Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13

bei uns veröffentlicht am11.06.2015

Tenor

1. Die Bescheide des Beklagten vom 26. Oktober 2012 – Nrn. … - in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 13. Februar 2013 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Fremdenverkehrsabgaben.

2

Klägerin betreibt auf dem Grundstück D.-Straße in H. das Kurhotel H.. Von den im Gebäudekomplex insgesamt vorhandenen 375 Betten sind 124 Betten dem Hotelbetrieb garni zugeordnet. Die restlichen 251 Betten befinden sich in Ferienappartements und sind nicht Gegenstand des Hotelbetriebes.

3

Mit Bescheiden vom 26. Oktober 2012 zog der Beklagte die Klägerin zu Fremdenverkehrsabgaben für das Wirtschaftsjahr 2012 in Höhe von 951,08 EUR (124 Betten/gewerbliche Vermietung mit Frühstück) bzw. 1.540,14 EUR (251 Betten/gewerbliche Vermietung) heran. Die hiergegen gerichteten Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 13. Februar 2013 zurück.

4

Am 13. März 2013 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, es fehle an einer ordnungsgemäßen Rechtsgrundlage für die Abgabenerhebung, denn die Fremdenverkehrsabgabensatzung sei mangels ordnungsgemäßer Kalkulation der Abgabensätze fehlerhaft. Der in der Kalkulation angestrebte Deckungsgrad sei mit dem in der Fremdenverkehrsabgabesatzung normierten Öffentlichkeitsanteil von 60 v.H. nicht zu vereinbaren.

5

Die Klägerin beantragt,

6

die Bescheide des Beklagten vom 26. Oktober 2012 – Nrn. … – in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13. Februar 2013 aufzuheben.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Mit Beschluss vom 22. Januar 2015 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Klage ist begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin daher in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie können nicht auf eine im Wirtschaftsjahr 2012 geltende wirksame Rechtsgrundlage (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz – KAG M-V) gestützt werden.

12

1. Die ohne Rückwirkungsanordnung erlassene Satzung der Gemeinde Ostseebad H. über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe (Fremdenverkehrsabgabesatzung – FVAS) vom 29. März 2012 (Datum der Beschlussfassung), deren Bekanntmachung im Kaiserbäder-Boten Nr. 09/2012 erfolgte, ist unwirksam. Sie enthält in § 5 Abs. 3 eine unwirksame Fälligkeitsregelung („Fälligkeit mit Anspruchsentstehung“) und weist damit nicht den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf. Dies führt zur Gesamtnichtigkeit der Satzung (VG Greifswald, Urt. v. 22.11.2013 – 3 A 885/12 –, juris Rn. 22/23; Urt. v. 28.03.2014 – 3 A 330/13 –, S. 4 des Entscheidungsumdrucks [n.v.])

13

Die noch vor der Bekanntmachung der Stammsatzung vom 29. März 2012 im Kaiserbäder-Boten Nr. 08/2012 öffentlich bekannt gemachte „Erste Satzung zur Änderung der Satzung der Gemeinde Ostseebad H. über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29. März 2012“ vom 24. August 2012 ordnet in nicht zu beanstandender Weise in Art. I die Rückwirkung der Stammsatzung und in Art. II die Rückwirkung der Änderungssatzung jeweils auf den 1. Januar 2012 an. Da die erste Änderungssatzung aber keine Änderung der Fälligkeitsregelung enthält, verblieb es zunächst bei der Unwirksamkeit der Fremdenverkehrsabgabensatzung vom 29. März 2012.

14

Die „Zweite Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe in der Gemeinde Ostseebad H. vom 29. März 2012“ vom 25. April 2013 enthält keine Änderung der Fälligkeitsregelung.

15

Eine geänderte Fälligkeitsregelung wird erst mit der „Dritten Satzung zur Änderung der Satzung der Gemeinde Ostseebad H. über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29. März 2012“ vom 30. Januar 2014 (Kaiserbäder-Bote Nr. 02/2014) ohne Rückwirkung in die Stammsatzung eingefügt. Zwar genügt die geänderte Fälligkeitsregelung den Anforderungen. In Bezug auf die Bestimmung in § 5 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz FVAS („soweit im Bescheid ausdrücklich kein späterer Fälligkeitstermin bestimmt ist“) liegt allenfalls ein Fall der Teilnichtigkeit vor (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 03.02.2004 – 1 M 222/03 –, juris Rn. 10). Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Fremdenverkehrsabgabe gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 FVAS als Jahresabgabe erhoben wird und die Abgabenschuld nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FVAS mit Beginn eines jeden Kalenderjahres entsteht, in dem die Abgabenpflicht besteht. Die damit normierte antizipierte Abgabenerhebung ist zulässig. Sie erfordert aber, dass die Rechtsgrundlage der Abgabenerhebung bereits am 1. Januar des betreffenden Wirtschaftsjahres gilt. Wie bereits erwähnt, weist die dritte Änderungssatzung die damit erforderliche Rückwirkungsanordnung nicht auf. Folglich ist eine mit der dritten Änderungssatzung eingetretene Fehlerheilung gemäß § 5 Abs. 4 Satz 4 Kommunalverfassung (KV M-V) i.V.m. § 11 Abs. 2 der Hauptsatzung der Gemeinde Ostseebad H. (HS) vom 5. Juni 2009 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 15. März 2010 frühestens am Tag nach der am 19. Februar 2014 erfolgten Bekanntmachung der dritten Änderungssatzung erfolgt. Dies erlaubt keine Abgabenerhebung für das Wirtschaftsjahr 2012.

16

Auch die im Kaiserbäder-Boten Nr. 01/2015 bekannt gemachte „Vierte Satzung zur Änderung der Satzung der Gemeinde Ostseebad H. über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29. März 2012“ vom 27. November 2014 führt nicht dazu, dass die Fremdenverkehrsabgabesatzung vom 29. März 2012 rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist. Zwar weist Art. II der vierten Änderungsatzung – die Formulierung ist identisch mit Art. 1 Abs. 2 der dritten Änderungssatzung vom 30. Januar 2014 – eine ordnungsgemäße Fälligkeitsregelung auf. Auch enthält Art. III der vierten Änderungssatzung eine Rückwirkungsanordnung bezogen auf den 1. Januar 2012. Allerdings geht die Rückwirkungsanordnung ins Leere, denn sie bezieht sich nicht auf die vierte Änderungssatzung, sondern auf die (zu ändernde) Stammsatzung vom 29. März 2012.

17

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Art. III der vierten Änderungssatzung enthält zutreffend die Wendung „Diese Satzung tritt rückwirkend am 1. Januar 2012 in Kraft“. Darunter wird der Beginn der Außenwirkung verstanden. Das bedeutet, dass die einzelnen Änderungsbefehle wirksam werden, sich im Stammgesetz (hier: in der Stammsatzung) vollziehen und damit gegenstandslos werden. Der Text der Stammsatzung erhält von diesem Zeitpunkt an seine neue geänderte Fassung (vgl. zum Ganzen: Bundesministerium der Justiz [Hrsg.], Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Auflage 2008, Rn. 710). Vorliegend ist aber zu beachten, dass der Wendung „Diese Satzung tritt rückwirkend am 1. Januar 2012 in Kraft“ die Wendung „§ 10 der Satzung enthält folgende Fassung:“ vorangestellt ist. Damit hat der Ortsgesetzgeber klargestellt, dass sich der Regelungsbefehl des Art. III nicht auf die vierte Änderungssatzung, sondern auf § 10 der Stammsatzung vom 29. März 2012 bezieht. Ist aber das Bezugsobjekt des Regelungsbefehls nicht die vierte Änderungssatzung, so kann sich auch die Rückwirkungsanordnung nicht auf sie beziehen. Damit gelten für das Inkrafttreten der vierten Änderungssatzung die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen: Sie ist am Tage nach ihrer am 21. Januar 2015 erfolgten Bekanntmachung im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Beklagten, dem Kaiserbäder-Boten Nr. 01/2015, in Kraft getreten und erlaubt daher keine Abgabenerhebung für das Wirtschaftsjahr 2012.

18

Hiergegen kann nicht eingewandt werden, dass die Regelung des Art. III der vierten Änderungssatzung bei dieser Auslegung wenig Sinn ergibt, weil bereits die Fremdenverkehrsabgabensatzung vom 29. März 2012 i.d.F. der ersten Änderung vom 24. August 2012 rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft treten sollte. Dies mag zwar sein. Es ist aber zu beachten, dass Rückwirkungsanordnungen regelmäßig den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes berühren. Daraus folgen hohe Anforderungen an die Normklarheit. Unklarheiten bei der Formulierung gehen damit regelmäßig zu Lasten des (Orts-)Gesetzgebers.

19

2. Die Fremdenverkehrsabgabesatzung ist zudem unwirksam und scheidet daher auch aus diesem Grund als Rechtsgrundlage für eine Abgabenerhebung aus. Die in § 4 Abs. 4 FVAS normierten Abgabesätze beruhen auf einer fehlerhaften Kalkulation und sind unwirksam. Die Satzung weist damit nicht den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, was zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

20

Nach § 1 Abs. 2 FVAS bleibt bei der Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe von den Aufwendungen der Gemeinde Ostseebad H. für die in Abs. 1 Satz 2 genannten Zwecke ein dem allgemeinen Nutzen für die Einwohner der Gemeinde Ostseebad H. entsprechender Anteil von 60 Prozent außer Ansatz. Daraus folgt, dass die Kalkulation der Fremdenverkehrsabgabe einen Deckungsgrad von maximal 40 v.H. anstreben darf. Diese Maßgabe wird von der Kalkulation 2012 vom 20. September 2012 nicht beachtet. Multipliziert man nämlich die Summe der Vorteilseinheiten (12.500) mit der „erhobenen Gebühr je Vorteilseinheit“ von 15,34 EUR, so ergibt dies angestrebte Einnahmen i.H.v. 191.750,00 EUR. Da die Kalkulation von „gebührenfähigen Kosten“ i.H.v. 343.500,00 EUR ausgeht, folgt aus den angestrebten Einnahmen ein Deckungsgrad von 55,82 v.H. Der nach § 1 Abs. 2 FVAS zulässige Deckungsgrad wird damit deutlich überschritten.

21

Auf die übrigen Einwände der Klägerin gegen die Kalkulation kommt es nach alledem entscheidungserheblich nicht mehr an. Daher kann dahin stehen, ob – wie von der Klägerin unter Hinweis auf die Vergütungsbestimmungen in der von der Gemeinde A-Stadt mit der K.-GmbH geschlossene Vereinbarung vom 27. März 2012 dargelegt – nicht ansatzfähige Kosten der Zimmervermittlung aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind.

22

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 22. Nov. 2013 - 3 A 885/12

bei uns veröffentlicht am 22.11.2013

Tenor 1. Die Bescheide des Beklagten vom 6. Februar 2012 (Nummern A/2011 und B/2011), 1. März 2012 (Nummer C/2011), 21. Juni 2012 (Nummern D/2011 und E/2011) und 26. Oktober 2012 (Nummer E/2011) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Mai
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 11. Juni 2015 - 3 A 178/13.

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 07. Apr. 2016 - 3 A 115/14

bei uns veröffentlicht am 07.04.2016

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 25.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2013 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höh

Referenzen

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

1. Die Bescheide des Beklagten vom 6. Februar 2012 (Nummern A/2011 und B/2011), 1. März 2012 (Nummer C/2011), 21. Juni 2012 (Nummern D/2011 und E/2011) und 26. Oktober 2012 (Nummer E/2011) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Mai 2012 und 16. Mai 2013 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Vollstreckungsgläubiger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um Fremdenverkehrsabgaben und Kurabgaben.

2

Der Kläger zu 1. ist seit dem 17. November 2011 Miteigentümer des Grundstücks G.-Straße im Ortsteil Ahlbeck in der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf. Die Auflassung erfolgte am 8. Juni 2011. Die Klägerin zu 2. ist die Ehefrau des Klägers zu 1..

3

Mit Bescheid vom 6. Februar 2012 (Nummer A/2011) setzte der Beklagte gegen den Kläger zu 1. für den Zeitraum 2011 eine Fremdenverkehrsabgabe in Höhe von 67,50 Euro fest. Mit Schreiben vom 27. März 2012 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 als unzulässig zurückwies. Der Widerspruchsbescheid wurde nicht förmlich zugestellt. Am 20. Juni 2012 hat der Kläger zu 1. deswegen Klage erhoben (Aktenzeichen 3 A 885/12).

4

Mit einem weiteren Bescheid vom 6. Februar 2012 (Nummer B/2011) setzte der Beklagte gegen den Kläger zu 1. für den Zeitraum 2011 eine Jahreskurabgabe in Höhe von 70 Euro fest. Mit Schreiben vom 27. März 2012 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 als unzulässig zurückwies. Am 20. Juni 2012 hat der Kläger zu 1. deswegen Klage erhoben (Aktenzeichen 3 A 898/12).

5

Mit Bescheid vom 1. März 2012 (Nummer C/2011) setzte der Beklagte gegen die Klägerin zu 2. für den Zeitraum 2011 eine Jahreskurabgabe in Höhe von 70 Euro fest. Den Widerspruch der Klägerin zu 2. gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 zurück. Am 20. Juni 2012 hat die Klägerin zu 2. deswegen Klage erhoben (Aktenzeichen 3 A 899/12).

6

Mit Bescheid vom 21. Juni 2012 (Nummer D/2011) setzte der Beklagte gegen den Kläger zu 1. für den Zeitraum 2012 eine Jahreskurabgabe in Höhe von 70 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers zu 1. gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 zurück. Am 18. Juni 2013 hat der Kläger zu 1. deswegen Klage erhoben (Aktenzeichen 3 A 470/13).

7

Mit einem weiteren Bescheid vom 21. Juni 2012 (Nummer E/2011) setzte der Beklagte gegen die Klägerin zu 2. für den Zeitraum 2012 eine Jahreskurabgabe in Höhe von 70 Euro fest. Den Widerspruch der Klägerin zu 2. gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 zurück. Am 18. Juni 2013 hat die Klägerin zu 2. deswegen Klage erhoben (Aktenzeichen 3 A 471/13).

8

Mit Bescheid vom 26. Oktober 2012 (Nummer E/2011) setzte der Beklagte gegen den Kläger zu 1. für den Zeitraum 2012 eine Fremdenverkehrsabgabe in Höhe von 67,50 Euro fest. Den Widerspruch des Klägers zu 1. gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2013 zurück. Am 18. Juni 2013 hat der Kläger zu 1. deswegen Klage erhoben (Aktenzeichen 3 A 472/13).

9

Das Gericht hat die Verfahren 3 A 885/12, 3 A 898/12, 3 A 899/12, 3 A 470/13, 3 A 471/13 und 3 A 472/13 mit Beschluss vom 28. Oktober 2013 unter dem Aktenzeichen 3 A 885/12 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

10

Zu Begründung ihrer Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, der Kläger zu 1. sei nur Miteigentümer. Die Fremdenverkehrsabgabe dürfe sich nur auf den Miteigentumsanteil beziehen. Dafür enthalte die Abgabensatzung keine Regelung, so dass es zur Doppelveranlagung der Miteigentümer komme. Die vorgenommene Typisierung der Abgabensätze und die Deckelung der Abgabenhöhe sei nicht nachvollziehbar. Zudem habe durch den Kläger zu 1. im Jahre 2011 keine Vermietung stattgefunden. Er habe den Besitz erst zum 1. September 2011 übernommen. Danach seien Umbauarbeiten vorgenommen worden. Die Ferienwohnungen seien erst ab April 2012 vermietet worden.

11

Die Kläger beantragen,

12

die Bescheide des Beklagten vom 6. Februar 2012 (Nummern A/2011 und B/2011), 1. März 2012 (Nummer C/2011), 21. Juni 2012 (Nummern D/2011 und E/2011) und 26. Oktober 2012 (Nummer E/2011) in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Mai 2012 und 16. Mai 2013 aufzuheben.

13

Der Beklagte beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

1. Das Gericht konnte gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trotz des Ausbleibens der Kläger in der mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Kläger darauf mit der Ladung hingewiesen worden sind.

18

2. Die Klage ist insgesamt zulässig. Das Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO wurde auch in Ansehung des Bescheides vom 6. Februar 2012 (Nummer A/2011) ordnungsgemäß durchgeführt. Der Widerspruch vom 27. März 2012 hielt die Widerspruchsfrist ein, die nach § 70 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr nach Bekanntgabe betrug. Die Widerspruchsfrist verlängerte sich auf diesen Zeitraum, da der Beklagte den Kläger zu 1. in der Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides vom 6. Februar 2012 unrichtig über die Widerspruchsfrist belehrt hatte. In dieser heißt es unter anderem: „Die Widerspruchsfrist beginnt bei der Zustellung mittels einfachen Briefes mit Ablauf des dritten Tages nach Datum des Poststempels“. Das ist unrichtig und geeignet, die Erhebung des Widerspruchs nennenswert zu erschweren, da bei Empfänger der Eindruck entstehen kann, die Widerspruchsfrist sei schon abgelaufen, obwohl das tatsächlich noch nicht der Fall ist. Die Widerspruchsfrist beginnt gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Bekanntgabe an den Beschwerten. Soweit der Beklagte in der Rechtsbehelfsbelehrung auf § 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) abstellt, enthält die Belehrung keinen Hinweis, dass die Dreitagesfrist nicht gilt, wenn der Bescheid nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Zudem stellt die Belehrung in Abweichung vom Gesetz auf das Datum des Poststempels und nicht auf den Tag der Einlieferung zur Post ab.

19

Klagefristen wurden nicht versäumt, da der Beklagte nicht dargelegt hat, dass die angefochtenen Widerspruchsbescheide zugestellt worden sind und damit überhaupt eine Frist zur Klageerhebung in Gang gesetzt worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage, § 74, Rn. 5).

20

3. Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und die Kläger dadurch in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

21

a) Die Bescheide des Beklagten vom 6. Februar 2012 (Nummer A/2011) und vom 26. Oktober 2012 (Nummer E/2011) über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe für das Erhebungsjahr 2012 sind rechtswidrig. Rechtsgrundlage der Abgabenerhebung sind insoweit die Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 31. März 2011 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 24. August 2012 (Fremdenverkehrsabgabesatzung 2011) und die Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Fremdenverkehrsabgabe vom 29. März 2012 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. August 2012 (Fremdenverkehrsabgabesatzung 2012). Diese Satzungen verstoßen gegen höherrangiges Recht und sind nichtig.

22

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V muss die Abgabensatzung den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt ihrer Entstehung und ihrer Fälligkeit angeben (Mindestinhalt). Die Fremdenverkehrsabgabesatzungen 2011 und 2012 beinhalten jeweils eine unwirksame Regelung der Fälligkeit. Das führt zu deren Gesamtnichtigkeit. Der Mindestinhalt einer Abgabensatzung kann auch nicht über § 12 Abs. 1 KAG M-V durch eine entsprechende Anwendung des § 220 Abs. 2 AO vervollständigt werden, weil eine Regelungslücke wegen der vorrangigen Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V gerade nicht besteht (OVG Greifswald, Beschluss vom 6. September 2005 – 1 L 489/04 –, juris).

23

Gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenverkehrsabgabesatzung 2011 und 2012 entsteht die Abgabenschuld mit Beginn eines jeden Kalenderjahres, in dem die Abgabenpflicht besteht. Bei einer Begründung der Abgabenpflicht im laufenden Kalenderjahr entsteht die Abgabenschuld mit Begründung der Abgabenpflicht. Nach § 5 Abs. 3 Fremdenverkehrsabgabesatzung 2011 und 2012 wird die Abgabenschuld mit ihrer Entstehung fällig. Diese Regelung führt dazu, dass bereits mit der Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe Säumniszuschläge verwirkt werden (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 240 Abs. 1 Satz 1 AO). Der Zahlung der Säumniszuschläge kann der Abgabenschuldner nur dadurch entgehen, dass er innerhalb von drei Tagen nach Festsetzung die Abgabe zahlt (§ 240 Abs. 3 AO). Eine solche Regelung beschneidet die Rechtsschutzmöglichkeiten des Abgabenschuldners in unzumutbarer Weise und ist unwirksam. Dem Abgabenschuldner muss nach der Festsetzung der Fremdenverkehrsabgabe eine angemessene Frist verbleiben, in der er die Rechtmäßigkeit des Bescheides überprüfen, sich gegebenenfalls Rechtsrat einholen und dann unter Berücksichtigung von üblichen Banklaufzeiten die Zahlung vornehmen oder einen Antrag nach § 80 Abs. 4 VwGO stellen kann, bevor die Rechtsfolgen der Säumnis eintreten. Diesen Interessen muss die satzungsgebende Körperschaft durch eine entsprechende Regelung der Fälligkeit Rechnung tragen. Das ist vorliegend nicht geschehen. Der Umstand, dass die Fälligkeit in den angefochtenen Bescheiden tatsächlich abweichend von der Fremdenverkehrsabgabesatzung bestimmt worden ist, ändert an deren Nichtigkeit nichts.

24

Ungeachtet dessen wäre im Erhebungsjahr 2011 für den Kläger zu 1. ohnehin keine Fremdenverkehrsabgabe entstanden. Unabhängig davon, dass die Abgabenpflicht des Klägers zu 1. gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Fremdenverkehrsabgabesatzung 2011 frühestens mit Besitzübergang am 1. September 2011 eingetreten sein kann und eine Abgabenerhebung daher nur gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Fremdenverkehrsabgabesatzung 2011 in Betracht kam, hat der Kläger zu 1. dargelegt und durch Nachweise belegt, dass das fragliche Grundstück durch ihn im Jahre 2011 nicht für ein Beherbergungsgewerbe genutzt, sondern umfangreich umgebaut worden ist. Dem Kläger zu 1. wurde daher im Erhebungszeitraum durch den Fremdenverkehr in der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf kein Vorteil geboten, er gehörte daher gemäß § 2 Abs. 1 Fremdenverkehrsabgabesatzung 2011 nicht zum abgabepflichtigen Personenkreis.

25

b) Die Bescheide des Beklagten über die Erhebung von Kurabgaben vom 6. Februar 2012 (Nummer B/2011), 1. März 2012 (Nummer C/2011) und 21. Juni 2012 (Nummern D/2011 und E/2011) sind gleichfalls rechtswidrig.

26

aa) Zwar ist die Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Kurabgabe vom 31. März 2011 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 24. August 2012 (Kurabgabensatzung 2011) nach jetziger Erkenntnis wirksam. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAG M-V können Gemeinden und Gemeindeteile, die als Kur- oder Erholungsorte anerkannt sind, für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung, Verwaltung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten öffentlichen Einrichtungen eine Kurabgabe erheben. Die Bestimmung des abgabenpflichtigen Personenkreises in § 2 Kurabgabensatzung 2011 hält sich im Rahmen der Satzungsermächtigung aus § 11 Abs. 2 KAG M-V. § 2 Abs. 3 Satz 1 Kurabgabensatzung 2011 rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass bei Zweitwohnungsinhabern angesichts der Kosten, die mit dem Erwerb und der Unterhaltung einer Zweitwohnung in einem Kur- und Erholungsort einhergehen, nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass ein Zweitwohnungsinhaber die Wohnung auch selbst nutzt und dadurch an den von der Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen teilhat (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2006 - 1 L 38/05 -, juris). Gegen die Erstreckung der Vermutung der überwiegenden Nutzung zu Erholungszwecken auf Ehegatten und im gleichen Haushalt lebende Personen ist nichts einzuwenden (VG Greifswald, Urteil vom 5. Mai 2010 - 3 A 1061/07 -, juris). Die Festsetzung der Abgabenhöhe in § 4 Kurabgabensatzung 2011 beruht auf einer fehlerfreien Kalkulation. Der kalkulierte Eigenanteil der Gemeinde („Gesamtergebnis -554.882 Euro“) übersteigt 10 v.H. der ungedeckten Kosten in Höhe von 5.360.700 Euro und ist genügend hoch, um den Vorteil der Kureinrichtungen für die Einwohner der Gemeinde abzugelten. Die kalkulierten Kosten betreffen auch öffentliche Einrichtungen, die zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellt werden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KAG M-V). Dazu rechnen auch Bäder, Konzerte, Sporteinrichtungen, Seebrücken und Parkplätze (Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 11, Anm. 2.2.4 m.w.N.). Aus Praktikabilitäts- und wirtschaftlichen Gründen ist es schließlich rechtlich unbedenklich, wenn nach der Satzung Zweitwohnungsinhaber unabhängig von der Aufenthaltsdauer für sich und ihre Familienangehörigen grundsätzlich die Kurabgabebeträge der Jahreskarte zu zahlen haben (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2006 - 1 L 38/05 -, juris).

27

Allerdings geschah die Rechtsanwendung im Einzelfall in Ansehung der Bescheide des Beklagten für das Erhebungsjahr 2011 fehlerhaft. Die Vermutung der Eigennutzung einer Zweitwohnung zu Erholungszwecken besteht nur für solche Wohnungen, die tatsächlich geeignet sind, einem Erholungsaufenthalt des Inhabers zu diesen. Daran fehlt es bei Wohnungen, die wie hier im Erhebungszeitraum durch den herangezogenen Inhaber nicht zu Wohnzwecken genutzt werden können, weil sie – wie hier – umgebaut werden und vorübergehend nicht bewohnbar sind. Auf die Verhältnisse vor der Besitzerlangung durch die Kläger kommt es dagegen nicht an, diese können nur für die Voreigentümer Kurabgabepflichten begründen.

28

bb) Für das Erhebungsjahr 2012 schließlich fehlt es an der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen Satzung. Rechtsgrundlage der Kurabgabenbescheide ist insoweit die Satzung der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf über die Erhebung einer Kurabgabe vom 31. Mai 2012 in der Fassung der ersten Änderungssatzung vom 24. August 2012 (Kurabgabensatzung 2012). Diese Satzung ist nichtig.

29

§ 1 Abs. 2 Satz 1 Kurabgabensatzung 2012 sieht zu Recht vor, dass bei der Kalkulation der Kurabgabe von den nach Abzug der vereinnahmten Gebühren und Entgelte für die Benutzung besonderer öffentlicher Einrichtungen und die Teilnahme an allgemein zugänglichen Veranstaltungen verbleibenden Aufwendungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf für die in Absatz 1 Satz 2 genannten Zwecke ein dem Nutzen für die Einwohner der Gemeinde entsprechender Anteil außer Ansatz bleibt. Diese Regelung wird dem Entgeltcharakter der Kurabgaben und dem Äquivalenzprinzip gerecht. Die Festlegung dieses Eigenanteils liegt im weiten Ermessen des Satzungsgebers und hat sich an den örtlichen Verhältnissen zu orientieren. Der Eigenanteil muss nicht in der Satzung festgeschrieben werden, sondern kann sich auch aus den Kalkulationsunterlagen ergeben (Holz, in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2011, § 11, Anm. 2.7.3 m.w.N.).

30

Die Kalkulation für das Erhebungsjahr 2012 wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Für das Erhebungsjahr 2012 hat der Beklagte bei unter Berücksichtigung der Erlöse noch ungedeckten Kosten in Höhe von 5.477.300 Euro mit einem Eigenanteil von 368.731 Euro („Liquiditätszuschuss“ zuzüglich kalkulierter Verlust) kalkuliert. Selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Fremdenverkehr im Ostseebad Heringsdorf von überragender Bedeutung ist und den wichtigsten Wirtschaftszweig darstellt, ist doch nicht zu verkennen, dass die in Ansatz gebrachten Einrichtungen auch von den Einwohnern der Gemeinde genutzt werden. Das Gericht hält deshalb einen Eigenanteil von weniger als 10 v.H. der berücksichtigungsfähigen ungedeckten Kosten für nur noch symbolisch, der nicht mehr dem Nutzen für die Einwohner entspricht. Für das Erhebungsjahr 2012 bleibt der kalkulierte Eigenanteil der Gemeinde dahinter zurück.

31

Die fehlerhafte Kalkulation führt zur Nichtigkeit der in § 4 Kurabgabensatzung 2012 festgesetzten Abgabenhöhe und, da der Mindestinhalt der Satzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V betroffen ist, zur Gesamtnichtigkeit der Satzung und insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

32

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124, 124a VwGO bestehen nicht.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.