.2006 (Art. 38 Abs. 1 der Richtlinie) unmittelbar anwendbar. Art. 2 lit.e) der Richtlinie 2004/83/EG definiert die „Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ als Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der bei einer Rückkehr Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie zu erleiden. Als ernsthafter Schaden gem. Art. 15 lit.c) der Richtlinie 2004/83/EG gilt u.a. eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Davon ausgehend dürften die punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen - insbesondere zwischen Sunniten und Schiiten - in Teilgebieten des Zentraliraks, vor allem in Teilen Bagdads und in anderen Städten im sog. „sunnitischen Dreieck“, die Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts erfüllen (vgl. zum Begriff des „innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“: Hess. VGH, Urteil vom 9.11.2006 - 3 UE 3238/03.A - Juris; Marx, Handbuch zur Flüchtlingsanerkennung, Erläuterungen zur Richtlinie 2004/83/EG, Teil 2 - Subsidiärer Schutz -, Rdnr. 66 bis 68). Ob diese punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen auch das Gebiet erfassen, aus dem der Kläger stammt und in dessen weiterem Umfeld er seinen Lebensmittelpunkt hatte, lässt der Senat offen.
25 
Es kann schon eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers bei Rückkehr in den Irak nicht angenommen werden.
26 
Art. 15 lit. c) der Richtlinie 2004/83/EG ist im Lichte ihres 26. Erwägungsgrundes auszulegen. Begründungserwägungen, die jedem gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakt vorangestellt werden, sind integraler Bestandteil des Rechtsakts und deshalb zur Auslegung der Vorschriften des betreffenden Rechtsakts heranzuziehen. Dies gilt insbesondere im Rahmen der systematisch-teleologischen Auslegung, auf die der EuGH regelmäßig als notwendige Ergänzung und unerlässliches Korrektiv der Wortlautinterpretation zurückgreift (vgl. zum Ganzen: Borchardt in: Lenz/Borchardt, EU- und EG-Vertrag, 4. Aufl., Art. 220 Rdnr. 23 und 24 vgl. auch EuGH, Urteil vom 20.09.2001 - Rs C-184/99-, Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193)). Nur diese „Gesamtschau“ von Richtlinientext und Erwägungsgründen führt zu einer sachgerechten Auslegung und Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen. Für die Auslegung des Art. 15 lit.c) der Richtlinie 2004/83/EG bedeutet dies Folgendes:
27 
Nach dem 26. Erwägungsgrund stellen Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Damit entspricht die Regelung über die Gewährung eines subsidiären Schutzstatus nach Art. 15 lit.c) der Richtlinie - bei der Abgrenzung einer individuellen Gefahrenlage für den betreffenden Ausländer von allgemeinen Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes mehr oder weniger gleichartig ausgesetzt sind - im Kern der bisherigen Rechtslage nach § 60 Abs. 7 AufenthG (ebenso OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22.12.2006 - 1 LA 125/06 - Juris; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand Mai 2007, § 60 AufenthG Rdnr. 134; a.A. VG Stuttgart, Urteil vom 21.5.2007 - 4 K 2563/07 -, InfAuslR 2007, 321, wonach „dem subsidiären Schutz nach Art. 15 lit.c) der Richtlinie 2004/83/EG eine dem § 60 Abs. 7 AufenthG vergleichbare Differenzierung zwischen allgemeinen Gefahren und solchen nicht allgemeiner Art fremd“ sei).
28 
Allgemeine Gefahren auf Grund der punktuellen bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Teilen des Zentraliraks - etwa Bedrohungen der Zivilbevölkerung auf Grund von Kampfhandlungen zwischen der irakischen Regierung bzw. den multinationalen Streitkräften einerseits und bewaffneten Aufständischen/Islamisten andererseits oder Bedrohungen wegen der schlechten Sicherheitslage bzw. auf Grund der zahlreichen terroristischen Anschläge - betreffen die gesamte irakische Bevölkerung in den genannten „Kampfgebieten“. „Kollateralschäden“ etwaiger Kampfhandlungen und die Folgen der zahlreichen Bombenanschläge treffen allgemein Zivilpersonen, die sich am Ort des Geschehens aufhalten; für die Annahme einer individuellen Bedrohung im Sinne des Art. 15 lit.c) der Richtlinie kann dies noch nicht als ausreichend erachtet werden. Die individuelle Bedrohung im Sinne von Art. 15 lit.c) der Richtlinie setzt vielmehr - zusätzlich - eine auf die betreffende Person zugeschnittene besondere - konkrete - Gefährdungslage voraus. Eine solche besondere Gefährdungslage lässt sich den Erkenntnisquellen (vgl. u.a. AA-Lagebericht vom 11.1.2007) etwa für Mitglieder der politischen Parteien im Irak, für Journalisten sowie für die intellektuelle Elite des Iraks (z.B. Professoren, Ärzte, Künstler) entnehmen. Auch Soldaten und Polizisten zählen zu den Personen, die besonders häufig und gezielt Opfer von Gewaltverbrechen werden. Für Personen, die besonders im Visier der militanten Opposition stehen, kann - unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - mithin eine individuelle Bedrohung angenommen werden, die über die allgemeine Gefahrenlage im Sinne des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie hinausgeht.
29 
Der Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart (Urteil vom 21.5.2007, aaO), das dem 26. Erwägungsgrund keine entscheidende Bedeutung beimisst, weil Art. 15 lit. c) der Richtlinie eine eindeutige Bestimmung sei und kein Auslegungsbedarf bestehe, folgt der Senat nicht. Denn der Gemeinschaftsgesetzgeber ist selbst vom Gegenteil ausgegangen. Der 26. Erwägungsgrund ist gerade auf Art. 15 lit. c) der Richtlinie zugeschnitten; die dort aufgeführten Begriffe „ernsthafter Schaden“ und „individuelle Bedrohung“ werden aufgegriffen und einschränkend erläutert bzw. definiert. Dass im Übrigen das Tatbestandsmerkmal einer „ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson“ und damit der Regelungsgehalt des Art. 15 lit. c) der Richtlinie - wie jede andere Rechtsvorschrift auch - einen Auslegungsspielraum eröffnet und damit auch der Auslegung bedarf, liegt auf der Hand.
30 
Die Auslegung des Senats, wonach auf der Grundlage des 26. Erwägungsgrundes eine Gefahrenlage, der die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt ist, grundsätzlich keinen Anspruch auf subsidiären Schutz begründet, führt auch nicht zu einem „Anwendungsausschluss“ oder „Leerlaufen“ des Art. 15 lit. c) der Richtlinie (a.A. VG Stuttgart, aaO). Wie oben dargelegt, eröffnet Art. 15 lit. c) der Richtlinie auch bei Berücksichtigung des Erwägungsgrundes in Fällen einer besonderen Gefährdungslage einen - wenn auch engen - Anwendungsbereich. Im Übrigen setzt die Richtlinie 2004/83/EG lediglich einen Mindeststandard für den Flüchtlingsschutz fest, den die Mitgliedstaaten nicht unterschreiten dürfen. Dies ergibt sich nicht nur aus der Bezeichnung der Richtlinie als Richtlinie „über Mindestnormen“, sondern auch aus der 6. Begründungserwägung. Es liegt in der Natur von Mindestnormen, dass es den Mitgliedstaaten unbenommen bleibt, günstigere Regelungen für Flüchtlinge zu schaffen (vgl. dazu die 8. Begründungserwägung). Demzufolge können sich „Personen mit Anspruch auf subsidiären Schutz“ im Sinne von Art 2 lit. e) der Richtlinie 2004/83/EG in der Bundesrepublik Deutschland - als Mindeststandard - nicht nur auf diese Richtlinie, sondern darüber hinaus auf ein abgestuftes und differenziertes System zur Gewährung von Abschiebungsschutz und Duldung nach §§ 60 Abs. 7, 60 a Abs. 1 AufenthG berufen, das auch eine verfassungskonforme Auslegung von § 60 Abs. 7 AufenthG bei einer extremen allgemeinen Gefahrenlage (vgl. dazu: BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 203) umfasst. § 60 Abs. 7 AufenthG und die in diesem Zusammenhang erfolgte Rechtsfortbildung enthält etwa günstigere Regelungen für Flüchtlinge hinsichtlich der beachtlichen Anknüpfungspunkte für relevante Gefahren (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21.3.2007 - 20 A 5164/-, Juris).
31 
Nicht gefolgt werden kann ferner der Auffassung von Marx (aaO, Rdnr. 79), dass - wenn die Situation im Herkunftsland von willkürlichen Gewaltmustern geprägt sei - keine Situation allgemeiner Gewalt im Sinne des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie vorliege. Nach dieser Auffassung begründen allgemeine Gefahren infolge interner bewaffneter Konflikte generell subsidiären Schutz im Sinne von Art. 15 lit. c) der Richtlinie. Der subsidiäre Schutz sei nur dann ausgeschlossen, wenn die allgemeinen Gefahren - wie etwa die aus der allgemeinen Kriminalität resultierenden allgemeinen Gefahren - nicht Ausdruck interner bewaffneter Konflikte seien. Eine solche Auslegung lässt sich mit dem Gehalt des 26. Erwägungsgrundes der Richtlinie nicht vereinbaren. Art. 15 lit. c) der Richtlinie setzt bereits tatbestandlich Gefahren auf Grund eines internen bewaffneten Konflikts voraus, allgemeine Kriminalitätsgefahren unterfallen mithin von vornherein nicht dem Anwendungsbereich des subsidiären Schutzes. Der 26. Erwägungsgrund der Richtlinie wäre also für den Ausschluss allgemeiner Kriminalitätsgefahren von vornherein überflüssig. Den Anwendungsbereich des Art. 15 lit. c) der Richtlinie konkretisierende Wirkung kommt der 26. Begründungserwägung insoweit nur dann zu, wenn der Anspruch auf subsidiären Schutz - für den Normalfall - auch dann ausgeschlossen ist, wenn die allgemeine Gefahrenlage Ausdruck und Folge interner bewaffneter Konflikte ist.
32 
Vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsgrundsätze sind keine Anhaltspunkte vorgetragen und im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass für den Kläger - im Falle seiner Rückkehr in den Irak - eine individuelle besondere Gefährdungssituation gegeben ist und er insbesondere ins Visier der militanten Opposition rücken würde.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
34 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.