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| Die Klage ist zulässig und begründet. |
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| Der Bescheid der Unfallkasse Post und Telekom vom 11.02.2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 16.06.2011 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung seiner Infektion mit Hepatitis C als Dienstunfall. |
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| Zwar liegt ein Dienstunfall im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG nicht vor. Denn diese Vorschrift setzt ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis voraus, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist und einen Körperschaden verursacht hat. Als örtlich und zeitlich bestimmbares Ereignis ist eine Infektion nur dann anzusehen, wenn sich feststellen lässt, dass der Beamte sich an einem bestimmten Ort zu einem konkret bestimmbaren Zeitpunkt infiziert hat. Ein solches konkretes Ereignis liegt hier nicht vor. |
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| Jedoch sind die Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG erfüllt. Nach dieser Vorschrift gilt es als Dienstunfall, wenn ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Als Krankheiten im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG sind gemäß § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG i. V. m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 31 BeamtVG vom 20. Juni 1977 (BGBl. I S. 1004) die in der Anlage I zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im Einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt worden. |
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| Nach Nr. 3101 dieser Anlage gelten Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. |
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| Diese Regelung trägt der häufig schwierigen Beweislage des Beamten dadurch Rechnung, dass sie diesem in solchen Fällen die volle Beweislast der berufsbedingten Ansteckung abnimmt und es für die Anerkennung als Berufskrankheit ausreichen lässt, wenn der Beamte sich in entsprechender Tätigkeit befunden hat, es sei denn, es kann festgestellt werden, dass er die Krankheit nicht infolge der beruflichen Tätigkeit erworben hat. Diese Regelung steht im Hinblick auf die Anordnung ihrer Anwendung auf das Dienstunfallrecht der Beamten im Einklang mit dem in § 31 Abs. 3 BeamtVG enthaltenen Ermächtigungsrahmen (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 06.03.1990 - 4 S 1743/88 - juris). |
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| Bei der Hepatitis C-Infektion, die beim Kläger anlässlich des im April 2007 stattgefundenen Screenings diagnostiziert wurde, handelt es sich um eine Infektionserkrankung. |
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| Der Kläger war in der Zeit, in der er sich die Hepatitis C-Infektion zugezogen hat, im Gesundheitsdienst tätig gewesen. Seine Tätigkeiten als Betriebsarzt bestanden u.a. in der Durchführung arbeitsmedizinischer Untersuchungen und Impfungen. |
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| Der Kläger war auch nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Infektion an Hepatitis C besonders ausgesetzt. |
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| Die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit gilt im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.V.m. der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (BVerwG, Urt. v. 28.01.1993 - 2 C 22/90 - juris). |
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| Für den hier anzusetzenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab können die von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zum Vorliegen einer Berufskrankheit entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden. Danach beurteilt sich die Frage, ob der Versicherte einer besonders erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt ist, nach dem Grad der Durchseuchung des Tätigkeitsbereichs und dem Übertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen (BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). |
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| Das von der Beklagten eingeholte Arbeitsmedizinische Gutachten des ... vom 30.01.2009 ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der beruflich bedingten Exposition und der Entstehung der Erkrankung hinreichend wahrscheinlich ist und empfahl die Anerkennung der Hepatitis C-Infektion des Klägers als Berufskrankheit. |
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| Gutachten, die im Verwaltungsverfahren vom Dienstherrn zur Klärung der Frage der Ursächlichkeit eines Dienstunfalls für einen Körperschaden eingeholt worden sind, können im Wege des Urkundenbeweises als Urteilsgrundlage verwertet werden (BVerwG, Beschl. v. 26.09.2012 - 2 B 97.11 - juris; vgl. auch für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit: BVerwG, Beschl. v. 30.08.1993 - 2 B 106/93 - juris, v. 18.01.1989 - 2 B 177.88 - juris). Gleiches muss auch bei der Frage gelten, ob eine als Dienstunfall geltende Berufskrankheit i. S. d. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG vorliegt. Das Arbeitsmedizinische Gutachten des ... vom 30.01.2009 erfüllt die Anforderungen, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die Bildung der für seine Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Das Gutachten enthält weder erkennbare Mängel oder unauflösbare Widersprüche, noch geht es von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus oder gibt Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln, noch ist Gegenstand der Begutachtung eine besonders schwierige Fachfrage, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei dem Gutachter nicht vorhanden wäre. |
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| Das Ergebnis des Arbeitsmedizinischen Gutachtens vom 30.01.2009 ist auch nicht durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert. |
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| Die von der Beklagten anfänglich eingeholte arbeitsschutzärztliche Stellungnahme ... vom 24.01.2008 vermag das Gutachtensergebnis nicht in Frage zu stellen. ... hatte sich an der „Fallgruppenbildung für Beweiserleichterung bei HBV- und HCV-Infektionen im Gesundheitsdienst“ nach der BKV Kommentierung von Mehrtens/Brandenburg orientiert. Sie war zu dem Ergebnis gekommen, dass die betriebsärztliche Tätigkeit nicht eindeutig einer besonders gefährdeten Personengruppe nach Kategorie I (entsprechend einer internistischen Praxis) zuzuordnen sei. Ausgehend hiervon hatte sie empfohlen, die Anerkennung der Hepatitis C-Infektion als Berufskrankheit abzulehnen, sofern nicht nachgewiesen werden könne, dass die besonderen Gefährdungen entsprechend Fallgruppe 4 Kategorie II (erhöhte Infektionsgefahr auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles) bestanden hätten und außerberufliche Risiken fehlten. Demgegenüber geht jedoch aus der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Arbeitsmediziners der Deutschen Post, ..., v. 17.06.2010 hervor, dass die Ärztin nicht vom vollständigen Tätigkeitsfeld des Klägers ausgegangen war, sondern lediglich das Berufsbild eines Betriebsarztes zugrundegelegt hatte, wie es bis Ende der 80er Jahre bestanden hatte (Beratung der Arbeitsgeber und der Arbeitnehmer, Begehung der Arbeitsplätze, Untersuchung und Beurteilung der Beschäftigten sowie Notfallbehandlung). ... erläutert, dass später das Tätigkeitsfeld eines Betriebsarztes erweitert worden sei; im Rahmen der betrieblichen Prävention seien eine steigende Anzahl von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung hinzugekommen, aufgrund derer ein deutlicher Anstieg von Arbeiten zu verzeichnen sei, die mit einem Kontakt mit dem Blut des Beschäftigten verbunden seien. Er kommt zum Ergebnis, dass die erforderliche Wahrscheinlichkeit, sich bei der Tätigkeit mit einer Hepatitis C zu infizieren, besteht und zumindest auf Grund der Umstände des Einzelfalls nachvollziehbar ist. |
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| Nach Würdigung des Arbeitsmedizinischen Gutachtens vom 30.01.2009 sowie der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Arbeitsmediziners der Deutschen Post vom 17.06.2010 geht auch das Gericht davon aus, dass der Kläger bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Betriebsarzt einer besonders erhöhten Gefahr, sich am Hepatitis C-Virus zu infizieren ausgesetzt war. |
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| Die im Dienstunfallrecht geforderte hohe Wahrscheinlichkeit, an einer Infektionskrankheit zu erkranken, also die besondere Infektionsgefahr, kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Beamten verrichteten gefährdenden Handlungen. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr gewinnt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Es ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht (BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). |
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| Damit bedarf es der tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer konkret erhöhten Infektionsgefahr. Dies beinhaltet Feststellungen zu der Frage, ob die Verrichtungen des Klägers ihn mit einer infizierten Person oder einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob die Verrichtungen im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis C-Infektion sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend waren (BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). |
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| Offen bleiben kann hier, ob der Anteil der an Hepatitis C-Infizierten im vom Kläger betreuten Mitarbeiterkreis tatsächlich über der durchschnittlichen Infektionsrate der Bevölkerung liegt. Für diese Annahme spricht, dass - wie im Arbeitsmedizinischen Gutachten vom 30.01.2009 erläutert - der Migrantenanteil im vom Kläger betreuten ... Raum hoch (für ... wird dieser mit bis zu 20 % angegeben und für ... mit bis zu 43,8 %) und von einer teilweise deutlich höheren Durchseuchungsrate im Kreis der Personen mit Migrationshintergrund auszugehen ist. Daher dürfte sich diese Bevölkerungszusammensetzung und einhergehend damit auch eine erhöhte Durchseuchungsrate bei den Telekom-Beschäftigten im ... Raum in gewissem Umfang widerspiegeln. |
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| Jedenfalls ist auch dann, wenn keine erhöhte Durchseuchungsrate im Kreis der vom Kläger betreuten Mitarbeiter bestünde, bei der vorzunehmenden Gesamtschau davon auszugehen, dass der Kläger bereits wegen seiner exponierten Tätigkeit (häufige Blutentnahmen, Impfungen) einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt war. Hiervon geht auch das Arbeitsmedizinische Gutachten vom 30.01.2009 aus. Die Gutachterin hat den Aufgabenbereich des Klägers als Tätigkeit mit hohem Anteil invasiver Tätigkeiten gewertet und ihn entsprechend der Gefährdungskategorie Ia Fallgruppe 2 nach Mehrtens eingestuft (Gutachten S. 17). Sie hat den Kläger also bereits deswegen und mit einer den Schluss auf das Vorliegen einer Berufskrankheit selbständig tragenden Argumentation einer besonders gefährdeten Personengruppe zugeordnet. Soweit auf Seite 17 des Gutachtens auch auf den hohen Migrantenanteil unter den betreuten Probanten und die vorgeschädigte Haut des Klägers abgestellt wird, sind diese Faktoren (lediglich) zur Begründung eines zusätzlich erhöhten Infektionsrisikos genannt. |
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| Die im Arbeitsmedizinischen Gutachten vom 30.01.2009 getroffene Einschätzung, dass sich die erforderliche besondere Infektionsgefahr bereits auf die Übertragungsgefahr der ausgeübten Tätigkeiten zurückführen lässt, ist nachvollziehbar. Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten Mängel aufweist bestehen nicht. |
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| Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung bezüglich HCV-Antikörper nicht aufklären, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung (ca. 0,5 bis 0,7%; vgl. BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris, m.w.N.) auszugehen, wenn wie hier - und was selbst die von der Beklagten kontaktierte Arbeitsmedizinerin in ihrer Stellungnahme vom 24.01.2008 zugrunde legt - das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden kann. Das weitere Kriterium der mit der vom Beamten ausgeübten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. |
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| Das Hepatitis C-Virus wird parenteral durch direkten Blut- oder Schleimhautkontakt übertragen. Als übertragungsgefährdend kommen Tätigkeiten in Betracht, die erfahrungsgemäß mit der konkreten Gefahr von häufigen parenteralen Inokulationsereignissen im Sinne von Verletzungsereignissen verbunden sind, bei denen es zu einem erheblichen Blutaustausch kommt. Im Gesundheitswesen ist die Nadelstichverletzung insbesondere mit einer Hohlnadel daher ein geeigneter Übertragungsweg, der ein besonders hohes Übertragungsrisiko beinhaltet, da hier regelmäßig der Transfer relativ großer Mengen frischen Blutes möglich ist (BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R - juris). Das Arbeitsmedizinische Gutachten vom 30.01.2009 sieht aufgrund der Häufigkeit der vom Kläger durchgeführten Blutentnahmen (bis zu 30 Entnahmen täglich, die venös und kapillär am Ohrläppchen durchgeführt wurden) und Impfungen sowie der dabei herrschenden arbeitshygienischen Bedingungen (Blut läuft vom Ohrläppchen auf Hautekzem des Klägers) eine besondere Infektionsgefahr als gegeben an. |
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| Die im Arbeitsmedizinischen Gutachten zugrunde gelegten Zahlen der betreuten Beschäftigten sowie der Blutentnahmen und der Impfungen werden in der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme des Arbeitsmediziners der Deutschen Post vom 17.06.2010 bestätigt. Dieser führte aus, dass der Kläger in den Jahren 2005 bis 2007 ca. 3000 bis 4000 Beschäftigte betreut habe. Er geht auch davon aus, dass bei Aktionen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung pro Aktionstag 20 bis 30 oder mehr Blutentnahmen üblich gewesen seien und hielt mindestens 600 Blutentnahmen und mindestens 500 Influenzaimpfungen pro Jahr für realistisch. Die Blutentnahmen seien zum Teil aus einer Vene per Punktion mit einer Nadel oder mit Hilfe einer Lanzette z.B. aus dem Ohrläppchen erfolgt. |
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| Das Tätigkeitsfeld des Klägers war demzufolge nicht nur mit einer beträchtlichen Anzahl von Blutentnahmen pro Jahr verbunden. An Aktionstagen wurden die Entnahmen - nach den von der Beklagten nicht in Abrede gestellten Ausführungen des Klägers - nicht unter den hygienischen Bedingungen durchgeführt, wie sie in einer Arztpraxis herrschen, sondern in Betriebsräumlichkeiten vor Ort. Zudem wird aus den Angaben des Klägers deutlich, dass die Blutentnahmen unter schlechten, das Infektionsrisiko erhöhenden Bedingungen stattfanden. Hierzu hat er in der mündlichen Verhandlung ausgeführt: Bei Blutentnahmen aus der Vene könne es manchmal vorkommen, dass ein „Rückstau“ entstehe und Blut nachfließe. Bei den Entnahmen aus dem Ohrläppchen sei dieses mit einem Schussapparat punktiert und mit einem Teststreifen das ausgetretene Blut aufgenommen worden. Dabei sei es vorgekommen, dass seine Hände mit nachtropfendem Blut in Berührung gekommen seien. Diese Methode sei bis 2006 angewandt worden. Nun gebe es eine sicherere Methode bei der Blutentnahme aus dem Ohrläppchen. Er habe teilweise keine Handschuhe getragen. Zu den Nadelstichverletzungen gab er an: Die regelmäßigen Screenings seien immer negativ verlaufen. Bis zum positiven Screening im Jahr 2007 sei er sorglos gewesen. Die Nadelstichverletzungen habe er nie gemeldet. Zu den Stichverletzungen sei es bei der Entsorgung von gebrauchtem Besteck gekommen. Bis zum Jahr 2007 seien die Nadeln freigelegen. Nunmehr gebe es ein neueres System, bei dem ein Schaft über die Nadel gezogen werde. Ein Stich könne manchmal auch durch Handschuhe gehen. Mit den erwähnten Blutkontakten beschreibt der Kläger Übertragungswege, die ein besonders hohes Übertragungsrisiko des Hepatitis C-Virus darstellen. |
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| Unter Würdigung der Gesamtumstände lässt sich hier daher feststellen, dass der Kläger bereits aufgrund der in seinem Aufgabenbereich wahrgenommenen Tätigkeiten einer besonderen Infektionsgefahr ausgesetzt war. |
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| Zu einer anderen Einschätzung führt auch nicht der Umstand, dass der Kläger der Beklagten keine Nadelstichverletzungen gemeldet hat. Denn hieraus kann nicht gefolgert werden, dass es beim Kläger nicht zu Nadelstichverletzungen gekommen ist. Die Kammer nimmt es dem Kläger ab, dass er Nadelstichverletzungen erlitten hat, selbst wenn er bei der von ihm genannten Anzahl übertrieben haben mag. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich mit ca. 600 Blutentnahmen pro Jahr um eine beträchtliche Anzahl von Entnahmen handelt. Diese fanden auch an Aktionstagen und daher unter zeitlichem Druck statt und wurden nicht in einer Arztpraxis, sondern unter ungünstigen hygienischen Bedingungen durchgeführt. Angesichts dessen erscheint die Annahme lebensfremd, dass es unter diesen Umständen nicht zu Unachtsamkeiten, die zu Nadelstichverletzungen geführt haben, gekommen ist. |
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| Es sind auch keine Anhaltpunkte dafür ersichtlich, dass sich der Kläger die Hepatitis C-Infektion außerhalb des Dienstes zugezogen hat und die Unfallfürsorge daher gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz BeamtVG ausgeschlossen wäre. Ist der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr einer Krankheitsübertragung besonders ausgesetzt und erkrankt er an einer solchen Krankheit, obliegt dem Dienstherrn die Beweislast dafür, dass der Kausalzusammenhang zwischen Dienst und Erkrankung nicht besteht. Dies folgt aus der Formulierung als Ausnahmeregelung (Plog×Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Bd. 2, BeamtVG § 31 RN 192 m.w.N.). |
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| Aus dem Arbeitsmedizinischen Gutachten vom 30.01.2009 geht hervor, dass die letzte vor der Diagnose der Hepatitis C-Infektion stattgefundene betriebsärztliche Untersuchung auf Anti-HCV am 12.05.2004 negativ verlaufen war. Nach den Angaben des Klägers bestanden im Zeitraum bis zur Feststellung der Hepatitis C-Infektion keine anderen Infektionsquellen. Er hat vorgetragen, im Zeitraum von 2004 bis 2007 keine Reisen ins Ausland unternommen und keine außerehelichen Sexualkontakte gehabt zu haben, die letzte Operation sei 1982 gewesen. Zu seiner Nebentätigkeit (Flugtauglichkeitsuntersuchungen) hat er ausgeführt, dass keiner aus dem in Frage kommende Personenkreis infiziert sei. Ein Sachverhalt, aus dem hervorginge, dass sich der Kläger anderweitig infiziert hat, wurde auch von der Beklagten nicht behauptet. |
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| Schließlich kann dem Kläger auch nicht entgegen gehalten werden, dass er bei den Blutentnahmen und Impfungen überwiegend keine Handschuhe getragen hat. Nach § 44 Abs. 1 BeamtVG steht lediglich vorsätzliches Handeln der Unfallfürsorge entgegen. Offen bleiben kann, ob der Ausschlusstatbestand des § 44 Abs. 1 BeamtVG neben dem unbedingten auch den bedingten Vorsatz erfasst. Jedenfalls liegt hier auch letzterer nicht vor. Vorsatz ist Wissen und Wollen eines Handlungserfolges, also der Wille, eine Handlung vorzunehmen oder zu unterlassen mit dem Bewusstsein, dass die Handlung oder Unterlassung einen schädlichen Erfolg und zwar hier eine körperliche Schädigung des Beamten selbst zur Folge haben wird. Grobe Fahrlässigkeit reicht nicht aus, um Unfallfürsorgeleistungen auszuschließen. Selbst äußerste Unachtsamkeit oder ein vorsätzliches Nichtbeachten von Verhaltensregeln haben, soweit - was hier aber nicht der Fall ist - nicht ausdrücklich etwas Anderes bestimmt ist (etwa bei Einsatzunfällen, vgl. § 31 a Abs. 4 BeamtVG), nicht zur Folge, dass der Leistungsanspruch untergeht (Plog×Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Bd. 2, BeamtVG § 44 RN 4 ff.). Hier mag der Kläger zwar grob fahrlässig, wenn nicht gar leichtsinnig bei den Blutentnahmen keine Vorsichtsmaßnahmen ergriffen haben. Indes fehlen Anhaltspunkte dafür, dass er es billigend in Kauf genommen hat, sich mit dem Hepatitis C-Virus zu infizieren und sich eine derart schwerwiegende, möglicherweise sogar zum Tode führende Erkrankung zuzuziehen. |
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| Die Kammer sieht davon ab, das Urteil insoweit für vorläufig vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). |
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| Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung durch die Kammer sind nicht erfüllt. |
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