Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 29. Mai 2015 - 5 L 838/15
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
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Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller – 5 K 1815/15 –gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 29. September 2014 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
6Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, wie hier nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
7In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ein überwiegendes Interesse des Bauherrn ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Umgekehrt ist dem Interesse des Nachbarn grundsätzlich der Vorrang einzuräumen, wenn er durch das genehmigte Vorhaben in seinen Rechten verletzt und die Nachbarklage daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Baugenehmigung führen wird.
8Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt dabei, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen subjektiven Rechten verletzt.
9Gemessen an diesem Maßstab geht vorliegend die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Die im Eilverfahren allein vorzunehmende summarische Prüfung ergibt, dass ihre Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. September 2014 verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzt die Antragsteller damit nicht in ihren Rechten.
10Das Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechtes. Maßgebliche planungsrechtliche Vorschrift ist aufgrund der Lage des Vorhabens im Innenbereich § 34 BauGB.
11Über die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen ist gegenüber den Antragstellern noch nicht bestandskräftig entschieden, weil ihnen der – planungsrechtliche – Bauvorbescheid vom 24. Juni 2014 ausweislich der Verwaltungsvorgänge nicht bekannt gemacht worden ist.
12Das Vorhaben der Beigeladenen fügt sich vorliegend hinsichtlich seiner Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
13Die nähere Umgebung des Vorhabengrundstückes ist durch die offene Bauweise gekennzeichnet. Das Vorhabengrundstück befindet sich am nordöstlichen Ende einer Hausgruppe, die insgesamt weniger als 50 m lang ist und damit noch nicht die Schwelle zur geschlossenen Bauweise (vgl. § 22 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 Baunutzungsverordnung – BauNVO –) überschreitet. In der offenen Bauweise werden die Hausgruppen mit seitlichem Grenzabstand errichtet. Zum angrenzenden Nachbarn innerhalb einer Hausgruppe darf jedoch ohne Grenzabstand gebaut werden, wenn sich das Vorhaben nach der Bauweise einfügt. Nach der auf die Hausgruppe übertragbaren Doppelhausrechtsprechung,
14vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 2015 – 4 B 65.14 –, juris Rn. 6; Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW Kommentar, 11. Auflage 2008, § 6 Rn. 115,
15fügt sich ein Anbau nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung ein, wenn der Anbau den Hausgruppencharakter nicht sprengt. Das ist der Fall, wenn nicht der Eindruck entsteht, dass der Anbau eine einseitig grenzständige Bebauung bildet, für die es in der Umgebung an Vorbildern fehlt,
16vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013 – 4 C 5/12 –, juris Rn. 15 ff.
17Sprengt der Anbau den Hausgruppencharakter, kann sich der Nachbar nach dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung weder direkt noch analog auf § 22 Abs. 2 BauNVO, sondern unmittelbar auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen. Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. Das ist bei der Doppelhaus/Hausgruppenkonstellation der Fall. Die Zulässigkeit der Bebauung als Doppelhaus/Hausgruppe setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der/den gemeinsamen Grundstücksgrenze(n) voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der/den gemeinsamen Grenze(n), die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, „erkauft“. Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus bzw. die Hausgruppe gezogenen Rahmen überschreitet,
18vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 2013, a. a. O., juris Rn. 22.
19Eine Hausgruppe im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Keine Hausgruppe bilden dagegen Gebäude, die sich zwar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen noch berühren, aber als selbständige Baukörper erscheinen. Eine Hausgruppe verlangt ferner, dass die Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden. Rechnerischen Ansätzen zur Bestimmung eines Doppelhauses hat das Bundesverwaltungsgericht jüngst,
20Urteil vom 19. März 2015 – 4 C 12.04 – Rn. 15, 17 ff.,
21eine Absage erteilt, wonach die Frage des Doppelhauscharakters weder abstrakt generell noch mathematisch-prozentual davon abhängen könne, in welchem Umfang die beiden Haushälften an der Grenze zusammengebaut sind.
22Zur Bestimmung der Hausgruppe können quantitative und qualitative Aspekte herangezogen werden. Außerdem ist über die alleinige Berücksichtigung dieser quantitativen und qualitativen Aspekte hinaus eine Gesamtwürdigung des Einzelfalles vorzunehmen, um Fälle zu erfassen, in denen etwa der Anbau quantitativ und/oder qualitativ erhebliche Ausmaße annimmt, aufgrund einer im Ganzen einheitlichen Gestaltung jedoch hingenommen werden kann.
23Nach diesen Maßgaben sprengt der genehmigte Anbau der Beigeladenen den Hausgruppencharakter nicht. Der unterkellerte, eingeschossige Anbau erfolgt grenzständig bis zu einer Tiefe von 2,80 m. Aufgrund der Gesamtlänge des Gebäudes der Beigeladenen von 10,30 m, die die gemeinsame Grundstücksgrenze zum Wohnhaus der Antragsteller bildet, ordnet sich der Anbau gegenüber der Länge der gemeinsamen Grenze deutlich unter. Eine erdrückende Wirkung geht von dem 2,8 m tiefen Anbau auch vor dem Hintergrund, dass die Hausgruppe nicht parallel, sondern leicht bogenförmig entlang der Straße „Am X.---ring “ errichtet worden ist, nicht aus. Auch wenn der Anbau eine massivere Sichtbeeinträchtigung entfaltet als eine parallel errichtete Hausgruppe, kann nicht ansatzweise von einer Rücksichtslosigkeit des Anbaus die Rede sein.
24Hinzu kommt, dass am westlichen Ende der Hausgruppe – Am X.---ring 26 – ebenfalls ein Anbau in etwa im selben Umfang errichtet worden ist, so dass sich das Vorhaben der Beigeladenen symmetrisch in die Hausgruppe und damit erst den Eindruck einer einheitlichen Gestaltung ermöglicht, indem die Eckhäuser der Hausgruppe jeweils im nordwestlichen bzw. nordöstlichen Bereich in einer Tiefe von ca. 3 m vor die Mittelhäuser der Hausgruppe treten. Damit ist zugleich die Frage, ob sich das Vorhaben innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche bewegt, bejahend beantwortet.
25Da der grenzständige Anbau bauplanungsrechtlich rechtmäßig ist, kann auch ein die Antragsteller in ihren Rechten verletzender Verstoß gegen die Vorschriften über das Einhalten von Abstandflächen nach § 6 Abs. 1 Satz iVm Satz 2 b) der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) nicht festgestellt werden. Danach sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Jedoch ist innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche eine Abstandfläche nicht erforderlich gegenüber Grundstücksgrenzen, gegenüber denen nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Grenzabstand gebaut werden darf, wenn gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ohne Grenzabstand gebaut wird. Diese Voraussetzungen liegen vor, da die Beigeladenen wie dargelegt bauplanungsrechtlich ohne Grenzabstand zum Grundstück der Antragsteller bauen dürfen. Vor diesem Hintergrund ist eine Abstandfläche nicht erforderlich und ein Verstoß gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 6 BauO NRW nicht gegeben. Zutreffend weisen die Antragsteller jedoch hinsichtlich der Abstandflächenberechnung (vgl. Blatt 46 der Verwaltungsvorgänge) darauf hin, dass diese irreführend ist, da der Anbau nach dem dargelegten – ohne Abstandfläche – an der Grundstücksgrenze errichtet werden darf und daher die Einzeichnung einer Abstandfläche auf dem Grundstück der Antragsteller irritiert.
26Die angefochtene Baugenehmigung verstößt auch nicht im Übrigen gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot. Durch die um drei Meter von der Grundstücksgrenze zurückgesetzte Dachterrasse sind Einsichtnahmemöglichkeiten in die Wohnung der Antragsteller kaum möglich. Auch wird der Garten- und Ruhebereich der Antragsteller durch den Anbau nicht derartig beeinträchtigt, dass die Grenze zur Rücksichtslosigkeit überschritten wäre. Dass der Blick in den Garten der Antragsteller möglich wird, haben diese als Ausfluss der Schicksalsgemeinschaft innerhalb der Hausgruppe hinzunehmen.
27Die übrigen Einwendungen der Antragsteller können nicht auf nachbarschützende Vorschriften zurückgeführt werden und unterfallen damit nicht dem gerichtlichen Prüfungsmaßstab. Soweit die Antragsteller die Nichteinhaltung von Höhenangaben rügen, berufen sie sich auf das nicht drittschützende Maß der baulichen Nutzung. Gleiches gilt für den Hinweis, der seit dem 5. Mai 1919 rechtsverbindliche Fluchtlinienplan „Wi 10“ müsse beachtet werden. Zum einen ist ein Verstoß hiergegen weder dargetan noch ersichtlich, zum anderen vermitteln die Festsetzungen besonderer Baufluchtlinien in einem Fluchtlinienplan nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz aufgrund ihrer rein städtebaulichen Zielsetzung keine drittschützenden Rechte.
28Vgl. Beschluss der Kammer vom 8. April 2015 – 5 L 103/15 –, juris.
29Das Vorbringen der Antragsteller, das Vorhaben der Beigeladenen werde teilweise auf ihrem Grundstück realisiert, ist für das vorliegende Verfahren, dessen Gegenstand allein die Baugenehmigung, nicht jedoch das Vorhaben ist, unerheblich. Dieses Vorbringen wurde im Schriftsatz vom 7. Mai 2015 nicht mehr aufrecht erhalten.
30Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
31Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetztes (GKG) in Verbindung mit Ziffer 7. a) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW,
32BauR 2003, 1883.
33Aufgrund eines bloßen Anbaus geht die Kammer in Ausübung richterlichen Ermessens von einem Hauptsachestreitwert von 5.000 € aus, der gemäß Ziffer 12. a) dieses Kataloges zu halbieren ist.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung
- 1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient: - a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs, - b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder - c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
- 2.
städtebaulich vertretbar ist und - 3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
(4) Die Gemeinde kann durch Satzung
- 1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, - 2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind, - 3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass
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sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für eine grenzständige Bebauung.
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Kläger und Beigeladener sind Eigentümer zweier benachbarter Grundstücke in K.... Diese sind mit einem Doppelwohnhaus mit jeweils zwei Geschossen und einem Dachgeschoss bebaut. Das Gebäude verfügt über ein Satteldach mit einer Firsthöhe von 11,60 m. Die Haushälften stehen mit vier bzw. sechs Metern Abstand zur festgesetzten Baufluchtlinie. Die Haushälfte des Beigeladenen wurde 1954, die des Klägers 1971 errichtet. Die übrige Bebauung der Straße besteht auf der einen Straßenseite - abgesehen von einem freistehenden zweigeschossigen Wohngebäude - aus zwei- oder mehrgeschossigen Häusern, Doppelhäusern oder Hausgruppen, auf der anderen Straßenseite herrscht eine zwei- bis dreigeschossige Bebauung mit Doppelhäusern oder Hausgruppen vor. Außer einem Fluchtlinienplan fehlen bauplanerische Festsetzungen.
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Der Beigeladene beabsichtigt auf seinem Grundstück die Errichtung eines 15 m hohen viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses mit zusätzlichem Staffelgeschoss und Flachdach. Es soll anstelle der bestehenden Haushälfte ohne Einhaltung von Grenzabständen und unter Ausnutzung der Baufluchtlinie errichtet werden. Für das Vorhaben erteilte das Bauaufsichtsamt der Beklagten den streitgegenständlichen planungsrechtlichen Vorbescheid.
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Das Verwaltungsgericht wies die gegen den Vorbescheid erhobene Klage ab. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht der Klage stattgegeben und den streitgegenständlichen Vorbescheid aufgehoben. Der Vorbescheid sei rechtswidrig, weil das geplante Vorhaben mit § 34 Abs. 1 BauGB unvereinbar sei. Es füge sich nach seiner Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein, die in offener Bauweise gebaut sei. Das Vorhaben des Beigeladenen beseitige das bestehende Doppelhaus, ohne ein neues Doppelhaus zu schaffen. Die beiden Haushälften würden vielmehr bei Realisierung des Vorhabens den Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper erwecken. Auf diesen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 BauGB könne sich der Kläger berufen. Denn mit der Doppelhausbebauung gingen die Grundstückseigentümer ein nachbarliches Austauschverhältnis ein, das nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden dürfe.
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Mit seiner vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Beigeladene geltend, die Rechtsprechung zur nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <362 f.>) könne auf den unbeplanten Innenbereich nicht übertragen werden. Die maßgeblichen Fälle seien über das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 BauGB zu lösen. Danach sei die Klage abzuweisen. Auf den Kläger sei umso weniger Rücksicht zu nehmen, als dieser sein Grundstück baulich nicht vollständig ausnutze.
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Die Beklagte schließt sich dem Standpunkt des Beigeladenen an.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der streitgegenständliche Vorbescheid ist rechtswidrig (1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (2.) (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach der Bauweise nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
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a) Das Vorhaben des Beigeladenen ist hinsichtlich seiner Bauweise planungsrechtlich an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehlt und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles liegt. Maßstabsbildend im Sinne dieser Vorschrift ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr, Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <380> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 48). Das Oberverwaltungsgericht hat als nähere Umgebung die beiden Seiten der R...straße in den Blick genommen (UA S. 9), die Beteiligten haben hiergegen Einwände nicht erhoben.
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b) In dieser Umgebung befindet sich nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts eine Bebauung mit Doppelhäusern, Hausgruppen und wenigen Einzelhäusern, die das Oberverwaltungsgericht als offene Bauweise bezeichnet.
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Mit diesen Bezeichnungen greift das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsfehler auf Begriffe der Baunutzungsverordnung zurück. Denn deren Vorschriften können im unbeplanten Innenbereich als Auslegungshilfe herangezogen werden (Beschluss vom 27. Juli 2011 - BVerwG 4 B 4.11 - BRS 78 Nr. 102 Rn. 4; Urteile vom 23. März 1994 - BVerwG 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277 <278> = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 168 S. 9 und vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 4 C 19.93 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 173 S. 30). Sie enthalten definitorische Grundsätze, was etwa die Begriffe der offenen oder geschlossenen Bauweise meinen (Beschlüsse vom 7. Juli 1994 - BVerwG 4 B 131.94 - juris Rn. 3 und vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166 S. 6). Aus diesem Grund konnte das Oberverwaltungsgericht auch auf den Begriff des Doppelhauses der Baunutzungsverordnung zurückgreifen, als es die Eigenart der Umgebungsbebauung, die bestehende Bebauung auf den Grundstücken des Klägers und des Beigeladenen und das streitgegenständliche Vorhaben gewürdigt hat.
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Im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO ist ein Doppelhaus eine bauliche Anlage, die dadurch entsteht, dass zwei Gebäude auf benachbarten Grundstücken durch Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit zusammengefügt werden. Kein Doppelhaus bilden dagegen zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige Baukörper erscheinen. Ein Doppelhaus verlangt ferner, dass die beiden Haushälften in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut werden (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - a.a.O. S. 357 ff. = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 3 ff.; Beschluss vom 23. April 2013 - BVerwG 4 B 17.13 - BauR 2013, 1427 Rn. 5). Diese Begriffsbestimmung bezeichnet den Begriff des Doppelhauses im Sinne bauplanungsrechtlicher Vorschriften (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - ZfBR 2012, 478, juris Rn. 9), also auch für den unbeplanten Innenbereich.
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Die knappen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zur Umgebungsbebauung bieten keinen Anlass für die Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe bei der Feststellung von Doppelhäusern in der näheren Umgebung einen hiervon abweichenden Begriff des Doppelhauses zugrunde gelegt. Nach den Urteilsgründen handelt es sich bei dem gegenwärtigen Gebäude des Klägers und des Beigeladenen "auch" um ein Doppelhaus (UA S. 9). Diese Formulierung setzt einen einheitlichen Begriffsinhalt voraus. Damit steht fest, dass sich in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks nur solche einseitig grenzständigen Haushälften befinden, die das begrifflich geforderte Mindestmaß an Übereinstimmung aufweisen und deshalb Doppelhäuser im Sinne des Senatsurteils vom 24. Februar 2000 (a.a.O.) sind. Diese mit Revisionsrügen nicht angegriffene Feststellung bindet den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO), insbesondere ist sie nicht zweifelsfrei aktenwidrig (vgl. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 137 Rn. 70).
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c) Damit prägen solche Gebäude die nähere Umgebung, die bei bauplanerischer Festsetzung einer offenen Bauweise zulässig sind (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO). Dennoch bestimmt sich die Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen hinsichtlich der Bauweise nicht nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO. Die Vorschrift richtet sich an die planende Gemeinde (vgl. Urteil vom 16. September 1993 - BVerwG 4 C 28.91 - BVerwGE 94, 151 <154> = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 S. 97). Anders als § 34 Abs. 2 BauGB für die Art der baulichen Nutzung verweist § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich des Einfügens nach der Bauweise selbst dann nicht auf den Maßstab der Baunutzungsverordnung, wenn die nähere Umgebung der dort definierten offenen oder geschlossenen Bauweise entspricht. Den rechtlichen Maßstab bestimmt vielmehr § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wonach sich das Vorhaben des Beigeladenen nach seiner Bauweise in die nähere Umgebung einfügen muss.
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Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts beseitigt das Vorhaben des Beigeladenen das bestehende Doppelhaus, führt aber nicht zur Entstehung eines neuen Doppelhauses. Es stützt sich für diese Würdigung auf quantitative Abweichungen, die zwei zusätzlichen Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss, die unterschiedliche Höhe der Gebäudehälften und die Erweiterung im viergeschossigen Bereich sowie die zusätzliche Erweiterung im zweigeschossigen Bereich. Hinzu träten qualitative Gesichtspunkte, insbesondere die unterschiedlichen Dachformen (Satteldach auf der einen, Flachdach auf der anderen Seite). Diese Würdigung verstößt nicht gegen Bundesrecht. Zwar mahnt das Urteil vom 24. Februar 2000, den Begriff des Doppelhauses nicht bauordnungsrechtlich zu überladen. In dem städtebaulichen Regelungszusammenhang beurteilt sich die Frage, ob zwei an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude noch ein Doppelhaus bilden, allein nach dem Merkmal des wechselseitigen Verzichts auf seitliche Grenzabstände, mit dem eine spezifisch bauplanerische Gestaltung des Orts- und Stadtbildes verfolgt wird (BVerwGE 110, 355 <361> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 6). Dennoch hängt die Qualifizierung zweier Gebäude als Doppelhaus nicht allein davon ab, in welchem Umfang die beiden Gebäude an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aneinander gebaut sind. Es kann daher das Vorliegen eines Doppelhauses mit Blick auf die bauplanungsrechtlichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- und Stadtbildes geprüft und ein Mindestmaß an Übereinstimmung verlangt werden (Beschluss vom 10. April 2012 - BVerwG 4 B 42.11 - a.a.O. Rn. 12). Die Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, bei Verwirklichung des Vorhabens des Beigeladenen entstände der Eindruck disproportionaler, zufällig in grenzständiger Weise nebeneinander gestellter Baukörper, wahrt diesen bundesrechtlichen Maßstab.
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d) Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich damit in den Rahmen der Umgebungsbebauung nicht ein. Denn seine Verwirklichung führt nicht zu einem Doppelhaus, sondern zu einer einseitig grenzständigen Bebauung, für die es in der Umgebung an Vorbildern fehlt. Das Oberverwaltungsgericht hat auch ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass das Vorhaben geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen (Urteile vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <386> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 53 und vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 7). Bodenrechtlich beachtliche und bewältigungsbedürftige Spannungen sind dadurch gekennzeichnet, dass das Vorhaben die vorhandene Situation in bauplanungsrechtlich relevanter Weise verschlechtert, stört oder belastet und das Bedürfnis hervorruft, die Voraussetzungen für seine Zulassung unter Einsatz der Mittel der Bauleitplanung zu schaffen (Urteil vom 16. September 2010 - BVerwG 4 C 7.10 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 212 Rn. 23). Hierfür reicht die mögliche Vorbildwirkung des Vorhabens (Urteil vom 26. Mai 1978 a.a.O.), die ein Bedürfnis nach planerischer Gestaltung auslösen kann (vgl. § 22 Abs. 4 BauNVO).
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2. Das Oberverwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit Bundesrecht angenommen, dass dieser Rechtsverstoß Rechte des Klägers verletzt. Diese Auffassung wird in der Literatur geteilt (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Juni 2013, § 22 BauNVO Rn. 50; Upmeier, Mampel, BRS-Info 4/2012, S. 19; Aschke, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 3. Aufl. 2013, § 22 BauNVO Rn. 16; Wolf, Drittschutz im Bauplanungsrecht, Band 11, 2012, S. 175 f.).
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a) Ein Drittschutz kann weder direkt noch analog aus § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hergeleitet werden. Die Vorschrift entfaltet selbst im beplanten Bereich keinen Nachbarschutz. Nachbarschutz vermittelt hier vielmehr die planerische Festsetzung (Urteil vom 24. Februar 2000 a.a.O. S. 362 = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 7), an der es im unbeplanten Bereich fehlt.
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b) Der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Drittschutz folgt vielmehr aus dem Gebot der Rücksichtnahme.
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Ein Nachbar, der sich auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann mit seiner Klage nur durchdringen, wenn eine angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt (stRspr, Beschluss vom 13. November 1997 - BVerwG 4 B 195.97 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 189 S. 59; Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 4 C 34.85 - Buchholz 406.11 § 34 BBauGB Nr. 114 S. 64). Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus (Urteil vom 26. September 1991 - BVerwG 4 C 5.87 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 103 S. 76
). Er kann vorliegen, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (Urteil vom 26. Mai 1978 - BVerwG 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.> = Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 63 S. 52). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (Beschluss vom 11. Januar 1999 - BVerwG 4 B 128.98 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 159 S. 3). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (Urteil vom 13. März 1981 - BVerwG 4 C 1.78 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 44 S. 99). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 8.84 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 71 S. 56).
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Dies ist hier der Fall: Die Zulässigkeit einer Bebauung als Doppelhaus setzt den wechselseitigen Verzicht auf seitliche Grenzabstände an der gemeinsamen Grundstücksgrenze voraus. Dieser Verzicht bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Ihre Baufreiheit wird zugleich erweitert und beschränkt. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht. Das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, "erkauft" (Urteil vom 24. Februar 2000 - BVerwG 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355 <359> = Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 7 S. 4). Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn er den bisher durch das Doppelhaus gezogenen Rahmen überschreitet. Sie ist im beplanten und unbeplanten Bereich identisch. Dass die Rücksichtnahmepflichten im beplanten Gebiet auf einer planerischen Konzeption beruhen, führt auf keinen Unterschied. Denn im Fall des § 34 Abs. 1 BauGB ergeben sich die Beschränkungen der Baufreiheit regelmäßig aus der Umgebungsbebauung und nicht aus einer planerischen Konzeption.
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Sachgesetzlichkeiten (Beschluss vom 19. Oktober 1995 - BVerwG 4 B 215.95 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 131 S. 12) fordern keine unterschiedliche Behandlung. Dass der Zulässigkeitsmaßstab bei § 34 Abs. 1 BauGB stets weniger scharf ist, lässt sich nicht sagen. Allerdings ist einzuräumen, dass den Nachbarn größere Hinnahmepflichten treffen, wenn die maßgebliche Umgebungsbebauung eine größere Wahlfreiheit als eine planerische Festsetzung eröffnet (vgl. Beschluss vom 11. März 1994 - BVerwG 4 B 53.94 - Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 166). So liegt es hier nicht, weil die Umgebungsbebauung nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts einen vergleichsweise engen Rahmen setzt. Anders als bei Festsetzungen nach den §§ 16 ff. BauNVO und § 23 BauNVO (vgl. Beschluss vom 19. Oktober 1995 a.a.O. S. 13) hängt es im Übrigen auch im beplanten Gebiet nicht vom Willen der Gemeinde ab, ob Festsetzungen nach § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO hinsichtlich der Nachbarn von Doppelhäusern dem Schutz des Nachbarn dienen. Schließlich kann für die "Doppelhaus"-Fälle eine so einheitliche Interessenlage angenommen werden, dass es jedenfalls grundsätzlich einer Betrachtung der konkreten Situation nicht bedarf. Dass hier ausnahmsweise etwas Anderes gelten könnte, ist nicht ersichtlich. Namentlich reicht der Hinweis des Beigeladenen nicht aus, dass die bestehenden Haushälften die Bebauungsmöglichkeiten derzeit nicht vollständig ausnutzen. Dies betrifft das Maß der baulichen Nutzung, berührt aber das nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erfüllende Erfordernis eines Einfügens nach der Bauweise nicht.
(1) Im Bebauungsplan kann die Bauweise als offene oder geschlossene Bauweise festgesetzt werden.
(2) In der offenen Bauweise werden die Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser, Doppelhäuser oder Hausgruppen errichtet. Die Länge der in Satz 1 bezeichneten Hausformen darf höchstens 50 m betragen. Im Bebauungsplan können Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser, nur Doppelhäuser, nur Hausgruppen oder nur zwei dieser Hausformen zulässig sind.
(3) In der geschlossenen Bauweise werden die Gebäude ohne seitlichen Grenzabstand errichtet, es sei denn, dass die vorhandene Bebauung eine Abweichung erfordert.
(4) Im Bebauungsplan kann eine von Absatz 1 abweichende Bauweise festgesetzt werden. Dabei kann auch festgesetzt werden, inwieweit an die vorderen, rückwärtigen und seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der (sinngemäße) Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die zugunsten der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 26. September 2014 (5 K 4777/14) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
6Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, wie hier nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
7In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ein überwiegendes Interesse des Bauherrn ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Umgekehrt ist dem Interesse des Nachbarn grundsätzlich der Vorrang einzuräumen, wenn er durch das genehmigte Vorhaben in seinen Rechten verletzt und die Nachbarklage daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Baugenehmigung führen wird.
8Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt dabei, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen subjektiven Rechten verletzt.
9Gemessen an diesen Maßstab geht vorliegend die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten des Antragstellers aus. Die im Eilverfahren allein vorzunehmende summarische Prüfung ergibt, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 26. September 2014 verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.
10Das Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
11Zunächst kann ein den Antragsteller in seinen Rechten verletzender Verstoß gegen die Vorschriften über das Einhalten von Abstandflächen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) nicht festgestellt werden. Nach dieser Vorschrift sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten, wobei die Abstandflächen auf dem Grundstück selbst oder auch auf öffentlichen Verkehrsflächen, jedoch nur bis zu deren Mitte, liegen müssen bzw. dürfen.
12Der Antragsteller, der Miteigentümer der auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegenden Grundstücke (Gemarkung X. , Flur 5, Flurstücke 741-744) ist, kann sich hier allein gegen eine mögliche Überschreitung der durch die jeweils zur Straße H.----ring gerichteten Hauswand ausgelösten Abstandfläche wenden. Insofern kann sich der Eigentümer eines Grundstücks, das durch eine öffentliche Verkehrsfläche von dem zu bebauenden Grundstück getrennt wird, zur Wehr setzen, wenn die Abstandfläche die Mitte der öffentlichen Fläche überschreitet. Denn nach dem Grundgedanken des § 6 Abs. 2 Satz 2 BauO NRW soll jeder der gegenüberliegenden Nachbarn die öffentliche Fläche zur Hälfte mit der Abstandfläche seines Gebäudes in Anspruch nehmen können.
13Vgl. Gädtke / Temme / Heintz / Czepuck, BauO NRW Kommentar, 11. Auflage 2008, § 6 Rn. 47a.
14In Anwendung des § 6 Abs. 5 Satz 2 BauO NRW, nach dem sich die Tiefe der Abstandfläche zu öffentlichen Verkehrsflächen aus dem Faktor 0,4 zur Wandhöhe H ergibt, kommen die Abstandflächen jedoch hier sogar noch auf dem Vorhabengrundstück selbst zum Liegen. Selbst bei vollständigem Einbezug des Staffelgeschosses in die Berechnung der Höhe der zur Straße gerichteten Außenwand, überschreitet die Tiefe der nach § 6 Abs. 5 BauO NRW einzuhaltende Abstandfläche nicht den durch das Vorhaben tatsächlich allein bis zur Grundstückgrenze eingehaltenen Abstand.
15Die angefochtene Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 51 Abs. 7 BauO NRW. Nach dieser Bestimmung müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und Lärm oder Gerüche das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß hinaus stören. Die Frage, wann die Benutzung von Stellplätzen und Garagen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohnräumen der betreffenden Nachbarn befindet.
16Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 21. Oktober 2002 - 7 A 3185/01 -, Beschlüsse vom 11. März 2003 - 7 B 240/03 – und vom 30. August 2013 – 7 B 252/13; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, jeweils zitiert nach juris.
17Entscheidend ist weiter der Umstand, wie der Bereich, in dem die Stellplätze oder Garagen errichtet werden sollen bzw. in dem sie sich auswirken werden, zu qualifizieren ist. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch die Nutzung von Stellplätzen oder Garagen verursachten Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn die Stellplätze oder Garagen wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben, nahe der Straße untergebracht werden. Andererseits werden Lärm- und Geruchsbelästigungen von Stellplätzen oder Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen eher die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Die Grenze ist umso niedriger anzusetzen, je empfindlicher und schutzwürdiger der Bereich, in dem die Stellplätze errichtet werden sollen, hinsichtlich der in § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW genannten Schutzgüter ist.
18Vgl. OVG NRW, Urteile vom 4. September 2008 – 10 A 1678/07 - und vom 21. Oktober 2002 - 7 A 3185/01 -, Beschluss vom 11. März 2003 - 7 B 240/03 -; jeweils zitiert nach juris.
19Bei der hiernach vorzunehmenden Bewertung ist in bauordnungsrechtlicher Hinsicht auch die gesetzgeberische Wertung in § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW zu berücksichtigten, wonach Garagen nebst deren erforderlichen Zuwegungen sogar unmittelbar an der Nachbargrenze grundsätzlich hinzunehmen sind, und zwar gemäß § 12 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in allen Baugebieten. Dies bedeutet zugleich, dass auch die mit der Benutzung der Garage notwendigerweise verbundenen Geräusche (Öffnen und Schließen des Garagentores, Motorengeräusch des ein- und ausfahrenden PKW, Türenschlagen, Gespräche vor der Garage etc.) und die von dem PKW bei der Zu- und Abfahrt zur Garage verursachten Abgase nach der gesetzgeberischen Wertung auch und gerade an der Nachbargrenze grundsätzlich als zumutbar anzusehen sind.
20Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Juni 2006 - 10 A 80/04 -, zitiert nach juris.
21Darüber hinaus kommt es für die Frage der Zumutbarkeit von Stellplätzen und Garagen einschließlich ihrer Zufahrten maßgeblich darauf an, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Ist die Umgebung des Baugrundstücks bereits durch bauliche Nutzungen für Stellplätze belastet, können Nachbarn nicht damit rechnen, bei einer Neubebauung von jeglicher Störung durch derartige Nutzungen befreit zu werden.
22Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2008 – 7 B 449/08 - und vom 17. Januar 2011 – 7 B 1506/10 -, VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 10 L 765/10 -, jeweils zitiert nach juris.
23In Anwendung dieser Grundsätze erweisen sich die zwei Tiefgaragen, wie sie durch die angefochtene Baugenehmigung vom 26. September 2014 genehmigt wurden, unter Berücksichtigung der örtlichen und baulichen Gegebenheiten, die sich die Kammer anhand der vorliegenden Pläne und Karten erschlossen hat, gegenüber dem Antragsteller als zumutbar. Zum einen handelt es sich nicht um offene Stellplätze oder Garagen, sondern um zwei Tiefgaragen, so dass die davon ausgehenden Lärmimmissionen von vornherein allein auf die Ein- und Ausfahrt in die Garage hinein bzw. aus der Garage heraus sowie das Öffnen und Schließen des Tiefgaragentors beschränkt sind. Weitere sog. „garagentypische“ Geräusche, wie das Auf- und Zuschlagen von Türen, Gespräche vor dem Auto, Rangierbewegungen vor dem Stellplatz, etc. können den Antragsteller von vornherein nicht unzumutbar beeinträchtigen, da diese Geräusche ausschließlich in der Tiefgarage hervorgerufen werden und eine akustische Wahrnehmung durch den Antragsteller auf ein Minimum begrenzt wenn nicht sogar insgesamt ausgeschlossen sein dürfte. Zum anderen ist die Zufahrt zur Tiefgarage straßenseitig ausgerichtet. Die bei der Ein- und Ausfahrt der Fahrzeuge verursachten Lärmimmissionen dringen nicht in den besonders geschützten Ruhe- und Erholungsbereich des Antragstellers ein, sondern wirken sich dort aus, wo fahrzeugtypische Geräusche regelmäßig zu erwarten sind, nämlich im Bereich einer öffentlichen Verkehrsfläche. Hinzu kommt, dass die Steigung der unmittelbar gegenüber dem Grundstück des Antragstellers liegenden Tiefgaragenausfahrt laut Bauzeichnung vom 25. Juli 2014 lediglich eine Steigung von 4% aufweist, so dass Geräusche, die durch ein Aufheulen des Motors bei Benutzung der Rampe verursacht werden, von vornherein nicht zu erwarten sind. Die gegenüber dem Grundstück H.----ring 47 liegende Tiefgaragenauffahrt weist zwar dagegen eine Steigung von bis zu 15% auf. Die hierdurch verursachen Lärmimmissionen, sofern sie überhaupt für den Antragsteller wahrnehmbar sind, erreichen jedoch nicht ein solches Maß, das die Grenze der Unzumutbarkeit im oben dargestellten Sinne überschreitet. Die verbleibenden von den Tiefgaragen ausgehenden Immissionen sind schließlich von so geringer Intensität, dass sie nicht geeignet sind, die Tiefgarage insgesamt als unzumutbar zu qualifizieren.
24Diese Erwägungen werden zusätzlich durch die von der Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegte „Schallimmissionsprognose zum Betrieb der Tiefgarage“ vom 12. April 2014 gestützt. Zwar sind technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte – seien es Einzelwerte, Wirk- oder Beurteilungspegel – für die Beurteilung der Unzumutbarkeit grundsätzlich nicht ausschlaggebend.
25Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. September 2008 – 10 A 1678/07 – sowie Beschluss vom 30. August 2013 – 7 B 252/13 -; jeweils zitiert nach juris.
26Sie können jedoch als zusätzliches Indiz für die Beurteilung von zu erwartenden Lärmbeeinträchtigungen herangezogen werden.
27Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 -, zitiert nach juris, bestätigt durch OVG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2014 – 10 B 1500/13 -.
28Insofern zeigt auch die genannte Schallimmissionsprognose, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte an dem Gebäude H.----ring 45 durchgehend um mindestens 6 dB(A) unterschritten werden. Der von der Benutzung der Tiefgaragen ausgehende Lärm dringt damit nur in verschwindend geringem Umfang in den – zumal aufgrund der allein straßenseitigen Auswirkungen nicht in besonderem Maße - geschützten Bereich des Antragstellers ein.
29Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
30Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 34 Abs. 1 BauGB, da das Baugrundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Da die Nutzungsart der für die Beurteilung maßgeblichen Umgebung einem reinen Wohngebiet entspricht, finden über § 34 Abs. 2 BauGB die Vorschriften der BauNVO Anwendung.
31Das geplante Vorhaben fügt sich fraglos in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da es ausschließlich Wohnzwecken dienen soll. Hinsichtlich der zwei genehmigten Tiefgaragen folgt dies vor allem aus § 12 Abs. 1 BauNVO, nach dem Stellplätze und Garagen in allen Baugebieten zulässig sind.
32Ob sich das Vorhaben im Übrigen nach den weiteren in § 34 Abs. 1 BauGB aufgeführten Kriterien einfügt, ist demgegenüber für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung, da die weiteren Kriterien – namentlich das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche – sowie die Frage der Erschließung regelmäßig – so auch hier – nicht nachbarschützender Natur sind. So ist es für Nachbarverfahren regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich das streitige Vorhaben nach seinem Bauvolumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe in die nähere Umgebung einfügt.
33Vgl. grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -, zitiert nach juris; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, Bd. II, Loseblatt, § 34 Rn. 141 m.w.N.
34Der Antragsteller kann daher bereits aus Rechtsgründen nicht mit Erfolg rügen, der Neubau verfüge über drei Geschosse und ein Staffelgeschoss, während die Umgebung von einer Bebauung mit drei Vollgeschossen geprägt sei. Die Geschossigkeit eines Vorhabens betrifft das Maß der baulichen Nutzung und ist damit nicht drittschützend.
35Gleiches gilt für die Einwendung des Antragstellers, dass durch das Vorhaben die Baugrenzen überschritten werden. Sofern das Vorhabengrundstück im Geltungsbereich des Fluchtlinienplans W 11 / W 14 a der Stadt C. aus dem Jahr 1927 liegt, vermitteln die dort festgesetzten Fluchtlinien keinen Drittschutz. Denn die Festsetzungen besonderer Baufluchtlinien aufgrund eines Fluchtlinienplans nach dem Preußischen Fluchtliniengesetz haben bereits wegen der rein städtebaulichen Zielsetzung keine nachbarschützende Wirkung.
36Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 14. Juni 2012 – 5 K 2317/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 990/06 – mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. Juli 1978 – 10 B 655/78 -; jeweils zitiert nach juris.
37Die Einwendungen des Antragstellers hinsichtlich der unzureichenden Erschließung aufgrund der Verdoppelung der angeschlossenen Wohnungen vermögen ebenfalls mangels Drittschutz nicht durchzugreifen. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung eines Bauvorhabens dient grundsätzlich nur dem Interesse der Allgemeinheit und hat keine nachbarschützende Funktion.
38Vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 3. Februar 2014 – 9 CS 13.1916 -; OVG NRW, Urteil vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 -; jeweils zitiert nach juris.
39Schließlich lässt das Vorhaben der Beigeladenen auch nicht das nach planungsrechtlichen Maßstäben erforderliche Maß an Rücksichtnahme gegenüber dem Antragsteller vermissen. Insofern sind nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die in §§ 2 bis 24 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in der Umgebung unzumutbar sind.
40Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
41Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
42Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
43Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 -, sowie Urteil vom 2. Januar 2014 – 5 K 1658/13 -; BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
44Die Vorschrift gilt auch für die in § 12 BauNVO genannten Stellplätze und Garagen. Sie sind vor allem dann unzulässig, wenn ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt.
45Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 -, Beschluss vom 20. März 2003 - 4 B 59.02 -; OVG NRW, Urteil vom 4. September 2008 - 10 A 1678/07 -, jeweils zitiert nach juris; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 12 Rn. 8.1; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Bd. II, § 51 Rn. 211a.
46Die besonderen Umstände des Einzelfalls können es dabei erforderlich machen, die Beeinträchtigung der Nachbarschaft auf das ihr entsprechend der Eigenart des Gebiets zumutbare Maß zu mindern. Hierfür kommen beispielsweise die bauliche Gestaltung der Stellplätze und ihrer Zufahrt, eine Anordnung, die eine Massierung vermeidet, der Verzicht auf Stellplätze zugunsten einer Tiefgarage oder Lärmschutzmaßnahmen an der Grundstücksgrenze in Betracht.
47Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. September 2008 - 10 A 1678/07 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 7. Juli 2010 – 3 M 102/10 -, jeweils zitiert nach juris.
48Ferner ist zu berücksichtigen, dass die landesrechtliche Vorschrift über Stellplätze nach § 51 Abs. 7 BauO NRW zwar die Anwendung von § 15 BauNVO nicht spezialgesetzlich ausschließen kann. Für die Anwendung des bundesrechtlichen Rücksichtnahmegebotes bleibt jedoch aus tatsächlichen Gründen regelmäßig kein Raum, soweit die durch dieses Gebot geschützten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren Anforderungen genügt.
49Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 - und vom 7. Dezember 2006 - 4 C 11.05 -; OVG NRW, Beschluss vom 11. März 2003 - 7 B 240/03 -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - 10 L 765/10 -, jeweils zitiert nach juris; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 12 Rn. 8; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Bd. II, § 51 Rn. 9, 211.
50Hiervon ausgehend weisen die Tiefgaragen auf dem Vorhabengrundstück in tatsächlicher Hinsicht keine atypischen Besonderheiten auf, wegen derer, weil die entsprechenden Belange noch nicht im Rahmen von § 51 Abs. 7 BauO NRW berücksichtigt wurden, das Vorhaben der Beigeladenen gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen könnte. Insofern kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die bereits oben im Rahmen des § 51 Abs. 7 BauO NRW dargelegten Erwägungen verwiesen werden.
51Ein Verstoß gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich letztendlich auch nicht aufgrund einer zu erwartenden verschärften Verkehrssituation auf der Straße H.----ring . Zum einen ist davon auszugehen, dass die genehmigten Stellplätze in den Tiefgaragen den tatsächlichen Stellplatzbedarf der Bewohner abdecken werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Straße H.----ring auch bislang in der Lage war, den durch die Kirche „W. “ ausgelösten Verkehr auch zu Stoßzeiten aufzufangen. Selbst wenn durch das Vorhaben zusätzlicher Verkehr auf dem in Rede stehenden Bereich der Straße H.----ring vor dem Grundstück des Antragstellers ausgelöst wird, so geht die Kammer davon aus, dass dieser nicht ein solches Störpotential erreicht, der die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreitet.
52Im Übrigen ist ein Verstoß der angefochtenen Baugenehmigung gegen sonstige nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht ersichtlich und wurde auch sonst nicht vorgetragen.
53Letztlich ist festzuhalten, dass der Eigentümer eines Grundstücks im unbeplanten Innenbereich typischerweise das Risiko trägt, dass eine spätere Nachbarbebauung den baurechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert jedem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses baulich im Rahmen der Gesetze so zu nutzen, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht. Dieses Recht kann auch der Antragsteller für sich beanspruchen. Hält sich die Bebauung innerhalb des durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Baurechts vorgegebenen Rahmens, stehen die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn und die Belange des Nachbarn und der Allgemeinheit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
54Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013 – 10 A 2686/12 -, zitiert nach juris.
55Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
56Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) und orientiert sich an der von dem Vorhaben zu erwartenden Beeinträchtigung des Wohngrundstücks des Antragstellers unter Berücksichtigung des bei sogenannten Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,00 € bis 15.000,00 € (vgl. Ziff. 7.a) des Streitwertkataloges der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen), wobei der Wert im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren ist (vgl. Ziff. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.