Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 19. Jan. 2016 - 5 K 5735/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Die Kläger wenden sich gegen eine zugunsten des Beigeladenen erteilte nachträgliche Baugenehmigung zur Errichtung einer Flutlichtanlage über einem bestehenden Außenschwimmbecken in C. .
2Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks B. in C. (Gemarkung 1 ), das seit über 75 Jahren mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück der Kläger liegt aufgrund einer Hanglage etwas erhöht unmittelbar östlich des im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks, auf dem der Beigeladene seit dem Jahr 1950 ein Schwimmbad betreibt. Zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück der Kläger verläuft die schmale Straße „B. “, über die das Grundstück der Kläger ausschließlich von Süden oder Norden kommend erschlossen wird. Die Entfernung zwischen dem Schlafzimmerfenster der Kläger und dem Beckenrand beträgt etwa 25 Meter. In der nordöstlichen Grundstücksecke der Beklagten befindet sich das Gebäude der Gaststätte „A. “. Um das Gelände des Schwimmbades sowie das Grundstück der Kläger ist ein dichter Baumbestand vorhanden. Im Osten schließt sich die Wohnbebauung der Q.---------straße sowie der U. Straße an. Im Südwesten befindet sich die Wohnsiedlung der D.------straße und im Nordwesten die Wohnsiedlung des H.---rings .
3OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
4OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
5OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
6OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
7OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO
8Mit Bauschein vom 1. Dezember 1947 genehmigte die Beklagte den Wiederaufbau des Gebäudes auf dem klägerischen Grundstück B. (damals: H1.----straße °°). In der Folgezeit wurden mehrfache Erweiterungen des Wohnhauses durch die Beklagte baurechtlich genehmigt. Durch Baugenehmigung vom 25. März 1993 wurde das Wohnhaus schließlich aufgrund eines umfangreichen Ausbaus zu einem Zweifamilienhaus. Die Kläger sind seit dem 25. April 2000 als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Zuletzt genehmigte die Beklagte durch Baugenehmigung vom 25. Juni 2002 die Erweiterung des Wintergartens.
9Bei dem Beigeladenen handelt es sich um einen im Jahr 1896 gegründeten Schwimmverein, der hinsichtlich des Grundstücks B. erbbauberechtigt ist. Mit über 5000 Mitgliedern zählt er zu den größten Schwimmvereinen Deutschlands. Der Verein konnte vor allem in der Sportart Wasserball größere Erfolge erzielen, nachdem die ……….mannschaft seit dem Jahr 0000 insgesamt zwölf Meisterschaftstitel in Folge sowie neun Pokaltitel errungen hatte. Seit dem Jahr 1950 unterhält der Beigeladene auf dem Vorhabengrundstück ein vereinseigenes Schwimmbad. Mit Baugenehmigung vom 18. Juni 1949 wurde erstmals die Errichtung einer Schwimmbadanlage auf dem Vorhabengrundstück genehmigt. Im September desselben Jahres wurde zudem die Errichtung einer Gaststätte, der Vereinszimmer und der Umkleideräume genehmigt. Mit Baugenehmigung vom 28. September 1978 genehmigte die Beklagte unter anderem die Errichtung eines neuen Außenschwimmbeckens mit den Maßen 50 m x 25 m. In der Baubeschreibung, die als Anlage b zur Baugenehmigung genommen wurde, findet eine Flutlichtanlage ausdrücklich Erwähnung, in dem es heißt:
10„Die Flutlichtanlage unterliegt zusätzlich den Bade- und Wettkampfbestimmungen.“
11Das Grundstück, auf dem der Beigeladene das Schwimmbad betreibt, liegt im Landschaftsschutzgebiet Nr. 10 des am 13. Mai 1995 in Kraft getretenen Landschaftsplanes C. -X. Im Regionalen Flächennutzungsplan ist das Grundstück als „Grünfläche“ ausgewiesen, wobei das Freibad mit der Bezeichnung „Bad“ dargestellt wird.
12Im Jahr 2006 führten die Kläger vor dem M. ein Beschwerdeverfahren unter anderem hinsichtlich der von den vier um das Außenschwimmbecken herum errichteten Flutlichtmasten ausgehenden Lichtimmissionen durch. Eine am 31. August 2006 durchgeführte Messung kam zu dem Ergebnis, dass für alle Beurteilungszeiten eine deutliche Immissionswertüberschreitung durch die Strahler festzustellen sei, wobei die Richtwerte eines Mischgebietes zugrundegelegt wurden. Das M. sprach die Empfehlung aus, aufgrund der Überschreitung der Immissionswerte Minderungsmaßnahmen durchzuführen, zum Beispiel dadurch, dass die an den Masten vorhandenen Strahler durch asymmetrische Planflächenstrahler ersetzt werden, so dass ein direktes Anstrahlen der Wohnung der Kläger vermieden wird.
13In der Folge wurden die zwei an der westlichen Schwimmbeckenseite befindlichen und in Richtung des Hauses der Kläger gerichteten Fluchtlichtmasten vollständig entfernt.
14Mit Bauantrag vom 18. Juli 2007 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Traglufthalle über dem Außenschwimmbecken ab dem 1. Oktober bis zum 30. April eines jeden Jahres.
15Mit Bauantrag vom 23. September 2008 beantragte der Beigeladene zudem die Erteilung einer (nachträglichen) Baugenehmigung für die Errichtung einer Flutlichtanlage, bestehend aus zwei Flutlichtmasten, die an der östlichen Seite entlang des Schwimmbeckens errichtet wurden.
16Mit Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 genehmigte die Beklagte die Errichtung einer Traglufthalle über dem vorhandenen Außenschwimmbecken ab dem 1. Oktober bis zum 30. April eines jeden Jahres für den Winterbetrieb gemäß DIN 4112 und DIN 4134 sowie die Errichtung von zwei Technikräumen und einem Lagerraum.
17Gegen die Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 setzen sich die Kläger in dem Verfahren 5 K 4164/12 zur Wehr.
18Das Gericht hat in dem Verfahren 5 K 4164/12 am 12. Juni 2013 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll und das angefertigte Lichtbildmaterial Bezug genommen.
19Mit der ersten Nachtragsbaugenehmigung vom 26. März 2014 genehmigte die Beklagte nachträglich die geänderte Bauausführung u.a. hinsichtlich der Lageänderung der Einhausung des Gebläses.
20Mit der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 5. Juni 2014 genehmigte die Beklagte die Änderung der Betriebsbeschreibung insofern, als dass die temporäre Nutzung durch Schulklassen ermöglicht wird.
21Mit der „3. Änderung der Baugenehmigung von 30.07.2012: Änderung der Betriebsbeschreibung“ vom 13. November 2014 änderte die Beklagte unter anderem die Auflage Nr. 1 der ursprünglichen Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 dahingehend, dass nunmehr die von der Anlage verursachten Geräuschimmissionen auf dem Grundstück der Kläger tagsüber 60 dB(A), in den Ruhezeiten 55 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten dürften.
22Gegen die Baugenehmigung vom 13. November 2014 setzen sich die Kläger in dem Verfahren 5 K 5405/14 zur Wehr.
23Mit Schreiben vom 21. November 2014 beantragten die Kläger gegenüber der Beklagten, bauaufsichtlich gegen die zwei verbliebenen Flutlichtmasten einzuschreiten, da diese ohne Baugenehmigung errichtet worden seien und zur Verletzung ihrer subjektiven Rechte führten.
24Mit Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 genehmigte die Beklagte nachträglich die mit Bauantrag vom 23. September 2008 beantragte Errichtung einer Flutlichtanlage. Laut der Betriebsbeschreibung lauten die Betriebszeiten werktags von 6.15 Uhr bis 21.45 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr.
25Gegen diese Baugenehmigung haben die Kläger am 19. Dezember 2014 Klage erhoben.
26Sie sind der Ansicht, die Baugenehmigung sei nichtig, da die Beklagte durch die Baugenehmigung die Errichtung einer baulichen Anlage im Landschaftsschutzgebiet und damit eine ordnungswidrige Handlung genehmige. Darüber hinaus sei die Baugenehmigung auch rechtswidrig. Der Bauantrag verschweige, dass durch die Genehmigung der Flutlichtmasten tatsächlich die lärmintensive Nutzung des Bades in die Ruhezeit hinein erweitert werde. Somit handele es sich bei dem eigentlich zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben um das gesamte Bad mit einer Flutlichtanlage und Nutzungszeiten bis 21:45 Uhr an Werktagen und bis 20:00 Uhr an Sonntagen. Das Bad und die Flutlichtanlage seien daher als ganzheitliche Anlage zu betrachten. Bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliege, sei insbesondere die Wertung des § 5 Abs. 2 der 18. BImSchV zu berücksichtigen. Darin komme zum Ausdruck, dass Freibäder nur während der täglichen, natürlichen Beleuchtungszeiten genutzt werden sollen. Dies impliziere, dass hinsichtlich baulicher Veränderungen, die zu einer Erweiterung des Betriebs führen, Zurückhaltung geboten sei. In den Zeiten, in denen das Bad nicht durch natürliche Beleuchtung betrieben werden könne, käme den schutzwürdigen Interessen der Nachbarn besondere Bedeutung zu. Schließich führe die Nutzung der Fluchtlichtmasten zu einer Störung der natürlichen Dämmerung und Dunkelheit. Das Areal werde mit Licht geflutet, das durch die Fenster der Kläger als hell erleuchtet zu sehen sei und entsprechende Reflektionen verursache, was für den Betrachter dauerhaft zu Unruhe führe. Es sei nicht zumutbar, dass die Kläger sich im Früh- oder Spätsommer täglich zu Hause „einbunkern“ müssten, damit der Beigeladene unter Flutlicht das Wasserballspiel trainieren könne.
27Die Geltendmachung der Abwehrrechte sei auch nicht verwirkt. Sie würden die Beeinträchtigung nicht bereits seit 35 Jahren hinnehmen, da sich die Nutzung erst innerhalb der letzten Jahre durch die Professionalisierung des Beigeladenen intensiviert habe. Ein etwaiges Vertrauen des Beigeladenen sei auch nicht schutzwürdig, da die Beklagte durch Mitteilung, die Anlage sei baurechtlich genehmigt, die Untätigkeit der Kläger durch Vorgabe falscher Tatsachen erst provoziert habe.
28Zudem stehe den Klägern ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Beklagte zu, da der Betrieb der Flutlichtanlage formell rechtswidrig und nicht genehmigungsfähig sei und sie in ihren Rechten verletze. Durch die andauernde Reflektion des Lichtes durch das sich stetig bewegende Wasser komme es zu häufigen, reflektionsbedingten Blendungen, die eine erhebliche Unruhe verursachen und andauernd den Blick aufs Wasser ziehen würden, da das Auge letztlich unbewusst die Quelle der unangenehmen Blendung suche. Der Schutz durch Vorhänge, Jalousien o.a. sei unzumutbar, da die Störung nicht nur an einzelnen Tagen, sondern dauerhaft erfolge.
29Die Kläger beantragen – schriftsätzlich -,
30festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 nichtig ist,
31hilfsweise,
32die Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 aufzuheben,
33sowie
34die Beklagte zu verpflichten, dem Beigeladenen im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens die Beseitigung der Flutlichtanlage, bestehend aus zwei Flutlichtmasten, aufzugeben.
35Die Beklagte beantragt – schriftsätzlich -,
36die Klage abzuweisen.
37Zur Begründung trägt sie vor, die Baugenehmigung sei nicht wegen fehlender Befreiung vom Bauverbot des Landschaftsplans C. –X. nichtig, da das bauaufsichtliche und das landschaftsschutzrechtliche Verfahren zwei gesonderte, selbständig nebeneinander stehende Genehmigungsverfahren seien. Der nachbarliche Abwehranspruch der Kläger gegen die Flutlichtmasten sei außerdem verwirkt, da diese seit mehr als 35 Jahren bestehen würden. Die Kläger müssten sich die Jahrzehnte währende Untätigkeit ihrer Rechtsvorgängerin anrechnen lassen. Der Umstand, dass die Flutlichtanlage in diesem Zeitraum bauaufsichtlich ungenehmigt betrieben worden sei, sei dabei für den Umstand der Verwirkung rechtlich unerheblich. Auch die Erteilung der Baugenehmigung stehe der Annahme einer materiell-rechtlichen Verwirkung der Geltendmachung von Abwehrrechten nicht entgegen. Ungeachtet dessen sei eine Verletzung subjektiver Rechte nicht erkennbar. Eine rücksichtslose Beeinträchtigung gehe von den Flutlichtmasten nicht aus. Insbesondere seien aufgrund der Feststellungen des Landesumweltamtes vom 1. September 2006 die beiden unmittelbar gegenüber der Wohnung der Kläger liegenden Masten vollständig abgebaut worden, obwohl nur eine Empfehlung zu Durchführung von Minderungsmaßnahmen ausgesprochen worden sei. Die verbleibenden Masten seien von der Wohnung der Kläger abgewandt und würden lediglich die Wasserfläche beleuchten. Die von den Klägern empfundene Aufhellung sei im Übrigen zumutbar. Die Kläger seien gehalten, selbst übliche und weitverbreitete Maßnahmen der Lichtdämpfung durchzuführen, um das von ihnen individuell gewünschte Maß an Abdunkelung zu erreichen.
38Der Beigeladene beantragt – schriftsätzlich -,
39die Klage abzuweisen.
40Zur Begründung trägt er vor, die Fluchtlichtmasten würden nach einer Maximalrechnung insgesamt ca. 70 Stunden betrieben werden, die abhängig von der Witterung auf 40 – 50 Tage im Zeitraum zwischen Mai bis September verteilt seien. Da die Traglufthalle über eine eigene Beleuchtung verfüge, seien die Lichtmasten in den Monaten Oktober bis April immer ausgeschaltet. Im Übrigen macht sich der Beigeladene im Wesentlichen die Ausführungen der Beklagten zu Eigen. Ergänzend trägt er vor, ausweislich der Richtlinie der Landesministerien „Lichtemissionen, Messung, Beurteilung und Verminderung“ seien Bewohner von Gebäuden, die räumlich eng an Lichtquellen angrenzen, weniger schutzwürdig als diejenigen, die in größerer Entfernung lebten, da den nahe wohnenden Bürgern ein höheres Maß an Rücksichtnahme abverlangt werde. Die Nutzung der Terrasse sei den Klägern entgegen ihres Vortrages auch weiterhin möglich, da bereits die Errichtung einer etwa 2 Meter hohen großflächigen Gabionenwand Immissionen abhalte. Hinzu komme, dass zwischen dem von den Klägern bewohnten Gebäudeteil und dem Schwimmbad ein hoher Nadelbaum stehe, der Blickschutz biete und eine Blendwirkung durch die Lichtmasten faktisch ausschließe. Schließlich habe der Kläger zu 2) selbst gegenüber seinen Nachbarn im Jahr 2009 erklärt, er wisse, dass die Flutlichtanlage nicht genehmigt sei. Daher sei der Anspruch jedenfalls verwirkt.
41In der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2015 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
42Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
43Entscheidungsgründe:
44Über die Klage entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten die zuständige Berichterstatterin, vgl. § 87 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung, vgl. § 101 Abs. 2 VwGO.
45Die Klage ist nicht bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Insbesondere haben die Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten und des Beigeladenen ihr Klagerecht hinsichtlich der Errichtung einer Flutlichtanlage nicht verwirkt.
46Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB -) erscheinen lassen. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das Verhalten des Berechtigten muss beim Verpflichteten also nicht nur die Vorstellung begründet haben, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde; der Verpflichtete muss sich hierauf auch tatsächlich eingerichtet haben.
47Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 4. Juni 2012 – 2 L 56/11 – mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16. Mai 1991 – 4 C 4/89 -, zitiert nach juris.
48Gegen die Verwirkung des Klagerechts spricht zum einen, dass von einem Untätigbleiben der Kläger bereits deshalb nicht die Rede sein kann, da diese sich tatsächlich wenige Jahre nach Eigentumserwerb, spätestens jedoch seit 2005, gegen die gesamte Freibadanlage und damit auch gegen die Flutlichtmasten wenden. Sie haben zudem wegen der Lichtimmissionen ein Beschwerdeverfahren vor dem Landesumweltamt angestrengt. Auf der anderen Seite war die Errichtung einer Flutlichtanlage ausweislich der Hausakte bereits im Jahr 1978 beabsichtigt, so dass sich die Kläger möglicherweise das Untätigbleiben der Voreigentümer zurechnen lassen müssen.
49Allerdings scheitert der Einwand der Verwirkung hier auch deshalb, da es an der Voraussetzung fehlt, dass dem Beigeladenen durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Insbesondere ist nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht ersichtlich und insoweit auch nicht seitens des Beigeladenen vorgetragen, welche konkreten Vorkehrungen und Maßnahmen dieser im Vertrauen auf die Nichtausübung des Klagerechts eingerichtet hat.
50Entscheidend ist hier allerdings, dass die Kläger erstmals nach Erteilung der Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 – sofern man diese als erstmalige Genehmigung der Flutlichtanlage versteht - die Möglichkeit erhalten haben, sich gegen die Flutlichtanlage gerichtlich zur Wehr zu setzen. Auch wenn materiell-rechtliche Abwehrrechte des Nachbarn gegenüber ungenehmigten Bauvorhaben verwirkt werden können,
51vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. März 1988 – 4 B 50/88 -, zitiert nach juris,
52würde ein Ausschluss des Klagerechts unter dem Aspekt der Verwirkung dazu führen, dass den Klägern faktisch jede Rechtsschutzmöglichkeit hinsichtlich einer erstmalig genehmigten baulichen Anlage genommen würde. Dies kann jedoch vor dem Hintergrund eines effektiven Rechtsschutzes, vgl. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), nicht hingenommen werden, zumal die Klägern erst durch die Erteilung der Baugenehmigung Kenntnis über die konkreten Betriebszeiten und Nutzungsmodalitäten der Flutlichtanlage erhalten haben.
53Letztlich kann die Frage, ob die Kläger ihr Klagerecht verwirkt haben, ebenso wie die Frage, ob die Klage bereits deshalb unzulässig ist, da die Errichtung einer Flutlichtanlage möglicherweise bereits mit Baugenehmigung vom 28. September 1978 genehmigt wurde mit der Folge, dass es sich bei der Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 lediglich um eine wiederholende Verfügung handelt, offen bleiben, da die Klage jedenfalls unbegründet ist.
54Die Kläger haben keinen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014, da diese nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
55Entgegen der Ansicht der Kläger ist die Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 nicht nichtig. Nichtigkeitsgründe gemäß § 44 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) liegen nicht vor. Die Baugenehmigung ist auch nicht nach der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG NRW nichtig. Danach ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.
56Bei einem besonders schwerwiegende Fehler im Sinne der Vorschrift handelt es sich um einen Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, das heißt mit den Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.
57Vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. April 2011 – 6 B 41/10 -, zitiert nach juris.
58Ein solcher Mangel ist hier nicht im Ansatz festzustellen. Unabhängig davon, ob möglicherweise in bauplanungsrechtlicher Hinsicht die Baugenehmigung rechtswidrig sein könnte, ist ein solcher Verstoß jedenfalls nicht offenkundig. Zwar wurde eine Befreiung von den Festsetzungen des Landschaftsplanes vorliegend nicht erteilt, so dass das Vorhaben möglicherweise öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) beeinträchtigt. Ob eine Befreiung jedoch überhaupt erforderlich ist und bejahendenfalls eine solche objektiv rechtswidrig wäre, lässt sich allein nach umfassender Prüfung beurteilen, so dass von einer „Offenkundigkeit“ eines Mangels, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Außenschwimmbecken bereits vor Erlass des Regionalen Flächennutzungsplanes genehmigt wurde und es damit nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass auch eine dem Vorhaben dienende Flutlichtanlage jedenfalls im Befreiungswege genehmigungsfähig sei könnte, nicht die Rede sein kann.
59Die angefochtene Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 verstößt auch nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. Insbesondere vermag das Gericht einen Verstoß des Vorhabens gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht festzustellen.
60Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB, da das Vorhabengrundstück weder innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils noch im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Dies hat zur Folge, dass sich die Kläger allein auf das Gebot der Rücksichtnahme, welches sich bei Außenbereichsvorhaben wie hier aus § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 3 BauGB herleitet, in Bezug auf die nachträglich genehmigte Flutlichtanlage berufen können.
61Vgl. dazu insgesamt BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1983 – 4 C 59/79 - , OVG NRW, Urteil vom 24. Januar 1983 – 7 A 733/81 -; jeweils zitiert nach juris; Söfker in Ernst-Zinkhan-Bielenberg, BauGB, § 35 Rn. 89.
62Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
63Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 13. November 2015 – 5 L 1900/15 -; jeweils zitiert nach juris.
64Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
65Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 21. August 2014 – 5 K 3451/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
66Diese Maßstäbe zugrundegelegt, erweist sich das Vorhaben gegenüber den Klägern nicht als rücksichtslos.
67Entscheidend ist dabei zunächst, dass die Strahler der Flutlichtmasten, nachdem zwei der ursprünglich vier Strahler abgebaut wurden, nicht das Haus der Kläger anstrahlen, sondern gerade von dem Haus weggerichtet sind, so dass eine direkt in die Räumlichkeiten der Kläger eindringende Lichteinstrahlung nicht vorhanden ist (vgl. insbesondere Bild Nr. 2 des im Ortstermin am 12. Juni 2013 in dem Verfahren 5 K 4164/12 angefertigten Lichtbildmaterials). Von einer unmittelbaren Blendung durch die Lichteinstrahlung kann daher von vornherein nicht die Rede sein.
68Zwar verkennt das Gericht nicht, dass es durch die Benutzung des Flutlichts zu einer nicht unwesentlichen Erhellung des unmittelbar vor dem Haus der Kläger gelegenen Grundstücks kommt, die von diesen im Vergleich zu dem Zustand ohne Betätigung des Flutlichts als nicht nur unwesentliche Störung empfunden wird. Dass das Maß des Zumutbaren durch die Erhellung jedoch hierdurch überschritten wird, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Auch wenn gerade die Künstlichkeit der Lichtquelle als unangenehm und störend empfunden wird, erzeugt die Benutzung des Flutlichts nicht eine solche Wirkung, die sich im oben genannten Sinne als gegenüber den Klägern rücksichtslos darstellt. Soweit die Kläger eine Rücksichtslosigkeit aufgrund der von den Lichtstrahlern verursachten Reflektionen behaupten, ist der Vortrag jedenfalls dahingehend weder plausibel noch substantiiert, als dass nicht erkennbar ist, wodurch bei einem Anstrahlen eines Außenschwimmbeckens in zu den Klägern entgegengesetzter Richtung Reflektionen entstehen können. Die bloße Behauptung einer solchen Wirkung reicht hingegen nicht aus, um von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen. Dass die Kläger keinen schützenswerten Anspruch auf die Wahrnehmung einer natürliche Dämmerung und Dunkelheit haben, folgt darüber hinaus aus dem Umstand, dass sie das Grundstück in Kenntnis des Betriebs eines Freibads, dessen Öffnungszeiten nicht auf die Stunden des Tageslichts beschränkt sind, erworben haben. Damit haben sie von vornherein eine Störung durch künstliche Lichteinwirkung in Kauf genommen.
69Schließlich sprechen auch die Betriebszeiten der Flutlichtanlage gegen eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens. Ausweislich der Betriebsbeschreibung, die als Anlage b Bestandteil der Baugenehmigung vom 6. Oktober 2014 ist, lauten die Betriebszeiten an Werktagen von 6.15 Uhr bis 21.45 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Vor dem Hintergrund, dass es zu einer Benutzung der Flutlichtanlage nur in den Sommermonaten Mai bis September kommt, da in den übrigen Monaten über das Außenschwimmbecken eine Traglufthalle errichtet wird, ist der Zeitraum, in dem es überhaupt nur zu einer Störung der Kläger durch Lichtimmissionen kommen kann, - wenn überhaupt - auf die frühen Morgenstunden sowie die frühen Abendstunden beschränkt. Die hinsichtlich der Wirkung von Lichtimmissionen besonders schutzbedürftige Nachtzeit wird durch das Vorhaben gerade nicht berührt. Nach der von Seiten des Beigeladenen vorgelegten Auswertung der Benutzung des Flutlichts, der die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten sind, wird das Flutlicht in der Maximalrechnung insgesamt ca. 70 Stunden betrieben, die abhängig von der Witterung auf 40 bis 50 Tage verteilt sind. Das Ausmaß der Störung ist also auch aus diesem Grund von vornherein auf ein Mindestmaß beschränkt.
70Letztlich können die Kläger hinsichtlich des Maßstabs der Zumutbarkeit entgegen ihrer Auffassung auch unter Berufung auf die Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes – Sportanlagenlärmschutzverordnung – (18. BImSchV) keinen höheren Schutzmaßstab für sich beanspruchen. Wenn der Verordnungsgeber in § 5 Abs. 2 1. Hs der 18. BImSchV sogar selbst davon ausgeht, dass der Betrieb eines Freibades zwischen 7.00 Uhr und 22.00 Uhr möglich sein soll, so kann daraus von vornherein nicht geschlossen werden, der Freibadbetrieb sei Anwohnern nur während Zeiten der natürlichen Belichtung zumutbar.
71Angesichts dieser nur in geringstem Maße vorgenommenen Nutzung sowie der zuvor beschriebenen tatsächlichen Auswirkungen auf die Kläger, vermag das Gericht eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens nicht zu erkennen.
72Dem Vortrag der Kläger, durch die Genehmigung der Flutlichtmasten werde eine verdeckte Nutzungsintensivierung des Freibades genehmigt, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Insbesondere sah die ursprüngliche Baugenehmigung für die Errichtung des Außenschwimmbades aus dem Jahr 1978 gerade keine zeitliche Nutzungsbeschränkung vor, so dass bereits zuvor eine Nutzung auch in den Ruhezeiten möglich war.
73Im Übrigen ist ein Verstoß der angefochtenen Baugenehmigung gegen sonstige nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht ersichtlich und wurde auch sonst nicht vorgetragen.
74Der Verpflichtungsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg, da er jedenfalls unbegründet ist. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf bauaufsichtliches Einschreiten, § 113 Abs. 5 VwGO.
75Die Bauaufsichtsbehörden haben gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) bei der Errichtung, der Änderung, dem Abbruch, der Nutzung, der Nutzungsänderung sowie der Instandhaltung baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. In Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
76Zu berücksichtigen ist dabei, dass der betroffene Nachbar nur dann einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten hat, wenn die streitige bauliche Anlage gegen Vorschriften verstößt, die auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Das der Bauaufsichtsbehörde eingeräumte Entschließungsermessen ist dann regelmäßig auf eine Verpflichtung zum Einschreiten reduziert.
77Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. März 2012 – 2 A 2732/10 -, zitiert nach juris.
78Dies zugrundegelegt, steht den Klägern kein Anspruch auf ordnungsbehördliches Einschreiten zu. Die Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift, die dem Schutz des Nachbar zu diesen bestimmt ist und damit drittschützend ist, ist – wie hinsichtlich des Hauptantrags bereits festgestellt – nicht erkennbar. Insofern wird auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen.
79Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da dieser mit Erfolg einen Antrag gestellt und sich damit dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat.
80Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 19. Jan. 2016 - 5 K 5735/14
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 19. Jan. 2016 - 5 K 5735/14
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 19. Jan. 2016 - 5 K 5735/14 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Gründe
- 1
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
- 2
Der Kläger benennt schon keinen der in § 124 Abs. 2 VwGO aufgeführten Gründe, die allein eine Zulassung der Berufung erlauben. Aber auch wenn anzunehmen sein sollte, er mache ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend, kann der Zulassungsantrag keinen Erfolg haben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor, wenn zwar einzelne Rechtssätze oder tatsächliche Feststellungen, welche das Urteil tragen, zu Zweifeln Anlass bieten, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 – 7 AV 4.03 –, DVBl 2004, 838). So liegt es hier.
- 3
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Klage, mit der sich der Kläger gegen die Aufhebung einer gegen den Beigeladenen am 23.01.2009 erlassenen bauaufsichtlichen Anordnung zum Verschließen zweier Dachflächenfenster mit harter Bedachung wendet und hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zum (erneuten) bauaufsichtlichen Einschreiten gegen den Beigeladenen begehrt, sei bereits wegen formeller Verwirkung unzulässig. Über seinen nachbarrechtlichen Abwehranspruch betreffend die beiden Dachfenster sei bereits bestandskräftig entschieden worden. Der Kläger habe bereits im April 2004 gegenüber der Beklagten ohne Erfolg ein Einschreiten gefordert. Das damalige Verfahren sei mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 10.02.2006 abgeschlossen worden. Das über zwei Jahre später mit Antrag vom 10.04.2008 vom Kläger erneut veranlasste Verfahren sei mithin in verwirkter Zeit anhängig gemacht worden.
- 4
1. Der Kläger wendet hiergegen ein, eine Verwirkung setze neben dem Zeitmoment besondere Umstände voraus, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis erscheinen lassen. Dieses Merkmal, zu dem das Verwaltungsgericht nichts ausgeführt habe, sei hier nicht erfüllt. Insbesondere ein positives Tun seinerseits, wie etwa eine Erklärung, die als Einverständnis gewertet werden könnte, sei nicht ersichtlich. Zu einem Handeln sei er nicht verpflichtet gewesen, weil der streitige Dachausbau bereits abgeschlossen gewesen sei. Besondere Umstände, bei denen nach der Rechtsprechung eine Verwirkung angenommen werden könne, hätten weder im Zeitraum zwischen 2006 und dem erneuten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten noch im Zeitraum zwischen dem Erwerb der Immobilie durch den Beigeladenen im Jahr 2002 und dem ersten Antrag im Jahr 2004 vorgelegen. Mit diesem Vorbringen vermag der Kläger im Ergebnis nicht durchzudringen.
- 5
1.1. Zwar begegnen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur formellen Verwirkung Bedenken. Grundsätzlich ist zwischen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtspositionen zu unterscheiden, wobei die Verwirkung verfahrensrechtlicher Rechte des Nachbarn regelmäßig voraussetzt, dass eine Baugenehmigung zuvor erteilt worden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.1988 – 4 B 50.88 –, NVwZ 1988,730). Dies ist hier in Bezug auf den Einbau der streitigen Dachflächenfenster – soweit ersichtlich – nicht der Fall. Ob auch dann von einer formellen Verwirkung gesprochen werden kann, wenn – wie hier – ein Nachbar einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht im Klagewege weiterverfolgt, sondern die ablehnende behördliche Entscheidung hinnimmt, erscheint fraglich. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Behörde auf einen erneuten Antrag des Nachbarn auf bauaufsichtliches Einschreiten in eine neue Sachprüfung eintritt und einen Zweitbescheid erlässt, der den Klageweg neu eröffnet. Eine solche Fallkonstellation liegt hier vor. Die Beklagte hat – ungeachtet der Frage, ob ein solches Wiederaufgreifen des Verfahrens im weiteren Sinne zu Lasten des Bauherrn zulässig ist (zweifelnd: VGH BW, Urt. v. 28.11.1989 – 10 S 1011/89 –, NVwZ 1990, 985 [988]) – den Antrag des Klägers vom 10.04.2008 zum Anlass genommen, die Zulässigkeit der Dachflächenfenster und einen eventuellen Beseitigungsanspruch des Klägers erneut zu prüfen. Die Frage, ob eine formelle Verwirkung vorliegt, kann indes offen bleiben.
- 6
1.2. Der Kläger hat jedenfalls deshalb keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die beiden in Widerspruch zu § 31 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauO LSA (früher § 34 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauO LSA 1994) stehenden Dachflächenfenster, weil ein eventuelles Abwehrrecht jedenfalls materiell verwirkt ist.
- 7
Materiellrechtliche Abwehrrechte des Nachbarn können auch gegenüber ungenehmigten Bauvorhaben verwirkt werden (BVerwG, Beschl. v. 18.03.1988, a.a.O.). Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) erscheinen lassen. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Das Verhalten des Berechtigten muss beim Verpflichteten also nicht nur die Vorstellung begründet haben, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde; der Verpflichtete muss sich hierauf auch tatsächlich eingerichtet haben (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 [1184]). Die für eine Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte erforderliche Voraussetzung der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes und einer Vertrauensbetätigung können auch in der Zeit nach Fertigstellung eines umstrittenen Bauvorhabens erfüllt werden, insbesondere wenn der umstrittene Baubestand über lange Jahre vom Nachbarn „widerspruchslos" hingenommen worden ist und der Bauherr in dieser Zeit Erhaltungsaufwendungen getätigt hat (vgl. SaarlOVG, Urt. v. 25.01.1994 – 2 R 12/93 –, BRS 56 Nr. 183). Dabei spielt ein Eigentumswechsel keine Rolle, da die jeweiligen Abwehrrechte dinglich, d. h. auf die beteiligten Grundstücke bezogen sind, so dass der neue Eigentümer in die Rechtsstellung des früheren einrückt (BayVGH, Urt. v. 28.03.1990 – 20 B 89.3055 –, BayVBl 1991, 725; VGH BW, Urt. v. 25.09.1991 – 3 S 2000/91 –, VBlBW 1991, 103; OVG MV, Urt. v. 05.11.2001 – 3 M 93/01 –, NVwZ-RR 2003, 15 [17], m.w.N.). Auch wenn es um die Einhaltung dem vorbeugenden Brandschutz dienender Vorschriften geht, können eventuelle nachbarliche Abwehrrechte verwirken (vgl. VGH BW, Urt. v. 25.09.1991, a.a.O.; SaarlOVG, Beschl. v. 16.02.2010 – 2 A 390/09 –, Juris, RdNr. 17).
- 8
Gemessen daran sind Abwehrrechte des Klägers gegen die beiden streitigen Dachflächenfenster materiell verwirkt. Das erforderliche zeitliche Moment ist erfüllt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurden die Fenster bereits Mitte der 90er Jahre im Zuge der Dachsanierung eingebaut, als der Beigeladene noch nicht Eigentümer des Baugrundstücks war. Der Kläger hat sich indes erstmals im April 2004 gegen die Dachfenster gewandt. Der Beigeladene durfte – wie schon der jeweilige Voreigentümer – auch darauf vertrauen, dass der Kläger eventuelle Abwehrrechte gegen den Fenstereinbau nicht mehr geltend machen werde. Nach den Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 15.05.2012 wurden alle baulichen Veränderungen und Instandhaltungen auf den Grundstücken A-Straße 8 und 9 in den 90er Jahren in gegenseitiger Absprache zwischen dem Kläger und den Rechtsvorgängern des Beigeladenen durchgeführt. Auch ist davon auszugehen, dass der jeweilige Grundstückseigentümer tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die späte Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Für den Grundstückseigentümer unzumutbare Nachteile können auch dann entstehen, wenn über Fensteröffnungen, die beseitigt werden sollen, Aufenthaltsräume belichtet werden (vgl. VGH BW, Urt. v. 25.09.1991, a.a.O.), insbesondere dann, wenn der Eigentümer das Grundstück bereits mit dem umstrittenen baulichen Bestand erworben und darauf vertraut hat, es in der vorgefundenen Weise nutzen zu können. Dies ist hier der Fall. Nach der am 21.10.2009 durchgeführten Ortsbesichtigung wird über die beiden Dachflächenfenster, die bereits beim Erwerb des Grundstücks eingebaut waren, das Badezimmer im Gebäude des Beigeladenen belichtet.
- 9
Ohne rechtliche Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass der Beigeladene gegen die dem Kläger am 28.05.2010 nachträglich erteilte Baugenehmigung für den im Jahr 1993 – im Einvernehmen mit dem damaligen Nachbarn – errichteten Wintergarten Widerspruch erhob und das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt daraufhin mit (noch nicht bestandskräftigem) Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 die Baugenehmigung aufhob. Der Umstand, dass der Kläger den Wintergarten im Einvernehmen mit den Voreigentümern des Nachbargrundstücks errichtete, mag dazu geführt haben, dass auch eventuelle Abwehransprüche der Voreigentümer und des Beigeladenen gegen den Wintergarten in seiner bisherigen Gestalt materiell verwirkt waren. Dass der Beigeladene ungeachtet dessen die nachträgliche Baugenehmigung für den Wintergarten angefochten hat, ließ die materiell verwirkten Abwehrrechte des Klägers gegen die Dachflächenfenster aber nicht wieder aufleben. Es blieb dem Kläger vielmehr unbenommen, im Rahmen der Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid vom 29.06.2011 seinerseits eine materielle Verwirkung von Abwehrrechten des Beigeladenen gegen den Wintergarten geltend zu machen. Einer solchen Verwirkung könnte allerdings entgegen stehen, dass die im Widerspruchsverfahren aufgehobene Baugenehmigung neben der Genehmigung des bisher vorhandenen Bestandes auch die „Ertüchtigung“ des Wintergartens mit einer Brandschutzwand beinhaltet. Dadurch würde eine neue bauliche Situation im Grenzbereich zwischen den Grundstücken des Klägers und des Beigeladenen entstehen, die im Vergleich zum bisherigen Bestand zu einer zusätzlichen bzw. andersartigen Beeinträchtigung der Belange des Beigeladenen führt.
- 10
2. Der Kläger rügt weiter, unabhängig von einer Verwirkung seiner Nachbarrechte wäre die Beklagte gleichwohl verpflichtet, gegen das Bauvorhaben einzuschreiten, weil der Abstand der Kippfenster zum Nachbargebäude den bauordnungsrechtlich geforderten Mindestabstand unterschreite und sich daraus eine erhöhte Brandgefahr ergebe. Auf Bestandsschutz könne sich der Beigeladene nicht berufen. Der seinerzeitige Ausbau des Dachgeschosses sei nicht gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 11 BauO LSA (a. F.) baugenehmigungsfrei gewesen, weil nicht durch eine sachkundige Person schriftlich bescheinigt worden sei, dass keine Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes bestünden.
- 11
Auch damit vermag der Kläger nicht durchzudringen. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein ein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Einbau der Dachflächenfenster, der der materiellen Verwirkung unterliegt. Besteht ein solcher Anspruch nicht (mehr), liegt es – auch wenn die Fenster der dem vorbeugenden Brandschutz dienende Vorschrift des § 31 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauO LSA (früher § 34 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauO LSA 1994) nicht entsprechen – im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten, ob sie dagegen bauaufsichtlich einschreitet (§§ 79 Satz 1, 86 Abs. 1 BauO LSA).
- 12
II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327, 1329).
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
Tenor
-
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 22. April 2010 wird zurückgewiesen.
-
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
-
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
- 1
-
Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) stützt, bleibt ohne Erfolg.
- 2
-
1. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
- 3
-
a) Die Beschwerde will geklärt wissen: "Ist § 44 Abs. 1 VwVfG dahin auszulegen, dass die Offensichtlichkeit des besonders schwerwiegenden Fehlers, an dem der Verwaltungsakt leidet, schon im Zeitpunkt seines Erlasses bestanden haben muss?" Die Beigeladene meint, dass Verwaltungsgericht hätte, bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses der hier angefochtenen Entgeltgenehmigung vom 10. November 2008, von der Nichtigkeit der vorangegangenen Entgeltgenehmigung vom 27. Oktober 2005 ausgehen müssen; denn diese sei nicht, wie seinerzeit von der Bundesnetzagentur angenommen, bereits an dem Telekommunikationsgesetz vom 22. Juni 2004 (BGBl I S. 1190) - TKG 2004 -, sondern übergangsweise noch an dem Telekommunikationsgesetz vom 25. Juli 1996 (BGBl I S. 1120) - TKG 1996 - zu messen, wie sich aus der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Senats zu der Übergangsvorschrift des § 150 Abs. 1 TKG 2004 ergebe (vgl. Beschluss vom 17. Mai 2006 - BVerwG 6 C 14.05 - BVerwGE 126, 74 Rn. 49 = Buchholz 442.066 § 150 TKG Nr. 1).
- 4
-
Die von der Beigeladenen aufgeworfene Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Abgesehen davon, dass es für die Nichtigkeit schon nach dem Gesetzeswortlaut ("ist nichtig") jedenfalls grundsätzlich - vorbehaltlich etwaiger Abweichungen aufgrund spezieller Rechtsvorschriften - auf den Erlasszeitpunkt ankommt, so dass die spätere Klärung einer zuvor in Rechtsprechung und Literatur umstritten gewesenen Rechtsfrage nicht nachträglich zur Nichtigkeit eines zuvor erlassenen Verwaltungsaktes führt (s.a. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 44 Rn. 125 m.w.N.), wäre die Frage in einem etwaigen Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn Bezugspunkt der Offensichtlichkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist - unabhängig vom Beurteilungszeitpunkt - das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers. Dabei handelt es sich um einen Mangel, der den Verwaltungsakt als schlechterdings unerträglich, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lässt; die an einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu stellenden Anforderungen müssen in so erheblichem Maße verletzt sein, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (Urteil vom 17. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 1.96 - Buchholz 401.0 § 125 AO Nr. 1 S. 3 f., Beschluss vom 11. Mai 2000 - BVerwG 11 B 26.00 - Buchholz 316 § 44 VwVfG Nr. 12 S. 4). Ein derart schwerwiegender Fehler haftet der ursprünglichen Entgeltgenehmigung vom 27. Oktober 2005 nicht an. Die Frage der zutreffenden Auslegung des § 150 Abs. 1 TKG 2004 über die Anwendung des alten bzw. des neuen Rechts auf eine Entgeltgenehmigung im Übergangszeitraum rührt nicht an die Grundprinzipien der Rechtsordnung.
- 5
-
b) Die Beigeladene fragt im Hinblick auf das Telekommunikationsgesetz 1996 weiter: "Sind die § 39 Alternative 1 und 2, § 25 Abs. 1, § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG dahingehend auszulegen, dass sie die Genehmigung unterschiedlicher Entgelte für dieselbe Zugangsleistung in Abhängigkeit davon zulassen, ob diese Leistung einerseits vertraglich vereinbart, andererseits behördlich angeordnet ist?" Diese Frage verhilft der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sie sich für die Vorinstanz nicht gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat seine Begründung nicht auf eine am Maßstab der von der Beschwerde genannten Bestimmungen für zulässig angesehene Differenzierung der Entgelte für Zusammenschaltungsverträge und Zusammenschaltungsanordnungen gestützt, sondern darauf, dass die hier angefochtene Entgeltgenehmigung vom 10. November 2008 dem Vorgängerbeschluss vom 27. Oktober 2005 widerspreche, der seinerseits - für auf Zusammenschaltungsanordnung beruhende Entgelte - weder durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Mai 2008 - 1 K 6817/05 - aufgehoben noch von der Bundesnetzagentur zurückgenommen worden sei.
- 6
-
Auch soweit die Beigeladene ihre Frage dahin präzisiert, "ob im Falle einer Rücknahme einer Entgeltgenehmigung nach dem TKG 1996 das Rücknahmeermessen nach § 48 VwVfG durch die materiell-rechtlichen Vorgaben des § 24 Abs. 2 Nr. 3 TKG 1996 überlagert ist mit der Folge, dass sich das Rücknahmeermessen in solchen Fällen auf Null reduziert", verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Rechtsfragen aufgrund ausgelaufenen Rechts haben nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine solche Bedeutung regelmäßig nicht mehr, da der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf eine Klärung für die Zukunft gerichtet ist. Etwas anderes kann - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall eines Klärungsbedarfs der altrechtlichen Problematik für einen nicht überschaubaren Personenkreis - ausnahmsweise nur dann gelten, wenn sich die als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage bei den gesetzlichen Bestimmungen, die den außer Kraft getretenen Vorschriften nachgefolgt sind, in gleicher Weise stellt. Dies muss offensichtlich sein, da es nicht Aufgabe des Beschwerdeverfahrens ist, in diesem Zusammenhang mehr oder weniger komplexe Fragen des geltenden Rechts zu klären, um die frühere mit der geltenden Rechtslage vergleichen zu können (Beschluss vom 5. Oktober 2009 - BVerwG 6 B 17.09 - Buchholz 442.066 § 24 TKG Nr. 4 Rn. 11 m.w.N.).
- 7
-
Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Für die Beantwortung der Frage, ob sich eine Entgeltgenehmigung im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG "auf andere Weise erledigt", wenn die Bundesnetzagentur nach Stellung eines neuen Entgeltantrages eine neue - höhere - Entgeltgenehmigung für eine (teil-)identische Leistung und Geltungsdauer erlässt, bzw. ob bei einer insoweit etwa erforderlichen Rücknahme (§ 48 VwVfG) der früheren Entgeltgenehmigung sich das Rücknahmeermessen zugunsten des Entgeltgläubigers "auf Null" reduziert, ist nicht evident, dass dem alten und dem neuen Recht inhaltsgleiche Wertungen zu entnehmen sind. Vielmehr ergeben sich Unterschiede nicht nur im Hinblick auf den § 39 Alt. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 TKG 1996 zugrundeliegenden "Einzelvertragsbezug" der Entgeltgenehmigung (s. Urteil vom 16. Juli 2003 - BVerwG 6 C 19.02 - Buchholz 442.066 § 39 TKG Nr. 1 S. 3 ff.), sondern auch hinsichtlich der Rückwirkung, die eine auf der Grundlage des § 25 Abs. 1 TKG 1996 erteilte Entgeltgenehmigung für den Fall des vertraglich vereinbarten Netzzugangs wie auch für den Fall der Zusammenschaltungsanordnung entfaltete (Urteil vom 21. Januar 2004 - BVerwG 6 C 1.03 - BVerwGE 120, 54 <59 ff.> = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 3 S. 46 ff. und vom 25. März 2009 - BVerwG 6 C 3.08 - Buchholz 442.066 § 35 TKG Nr. 2 Rn. 25), während sie nach neuem Recht wesentlich eingeschränkt ist (§ 35 Abs. 5 Satz 3 TKG 2004). Von daher lässt sich gerade nicht ausschließen, dass sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage nach einer "Überlagerung" des Rücknahmeermessens der Bundesnetzagentur durch Wertungen des Telekommunikationsgesetzes nach neuem Recht anders darstellt als nach dem im Streitfall noch anwendbaren alten Recht.
- 8
-
2. Die Revision ist schließlich auch nicht gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO unter dem Gesichtspunkt der Divergenz zuzulassen. Eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
- 9
-
Soweit die Beschwerde das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2010 - BVerwG 3 C 17.09 - (BVerwGE 136, 43 = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 128) erwähnt, bezeichnet sie keinen abstrakten Rechtssatz, zu dem sich das angefochtene Urteil in Widerspruch gesetzt haben könnte. Dem von der Beschwerde gleichfalls benannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 1984 - BVerwG 3 C 79.82 - (Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 52 = NVwZ 1985, 488) lässt sich ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, dass bei zwei aufeinanderfolgenden Verwaltungsakten, von denen der spätere dem früheren inhaltlich widerspricht, regelmäßig - auch ohne ausdrückliche Nennung des Wortes "Rücknahme" - anzunehmen sein soll, dass die Behörde mit dem späteren den früheren Verwaltungsakt zurücknehmen will, entgegen der Behauptung der Beigeladenen nicht entnehmen. In diesem Urteil hat vielmehr das Bundesverwaltungsgericht seine - als solche auf den vorliegenden Fall ersichtlich nicht übertragbare - Annahme, dass in der Rückforderung einer gewährten Geldleistung regelmäßig auch die Rücknahme des gewährenden Verwaltungsaktes liegt, auf den allgemeinen Rechtssatz gestützt, dass bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes entsprechend § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist.
- 10
-
Ebenso wenig lässt sich dem angefochtenen Urteil ein abstrakter Rechtssatz entnehmen, nach dem bei Ersetzung eines früheren durch einen späteren Verwaltungsakt eine Rücknahme nur in Betracht komme, wenn in dem nachfolgenden Verwaltungsakt an irgendeiner Stelle das Wort "Rücknahme" verwendet werde. Vielmehr ist die betreffende, von der Beschwerde zitierte Aussage in den Urteilsgründen, in dem Beschluss der Bundesnetzagentur vom 10. November 2008 sei "von einer Rücknahme nirgendwo die Rede" (UA S. 13), im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Satz zu sehen, wonach die Behörde zum Ausdruck gebracht habe, dass aus ihrer Sicht eine Rücknahme nicht erforderlich sei. Daraus wird deutlich, dass das Verwaltungsgericht eine - im Prinzip für möglich gehaltene - konkludente Rücknahme unter den hier vorliegenden Umständen nicht erkennen konnte. Soweit die Beigeladene meint, dass das Verwaltungsgericht bei zutreffender Bewertung der konkreten Gegebenheiten die Genehmigung vom 10. November 2008 als eine stillschweigende Rücknahme der Vorgängergenehmigung von 27. Oktober 2005 hätte verstehen müssen, behauptet sie eine fehlerhafte Anwendung der Auslegungsregeln im Einzelfall, die den Anforderungen an eine Divergenzrüge nicht genügt.
- 11
-
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Tenor
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Im E. 62 in W. . Das Grundstück ist an seiner südöstlichen Grenze mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin und der Antragsteller, ihr Sohn, bewohnen je eine Wohnung in dem Haus. Eine Einliegerwohnung ist vermietet. Die Wohnzimmer und vorgelagerte Terrassen liegen an der Ostseite des Hauses. Auf dem Grundstück ist nordwestlich des Wohnhauses ein großes, verpachtetes Gewächshaus errichtet.
4Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks In der L. 5. Das Grundstück ist mit einem Wohnhaus bebaut. Die Antragstellerin hat ein Nießbrauchsrecht an dem Haus.
5Der Beigeladene ist Inhaber einer landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück Im E. 78 in W. . Er errichtete in der Nähe seiner Hofstelle eine Windenergieanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von gut 40 m und einer Nennleistung von 500 kW. Die Windenergieanlage ist in einer Entfernung von rund 225 m nordöstlich des Wohnhauses der Antragstellerin und rund 310 m südöstlich des Hauses In der L. 5 errichtet.
6Der Beigeladene legte ein schalltechnisches Gutachten vor. Es beruht auf Messungen beim Betrieb der bereits errichteten Anlage. Die Messungen sind unter anderem am Wohnhaus Im E. 62 der Antragstellerin vorgenommen worden. Die schalltechnische Untersuchung kommt bei einer Leistung der Anlage von 400 kW zu einem Beurteilungspegel von 45 db (A) bezogen auf das Wohnhaus Im E. 62.
7Das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen gab eine Stellungnahme zur Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf das Wohnhaus Im E. 62 ab. Das Landesumweltamt errechnete insoweit eine maximal mögliche jährliche Beschattungsdauer von etwas mehr als 33 Stunden innerhalb des Zeitraumes zwischen dem 22. Mai und dem 20. Juli. Die maximal mögliche Beschattungsdauer je Tag beträgt nach dieser Berechnung 41 Minuten. Sie liegt in den frühen Morgenstunden. Unter Berücksichtigung erfahrungsgemäß auftretender Bewölkung kommt das Landesumweltamt zu einer effektiven jährlichen Beschattungsdauer von über 13 Stunden.
8Der Antragsgegner erteilte dem Beigeladenen unter dem 2. November 1998 eine nachträgliche Baugenehmigung für die bereits errichtete Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist mit Auflagen versehen. Unter anderem hat der Beigeladene parallel zur östlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin auf dem Nachbargrundstück in einem Abstand von 4 m zum Grundstück der Antragstellerin als Sichtschutz eine Reihe serbischer Fichten mit einer Höhe von etwa 4,50 m und eine Reihe Koreatannen mit einer Höhe von 2,50 m bis 3,00 m anzupflanzen. Die Anpflanzung muß auf Dauer eine Höhe von mindestens 9,14 m über Grund erreichen. Um die Einwirkung von Schlagschatten unter anderem auf die Häuser Im E. 62 und In der L. 5 zu verhindern, ist der Rotor der Windenergieanlage zu den Zeiten automatisch geregelt stillzulegen, zu denen solche Einwirkungen auf die Häuser und die zu ihnen gehörenden intensiv genutzten Außenbereiche (Terrassen, Sitzecken)zu erwarten sind. Um Immissionsrichtwerte von nachts 45 db (A) zu gewährleisten, ist die Windenergieanlage nachts so zu betreiben, daß die Nennleistung maximal 400 kW beträgt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet.
9Die Antragstellerin legte am 5. November 1998, der Antragsteller legte mit Schriftsatz vom 24. Februar 1999 Widerspruch gegen die Baugenehmigung ein.
10Die Anträge der Antragsteller,
11die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Antragsgegners vom 2. November 1998 anzuordnen,
12hat das Verwaltungsgericht durch den angefochtenen Beschluß abgelehnt.
13Mit ihren vom Senat zugelassenen Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihre Begehren erster Instanz weiter.
14Der Berichterstatter hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte (3 Bände), der Verfahrensakte 10 L 3205/97 - VG Gelsenkirchen - sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (2 Ordner und 8 Hefte).
16II.
17Die Beschwerden sind unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Anträge der Antragsteller zu Recht abgelehnt. Die Anträge sind unbegründet. Das Interesse des Beigeladenen daran, die ihm erteilte Baugenehmigung sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, das Vorhaben des Beigeladenen bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens vorerst zu verhindern.
18Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats verstößt die streitige Baugenehmigung nicht offensichtlich gegen solche öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutze der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Danach spricht derzeit mehr dafür, daß die Widersprüche der Antragsteller gegen die streitige Baugenehmigung erfolglos bleiben werden. Ihnen ist deshalb der weitere Betrieb der Anlage vorerst zuzumuten.
19Die erteilte Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauordnungsrechts mit nachbarschützendem Charakter. Namentlich wahrt die genehmigte Anlage die gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW erforderliche Abstandfläche in Richtung auf die Grundstücke der Antragsteller.
20Bauplanungsrechtlich richtet sich das Vorhaben des Beigeladenen nach § 35 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben des Beigeladenen soll außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils verwirklicht werden. An den Straßen Im E. und In der L. sind lediglich verstreut einzelne (Wohn- )Gebäude vorhanden. Diese Streubebauung bildet allenfalls eine Splittersiedlung. Die Baulichkeiten lassen nach ihrer Zahl und Anordnung keine organische Siedlungsstruktur erkennen und haben nicht das nötige Gewicht, um bereits als Ortsteil im Sinne des § 34 BauGB angesehen werden zu können.
21Wird das Vorhaben des Beigeladenen danach im Außenbereich verwirklicht, verletzte die angefochtene Baugenehmigung Nachbarrechte der Antragsteller, wenn sie gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstieße. Nach dieser Vorschrift beeinträchtigt ein Vorhaben im Außenbereich öffentliche Belange insbesondere dann, wenn das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann.
22Zu solchen schädlichen Umwelteinwirkungen können insbesondere Lärmimmissionen gehören, die von der Windenergieanlage auf benachbarte Wohnhäuser einwirken. Der Betrieb der genehmigten Anlage wird indes auf den Grundstücken der Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht zu unzumutbaren Lärmbelästigungen führen.
23Auch die Grundstücke der Antragsteller liegen im Außenbereich, nämlich innerhalb der beschriebenen Streubebauung. Die Antragsteller können zwar damit rechnen, daß in der Umgebung ihrer Grundstücke keine Nutzung zugelassen wird, die ihre Wohnnutzung unzumutbar beeinträchtigt. Die Schwelle zur Unzumutbarkeit ist aber noch nicht dann überschritten, wenn die Richtwerte nicht eingehalten werden, die nach den einschlägigen technischen Regelwerten für reine Wohngebiete gelten. Können Geräusche - wie diejenigen einer Windenergieanlage - nach den Richtwerten der VDI-Richtlinie 2058 oder nach der TA-Lärm beurteilt werden, so sind Geräusche mit einem Beurteilungspegel von 55 db (A) tagsüber und 40 db (A) nachts für ein Wohnhaus zuzumuten, das in einem reinen Wohngebiet, jedoch in Randlage zum Außenbereich liegt. Der Schutzmaßstab ist noch weiter herabzusetzen, wenn das Wohnhaus - wie hier diejenigen der Antragsteller - im Außenbereich liegt. Wer im Außenbereich wohnt, hat keinen Anspruch darauf, daß seine Umgebung von weiterer Bebauung freibleibt. Wie sich aus § 35 Abs. 1 BauGB ergibt, muß er unter Umständen mit belastenden Anlagen rechnen. Wer im Außenbereich wohnt, kann deshalb allenfalls die Einhaltung der Grenzwerte verlangen, die nach den einschlägigen technischen Regelwerken für Mischgebiete erarbeitet sind, also Beurteilungspegel von 60 db (A) tagsüber sowie 45 db (A) nachts,
24OVG NRW, Beschluß vom 9. September 1998 - 7 B 1591/98 -.
25Die Einhaltung dieser Werte ist für die Wohnhäuser der Antragsteller in der Baugenehmigung festgeschrieben. Die Werte können voraussichtlich eingehalten werden. Hierzu liegt die schalltechnische Untersuchung vor. Sie beruht nicht auf einer Prognose, sondern auf Messungen aus dem Betrieb der Anlage. Danach wird ein Beurteilungspegel von 45 db (A) an den Wohnhäusern der Antragsteller jedenfalls dann eingehalten, wenn die Nennleistung der Windenergieanlage bei maximal 400 kW liegt und die Rotordrehzahl 35 Umdrehungen in der Minute nicht überschreitet. Der Antragsgegner hat dem Beigeladenen in der Baugenehmigung zur Auflage gemacht,während der Nachtzeit diese Kennzahlen für den Betrieb der Anlage einzuhalten.
26Die Antragsteller greifen die schalltechnische Untersuchung deshalb an, weil der Sachverständige von dem gemessenen Wirkpegel einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheiten vorgenommen hat. Dieser Abzug dürfte indes nicht zu beanstanden sein. Der Sachverständige hat für seine schalltechnische Untersuchung noch die TA-Lärm (1968) zugrundegelegt. Sie sah in Nr. 2.422.5 Satz 1 Buchst. c einen Abzug von 3 db (A) für Meßunsicherheit vor. Dieser Abschlag trug dem Umstand Rechnung, daß in die Berechnungen Meßwerte einfließen, die wegen geräte- und umweltbedingter Toleranzen Wahrscheinlichkeitsgrößen sind, mit der Folge, daß auch das Berechnungsergebnis selbst eine gewisse Unsicherheit aufweist. Diese mit 3 db (A) bewertete Toleranz war untrennbar Bestandteil des Meß- und Berechnungsverfahrens nach der TA- Lärm. Wurden schädliche Umwelteinwirkungen nach Maßgabe der TA-Lärm ermittelt, durfte der Bewertungsmaßstab dieses Regelwerks nicht dadurch verschoben werden, daß der vorgeschriebene Meßunsicherheitsabschlag unberücksichtigt blieb,
27BVerwG, Beschluß vom 22. Oktober 1996 - 7 B 132.96 -, NVwZ-RR 1997, 279.
28Mit Blick auf die bevorstehende Einführung der TA-Lärm 1998 zum 1. November 1998 hat der Sachverständige sich auch zu der Frage geäußert, ob sich aus der TA-Lärm 1998 für das Ergebnis bedeutsame Änderungen ergeben. Er hat diese Frage verneint. Der Senat hat keine durchgreifenden Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung. Die TA-Lärm 1998 sieht in ihrer Nr. 6.9 einen Abschlag um 3 db (A) vor, wenn bei der Überwachung einer Anlage die Geräuschimmissionen durch Messung ermittelt werden. Mit diesem Abzug dürfte der frühere Abschlag für Meßunsicherheiten fortgeschrieben sein. Der Abschlag dürfte somit auch heute noch untrennbarer Bestandteil des in der TA-Lärm vorgeschriebenen Meß- und Berechnungsverfahrens sein und deshalb weiterhin vorzunehmen sein,
29vgl. Kutscheidt, Die Neufassung der TA-Lärm, NVwZ 1999, 577, 583.
30Die Wohnnutzung der Grundstücke der Antragsteller könnte ferner durch Lichteffekte nachteilig betroffen werden, welche die Windkraftanlage verursacht. Steht die Sonne hinter dem Rotor, können bewegte Schatten über die Grundstücke laufen. Sie verursachen dadurch dort, je nach Umlaufgeschwindigkeit des Rotors, einen verschieden schnellen Wechsel von Schatten und Licht. Dadurch können sie das Wohnen erheblich stören. Durch die Fenster sind diese Effekte auch in allen Wohnräumen wahrnehmbar, die der Windkraftanlage zugewandt sind, und zwar derart, daß diese Schatten durch den ganzen Raum wandern und von Wänden, Fenstern und anderen Flächen widergespiegelt werden. Indes hat der Antragsgegner eine Auflage in die Baugenehmigung aufgenommen, die nicht ungeeignet erscheint, derartige belastende Auswirkungen der genehmigten Anlage auf die Wohngrundstücke der Antragsteller zu unterbinden. Nach dieser Auflage ist die Anlage automatisch geregelt stillzulegen, wenn Schlagschatten auf die Wohnhäuser unter anderem der Antragsteller und die von ihnen intensiv genutzten Außenbereiche einwirken würden. Die Auflage gibt selbst nicht die Daten vor, die in die automatische Schattenabschaltung einzugeben sind. Sie sind vielmehr erst in Umsetzung der Baugenehmigung und der Auflage zu ihr vom Landesumweltamt errechnet und dem Staatlichen Umweltamt Herten übermittelt worden. Der Senat geht derzeit - auch nach der Erörterung dieser Frage im Ortstermin - davon aus, daß die automatische Abschaltung entsprechend der vom Landesumweltamt ermittelten Zeiten so programmiert ist, daß die Ostseite des Wohnhauses, die der Anlage zugewandt ist, vor einer Einwirkung von Schlagschatten wirksam geschützt ist. Im übrigen gibt die Auflage zu der Baugenehmigung - zulässigerweise - insoweit nur das Ziel und das dafür einzusetzende Mittel vor. Die Abschaltautomatik ist in Umsetzung der Auflage so zu programmieren, daß mit ihr das vorgegebene Ziel erreicht wird. Erweisen sich Nachbesserungen als erforderlich, weil die eingegebenen Zeiten die Zeiten einer Einwirkung von Schlagschatten nicht oder nicht vollständig erfassen, ist der Beigeladene verpflichtet, zur Erfüllung der Auflage die eingegebenen Zeiten entsprechend zu ändern. Die Antragsteller haben hierauf einen durchsetzbaren Anspruch, weil die Auflage zu der Baugenehmigung auch ihrem Schutz zu dienen bestimmt ist.
31Aus diesem Grund geht der Senat derzeit davon aus, daß die genannte Auflage zu der Baugenehmigung auch geeignet ist, die Antragsteller vor der von ihnen beklagten Einwirkung von Lichteffekten auf die vorderen, der Anlage abgewandten Räume des Hauses zu schützen. Wie die Antragsteller vorgetragen und im Ortstermin durch Vorführung einer Videoaufzeichnung nachvollziehbar dargelegt haben, spiegelt das Gewächshaus im nordwestlichen Winkel ihres Grundstücks in seinen Seitenwänden den drehenden Rotor der Anlage einerseits wider und wirft andererseits dieses Spiegelbild auf das Wohnhaus der Antragsteller zurück, wo es sich in Form sich ständig bewegender Lichteffekte in den Glasflächen der Eingangstür, den Fenstern der Küche und den glatten Oberflächen der Küchenmöbel niederschlägt. Dieser Effekt tritt dann ein, wenn die Sonne hinter der Windenergieanlage steht, also Schlagschatten auf dem Gewächshaus erzeugt. Zwischen den Beteiligten blieb im Ortstermin streitig, ob die für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten auch die Zeiten erfaßt, in denen der beschriebene Effekt auftritt. Die nachgereichten Unterlagen sprechen dafür, daß die bisher für die automatische Abschaltung vorgegebenen Zeiten nur die Zeiten erfassen, zu denen der rückwärtige Bereich des Wohnhauses selbst von Schlagschatten erfaßt wird. Das Wohnhaus und das Gewächshaus stehen versetzt zueinander.
32Wie das Verwaltungsgericht legt auch der Senat die Auflage zu der Baugenehmigung so aus, daß mit ihr dem Beigeladenen aufgegeben ist, die Anlage automatisch geregelt auch zu solchen Zeiten stillzulegen, zu denen Schlagschatten auf die Wohnbereiche nicht nur unmittelbar, sondern auch durch Spiegelung mittelbar einwirken.
33Das Vorhaben des Beigeladenen könnte darüberhinaus durch die Eigenart der Anlage als solcher rücksichtslos auf die Wohnnutzung der nahegelegenen Grundstücke einwirken. Selbst wenn in Bodennähe nahezu Windstille herrscht, drehen die Rotorflügel leicht. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß eine derartige stete Bewegung im oder am Rande des Blickfeldes schon nach kurzer Zeit, erst recht auf Dauer, unerträglich werden kann. Ein sich drehendes Moment zieht den Blick des Menschen nahezu zwanghaft auf sich. Dies kann Irritationen hervorrufen. Eine Konzentration auf andere Tätigkeiten kann wegen der steten, kaum vermeidbaren Ablenkung erschwert werden. Die Anlage kann sich dabei in den Fenstern des Hauses oder an den Inneneinrichtungen der Wohnungen spiegeln, soweit diese reflektierende Oberflächen haben.
34Solche Wirkungen einer Windenergieanlage können auch dann eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens gegenüber benachbarter Wohnbebauung begründen, wenn - wie hier - die Abstände nach § 6 Abs. 10 BauO NW zu den benachbarten Grundstücken eingehalten sind. § 6 BauO NW regelt seinen Sachbereich zwar abschließend. Er legt insoweit fest, welches Maß an Rücksichtnahme der Bauherr seinem Nachbarn schuldet und was diesem zugemutet werden kann. Ein Gebäude kann einem benachbarten Grundstück Licht, Sonne und Luft nehmen, ferner einen Einblick in das Nachbargrundstück ermöglichen. Diese Belange werden regelmäßig durch das bauordnungsrechtliche Abstandflächenrecht aufgefangen. Windenergieanlagen sind keine Gebäude. Von ihnen können aber gebäudegleiche Wirkungen ausgehen, mit der Folge, daß gemäß § 6 Abs. 10 BauO NW auf sie die für Gebäude geltenden Vorschriften über Abstandflächen anzuwenden sind. Die einem Gebäude gleiche Wirkung folgt insbesondere aus dem Rotor und seiner Drehbewegung. Diese vergrößern die Windenergieanlage in ihren optischen Dimensionen deutlich und bestimmen sie. Allein der Rotorkreis hat gebäudegleiche Abmessungen, die angesichts der sich über ihren gesamten Bereich bewegenden Rotorflügel insgesamt, nicht aber nur in dem jeweils von den Flügeln überdeckten Teilen in Erscheinung tritt. Hinzu kommt die Rotorbewegung, denn diese verstärkt die belastende Wirkung der Anlage auf die Nachbarschaft,
35vgl. OVG NRW, Urteil vom 29. August 1997 - 7 A 629/95 -.
36Wird danach die bedrängende Wirkung, welche eine Windenergieanlage auf die Nachbarschaft ausübt, auch vom Schutzbereich des § 6 BauO NW erfaßt, so nimmt diese Vorschrift insoweit dennoch keine abschließende Bewertung vor. Die optisch bedrängende Wirkung, die von einer Windenergieanlage wegen der Drehbewegung als solcher ausgeht, ist in ihrer rechtlichen Bewertung vergleichbar der erdrückenden Wirkung, die von einem Gebäude wegen seiner Masse auf die unmittelbare Umgebung ausgeübt werden kann. Die erdrückende Wirkung eines Baukörpers kann selbst dann als planungsrechtlich rücksichtslos beurteilt werden, wenn der Baukörper die Abstandfläche nach dem Bauordnungsrecht einhält. Unter diesem Gesichtspunkt enthält das Abstandflächenrecht keine abschließende Regelung. Ähnlich ist zu urteilen für die optisch bedrängende Wirkung, die von dem sich drehenden Rotor einer Windenergieanlage ausgeht.
37Allerdings ist diese Wirkung einer Windenergieanlage nicht stets rücksichtslos, wenn sie auf angrenzenden Wohngrundstücken wahrgenommen wird. Wohnhäuser sind gegen sie nicht unterschiedslos geschützt. Der Schutz richtet sich vielmehr auch insoweit nach der planungsrechtlichen Lage des Wohnhauses. Liegt das Wohngrundstück in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, das durch Bebauungsplan festgesetzt ist, genießt es erhöhten Schutz gegen Einwirkungen durch eine gebietsfremde Windenergieanlage, die durch ihre Eigenart als solche den Wohnfrieden stört. Anders verhält es sich hingegen bei einem Wohnhaus im Außenbereich. Im Außenbereich sind Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB privilegiert zulässig. Sie sind nicht gebietsfremd. Wer im Außenbereich wohnt, muß mit den auch optisch bedrängenden Wirkungen einer solchen Anlage rechnen.
38Der geminderte Schutzanspruch wirkt sich insbesondere auch insoweit aus, als dem Betroffenen eher Maßnahmen zumutbar sind, durch die er den Wirkungen der Windenergieanlage ausweicht oder sich selbst vor ihnen schützt. Ihm ist eher zuzumuten, Gewohnheiten zu ändern und der veränderten Nachbarschaft anzupassen, während dies einem Betroffenen schwerlich angesonnen werden könnte, der sich gegen die Auswirkungen einer gebietsfremden Anlage wehrt.
39Von diesem Ansatz ist zu Recht auch das Verwaltungsgericht ausgegangen. Von ihm ausgehend wirkt die streitige Anlage nicht unzumutbar auf die Wohnnutzung des Hauses Im E. 62 ein. Der Rotor mit seinen Blättern ist nicht von jeder Stelle des Wohnhauses aus zu erblicken. Eine nahezu überall sichtbare, unerträgliche stete Bewegung der Rotorblätter, der man sich nicht entziehen könnte, ist nicht festzustellen. Diese Bewertung des Sachverhalts teilt der Senat aufgrund der Ortsbesichtigung zweiter Instanz. Eine Nutzung der Terrasse ist beispielsweise möglich, ohne daß die Windenergieanlage in den Blick gerät. In bestimmten Bereichen wird sie durch die Bäume an der Grundstücksgrenze verdeckt. Ähnliches gilt für das Wohnzimmer. Von Sitzplätzen nahe dem Fenster kann die Anlage gesehen werden, von anderen Plätzen aus hingegen nicht. Spiegelungen der Anlage waren ohne weiteres in der Glasplatte des Tisches zu erkennen, ohne daß indes im übrigen der Eindruck entstand, einem Phänomen ausgesetzt zu sein, dem man sich nicht entziehen könnte. Daß die Antragstellerin beispielsweise das Fernsehgerät an anderer Stelle als bisher aufgestellt hat, um eine Spiegelung der Windenergieanlage in dem Fernsehgerät auszuschließen, gehört zu den Maßnahmen, die nach dem rechtlichen Ausgangspunkt zumutbar sind.
40Die Antragsteller sind der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten, für das Wohnhaus In der L. 5 seien unzumutbare Einwirkungen der Windenergieanlage nicht festzustellen. Der Senat sieht deshalb insoweit keinen Anlaß zu weiteren Ausführungen.
41Soweit in diesem Verfahren nicht abschließend geklärt werden kann, ob die streitige Baugenehmigung mit den nachbarschützenden Bestimmungen des Bauplanungsrechts vereinbar ist, hält der Senat nach alledem den Betrieb der Anlage für die Antragsteller bis zum Abschluß des Hauptsacheverfahrens für zumutbar.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 4 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
43Dieser Beschluß ist unanfechtbar.
44
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
2. Der Streitwert wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 5 K 2780/15 gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 23. April 2015 anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt, wie hier nach § 212 a Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gemäß § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung einerseits und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung im Wesentlichen an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ein überwiegendes Interesse des Bauherrn ist demnach grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Umgekehrt ist dem Interesse des Nachbarn grundsätzlich der Vorrang einzuräumen, wenn er durch das genehmigte Vorhaben in seinen Rechten verletzt und die Nachbarklage daher mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zur Aufhebung der Baugenehmigung führen wird.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfungsmaßstabs gilt dabei, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechts-schutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen subjektiven Rechten verletzt.
8Gemessen an diesem Maßstab geht vorliegend die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten des Antragstellers aus. Die im Eilverfahren allein vorzunehmende summarische Prüfung ergibt, dass seine Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 23. April 2015 verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts und verletzt den Antragsteller damit nicht in seinen Rechten.
9Soweit der Antragsteller rügt, das Vorhaben füge sich nach dem Maß der baulichen Nutzung und der Bauweise nicht in die nähere Umgebung ein, vermitteln diese Merkmale für sich genommen keinen Nachbarschutz.
10Vgl.: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 18. September 2015 – 7 B 310/15 –, juris Rn. 11; vom 16. September 2014 – 7 B 458/14 –, juris Rn. 4; vom 4. Juli 2014 – 7 B 363/14 –, juris.
11Das allein als drittschützendes Recht vom Antragsteller ins Feld geführte bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme ist vorliegend nicht verletzt. Dem Gebot der Rücksichtnahme kommt (nur) drittschützende Wirkung zu, wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf besondere Rechtspositionen Rücksicht zu nehmen ist. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn unabhängig von der besonderen rechtlichen Schutzwürdigkeit der Betroffenen ihr Betroffensein wegen er gegebenen Umstände so handgreiflich ist, dass dies die notwendige Qualifizierung, Individualisierung und Eingrenzung bewirkt,
12so grundlegend BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 – IV C 22.75 –, Rn. 28.
13Das Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
14Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; OVG NRW, Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
15Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
16Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom30. Oktober 2014 – 5 K 1588/13 -; BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
17Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das Vorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtslos.
18Dies gilt für die durch das Vorhaben eröffneten Einsichtnahmemöglichkeiten auf das Grundstück des Antragstellers. Entgegen dessen Auffassung müssen Nachbarn in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet hinnehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht (insbesondere § 6 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen – BauO NRW –) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu Schattenwurf und Einsichtsmöglichkeiten kommt, die in einem bebauten Gebiet üblich sind.
19Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. September 2014– 7 B 1037/14 –, juris Rn. 10 f.; vom 1. Juni 2007– 7 A 3852/06 –, BRS 71 Nr. 127, vom 9. Februar 2009– 10 B 1713/08 –, BRS 74 Nr. 181 und vom 14. Februar 2013 – 7 B 99/13 –.
20Im Garten des Antragstellers befinden sich hohe Tannen, die Einsichtnahmemöglichkeiten reduzieren. Mit zu berücksichtigen ist, dass der Gartenbereich des Grundstücks des Antragstellers bislang kein ungestörter Rückzugsbereich war, sondern bereits vorbelastet ist. Südlich seines Grundstückes – also auf der dem Vorhaben gegenüberliegenden Seite – befindet sich auf der Höhe des Gartens an der B. ein Garagenpark (vgl. Foto Nr. 9 der Anlage des Ortsterminsprotokolles). Die vom Antragsteller behauptete Ausnahmekonstellation nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, die voraussetzt, dass dem Nachbarn keine Rückzugsmöglichkeiten verbleiben, ist danach nicht erkennbar.
21Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens ist auch unter Berücksichtigung des genehmigten Maßes der baulichen Nutzung nicht erkennbar. Zweifellos geht mit dem Vorhaben durch die Genehmigung von 15 Wohneinheiten eine erhebliche Nachverdichtung des Wohngebietes einher. Die Kubatur des Vorhabens fällt deutlich größer aus als das Wohnhaus des Antragstellers. Ein Umschlagen dieses Umstandes in eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist damit jedoch nicht verbunden. Das Vorhaben der Beigeladenen befindet sich nördlich/nordöstlich des Grundstückes des Antragstellers und hat mit diesem damit lediglich eine gemeinsame Grenze. Südwestlich des Grundstücks des Antragstellers sieht die angefochtene Genehmigung keine oberirdische Bebauung vor. Lediglich die Tiefgarage befindet sich – unterirdisch – auch südwestlich des Grundstückes des Antragstellers. Von einem „Eingemauertsein“ kann daher keine Rede sein. Auch die Höhe des Vorhabens spricht in Anbetracht der Höhe des Gebäudes des Antragstellers gegen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes. Die Oberkante des Pultdaches des Staffelgeschosses des Vorhabens befindet sich in einer Höhe von maximal 138,725 m üNN, während die Firsthöhe des Gebäudes des Antragstellers 137,40 m üNN beträgt. Auf der dem Antragsteller zugewandten Gebäudeseite sieht die Baugenehmigung sogar eine im Vergleich zu seinem Gebäude geringere Gesamthöhe des Vorhabens vor.
22Gegen die Tiefgarage mit 16 Stellplätzen und die in einem Abstand von 3 Metern parallel zum Grundstück des Antragstellers verlaufende Tiefgarageneinfahrt ist mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme ebenfalls nichts zu erinnern. Nach § 12 Abs. 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) sind in Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Die Anforderungen des Gebotes der Rücksichtnahme beurteilen sich im Hinblick auf die einer Wohnnutzung gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO zulässigerweise zugeordneten Stellplätze wie die Gebote des § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW, demzufolge Stellplätze so angeordnet und ausgeführt werden müssen, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß hinaus stören. Bei der Errichtung von Stellplätzen ist danach von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch ihre Nutzung verursachten Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn die Stellplätze wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben straßennah untergebracht werden.
23OVG NRW, Beschluss vom 21. Juli 2014 – 2 B 301/14.NE –, juris Rn. 91 ff.
24Vorliegend haben die Beigeladenen mit der Tiefgaragenlösung die für die Nachbarn unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes schonendste Stellplatzmöglichkeit gewählt, bei der ein Großteil der durch Rangieren, Starten, Abstellen und Öffnen der Fahrzeuge verursachten Geräusche abgefangen werden.
25Vgl. VG Berlin, Beschluss vom 28. Oktober 2014 – 13 L 224.14. –, juris Rn. 74.
26Auch Lage und Ausrichtung der Zufahrt zur Tiefgarage sind dem Antragsteller zumutbar. Sie hält einen Abstand von 3 Metern zur Grundstücksgrenze ein. Die Zufahrtsrampe wird ausweislich des Tiefgaragenplanes mit einer lichtsignalgesteuerten Anlage versehen, so dass Begegnungsverkehr auf der Rampe ausgeschlossen wird. Die Zufahrtsrampe wird zu einem wesentlichen Teil eingehaust, wodurch eine erhebliche Lärmbegrenzung bewirkt wird. Die An- und Abfahrtsbewegungen werden sich aufgrund der Wohnnutzung des Vorhabens überwiegend auf den Tagbereich beschränken, wobei überschlägig von der doppelten Anzahl an Fahrzeugbewegungen je Stellplatz auszugehen ist, hier demnach 32 Fahrzeugbewegungen pro Tag, also weniger als 1,5 Fahrzeugbewegungen pro Stunde.
27Vgl. Übersicht zu Fahrzeugbewegungen auf Tiefgaragenstellplätzen in der Parkplatzlärmstudie des Bayrischen Landesamtes für Umwelt, 6. Auflage, Tabelle 6, Seite 28.
28Soweit von dem Vorhaben ein zusätzlicher Stellplatzbedarf erzeugt werden sollte – was jedoch angesichts der Beachtung der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf,
29vgl. Johlen in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, Rn. 28; Anlage zu Nr. 51.11 VV BauO NRW: ein Stellplatz pro Wohneinheit,
30unwahrscheinlich ist –, der durch die Tiefgaragenplätze nicht gedeckt sein sollte, so ist es jedem Anwohner des Gebiets erlaubt, Stellplätze auf öffentlichen Straßen in Anspruch zu nehmen. Dies mag für den Antragsteller lästig sein, begründet jedoch keinen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot.
31Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem Risiko der Auferlegung von Kosten ausgesetzt haben (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
32Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes in Verbindung mit Ziffer 7. a) des Streitwertkataloges der Bausenate des OVG NRW,
33BauR 2003, 1883.
34Dabei geht die Kammer in Ausübung richterlichen Ermessens von einem Hauptsachestreitwert von 7.500,00 € aus, der gemäß Ziffer 12. a) dieses Kataloges zu halbieren ist.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 2. auf der einen und die Antragsteller zu 3. und 4. auf der anderen Seite je zur Hälfte einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
2. Der Streitwert beträgt 10.000 €.
1
Gründe:
2Der Antrag der Antragsteller,
3die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 5 K 5066/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 20. September 2013 zur Errichtung eines 8-Familienhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück M.--------weg 19 in C. -T. (Gemarkung T. , Flur 33, Flurstücke 332, 675) anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Hat eine Klage gegen einen Verwaltungsakt wie hier nach § 212 a des Baugesetzbuchs ‑ BauGB ‑ in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO ‑ keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache deren aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen.
6In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Dritten an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung ist das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vor-zunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
7Hinsichtlich des gerichtlichen Prüfprogramms ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im baurechtlichen Nachbarstreit – und auch im Verfahren des zugehörigen vorläufigen Rechtsschutzes – keine Prüfung der objektiven Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung vorzunehmen, sondern allein zu fragen ist, ob der angefochtene Verwaltungsakt den Rechtsbehelfsführer in seinen ihn schützenden subjektiven Rechten verletzt.
8Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Lasten der Antragsteller aus. Ihre Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es liegt kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Baurechts vor.
9Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 9. April 2013, mit der der Beigeladenen die Errichtung des 8-Familienhauses erlaubt worden war, bestandskräftig ist. Diese Baugenehmigung ist den Antragstellern mit Nachbarbenachrichtigung vom 4. September 2013, zugestellt am 6. bzw. 7. September 2013, bekanntgegeben worden. Hiergegen haben die Antragsteller Klage nicht erhoben. Die Klagefrist ist insoweit abgelaufen. Die Klage vom 13. Oktober 2013, bei Gericht eingegangen am 23. Oktober 2013, richtet sich allein gegen die Baugenehmigung vom 20. September 2013. Die hierin enthaltenen Änderungen gegenüber der ursprünglichen Baugenehmigung vom 9. April 2013 sind so geringfügig, dass sie keine über die bestandskräftige Baugenehmigung hinausgehenden Beeinträchtigungen für die Antragsteller enthält. Die Änderungen betreffen ganz überwiegend Maßnahmen im Inneren des Gebäudes wie die nachträgliche Anordnung von tragenden Wandscheiben und Stützen. Der Kubus des Gebäudes ist in keiner Weise verändert worden, die Fassade lediglich insoweit, als einzelne Fenster geringfügig verändert wurden; namentlich wurden einzelne Fenster im Untergeschoss auf der den Antragstellern zugewandten Nordseite verkleinert, wovon die Antragsteller kaum betroffen sind. Außerdem wurde das Betondach über dem Eingang durch ein Glasdach ausgetauscht, eine für die Antragsteller ebenso völlig unerhebliche Änderung.
10Soweit schließlich eine Abweichung von § 35 Abs. 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen ‑ BauO NRW ‑ genehmigt wurde, sind die Antragsteller dadurch nicht in ihren Rechten beeinträchtigt. Denn die Vorschriften über die Bedachung sind lediglich insoweit nachbarschützend, als sie das Übergreifen von Feuer auf Nachbargrundstücke verhindern sollen.
11Vgl. Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel BauONRW § 74 Rdnr. 71.
12Da zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Vorhabengrundstück aber die Straße verläuft, handelt es sich nicht um Nachbargrundstücke.
13Aber auch für den Fall, dass man in der Baugenehmigung vom 20. September 2013 eine vollständig neue Baugenehmigung, also ein aliud gegenüber der Baugenehmigung vom 9. April 2013 sehen wollte, hätte der Antrag keinen Erfolg. Denn sie verstößt auch umfassend betrachtet nicht gegen nachbarschützende Rechte.
14Die Kammer hat sich bereits mit dem Vorbescheid für das Vorhabengrundstück befasst und hierzu in den Urteilen vom 16. Dezember 2011 (5 K 1784/10 u.a.) ausgeführt:
15„Der Vorbescheid erweist sich hinsichtlich nachbarschützender Vorschriften auch in materiell-rechtlicher Hinsicht als rechtmäßig. Die Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB) richtet, da das Vorhabengrundstück – unstreitig – innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt. Das Bauvorhaben der Beigeladenen fügt sich dabei hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein, da das geplante Gebäude ausschließlich Wohnzwecken dienen soll. Die weiteren Kriterien des § 34 Abs. 1 BauGB und damit vor allem die Frage der Erschließung sowie das Maß der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstückfläche sind demgegenüber regelmäßig – so auch hier – nicht nachbarschützender Natur. So ist es für Nachbarverfahren regelmäßig ohne Bedeutung, ob sich das streitige Vorhaben nach seinem Bauvolumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe in die nähere Umgebung einfügt.
16St. Rspr., grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 - IV C 234.65 -, BVerwGE 32, 173; vgl. auch Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen, Urteil vom 26. Februar 2008 - 6 K 1102/06 -, zitiert nach juris (Rdnr. 51), sowie Beschlüsse vom 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, juris (Rdnr. 12), vom 23. April 2010 - 5 L 337/10 -, juris (Rdnr. 11), und vom 2. August 2011 - 5 L 579/11 -, juris (Rdnr. 9).
17Eine Verletzung von Nachbarrechten der Kläger in bauplanungsrechtlicher Hinsicht könnte daher allein aus einer Verletzung des im Merkmal des Sich-Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Gebotes der Rücksichtnahme hergeleitet werden. Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reicht es allerdings nicht aus, dass ein Vorhaben sich mitunter nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung in der Umgebung gebildet wird.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1978 - 4 C 9.77 -, zitiert nach juris.
19Das Gebot der Rücksichtnahme will vielmehr angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist.
20In diesem Sinne vermittelt es Nachbarschutz, wenn und soweit andernfalls durch die Ausführung oder Benutzung eines Vorhabens in konkrete, schutzwürdige Belange eines Dritten „rücksichtslos“ eingegriffen würde. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall festzustellen, wobei dessen jeweilige Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind.
21Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1977 - 4 C 22.75 -, sowie Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, jeweils zitiert nach juris.
22Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
23Ein derartig qualifizierter Verstoß ist hier nicht feststellbar. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die dem Vorhaben zuzurechnenden verkehrsbedingten Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen (a) als auch hinsichtlich des mit dem Bauvorhaben verbundenen erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße des M1.---------weges (b). Derartige Beeinträchtigungen erweisen sich für die Kläger jedenfalls nicht als unzumutbare Belastungen.
24a) Von den zu erwartenden Verkehrsimmissionen, die unmittelbar bei der Zu- und Abfahrt zur geplanten Tiefgarage entstehen, werden die Kläger bereits aufgrund der räumlichen Distanz zwischen ihrem Grundstück und dem Vorhabengrundstück nicht mehr spürbar beeinträchtigt sein. Ihr Grundstück liegt mehr als 50 m von der geplanten Tiefgargagenzufahrt entfernt; zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Vorhabengrundstück liegen überdies noch die bebauten Grundstücke M2.---------weg Nrn. 21 und 23. Hinzu kommt, dass die mit der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt verbundenen Immissionen selbst gegenüber den unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzenden Nachbarn eine Unzumutbarkeit nicht erkennen lassen (vgl. Urteile der Kammer vom 16. Dezember 2011 in den Parallelverfahren 5 K 1801/10 und 5 K 1807/10).
25Die Kläger werden auch nicht durch die Geräusche und Abgase des durch das Bauvorhaben ausgelösten An- und Abfahrtsverkehrs, der an ihrem Haus über die Stichstraße des M3.--------wegs vorbeiführen wird, unzumutbar belastet. Zwar kann in einem solchen Sinne unter besonderen Umständen auch die Zunahme von Verkehrsgeräuschen aufgrund einer dem Vorhaben zuzurechnenden Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs in der weiteren Nachbarschaft zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führen.
26Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1988 - 4 C 6. u. 7.85 -, zitiert nach juris (Kundenverkehr zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb); Urteil vom 27. August 1998 - 4 C 5/98 -, juris (Zu- und Abfahrtsverkehr zu einem „Kurhaus“ mit einer Gesamtbesucherkapazität von 1.231); Beschluss vom 20. Januar 1998 - 4 B 116.88 -, juris (zum Verladen von Ware und Leergut auf der Straße vor einem Getränkemarkt).
27In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist insoweit allerdings geklärt, dass der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abgangsverkehr einer baulichen Anlage, durch deren Nutzung er ausgelöst wird, dieser nur zuzurechnen ist, sofern er vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist.
28Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 23. Juli 1992 - 7 B 103.92 -, und vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 -, jeweils zitiert nach juris.
29Hier ist schon nicht zu erkennen, warum der durch das Vorhaben ausgelöste Verkehrslärm von dem „normalen“ Straßenverkehrslärm unterscheidbar und daher dem Vorhaben zurechenbar sein sollte. Vielmehr wird auch das Bauvorhaben – wie die übrigen in der Stichstraße gelegenen Grundstücke – ausnahmslos mit Pkw im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden, so dass hinsichtlich Art und Qualität des zusätzlichen Verkehrslärms keine Unterscheidung zu der bisherigen straßenverkehrlichen Nutzung der Stichstraße des M4.--------weges gegeben sein wird. Die Inanspruchnahme der – dem ö f f e n t l i c h e n Straßenverkehr gewidmeten – Stichstraße des M4.--------weges zum Zwecke der verkehrsmäßigen Erschließung steht dem Bauvorhaben gleichermaßen zu, wie allen anderen Anliegern in jener Stichstraße auch.
30Darüber hinaus ist nicht einmal im Ansatz festzustellen, dass bei dem hier in Rede stehenden Bauvorhaben mit insgesamt neun Wohneinheiten ein solche Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs zu befürchten wäre, dass dadurch die Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten könnten. Dies gilt für das Grundstück der Kläger bereits insofern, als dieses aufgrund seiner Lage ohnehin entsprechend vorbelastet ist; denn das klägerische Grundstück liegt nicht ausschließlich im Bereich der Stichstraße, sondern an der Stichstraßeneinmündung und insoweit an dem – fraglos stärker befahrenen – M5.---------weg als solchem. Abgesehen davon können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass das Vorhabengrundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut war und es dementsprechend bislang kaum Zu- und Abgangsverkehr zu eben diesem Grundstück gab. Denn bei dem Vorhabengrundstück mit einer Gesamtfläche von immerhin fast 2.500 m2 musste jederzeit mit einem auch größeren Wohnbauvorhaben gerechnet werden. Dass das Grundstück bislang nicht bzw. nur mit einem Einfamilienhaus bebaut ist, mag für die Kläger insoweit bislang allenfalls ein faktischer Lagevorteil gewesen sein.
31Ob im Übrigen durch die zusätzlichen Verkehrsimmissionen in der Stichstraße des M4.--------weges die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet eingehalten werden, ist für die Beurteilung der Frage der Rücksichtslosigkeit nicht entscheidend. Technisch-rechnerisch ermittelte Immissionswerte sind in diesem Kontext für die Beurteilung der Zumutbarkeit nicht ausschlaggebend.
32b) Auch im Übrigen wird aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens in der Stichstraße die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten. Dies gilt sowohl mit Blick auf die von den Klägern erwarteten „Parkplatzprobleme“ als auch hinsichtlich der befürchteten „Verkehrsgefährdungen“.
33Zwar kann sich ein Mangel an Stellplätzen eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und vom Parksuchverkehr betroffenen Wohngrundstücke im Einzelfall ausnahmsweise als rücksichtslos erweisen, falls die Verletzung der Pflicht zur Schaffung ausreichenden Parkraums für die Nutzer eines Bauvorhabens geeignet ist, die bestimmungsgemäße Nutzung der benachbarten Grundstücke zu beeinträchtigen. Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein.
34Die in den Bauvorlagen vorgesehene Herstellung von 12 Stellplätzen ist für das Vorhaben der Beigeladenen ausreichend bemessen (vgl. Nr. 51.11 VV BauO NRW sowie Ziffer 1.1 der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf). Die Richtzahlen für den Stellplatzbedarf sind Verwaltungsvorschriften und deshalb für das Gericht nicht bindend. Sie sind jedoch als auf gesicherter Erfahrungsgrundlage beruhende Anhaltspunkte bzw. als sachverständig festgestellte Erfahrungswerte – nach wie vor – von Bedeutung.
35Vgl. u. a. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 9. März 2007 - 10 B 2675/06 -, und vom 19. Januar 2009 - 10 B 1687/08 -, jeweils zitiert nach juris.
36Orientiert man sich an den als sachverständig festgestellten Erfahrungswerten der Richtzahlen für den Stellplatzbedarf, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit der Errichtung eines Stellplatzes je Wohnung. Das Gericht sieht keinen Anlass, dass für das vorliegende Vorhaben von diesen Erfahrungswerten abzuweichen wäre.
37Entgegen der Auffassung der Kläger ist auch nicht etwa zu befürchten, dass die künftigen Bewohner des Vorhabens statt der Tiefgarage den öffentlichen Verkehrsraum in Anspruch nehmen werden. Zwar mag eine Tiefgarage mittels Aufzugsanlage oder ein sog. „Parklift“ bei öffentlichen Einrichtungen im Einzelfall untauglich sein, um den Stellplatzbedarf zu befriedigen.
38Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.08.1990 - 11 A 2085/88 -, zum Stellplatzbedarf einer Spielhalle, sowie Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 1999 - 3 S 1163/99 -, zum Stellplatzbedarf für ein Islamisches Zentrum, jeweils zitiert nach juris.
39Dies gilt indes nicht für ein Wohnbauvorhaben mit 12 Tiefgaragenstellplätzen. Insoweit gilt es zu bedenken, dass die – ausnahmslos dem Mehrfamilienhaus zugeordneten – Tiefgaragenstellplätze nur im Rahmen der Wohnnutzung angefahren werden; dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird. Anders als bei öffentlichen Einrichtungen mit regem Besucherverkehr ist daher hier mit etwaigen Rückstaus o. ä. nicht zu rechnen, so dass auch nicht zu befürchten ist, dass die Tiefgarage nicht von den Bewohnern in Anspruch genommen werden könnte.
40Hinzu kommt, dass die bisherigen Anlieger in der Stichstraße des M4.--------weges nahezu allesamt über eigene Stellplätze oder Garagen verfügen. Außerdem kann nach Maßgabe der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht nur die Stichstraße, sondern auch der Bereich des M3.--------wegs , der vor der Einmündung in die Stichstraße liegt, ohne weiteres zum Parken genutzt werden.
41Nach alledem führt das Vorhaben der Beigeladenen im Bereich der Stichstraße auch nicht zu einer Verschärfung der Verkehrssituation, mit der zwingend oder typischerweise eine erhöhte (Verkehrs-)Gefährdung einhergehen könnte. Bei der Straße handelt es sich um eine Sackgasse ohne Durchgangsverkehr; für Fußgänger ist an der südlichen Straßenseite ein befestigter Bürgersteig vorhanden. Die Stichstraße ist – ausweislich des Eindrucks, den der Einzelrichter im Rahmen des Ortstermins gewonnen hat – weder besonders eng noch besonders unübersichtlich. Dies gilt auch für den Einmündungsbereich in die Stichstraße wie für den Bereich des Wendehammers. Schließlich ist auch nicht festzustellen, dass die Ein- oder Ausfahrtsvorgänge über die Tiefgaragenzufahrt zu einer besonderen Gefährdung des öffentlichen Verkehrs führen könnten, da sich – soweit anhand des angefochtenen Vorbescheides abgeschätzt werden kann – die Zufahrt ohne Rangiervorgänge oder besondere Fahrmanöver befahren lassen dürfte.“
42Diese Ausführungen gelten hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Baugenehmigung in gleicher Weise. Die Änderungen, die das der Baugenehmigung zugrunde liegende Vorhaben gegenüber dem mit Vorbescheid genehmigten Vorhaben erfahren hat, sind im Hinblick auf die Verletzung von Nachbarrechten der Kläger unerheblich. Das gilt zum einen in Bezug auf die Änderung des Gebäudekubus‘, die lediglich das Maß der baulichen Nutzung betrifft, das keinen Nachbarschutz begründet. Das betrifft aber insbesondere die Änderungen hinsichtlich der Anlage der Zufahrt zur Tiefgarage, die nunmehr nicht mehr wie ursprünglich geplant über eine Rampe parallel zur Straße erfolgt, sondern über einen Aufzug, der direkt von der Straße angefahren wird. Dadurch wird die Belästigung der Anwohner in erheblichem Umfang reduziert. Auch soweit die Zahl der Stellplätze in der Tiefgarage von 12 auf 15 erhöht wurde, obwohl statt neun nunmehr nur noch acht Wohnungen gebaut werden, kommt dies den Bedenken der Antragsteller hinsichtlich der zu knapp bemessenen Stellplätze entgegen.
43Der Antrag ist deshalb abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO. Es entspricht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese einen Antrag gestellt und sich damit dem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
44Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt das Interesse der Eigentümer von zwei Grundstücken an der Verhinderung des Vorhabens. Pro Grundstück hat die Kammer 10.000 € zugrunde gelegt, wobei der Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens halbiert wurde.
Tenor
1 Die aufschiebende Wirkung der Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
2 Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag des Antragstellers,
3die aufschiebende Wirkung seiner Klage 6 K 2117/13 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. April 2013 in der Gestalt der Nachtragsbaugenehmigung vom 11. Juni 2013 zur Errichtung eines rückwärtigen Anbaus an das bestehende Wohnhaus F.---straße 61 in H. anzuordnen,
4ist zulässig und begründet.
5Hat eine Klage gegen den einen Dritten begünstigenden Verwaltungsakt – wie hier nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 212 a Baugesetzbuch (BauGB) – keine aufschiebende Wirkung, so kann das Gericht der Hauptsache ihre aufschiebende Wirkung gem. § 80 a Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen. In dem wegen der Eilbedürftigkeit nur summarischen Verfahren hat es dabei nicht unmittelbar die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts zu prüfen, sondern zu untersuchen, ob das Interesse an dessen sofortiger Vollziehung das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung überwiegt. Gegenstand dieser Abwägung sind das Interesse des Nachbarn an der Aussetzung der Vollziehung auf der einen Seite und das Interesse des begünstigten Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der ihm erteilten Baugenehmigung andererseits. Da sich beide Interessen im Grundsatz gleichwertig gegenüberstehen, orientiert sich die vorzunehmende Abwägung vornehmlich an den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache.
6Vorliegend geht die Interessenabwägung insgesamt zu Gunsten des Antragstellers aus. Seine Klage gegen die Baugenehmigung wird voraussichtlich Erfolg haben. Es liegt ein aller Voraussicht nach zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Baugenehmigung führender Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts vor. Das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen verstößt gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
7Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Streit stehenden Vorhabens richtet sich nach § 34 BauGB, da das Grundstück der Beigeladenen - unstreitig - innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, jedoch nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt.
8Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
9Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, BauR 1983, 449, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 -, DVBl. 1994, 697, und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -, DVBl. 2000, 192; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -, NVwZ 1999, 1360.
10Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit. Ein qualifizierter Verstoß ist hier mit dem Verlust des Doppelhauscharakters festzustellen.
11Die - ausweislich des vorliegenden Karten- und Bildmaterials - überwiegend durch Einzel- und Doppelhäuser in offener Bauweise geprägte Umgebung des Baugrundstücks und damit auch und gerade die auf den Grundstücken des Antragstellers und der Beigeladenen bereits vorhandene offene Bauweise in Form eines Doppelhauses hat nach gefestigter verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung drittschützenden Charakter.
12Grundlegend BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
13Für die nachbarschützende Wirkung ist dabei ohne Belang, ob sich die planungsrechtliche Grundlage für die Doppelhausbebauung aus den Festsetzungen eines Bebauungsplanes oder - wie hier - aus der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB ergibt. Sofern durch ein Vorhaben im nicht beplanten Innenbereich das durch eine Doppelhausbebauung begründete nachbarschaftliche Austauschverhältnis einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht wird, liegt darin ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" verankerte Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die Bauweise.
14OVG NRW, Urteil vom 19. April 2012 - 10 A 1035/10 -, juris.
15Die sich damit auch im unbeplanten Bereich hinsichtlich der Bauweise stellenden Anforderungen gelten nicht nur für den Neubau von Doppelhaushälften, sondern ebenso für Erweiterungs- oder Umbauvorhaben von bereits errichteten Doppelhaushälften.
16Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Juli 2007 - 10 B 1090/07 -, juris.
17Dementsprechend muss sich der Bauherr bei Erweiterungs- oder Umbauvorhaben an einer bereits errichteten Doppelhaushälfte an der bestehenden Grenzstellung der anderen Gebäudehälfte orientieren; die insoweit einmal vorhandenen baulichen Gegebenheiten können daher - auch und gerade für Um- und Ausbaumaßnahmen - als maßstabsbildende "Vorbelastung" wirken.
18Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
19Das hier genehmigte Vorhaben ist daher nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise nur zulässig, wenn das geänderte Gebäude der Beigeladenen insgesamt zusammen mit dem benachbarten Wohnhaus des Antragstellers (weiterhin) ein Doppelhaus in offener Bauweise im bauplanungsrechtlichen Sinne bildet; denn aufgrund der bereits existenten grenzständigen Giebelwand des bisherigen Hauses, die erhalten bleiben soll, kann das Gebäude der Beigeladenen in der hier prägenden maßgeblichen offenen Bauweise (weiterhin) nur als Doppelhaushälfte zulässig sein. Verliert eine Gebäudehälfte infolge eines Um- oder Ausbaus seinen Doppelhauscharakter, ist der Um- oder Ausbau bauplanungsrechtlich insoweit nicht zulässig.
20Die Annahme eines Doppelhauses in offener Bauweise im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO setzt voraus, dass die Gebäudehälften an einer Seite grenzständig zusammengebaut sind und im Übrigen den seitlichen Grenzabstand einhalten.
21Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Loseblatt-Kommentar (Stand: Januar 2013), Bd. 5, § 22 BauNVO RdNr. 26.
22In Konkretisierung dieser Vorgaben des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO verlangt das Bundesverwaltungsgericht zum einen, dass die Gebäudehälften, um ein Doppelhaus zu bilden, nicht irgendwie zusammengebaut sein dürfen, sondern durch das Aneinanderbauen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zu einer Einheit ("Gesamtkörper") zusammengefügt werden müssen. Kein Doppelhaus bilden daher zwei Gebäude, die sich zwar an der gemeinsamen Grundstücksgrenze noch berühren, aber als zwei selbständige - praktisch allseitig freistehende - Baukörper erscheinen ("quantitatives Element").
23BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
24Damit allein ist der bauplanungsrechtliche Begriff des Doppelhauses aber noch nicht erfüllt. Die bauplanungsrechtliche Festsetzung als Doppelhaus verlangt nämlich ferner, dass die beiden „Haushälften“ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinander gebaut werden. Insoweit enthält das Erfordernis einer baulichen Einheit nicht nur ein quantitatives, sondern auch ein “qualitatives Element“.
25BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 12.98 -, juris.
26Aufeinander abgestimmt sind die Hälften eines Doppelhauses, wenn sie sich in ihrer Grenzbebauung noch als "gleichgewichtig" und "im richtigen Verhältnis zueinander" und daher als harmonisches Ganzes darstellen, ohne disproportional, als zufällig an der Grundstücksgrenze zusammengefügte Einzelhäuser ohne hinreichende räumliche Verbindung zu erscheinen. Denn kennzeichnend für die offene Bauweise ist der seitliche Grenzabstand der Gebäude; die Hälften des Doppelhauses müssen folglich gemeinsam als ein Gebäude in Erscheinung treten. Dementsprechend muss ein Haus, soll es Teil eines Doppelhauses sein, ein Mindestmaß an Übereinstimmung mit dem zugehörigen Nachbarhaus aufweisen, indem es zumindest einen Teil der ihm Proportionen und Gestalt gebenden baulichen Elemente aufgreift. Anderenfalls wäre der die Hausform kennzeichnende Begriff der baulichen Einheit sinnentleert. Allgemeingültige Kriterien lassen sich jedoch insoweit mit Blick auf die von § 22 Abs. 2 BauNVO verfolgten städtebaulichen Ziele der Steuerung der Bebauungsdichte sowie der Gestaltung des Orts- oder Stadtbildes-, die keine einheitliche Gestaltung erfordern, nicht aufstellen. Regelmäßig geben Höhe, Breite und Tiefe, sowie die Zahl der Geschosse und die Dachform einem Haus seine maßgebliche Gestalt. Diese Kriterien können daher im Einzelfall Anhaltspunkte für die Beurteilung des wechselseitigen Abgestimmtseins geben. Auch Übereinstimmungen oder Abweichungen in der Kubatur der Häuser infolge hervortretender Bauteile, wie Dachterrassen, Gauben oder Anbauten können mitentscheidend für die Beantwortung der Frage sein, ob noch von einer baulichen Einheit und damit von einem Doppelhaus oder einer Hausgruppe die Rede sein kann. Insoweit erfährt ein geplantes Haus durch die bereits vorhandene Grenzbebauung eine das Baugeschehen beeinflussende Vorprägung. Umgekehrt trägt der Erstbauende das Risiko, dass die spätere Nachbarbebauung den planerisch eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Er kann nicht erwarten, dass die später errichtete Doppelhaushälfte die überbaubare Grundstücksfläche nur in demselben Umfang ausnutzt wie er es getan hat.
27OVG NRW Urteile vom 19. April 2012 – 10 A 1035/10-, juris, vom 28. Febraur 2012 -7 A 2444/09-, juris, und vom 16. August 2011 – 10 A 1224/09-, juris.
28Nach diesen Grundsätzen wird der Rahmen der wechselseitigen Grenzbebauung durch den genehmigten Um- und Anbau überschritten. Das Wohnhaus des Beigeladenen vermittelt nach der Umsetzung der Baugenehmigung den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus. Der streitgegenständliche Anbau tritt nach dem Umbau mit 5,25 m über mehr als die Hälfte der Tiefe beider Doppelhaushälften vor die bislang gemeinsame rückwärtige Außenwand und dies auf einer Breite von 9,38 m bei einer Gesamtbreite der Doppelhaushälfte der Beigeladenen von „nur“ 11,45 m. Hinzu kommt, obwohl es sich nur um einen eingeschossigen Anbau handelt, seine Gesamthöhe von 3,55 m oberhalb des Terrassenniveaus des Antragstellers. Damit erscheint der Anbau im Vergleich zum Nachbargebäude als massives einseitig in den Gartenbereich vorspringendes Bauteil. Dieser Eindruck wird noch erheblich dadurch verstärkt, das auch die Wohnfläche im Obergeschoss durch eine auf den Anbau aufgesetzte Dachterrasse, wenn auch mit einem Abstand von ca. 4,33 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze, erweitert wird. Das Geländer der Dachterrasse ist nochmal 75 cm höher als der Anbau und erstreckt sich fast über die Hälfte der Grundfläche desselben. Auch die ganz erhebliche Abgrabung auf einer Breite von 7,28 m und einer Tiefe von ca. 1,90 m im Bereich des Kellergeschosses, zur Belichtung und Belüftung sowie Schaffung eines zweiten Rettungsweges der im Kellergeschoss neu zu schaffenden Aufenthaltsräume, verstärkt den Eindruck der Massivität des Anbaus. Darüber hinaus verfügt das Gebäude der Beigeladenen gartenseitig über eine Gaube mit vier Fenstern, die eine Breite von mehr als der Hälfte der darunterliegenden Gebäudewand aufweist. Damit ordnet sich das Wohnhaus der Beigeladenen insgesamt in seinem Dimensionen nicht mehr dem Gesamtbaukörper unter, sondern dominiert die rückwärtige Gebäudefront mit der Folge, dass von einem wechselseitigen Abgestimmtsein des Wohnhauses des Beigeladenen mit dem Wohnhaus des Antragstellers nicht mehr ausgegangen werden kann. Angesichts der vorbeschriebenen grundlegenden Veränderung, die der vor die rückwärtige Außenwand tretende Anbau, der die Grundfläche des bisher Vorhandenen um etwas weniger als die Hälfte erweitert, für den Gesamtbaukörper mit sich bringt, genügt auch die Einheitlichkeit der straßenseitigen Gebäudefront nicht, um Gegenteiliges annehmen zu können. Während das Doppelhaus zuvor nahezu gleichgewichtige und harmonisch abgestimmte Haushälften aufwies, ist durch den genehmigten Anbau an die südliche Haushälfte ein disproportionales Ungleichgewicht entstanden.
29Ob die Verschlechterung der Belichtungs- und Besonnungssituation auf dem Grundstück des Antragstellers durch die Erweiterung des Nachbarwohnhauses bereits für sich genommen zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot führt, kann daher offen bleiben.
30Ob das streitgegenständliche Vorhaben darüber hinaus auch gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts verstößt, wie der Antragsteller meint, kann die Kammer ebenfalls offen lassen. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Antragsteller nicht mit Erfolg geltend machen kann, die Baugenehmigung verstoße wegen einer möglichen Standsicherheitsgefahr für den gemeinsamen Giebel gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts. Nach § 15 Abs. 1 BauO NRW muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes des Nachbargrundstücks dürfen nicht gefährdet werden. Drittschützende Wirkung ist nur Satz 2 der Vorschrift beizumessen, der anders als Satz 1 auch dem Interesse des Nachbarn an dem Erhalt von Sachwerten und der Vermeidung von Personenschäden dient.
31OVG NRW Beschlüsse vom 28. Januar 2005 -10 B 2827/04-, juris und vom 9. Juli 2003 - 7 B 949/03 -, BRS 66 Nr. 138.
32Dass die von dem Antragsteller angesprochene Gefahr eines Absinkens des gemeinsamen Giebels durch Schaffung weiterer Wohnräume besteht, deren Fundament unterhalb der bisher vorhandenen Kellersohle zur Ausführung kommen soll, erscheint angesichts der von der Architektin im Ortstermin geschilderten Sicherungsmaßnahmen durch Schaffung einer Stahlstütze im kritischen Bereich wenig naheliegend, dies kann jedoch dahingestellt bleiben.
33Denn der Antragsteller kann sich auf eine mögliche Verletzung von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Insoweit treffen die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 68 BauO NRW erteilten Baugenehmigungen nämlich keine Regelung. Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 4 BauO NRW prüft die Bauaufsichtsbehörde im vereinfachten Genehmigungsverfahren –wie hier- nur die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den in den Nrn. 1 bis 4 aufgeführten Vorschriften. § 15 BauO NRW zählt nicht hierzu.
34Offen lassen kann die Kammer auch die Frage, ob die angefochtene Baugenehmigung, die die Herstellung der nördlichen Stützmauer bis ca. 11 cm oberhalb des natürlichen Geländes und in einem Abstand von 80 cm zur gemeinsamen Grundstücksgrenze gestattet, wegen eines Verstoßes gegen § 6 BauO NRW rechtswidrig ist. Die Frage ist in Abhängigkeit davon zu beantworten, ob diese Stützmauer als Bauteil des Gebäudes und damit nach § 6 Abs. 1 BauO NRW oder als eigenständige bauliche Anlage nach § 6 Abs. 10 BauO NRW zu beurteilen ist. Das dürfte davon abhängen, ob es sich bei dieser Stützwand um einen bautechnisch und funktional untrennbaren Gebäudeteil des Wohnhausanbaus handelt.
35Vgl. zu dieser Abgrenzung OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 -7 A 3199/08-, juris, und Beschluss vom 19. Januar 1999 – 10 B 1/99-, juris.
36Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach dabei nicht der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt, sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
37Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und orientiert sich an dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage im Rahmen des bei sog. Nachbarstreitigkeiten regelmäßig in Ansatz zu bringenden Rahmens von 1.500,- EUR bis 15.000,- EUR und unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters dieses Verfahrens.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten planungsrechtlichen Bauvorbescheid für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern.
3Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks L. 35 in F. , das mit einer Doppelhaushälfte bebaut ist. Das Wohnhaus ist zur Straßenseite zweistöckig und erscheint aufgrund des abschüssigen Gefälles im rückwärtigen Bereich dreistöckig. Im - von der Gartenseite aus betrachtet - ersten Obergeschoss befindet sich der Wohn- und Essbereich der Kläger. Auf östlicher Seite neben dem Wohngebäude befindet sich straßenseitig und grenzständig zum Grundstück des Beigeladenen eine Garage. Unmittelbar hinter der Garage befindet sich zudem, ebenfalls grenzständig, eine Terrasse, die vom Wohnhaus der Kläger aus zugänglich ist. Von der Terrasse führt eine Treppe in den Gartenbereich. Das Gebäude weist insgesamt eine Bebauungstiefe von etwa 17,5 m auf.
4Die in östliche Richtung angrenzenden Nachbargrundstücke, L. 31-33, sind derzeit ebenfalls mit einem Doppelhaus bebaut. Der etwa drei Meter breite Grundstücksabschnitt zwischen dem Wohnhaus L. 33 und der Grundstücksgrenze der Kläger ist unbebaut. Dieser Grenzabschnitt sowie der rückwärtige Gartenbereich des Vorhabengrundstücks weisen eine dichte Begrünung mit Büschen und teilweise weit über die Gebäudehöhe hinausragenden Bäumen auf.
5Am 24. Januar 2013 beantragte der Beigeladene die Erteilung eines planungsrechtlichen Vorbescheides für den Abriss der vorhandenen Bebauung auf dem Grundstück L. 31-33 sowie die Errichtung von zwei Wohngebäuden mit jeweils vier Wohneinheiten. Aus den Bauunterlagen sowie den eingereichten Zeichnungen geht unter anderem hervor, dass die oberen Gebäudeabschlüsse jeweils komplett gegenüber den Obergeschossen zurücktretende Flachdach-Staffelgeschosse bilden. Die Gebäude treten zur Straße zweigeschossig und zum Garten in Folge des nach hinten abfallenden Geländes dreigeschossig in Erscheinung. Das Wohngebäude weist zur Grundstücksgrenze der Kläger einen Abstand von etwa 3,48 m auf. Der versetzte hintere Teil des Wohngebäudes weist einen Abstand von etwa 5,86 m zur Grundstücksgrenze auf. Weiter ist unter anderem ein Stellplatz vorgesehen, der grenzständig zum Grundstück der Kläger errichtet werden soll. Der Stellplatz soll versetzt zu der Garage der Kläger errichtet werden, wobei die Länge des Stellplatzes über die Länge der Garage auf dem klägerischen Grundstück hinaus geht und damit in einer Länge von etwa 2,50 m in gleicher Höhe entlang der Terrasse der Kläger führt. Das zu errichtende Gebäude weist insgesamt eine Bebauungstiefe von etwa 21,50 m bzw. unter Einbeziehung der rückwärtigen Terrasse von 22,50 m auf.
6Unter dem 24. Juni 2013 erteilte die Beklagte dem Beigeladenen den beantragten Vorbescheid, mit dem festgestellt wurde, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig sei. Zur Begründung führte die Beklagte neben weiteren Aspekten unter anderem aus, das zur Liegenschaft „L. 35“ angrenzende Wohngebäude weise einen Abstand von ca. 3,48 m zu diesem auf und verspringe auf den hinteren 2,60 m auf einen Abstand von ca. 5,86 m zur Grundstücksgrenze. Daher sei das Rücksichtnahmegebot in Hinsicht auf die Belichtung des Nachbarn berücksichtigt worden. Schließlich füge sich das Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
7Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 wurden die Kläger über die Erteilung des Vorbescheides von der Beklagten in Kenntnis gesetzt.
8Die Kläger haben am 25. Juli 2013 Klage erhoben.
9Sie sind der Ansicht, der Vorbescheid sei bereits wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots rechtswidrig. Obwohl es sich um einen planungsrechtlichen Vorbescheid handele, habe die Beklagte Ausführungen zu den bauordnungsrechtlichen Fragen des Abstandsgebots gemacht. Das Vorhaben des Beigeladenen füge sich mit seiner Bebauungstiefe von ca. 22,50 m nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und verletze dadurch das Gebot der Rücksichtnahme. Durch das Vorhaben würde die Dauer der Besonnung auf der Terrasse stark abnehmen. Derzeit falle morgens die Sonne ab 7.00 Uhr auf die Terrasse. Bei Realisierung des Vorhabens würde es erst ab ca. 12.00 Uhr zur Besonnung der Terrasse kommen. Der Erholungswert auf der Terrasse würde zudem erheblich sinken, da man von dort aus nur noch einen Tunnelblick in den Wald habe. Zudem würde durch das Vorhaben kaum noch Sonnenlicht in den Wohn- und Essbereich fallen, was zu einer erheblichen Verdunkelung führe. Aufgrund der Tiefe des geplanten Baus, der Nähe zur klägerischen Terrasse und aufgrund seiner zur Straße dreigeschossig und im Garten viergeschossig erscheinenden Bauweise wirke das Vorhaben gegenüber dem Haus der Kläger erdrückend. Auch die Stellplatzanordnung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Der Stellplatz befinde sich auf gleicher Höhe direkt neben der Terrasse der Kläger. Durch die Motorengeräusche, das Türenzuschlagen sowie die entstehenden Abgase werde die Nutzung auf der Terrasse als besonders geschützten Ort der Ruhe und Erholung unzumutbar beeinträchtigt. Es sei von einer regelmäßigen Nutzung des Stellplatzes auszugehen, da für jede Wohneinheit nur ein Stellplatz vorgesehen sei und die L. 31-33 nahverkehrstechnisch nicht gut angeschlossen sei. Da der Stellplatz auf gleicher Höhe wie die Terrasse errichtet werden solle, würden die Fahrzeuge direkt neben der Terrasse der Kläger abgestellt werden. Die Abschirmung durch die Errichtung eines Holzzaunes würde dagegen den Tunnelblick noch verschärfen. Schließlich sei es nicht nachvollziehbar, warum die Beklagte bei Einhaltung eines Abstandes von 3,48 m davon ausgehe, das Rücksichtnahmegebot sei hinsichtlich der Belichtung nicht verletzt. Schließlich verstoße das Vorhaben auch gegen die Abstandsflächenvorschriften.
10Die Kläger beantragen,
11den Vorbescheid der Beklagten vom 24. Juni 2013 aufzuheben.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Ansicht, der Vorbescheid erfülle die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot, da bauordnungsrechtliche Belange nicht geprüft worden seien. Die Nennung von Abständen habe lediglich der planungsrechtlichen Erläuterung des Vorhabens in der Hinsicht gedient, dass eine Beeinträchtigung der Belichtung des angrenzenden Grundstückes nicht ersichtlich sei. Hierdurch sei nicht der Anschein erweckt worden, dass das Vorhaben auch bauordnungsrechtlich zulässig sei. Die Überschreitung der Bebauungstiefe könne bereits nicht von den Klägern gerügt werden, da diese Aspekte das Maß der baulichen Nutzung beträfen und damit nicht nachbarschützend seien. Abgesehen davon sei die zulässige Bebauungstiefe aber eingehalten, da das Grundstück L. 43a eine deutlich größere Bebauungstiefe aufweise. Eine unzumutbare Störung der Kläger mit der Folge eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot sei weder erkennbar noch nachvollziehbar vorgetragen. Eine Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung auf dem Grundstück der Kläger sei weder auf der Terrasse noch im Wohn- und Essbereich erkennbar. Auch die Errichtung des grenzständigen Stellplatzes führe nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Kläger. Die von den Fahrzeugbewegungen zu erwartenden Geräusche seien nicht in der Lage die Kläger, insbesondere aufgrund der zu erwartenden Seltenheit, unzumutbar zu beeinträchtigen. Insgesamt sei der Stellplatz allenfalls als eine bloße Lästigkeit anzusehen.
15Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
16Die Berichterstatterin hat am 10. März 2014 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll sowie das im Rahmen des Ortstermins angefertigte Bildmaterial verwiesen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte im Übrigen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
18Entscheidungsgründe:
19Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
20Die Kläger haben keinen Anspruch auf Aufhebung des planungsrechtlichen Vorbescheides vom 24. Juni 2013, da dieser nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt und die Kläger daher nicht in ihren eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
21Die Kläger sind nicht bereits wegen Verstoßes des Vorbescheides gegen das Bestimmtheitsgebot des § 37 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVfG NRW) in ihren Rechten verletzt. Unabhängig von der Frage, ob insoweit überhaupt gegenüber den Klägern nachbarschützende Rechte verletzt sein könnten, ist ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot nicht festzustellen. Die Erwähnung der Abstandsflächen in der Begründung des planungsrechtlichen Vorbescheides diente offenkundig allein der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot. Die Beklagte durfte, wie noch unter Heranziehung der obergerichtlichen Rechtsprechung auszuführen sein wird, in zulässiger Weise zur Begründung, dass das Rücksichtnahmegebot nicht im Hinblick auf die Belichtung des klägerischen Grundstücks verletzt sei, auf das Kriterium der Abstandsflächen abstellen. Eine dem Baugenehmigungsverfahren vorbehaltene Prüfung des Einhaltens bauordnungsrechtlicher Vorschriften war damit ersichtlich nicht verbunden.
22Der Vorbescheid verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts.
23Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB), da das Grundstück des Beigeladenen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, für das ein Bebauungsplan nicht existiert. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
24Das Vorhaben fügt sich hinsichtlich der Art der Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern dient einzig der Wohnnutzung und damit einer Nutzung, die in der näheren Umgebung des Vorhabens vorherrschend ist.
25Soweit sich die Kläger darauf berufen, das Vorhaben überschreite die zulässige Bebauungstiefe, handelt es sich dabei um ein Kriterium, welches das Maß der baulichen Nutzung betrifft und damit um ein solches, das regelmäßig nicht nachbarschützender Natur ist. Demgemäß sind im Rahmen eines Baunachbarstreits die Fragen danach, ob sich das Vorhaben nach seinem Volumen, der Zahl seiner Geschosse, der Höhe oder der Bebauungstiefe nach in die nähere Umgebung einfügt, ohne Bedeutung.
26Vgl. grundlegend Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Juni 1969 – IV C 234.65 -; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 27. August 2012 – 5 K 5326/10 – und vom 26. Februar 2008 – 6 K 1102/06 – sowie Beschluss vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 - ; jeweils zitiert nach juris.
27Das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB verankerte Gebot der Rücksichtnahme.
28Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme soll angesichts der gegenseitigen Verflechtungen der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich schaffen, der einerseits dem Bauherrn ermöglicht, was von seiner Interessenlage her verständlich und unabweisbar ist, und andererseits dem Nachbarn erspart, was an Belästigungen und Nachteilen für ihn unzumutbar ist. Die Beachtung des Rücksichtnahmegebots soll gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Die sich daraus ergebenden Anforderungen sind im Einzelfall festzustellen, wobei die konkreten Umstände zu würdigen, insbesondere die gegenläufigen Interessen des Bauherrn und des Nachbarn in Anwendung des Maßstabes der planungsrechtlichen Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind. Dabei kann desto mehr an Rücksichtnahme verlangt werden, je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt; umgekehrt braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, desto weniger Rücksicht zu nehmen, je verständlicher und unabweisbarer die von ihm mit dem Bauvorhaben verfolgten Interessen sind.
29Vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Januar 1983 - 4 C 59.79 -, vom 28. Oktober 1993 - 4 C 5.93 - und vom 23. September 1999 - 4 C 6.98 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 3. September 1999 - 10 B 1283/99 -; jeweils zitiert nach juris; sowie zuletzt VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Juli 2014 – 5 K 3060/13 -.
30Dabei reichen bloße Lästigkeiten für einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine qualifizierte Störung im Sinne einer Unzumutbarkeit.
31Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 17. Januar 2014 – 5 L 1469/13 – und vom 23. August 2013 – 6 L 737/13 - sowie Urteil vom 2. Januar 2014 – 5 K 1658/13 -; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Urteil vom 12. Juli 2012 – 2 B 12.1211 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Januar 2012 – 2 S 50.10 -; jeweils zitiert nach juris.
32Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass Beeinträchtigungen, die ein Vorhaben dadurch verursacht, dass es beim Grenzabstand ein bestimmtes Maß unterschreitet, vom hierdurch betroffenen Nachbarn grundsätzlich dann hingenommen werden müssen, wenn die landesrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten sind. Diese landesrechtlichen Abstandsvorschriften zielen im Interesse der Wahrung sozial verträglicher Verhältnisse nicht zuletzt darauf ab, eine ausreichende Belichtung und Besonnung von Gebäude- und sonstige Teile des Nachbargrundstücks sicherzustellen. Der Nachbar, der sich gegen die Verwirklichung eines Bauvorhabens zu Wehr setzt, kann unter diesem Blickwinkel grundsätzlich keine Rücksichtnahme verlangen, die über den Schutz des Abstandsflächenrechts hinausgeht, da die landesrechtlichen Grenzabstandsvorschriften insoweit ihrerseits eine Konkretisierung des Gebots nachbarlicher Rücksichtnahme darstellen.
33Vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Dezember 1996 – 4 B 215/96 -, mit weiteren Nachweisen; zitiert nach juris.
34Bereits unter diesem Gesichtspunkt verstößt das Vorhaben des Beigeladenen nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Denn die durch das Vorhaben im Verhältnis zum Grundstück der Kläger ausgelösten Abstandflächen dürften aufgrund der Anwendung des hier einschlägigen § 6 Abs. 6 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) noch auf dem Grundstück des Beigeladenen liegen.
35Anhaltspunkte, die gleichwohl einen qualifizierten Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im oben genannten Sinne begründen können, sind hier nicht feststellbar. Das Vorhaben des Beigeladenen ist weder im Hinblick auf eine Einschränkung der Belichtung noch hinsichtlich des grenzständigen Stellplatzes gegenüber den Klägern rücksichtslos und wirkt ihnen gegenüber auch nicht erdrückend.
36Zunächst ist nicht davon auszugehen, dass durch das Vorhaben die Besonnung und Belichtung auf der neben dem Wohnhaus der Kläger errichteten Terrasse sowie in dem Ess- und Wohnbereich in unzumutbarer Weise eingeschränkt wird. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich um eine östliche Bebauung handelt, so dass das Kriterium der eingeschränkten Belichtung von vornherein nur möglicherweise in den Morgenstunden greifen kann, spätestens jedoch ab der Mittagszeit eine Beeinträchtigung gänzlich ausgeschlossen ist. Wie im Rahmen des Ortstermins festgestellt und anhand des angefertigten Fotomaterials nachvollzogen werden kann, ist bereits um elf Uhr eine direkte Sonneneinstrahlung auf der Terrasse aufgrund ihrer Errichtung auf der östlichen Seite des Wohngebäudes kaum mehr möglich. Sofern sich die Kläger auf die Morgenstunden zwischen Sonnenaufgang und elf Uhr beziehen, ist für die Kammer bereits nicht nachvollziehbar, wie es in diesen Stunden zu einer vollständigen Besonnung der Terrasse kommen kann. Der derzeit vorhandene Baukörper dürfte vielmehr auch in diesen Stunden eine direkte Sonneneinstrahlung einschränken.
37Selbst wenn die im derzeitigen Zustand vorliegende Belichtung und Besonnung des Grundstücks der Kläger durch das Vorhaben des Beigeladenen vermindert wird, so erfolgt dies nicht in einem solchen Maß, dass die Schwelle der Unzumutbarkeit überschritten wird. Insbesondere muss in einem bebauten innerstädtischen Wohngebiet - und nicht nur in Innenstadtlagen - immer damit gerechnet werden, dass Nachbargrundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und das Bauordnungsrecht vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es durch eine Bebauung zu einer Verschattung des eigenen Grundstücks beziehungsweise von Wohnräumen kommt.
38Vgl. OVG NRW, Urteile vom 26. Juni 2014 – 7 A 2057/12 – und vom 9. Juni 2011 – 7 A 1494/09 – sowie Beschlüsse vom 16. Januar 2014 – 7 A 1776/13 – und vom 9. Februar 2009 – 10 B 1713/08 -; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. Juni 2012 – 5 K 2317/10 -; jeweils zitiert nach juris.
39Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Vorhaben gegenüber dem Grundstück der Kläger gegenüber rücksichtslos ist, weil von ihm eine erdrückende Wirkung ausgeht. Eine erdrückende Wirkung wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund des Besonderheiten des Einzelfalls – und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen – derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird.
40Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Mai 1986 – 4 C 34.85 – und vom 13. März 1981 – 4 C 1.78 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 2010 – 7 A 3199/08 -, sowie Beschlüsse vom 5. August 2013 – 7 B 674/13 -, vom 9. Juli 2010 – 2 A 1263/09 – und vom 18. Juli 2010 – 10 A 1417/09 -; jeweils zitiert nach juris.
41Von einer solchen Wirkung kann angesichts der konkreten Lage und Größe der Gebäude, die sich ohne weiteres aus dem vorliegenden Karten- und Bildmaterial ergibt, sowie aufgrund des Eindrucks der Berichterstatterin von der Örtlichkeit, den sie der Kammer vermittelt hat, nicht die Rede sein. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass das Vorhaben des Beigeladenen gegenüber den Klägern durchaus eine Mehrbelastung in der Hinsicht darstellt, als es größer und aufgrund des Staffelgeschosses mit Flachdach massiver wahrgenommen wird als die jetzige Bebauung. Zudem wird aufgrund der Bebauungstiefe der freie Blick in den begrünten rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Beigeladenen nicht mehr in dem Maße genossen werden können wie es derzeit noch möglich ist. Allerdings bestehen für die Annahme eines „Tunnelblicks“ aufgrund der Bebauungstiefe kaum Anhaltspunkte. Der bloße Umstand, dass die geplante Bebauung die derzeit vorhandene Bebauung in seiner Tiefe um etwa fünf Meter überschreitet, kann nicht dazu führen, dass von einem nunmehr entstandenen „Tunnelblick“ auszugehen ist. Hinzu kommt, dass der Blick ins Grüne lediglich von der Terrasse der Kläger aus betrachtet eingeschränkt wird. Dabei handelt es sich um eine freie Sicht über das Grundstück des Beigeladenen hinaus. Den Klägern bleibt es jedoch unbenommen von der an das Wohnhaus im rückwärtigen Bereich angrenzenden Terrasse sowie dem gesamten Gartenbereich aus, weiterhin ungehindert den Blick in die Natur zu genießen. Sie können im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nicht beanspruchen, dass der einmal gegebene Ausblick aufgrund fehlender Bebauung auf dem Nachbargrundstück auch in Zukunft unverändert bestehen bleibt.
42Insofern trägt der Eigentümer des Grundstücks im unbeplanten Innenbereich typischerweise das Risiko, dass eine spätere Nachbarbebauung den baurechtlich eröffneten Freiraum stärker ausschöpft als er selbst. Art. 14 Abs. 1 GG garantiert jedem Eigentümer eines Grundstücks das Recht, dieses baulich im Rahmen der Gesetze so zu nutzen, wie es den eigenen Vorstellungen entspricht. Dieses Recht können auch die Kläger für sich beanspruchen. Hält sich die Bebauung innerhalb des durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Baurechts vorgegebenen Rahmens, stehen die schutzwürdigen Interessen des Bauherrn und die Belange des Nachbarn und der Allgemeinheit in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander.
43Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 29. November 2013 – 5 L 1032/13 – mit Verweis auf OVG NRW, Beschluss vom 5. November 2013 – 10 A 2686/12 -.
44Darüber hinaus verstößt auch der grenzständig und in einer Länge von etwa zweieinhalb Metern entlang der Terrasse der Kläger verlaufende Stellplatz nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
45Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs ist dabei auch hier zu berücksichtigen, dass für die Anwendung des bundesrechtlichen Rücksichtnahmegebots aus tatsächlichen Gründen regelmäßig dann kein Raum bleibt, soweit die durch dieses Gebot geschützten Belange auch durch spezielle bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren Anforderungen genügt.
46Vgl. BVerwG, Urteile vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 – und vom 7. Dezember 2006 - 4 C 11.05 -; OVG NRW, Beschl. v. 11. März 2003- 7 B 240/03 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 14. Oktober 2010 - 10 L 765/10 -; jeweils zitiert nach juris; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, Kommentar, 11. Aufl. 2008, § 12 Rn. 8; Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Bd. II, § 51 Rn. 9, 211.
47Demnach ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme dann anzunehmen, wenn eine etwaige Baugenehmigung gegen das bauordnungsrechtlich verankerte Gebot der Rücksichtnahme nach § 51 Abs. 7 BauO NRW verstoßen würde.
48Nach dieser Bestimmung müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und Lärm oder Gerüche das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß hinaus stören. Die Frage, wann die Benutzung von Stellplätzen und Garagen die Umgebung unzumutbar stört, lässt sich nicht abstrakt und generell nach festen Merkmalen beurteilen. Vielmehr kommt es entscheidend auf die konkrete Situation an, in der sich die Belästigungen auswirken. Dementsprechend ist von Bedeutung, an welchem Standort die Stellplätze angeordnet werden sollen und in welcher Lage sich dieser Standort zu dem Grundstück, dem Wohnhaus und gegebenenfalls gegenüber den Wohnräumen der betreffenden Nachbarn befindet.
49Vgl. OVG NRW, Urt. v. 21. Oktober 2002 - 7 A 3185/01 -, Beschl. v. 11. März 2003 - 7 B 240/03 – und v. 30. August 2013 – 7 B 252/13; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 23. Dezember 2008 - 5 L 1404/08 -, jeweils zit. nach juris.
50Entscheidend ist weiter der Umstand, wie der Bereich, in dem die Stellplätze oder Garagen errichtet werden sollen bzw. in dem sie sich auswirken werden, zu qualifizieren ist. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass die durch die Nutzung von Stellplätzen oder Garagen verursachten Belästigungen nur selten zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Umgebung führen, wenn die Stellplätze oder Garagen wie üblich und in der Regel durch die Konzeption der Bebauung vorgegeben, nahe der Straße untergebracht werden. Andererseits werden Lärm- und Geruchsbelästigungen von Stellplätzen oder Garagen in rückwärtigen Grundstücksbereichen eher die Grenze des Zumutbaren überschreiten. Die Grenze ist umso niedriger anzusetzen, je empfindlicher und schutzwürdiger der Bereich, in dem die Stellplätze errichtet werden sollen, hinsichtlich der in § 51 Abs. 7 Satz 1 BauO NRW genannten Schutzgüter ist.
51Vgl. OVG NRW, Urt. v. 21. Oktober 2002 - 7 A 3185/01 -, Beschl. v. 11. März 2003 - 7 B 240/03 -, Urt. v. 24. Januar 2008 - 7 A 270/07 -, Urt. v. 4. September 2008 - 10 A 1678/07-, jeweils zit. nach juris.
52Bei der hiernach vorzunehmenden Bewertung ist in bauordnungsrechtlicher Hinsicht auch die gesetzgeberische Wertung in § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW zu berücksichtigten, wonach Garagen nebst deren erforderlichen Zuwegung sogar unmittelbar an der Nachbargrenze grundsätzlich hinzunehmen sind, und zwar gemäß § 12 Abs. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in allen Baugebieten. Dies bedeutet zugleich, dass auch die mit der Benutzung der Garage notwendigerweise verbundenen Geräusche (Öffnen und Schließen des Garagentores, Motorengeräusch des ein- und ausfahrenden PKW, Türenschlagen, Gespräche vor der Garage etc.) und die von dem PKW bei der Zu- und Abfahrt zur Garage verursachten Abgase nach der gesetzgeberischen Wertung auch und gerade an der Nachbargrenze grundsätzlich als zumutbar anzusehen sind.
53Vgl. OVG NRW, Urt. v. 10. Juni 2006 - 10 A 80/04 -, zit. nach juris.
54Darüber hinaus kommt es für die Frage der Zumutbarkeit von Stellplätzen und Garagen einschließlich ihrer Zufahrten maßgeblich darauf an, was die Betroffenen in dem Bereich, in dem sich die Stellplätze auswirken, bereits hinzunehmen oder zu erwarten haben. Ist die Umgebung des Baugrundstücks bereits durch bauliche Nutzungen für Stellplätze belastet, können Nachbarn nicht damit rechnen, bei einer Neubebauung von jeglicher Störung durch derartige Nutzungen befreit zu werden.
55Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. April 2008 – 7 B 449/08 - und vom 17. Januar 2011 – 7 B 1506/10 -, VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 14. Oktober 2010 – 10 L 765/10 -, jeweils zitiert nach juris.
56In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich der grenzständige Stellplatz, unter Berücksichtigung der örtlichen und baulichen Gegebenheiten, die sich die Kammer anhand der vorliegenden Pläne und Karten erschlossen hat und aufgrund des Eindrucks der Berichterstatterin von der Örtlichkeit, den sie der Kammer vermittelt hat, gegenüber den Klägern als zumutbar. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Stellplatz auf einer Länge von etwa zweieinhalb Metern in gleicher Höhe entlang der Terrasse und damit entlang der geschützten Ruhe- und Erholungszone verläuft, ist eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht festzustellen.
57Es handelt sich zunächst um einen straßennah angeordneten Stellplatz. Damit liegt von vornherein eine planerische Konzeption vor, wie sie vom Gesetzgeber vorgesehen ist, da die Zufahrt zu dem Stellplatz lediglich über ein kurzes Stück des vorderen Grundstückteils führt und damit von vornherein die von Stellplätzen typischerweise ausgehenden Immissionen nicht in den besonders geschützten rückwärtigen Grundstücksbereich eindringen. Bei dem Abschnitt des Stellplatzes, der an der Terrasse entlang führt, handelt es sich zudem um den Bereich, in der das Fahrzeug zum Stehen kommen wird, so dass Immissionen, die typischerweise auf der Zufahrt zu einem Stellplatz zu erwarten sind, wie Beschleunigungsvorgänge etc, in diesem Bereich ausgeschlossen sind. Allein die Geräuschbelästigungen, die von abgestellten Fahrzeugen ausgehen können, wie etwa Türenschlagen oder Gespräche vor dem Fahrzeug genügen hier nicht für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass es sich um einen Stellplatz handelt, der allein dem Mehrfamilienhaus zugeordnet wird. Dies lässt erfahrungsgemäß den Schluss zu, dass es – anders als beispielsweise bei Stellplätzen von gewerblich oder freiberuflich genutzten Gebäuden – lediglich zu wenigen Fahrzeugbewegungen im Verlaufe eines Tages kommen wird und die Stellplätze auch und gerade in den Nachtstunden zwischen 22 Uhr und 6 Uhr im Rahmen einer Wohnnutzung eher selten angefahren werden. Ständige An- und Abfahrten von dem Stellplatz sind nicht zu erwarten. Ein Sichtschutz entlang der Grenze kann zudem die ohnehin nur in äußerst geringem Maße zu erwartenden Störungen von der Terrasse der Kläger zusätzlich abschirmen. Dass der Stellplatz auf gleicher Höhe wie die Terrasse angehoben werden soll, führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegenteil, werden durch die Erhöhung zusätzliche Lärmimmissionen, die durch An- und Abfahrten auf einer Steigung entstehen können, ausgeschlossen. Letztlich ist auch zu berücksichtigen, dass bereits aufgrund der eigenen Garage der Kläger, der geschützte Bereich hinsichtlich stellplatztypischer Immissionen nicht unbelastet ist.
58Der Stellplatz auf dem Vorhabengrundstück weist auch in tatsächlicher Hinsicht keine atypischen Besonderheiten auf, wegen derer, weil die entsprechenden Belange noch nicht im Rahmen von § 51 Abs. 7 BauO NRW berücksichtigt wurden, das Vorhaben der Beigeladenen gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen könnte.
59Schließlich verletzt der dem Beigeladenen erteilte Vorbescheid auch keine sonstigen nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Rechts, soweit es aufgrund der Bauvoranfrage des Beigeladenen zu prüfen war.
60Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da er keinen Antrag gestellt und sich somit dem Prozessrisiko nicht ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
61Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Die Kläger wenden sich gegen eine zugunsten des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Traglufthalle über einem bestehenden Außenschwimmbecken in C. .
2Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks G 1 , das seit über 75 Jahren mit einem Wohnhaus bebaut ist. Das Grundstück der Kläger liegt aufgrund einer Hanglage etwas erhöht unmittelbar östlich des im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks, auf dem der Beigeladene seit dem Jahr 1950 ein Schwimmbad betreibt. Zwischen dem Vorhabengrundstück und dem Grundstück der Kläger verläuft die schmale Straße „B. “, über die das Grundstück der Kläger ausschließlich von Süden oder Norden kommend erschlossen wird. Die Entfernung zwischen dem Schlafzimmerfenster der Kläger und dem Beckenrand beträgt etwa 25 Meter. In der nordöstlichen Grundstücksecke der Beklagten befindet sich das Gebäude der Gaststätte „A. “. Um das Gelände des Schwimmbades sowie das Grundstück der Kläger ist ein dichter Baumbestand vorhanden. Im Osten schließt sich die Wohnbebauung der Q.---------straße sowie der U.------- Straße an. Im Südwesten befindet sich die Wohnsiedlung der D.------straße und im Nordwesten die Wohnsiedlung des H.----rings .
34
An dieser Stelle befindet sich in der Original-Entscheidung eine Skizze.
56
Mit Bauschein vom 1. Dezember 1947 genehmigte die Beklagte den Wiederaufbau des Gebäudes auf dem klägerischen Grundstück B. (damals: H1.----straße °°). In der Folgezeit wurden mehrfache Erweiterungen des Wohnhauses durch die Beklagte baurechtlich genehmigt. Durch Baugenehmigung vom 25. März 1993 wurde das Wohnhaus schließlich aufgrund eines umfangreichen Ausbaus zu einem Zweifamilienhaus. Die Kläger sind seit dem 25. April 2000 als Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Zuletzt genehmigte die Beklagte durch Baugenehmigung vom 25. Juni 2002 die Erweiterung des Wintergartens.
7Bei dem Beigeladenen handelt es sich um einen im Jahr 0000 gegründeten Schwimmverein, der hinsichtlich des Grundstücks B. X.-----grund °° erbbauberechtigt ist. Mit über 5000 Mitgliedern zählt er zu den größten Schwimmvereinen Deutschlands. Der Verein konnte vor allem in der Sportart Wasserball größere Erfolge erzielen, nachdem die ...........mannschaft seit dem Jahr 0000 insgesamt zwölf Meisterschaftstitel in Folge sowie neun Pokaltitel errungen hatte. Seit dem Jahr 1950 unterhält der Beigeladene auf dem Vorhabengrundstück ein vereinseigenes Schwimmbad. Nach § 9 der Vereinssatzung des Beigeladenen sind nur Vereinsmitglieder zum Schwimmbad zugangsberechtigt. Mit Baugenehmigung vom 18. Juni 1949 wurde erstmals die Errichtung einer Schwimmbadanlage auf dem Vorhabengrundstück genehmigt. Im September desselben Jahres wurde zudem die Errichtung einer Gaststätte, der Vereinszimmer und der Umkleideräume genehmigt. Anfang des Jahres 1970 wurde anlässlich der anstehenden Olympischen Spiele 1972 in München der Ausbau der Anlage zu einem Schwimmleistungszentrum diskutiert, welcher jedoch mangels hinreichender Finanzierungsmöglichkeiten zunächst nicht zustande kam. Unter dem 22. Juni 1970 beantragte der Beigeladene erstmals die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Traglufthalle über dem Schwimmbecken. Nachdem die Beklagte die Erteilung einer befristeten Genehmigung als „Fliegender Bau“ für zwei Wintersaisons in Aussicht gestellt hatte, zog der Beigeladene ebenfalls wegen Finanzierungsschwierigkeiten den Bauantrag im April 1971 zurück. Mit Baugenehmigung vom 28. September 1978 genehmigte die Beklagte unter anderem die Errichtung eines neuen Außenschwimmbeckens mit den Maßen 50 m x 25 m. Auflage Nr. 5 der Baugenehmigung sah vor, dass vor den Wohnhäusern u.a. in der Straße B. X.-----grund tagsüber Immissionsrichtwerte von 50 dB(A) und nachts von 35 dB(A) nicht überschritten werden. Zudem enthält die Auflage den Zusatz, dass Tongeräte in der Anlage praktisch nicht benutzt werden könnten, da die bezogen auf ein Reines Wohngebiet anzuwendenden Immissionsrichtwerte sehr niedrig angesetzt seien.
8Seit dem Jahr 1961 ist die Straße „B. X.-----grund “ in dem Bereich zwischen der X1.-----straße und dem Schwimmbad für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Zusätzlich wurde eine Schrankenanlage errichtet. Eine Ausnahmegenehmigung besteht zugunsten der Anwohner der Straße sowie der Lieferanten der Gaststätte.
9Das Grundstück, auf dem der Beigeladene das Schwimmbad betreibt, liegt im Landschaftsschutzgebiet Nr. 10 des am 13. Mai 1995 in Kraft getretenen Landschaftsplanes C. - X2. . Im Regionalen Flächennutzungsplan ist das Grundstück als „Grünfläche“ ausgewiesen, wobei das Freibad mit der Bezeichnung „Bad“ dargestellt wird.
10Aus einer Mitteilung der Verwaltung vom 27. April 2007 geht hervor, dass der Beigeladene erneut beabsichtigte, das vereinseigene Bad mit einer mobilen Überdachung auszustatten. Ziel der Maßnahme sei es, eine Nutzung auch außerhalb der Sommermonate zu ermöglichen. Die Finanzierung der Maßnahme sei über die Inanspruchnahme von Fördermitteln des Landes und des Bundes und ohne Einbeziehung städtischer Mittel beabsichtigt.
11Bereits im Juni 2007 wandten sich die Kläger an die Beklagte, nachdem sie über die Tagespresse von der Errichtung einer Traglufthalle erfahren hatten und meldeten Bedenken hinsichtlich des zusätzlichen Lärms an. Bereits der Trainings- und Wettkampfbetrieb in den Sommermonaten belästige sie erheblich, so dass eine Ausdehnung auf das ganze Jahr unzumutbar sei. Zusätzlich gingen bei der Beklagten Beschwerden mehrerer Anwohner aus der D.------straße und der Q.---------straße ein.
12Mit Bauantrag vom 18. Juli 2007 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Traglufthalle über dem Außenschwimmbecken ab dem 1. Oktober bis zum 30. April eines jeden Jahres.
13Das Genehmigungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
14Einer ersten Stellungnahme der Bauaufsicht aus August 2007 zufolge sei das Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich zulässig. Insbesondere stelle der Eingriff in die natürliche Eigenart der Landschaft durch die Traglufthalle keine schwerwiegende Beeinträchtigung dar. Grünflächen würden durch das Vorhaben nur minimal in Anspruch genommen.
15Im Januar 2008 teilte der Beigeladene der Beklagten mit, dass in der Traglufthalle keine Meisterschaftsspiele, Schwimmwettkämpfe oder sonstige Wettkämpfe geplant seien. Bei aufgebauter Traglufthalle bestehe kein Platz für Zuschauer.
16Aus einer Stellungnahme des Rechtsamtes der Beklagten vom 2. April 2008 geht hervor, dass die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nicht angenommen werden könne. Da dem Vorhaben die Darstellungen des Flächennutzungsplanes sowie der Landschaftsplanung entgegenstünden, sei eine Befreiung zu beantragen. Zudem sei für die beabsichtigten Technikräume sowie den Lagerraum eine Verpflichtung des Bauherrn zur Kompensation nach den landschaftsrechtlichen Vorschriften notwendig, da deren Errichtung einen Eingriff in die Landschaft und Natur darstelle. Durch das Vorhaben werde ein Planungserfordernis ausgelöst, da das „Miteinander“ von Schwimmbad und Wohnnutzung auf engstem Raum und die daraus erwachsenden Konflikte im Rahmen einer Bauleitplanung gesteuert werden müssten. Schließlich stehe dem Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme entgegen, da das staatliche Umweltamt im Jahr 2006 erhebliche Überschreitungen der Richtwerte festgestellt habe.
17Der Beigeladene legte auf Aufforderung der Beklagten ein Schallgutachten des Büros I. vom 3. Dezember 2008 vor. Die Berechnung legt für das Grundstück der Kläger die nach der 18. BImSchV zulässigen Richtwerte eines Allgemeinen Wohngebiets zugrunde. Als Lärmquellen wurden die Gaststätte, der Freisitz der Gaststätte, die Anlieferung für die Gaststätte, die haustechnischen Anlagen der Gaststätte, die geplante Traglufthalle (bei Dauerbetrieb eines Druckluftgebläses; Ermittlung der Schallleistung unter Heranziehung des Prüfzeugnisses des Anlagenherstellers; Abzug von 10 dB(A) wegen schalldämmender Maßnahmen), die Pkw-Stellplätze, sowie die Schwimmanlage und Freiflächen (unter Heranziehung der Messergebnisse aus dem Jahr 2001) berücksichtigt. Die vorhandene Heizungsanlage habe nicht berücksichtigt werden können, da sie im Messzeitpunkt abgeschaltet gewesen sei. Die Lärmprognose kommt zu dem Ergebnis, dass auf dem Grundstück der Kläger die Immissionsrichtwerte eines Allgemeinen Wohngebiets, einschließlich der Immissionsspitzenwerte, unterschritten werden.
18In der Folge wurde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vor allem die Problematik der Stellplätze sowie ein erforderliches Brandschutzkonzept diskutiert.
19Unter dem 19. Dezember 2011 wurde zugunsten des Beigeladenen hinsichtlich der Traglufthalle eine Befreiung von § 67 BNatSchG erteilt.
20Die Beklagte trat ab dem 18. Juli 2012 aufgrund eines Bauherrenwechsels anstelle des Beigeladenen in das Genehmigungsverfahren ein.
21Unter dem 20. Juli 2012 wurde der Beigeladene aufgefordert, zu bestätigen, dass die Lärmminderungsmaßnahmen gemäß des Gutachtens des Büros I. vom 3. Dezember 2008 durchgeführt werden, woraufhin der Beigeladene einen Plan zur Einhausung des Gebläses einreichte.
22Mit Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 genehmigte die Beklagte die Errichtung einer Traglufthalle über dem vorhandenen Außenschwimmbecken ab dem 1. Oktober bis zum 30. April eines jeden Jahres für den Winterbetrieb gemäß DIN 4112 und DIN 4134 sowie die Errichtung von zwei Technikräumen und einem Lagerraum. In den Auflagen Nr. 1 bis 3 der Baugenehmigung heißt es:
23„1. Das von der Genehmigung erfasste Vorhaben ist schalltechnisch so zu errichten und zu betreiben, dass die von dieser Anlage einschließlich aller Nebeneinrichtungen verursachten Geräuschimmissionen folgende Werte (...) nicht überschreiten:
24B. X.-----grund °° und °°
25tagsüber 55 dB(A)in den Ruhezeiten 50 dB(A)nachts 40 dB(A)
26(...).
272. Zur Sicherstellung der unter Nr. 1 aufgeführten Immissionswerte sind mindestens die Schallschutzmaßnahmen erforderlich, die in den gutachterlichen Stellungnahmen des Büros I. vom 20.11.2011 (Nr. 212-01L, Seite 13) und vom 3.12.2008 (Nr. 138-08L, Ziffern 4 und 5) beschrieben werden.
283. Nach Errichtung und Inbetriebnahme der Traglufthalle ist die Einhaltung der o.g. Richtwerte durch Messung eines Sachverständigen für Akustik und Lärmschutz nachzuweisen. (...)“
29Laut der Betriebsbeschreibung, die als Anlage b) Bestandteil der Baugenehmigung geworden ist, lauten die Betriebszeiten an Werktagen von 6.15 Uhr bis 21.45 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Zudem ist das Gebläse der Traglufthalle 24 Stunden am Tag in Betrieb. Der Gebläseaufstellort liegt an der westlichen Grundstücksgrenze und in einer Luftlinie von ca. 68 Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt. Als Maßnahmen zur Vermeidung schädlicher Geräusche sind die Einhausung sowie Dämmung der Gebläseanlage vorgesehen.
30Nach Anlage c) der Baugenehmigung beschränkt sich der Nutzerkreis des Schwimmbades in dem Zeitraum zwischen dem 1. Oktober bis 30. April jeden Jahres grundsätzlich auf Vereinsmitglieder. In Vorbereitung auf wichtige Turniere könne es in Ausnahmefällen zu Testspielen in der Traglufthalle kommen. Diese fänden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
31Nach Anlage d) der Baugenehmigung sind zusätzliche schalldämmende Maßnahmen zur Minderung der Emissionen um 10 dB(A) am Gebläse durchzuführen. Die Innenseite der Konstruktion in Richtung Gebläse ist schallschluckend auszubilden. Die östliche Wandfläche muss die Abmessungen des Gebläses um min. 2 m überragen.
32In der gutachterlichen Stellungnahme des Büros I. vom 20. November 2001, auf die in Auflage Nr. 2 Bezug genommen wird, heißt es:
33„Um die genannten Schallleistungspegel einzuhalten, sind die Lautsprecheranlagen dezentral zu verteilen und von den Immissionsorten weg zu richten. Ball-Prallflächen, wie Torstangen, Brüstungen etc. sind elastisch, z.B. mit Schaumstoff zu verkleiden.
34Spiele mit nennenswerter Zuschauerbeteiligung sind außerhalb der Ruhezeiten zu terminieren.
35Das Betreiben von zusätzlichen Lärmerzeugern, wie Fanfaren, Pauken, etc. ist nicht zulässig.“
36Ferner heißt es in der Stellungnahme vom 3. Dezember 2008, auf die ebenfalls in Auflage Nr. 2 Bezug genommen wird:
37„Als weitere Lärmminderungsmaßnahme ist [...] die Errichtung einer Einhausung für die beiden Gebläse erforderlich. Die Einhausung muss dreiseitig geschlossen sein und ein Dach erhalten. Die Konstruktion ist hierbei auf der Innenseite (in Richtung der Gebläse) schallschluckend auszubilden.[...]“
38Gegen die Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 haben die Kläger am 12. September 2012 Klage erhoben.
39Sie sind der Ansicht, die Baugenehmigung habe nicht erteilt werden dürfen, da das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche. Nach dem Inkrafttreten des Regionalen Flächennutzungsplans Ruhr im Jahre 2010 habe nicht die Bauaufsichtsbehörde, sondern der Rat der Beklagten die Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Belangen treffen müssen. Ein Privilegierungstatbestand werde nicht erfüllt. Damit genieße allenfalls das Schwimmbad Bestandsschutz, der jedoch eine erhebliche Erweiterung nicht erlaube. Die Errichtung der Traglufthalle stelle jedoch sowohl in baulicher Hinsicht, als auch im Hinblick auf die mehr als verdoppelte Nutzungszeit eine erhebliche Änderung dar.
40Die Auflage Nr. 1 der Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 verstoße gegen § 2 Abs. 2 der Sportanlagenlärmschutzverordnung, da sie in rechtswidriger Weise die Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete zu Grunde lege. Nach dieser Vorschrift seien unbeplante Gebiete entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit zu beurteilen. Zutreffend sei es, die Richtwerte eines Reinen Wohngebietes zugrundezulegen. Die im Jahre 1978 bzgl. des Freibades verhängte Auflage sehe Immissionsrichtwerte von tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) vor, da die Beklagte davon ausgegangen sei, den Schutz eines Reinen Wohngebietes zu gewährleisten. Es erschließe sich nicht, warum die Beklagte meine, den unmittelbaren Nachbarn nunmehr stärkere Belastungen zumuten zu können. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Wohnbebauung, die vom Freibad weiter entfernt und deshalb ohnehin geringeren Lärmimmissionen ausgesetzt sei – namentlich die Wohnbebauung auf dem H2.----ring , der D.------straße und der U. Straße - , schutzwürdiger erscheine als die direkt an das Vorhabengrundstück grenzenden Wohngrundstücke. Die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit sei offensichtlich willkürlich erfolgt. Dass nunmehr die Immissionsrichtwerte eines allgemeinen Wohngebietes zugrundegelegt würden, führe außerdem dazu, dass für den Sommer- und für den Winterbetrieb unterschiedliche Schallschutzvorgaben gelten würden. Dies sei unzulässig, da der Gebietscharakter und damit das Schutzbedürfnis der Nachbarn nicht von der Jahreszeit abhängen könnten.
41Die Baugenehmigung sei zu unbestimmt, da die Anlage c) zur Baugenehmigung widersprüchlich sei. Danach sei die Traglufthalle grundsätzlich nur Vereinsmitgliedern zugänglich. Gleichzeitig solle aber vor wichtigen Turnieren eine unbestimmte Anzahl von Testspielen gegen fremde Mannschaften erfolgen. Zudem werde die Traglufthalle auch zum Schwimmen für Schulen angeboten. Anders als die Beklagte meine, verbiete die Baugenehmigung auch nicht die Gegenwart von Zuschauern in der Traglufthalle.
42Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben verletzt. Vor allem das Gebläse, welches während der gesamten Dauer der Nutzung der Traglufthalle von sieben Monaten im Jahr in Betrieb sein werde, werde aufgrund seines Standorts von den Klägern ständig als Geräuschquelle wahrgenommen. Die Baugenehmigung lasse zu, dass die Nutzung des bisherigen Freibades das ganze Jahr über möglich sei. Seitens des Beigeladenen sei zudem die Errichtung eines „Leistungszentrums Wasserball/Frauen“ vorgesehen. Damit sei ein intensiver Trainingsbetrieb verbunden, der unter Wettkampfbedingungen stattfinden müsse und naturgemäß nicht leise sein könne. Dadurch verdopple sich nicht nur der Nutzungszeitraum, sondern die Intensität der Nutzung nehme ebenfalls zu. Dies betreffe auch den zusätzlichen Zu- und Abgangsverkehr und eine zu erwartende erweiterte Gaststättennutzung. Die von der Gaststätte ausgehenden Immissionen seien ebenfalls dem Schwimmbad zuzuordnen. Die Küchenabfälle der Gaststätte würden regelmäßig nachts zwischen 4.00 Uhr und 6.00 Uhr durch ein Spezialfahrzeug abgeholt, wodurch die Kläger und ihre Kinder aufgeweckt werden würden. Mit der Realisierung des Vorhabens seien sie einer Belästigung ausgesetzt, die eine erhebliche Beeinträchtigung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens zur Folge habe. Bis 22.00 Uhr sei mit unmittelbarem Sportlärm und unnatürlicher Beleuchtung zu rechnen. Anschließend finde Abreiseverkehr statt, der seitens der Beklagten nicht zu kontrollieren sei. Hinzu komme die erdrückende Wirkung aufgrund der beachtlichen Größe der Traglufthalle.
43Die gutachterliche Stellungnahme des Büros I. vom 3. Dezember 2008 berücksichtige weder den eigentlichen Sportlärm noch den Abreiseverkehr und die stärker frequentierte Gaststättennutzung. Zudem blieben die Immissionen, die von der Heizungsanlage und der Abluftanlage zur Entlüftung des Duschbereichs ausgingen, unberücksichtigt. Diese befände sich direkt vor dem Schlafzimmerfenster der Kläger. Unberücksichtigt geblieben sei bislang auch die mit der Errichtung der Traglufthalle einhergehende zusätzliche Lärmbelastung. Die Prognose maximal zweier jährlicher Überschreitungen der Richtwerte sei unrealistisch.
44Ein im Juli 2014 im Auftrag der Kläger angefertigtes Privatgutachten der B1. GmBH komme zu dem Ergebnis, dass an zwei verschiedenen Tagen zu den Ruhezeiten ein mittlerer Beschallungspegel von 65,7 dB(A) bzw. von 64,1 dB(A) festgestellt worden sei. Während der Messung sei die Traglufthalle abgebaut gewesen, so dass zur Wintersaison noch darüber liegende Beschallungspegel zu erwarten seien, da die Traglufthalle wie ein Resonanzkörper wirke.
45Da der Kläger sich bei Erwerb des Grundstücks bei der Beklagten erkundigt habe, ob mit einer Ausweitung des Schwimmbetriebs zu rechnen und dies mit Verweis auf die Außenbereichslage glaubhaft verneint worden sei, verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn die Beklagte nunmehr Nutzungen zulasse, welche massiv in die Wohnsituation des langjährig vorhandenen Wohnhauses eingreifen würden.
46Schließlich werde durch die angefochtene Baugenehmigung auch Art. 14 GG verletzt, da es zumindest rechtsmissbräuchlich sei, wenn sich die Beklagte darauf berufe, dass die Baugenehmigung lediglich objektiv rechtswidrig sei und den Klägern daher kein Rechtsschutz zustehe. Insoweit sei die Beklagte nicht schutzwürdig. Es sei bedenklich, wenn die Kläger durch eine bewusst getroffene rechtswidrige Entscheidung der Beklagten zumindest mittelbar erheblich in der Nutzung ihres Grundeigentums gestört würden, ihnen jedoch diesbezüglich Rechtsschutz versagt werde.
47Die Kläger stellen keinen Antrag.
48Die Beklagte beantragt – schriftsätzlich -,
49die Klage abzuweisen.
50Sie ist der Ansicht, da das Vorhaben im Außenbereich liege und dieser für einfache Wohnnutzung nicht vorgesehen sei, könnten die Eigentümer von Wohngrundstücken am Rande des Außenbereichs oder im Außenbereich nicht damit rechnen, dass in ihrer Nachbarschaft keine emittierenden Nutzungen oder nur Wohnbebauung zugelassen werde; sie dürften nur darauf vertrauen, dass keine mit der Wohnnutzung unverträgliche Nutzung entstehe. Nach der Rechtsprechung seien einer Wohnnutzung, die sich in einer Außenbereichslage etabliert habe, Immissionsrichtwerte zugeordnet, die dem zulässigen Maß einer Lärmbelastung in einem Misch- oder Dorfgebiet entsprächen. Daher seien den Klägern sogar höhere Immissionsrichtwerte zuzumuten.
51Auch aus der gerügten differenzierten Betrachtung der genannten Wohnnutzung könnte keine Rechtsverletzung der Kläger erkannt werden. Zudem unterscheide sich die Wohnnutzung entlang der D.------straße planungsrechtlich signifikant von derjenigen der Kläger. Demnach sei die Wohnbebauung an der D.------straße Teil eines einheitlichen Bebauungszusammenhangs, der kraft seines Gewichts durchaus einer eigenen städtebaulichen Betrachtungen in Abgrenzung zur Freifläche des unmittelbar angrenzenden Parks zugänglich sei. Die Wohnnutzung liege eben nicht - wie die Wohnnutzung der Kläger und des angefochtenen Bauvorhabens - im Park sondern grenze lediglich an diesen an, sei aber im Übrigen homogen entstanden und bilde einen eigenen Siedlungsschwerpunkt.
52Das Gutachten des Büros I. vom 3. Dezember 2008 komme ferner zu dem Ergebnis, dass die tatsächliche dauerhafte Geräuschbelastung deutlich unterhalb der Richtwerte für allgemeine Wohngebiete liege. Das Gutachten enthalte auch alle relevanten Lärmquellen, z.B. Schiedsrichtersignale, Zuschauerreaktionen etc. Zudem sei der Einsatz sog. Schallpegelbegrenzer der Lautsprecher und deren Zeitprogrammierung für eine Pegelabsenkung während der besonders störungsanfälligen Ruhezeiten vorgesehen. Die Beklagte halte demnach ihre gegen die ursprüngliche lärmtechnische Begutachtung erhobenen Bedenken nicht mehr aufrecht. Auch die Zweifel, ob beschränkende Maßnahmen zulasten der Zuschauer einer bauaufsichtlichen Kontrolle zugänglich seien, würden nicht mehr aufrecht erhalten, da nach der Sportanlagenlärmschutzverordnung derartige Auflagen im Rahmen des Betriebs von Sportanlagen gerade typischerweise vorgesehen sein, um etwaige immissionsschutzrechtliche Konflikte zu regulieren.
53Die Kläger könnten sich nicht auf einen Verstoß gegen den regionalen Flächen-nutzungsplan berufen, da der Nachbar nach der Rechtsprechung keinen allgemeinen Schutzanspruch auf Nichtausführung objektiv nicht genehmigungsfähiger Vorhaben im Außenbereich geltend machen könne. Tatsächlich sei ein Widerspruch zu den Darstellungen im regionalen Flächennutzungsplan auch nicht gegeben. Den Darstellungen des Flächennutzungsplans könne unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklungen in der Örtlichkeit kein entscheidendes Gewicht mehr beigemessen werden. Die Kläger könnten sich auch nicht auf die vermeintlich unwirksame Befreiung von den Verboten des Landschaftsplanes berufen, da diese allein im öffentlichen Interesse stünden. Ungeachtet dessen widersprächen die Darstellungen des Landschaftsplanes dem Bauvorhaben nicht. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Darstellungen des Landschaftsplanes dem Bauvorhaben in seiner Gesamtheit (Traglufthalle, Technik- und Lagerraum) widersprächen, spreche einiges dafür, für die konkrete Örtlichkeit von einer Funktionslosigkeit der landschaftsplanerischen Darstellungen auszugehen. Für den Bereich des eigentlichen Schwimmbades könne nicht von einer Umsetzung der landschaftsschutzrechtlichen Vorgaben gesprochen werden. Angesichts der Bedeutung des Schwimmvereins „C. “ und insbesondere unter Berücksichtigung des Ausbauzustandes des Schwimmbades sei nicht davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit ein Rückbau der Anlage in Aussicht stehe. Eine irgend geartete „Renaturierung“ der Örtlichkeit sei nicht zu erwarten.
54Der Beigeladene hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Er hat keinen Antrag gestellt.
55Die Beklagte hat im Laufe des Verfahrens einen weiteren Mess- und Prüfbericht über Geräuschmessungen des Ingenieur-Büros für Akustik und Lärm-Immissionsschutz des Dipl.-Ing. E. vom 31. Januar 2014 vorgelegt. Die Messung erfolgte dabei straßenseitig direkt neben dem Wohnhaus der Kläger an zwei Terminen bei aufgebauter Traglufthalle spätabends, bei denen jeweils ein Wasserballtraining mit 15 Teilnehmerinnen sowie ein spezielles „Torwurftraining“ stattfand. Aus dem Gutachten geht hervor, das durch den Trainingsbetrieb einschließlich des südöstlichen Heizungs-/Lüftungsrohrs sowie dem südlichen „Stützluftgebläse“ sich an dem Messpunkt ein Gesamt-Beurteilungspegel von 46 dB(A), sowie während des Torwurftrainings kurzzeitig ein Spitzenschallpegel von 63 dB(A) ergebe.
56Hinsichtlich dieser Untersuchung vertreten die Kläger die Ansicht, es sei davon auszugehen, dass die Sportler Kenntnis von den vorgenommenen Messzeiträumen gehabt hätten und damit in dieser Zeit bewusst zurückhaltend trainiert hätten. Außerdem seien weder der dem Schwimmbad zuzurechnende Pkw-Verkehr noch die vor dem Schlafzimmer der Kläger befindliche Abluftanlage berücksichtigt worden. Darüber hinaus sei nicht an dem relevanten Punkt innerhalb der Wohnung der Kläger, sondern an einem Ersatzmesspunkt gemessen worden. Schließlich sei die Schallimmissionsmessung beim Betrieb der Traglufthalle in Anwesenheit von Zuschauern erforderlich gewesen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei nicht das isolierte Aufstellen einer Traglufthalle Streitgegenstand, sondern ausweislich der Baugenehmigung der ganztägige Betrieb eines Schwimmbades mit einer Traglufthalle in den Monaten Oktober bis April. Daher seien alle in Ziffer 1.1 des Anhangs der 18. BImSchV genannten Emissionsquellen zu berücksichtigen. Das Gutachten sei schließlich auch deshalb nicht plausibel, da der Mittelungspegel lediglich auf der Grundlage von zwei Messungen berechnet worden sei. Selbst wenn das Gutachten als richtig unterstellt werde, sei das Vorhaben rücksichtslos, da das Gebot der Rücksichtnahme weiter greife als die schalltechnischen Regelwerke. Die Grenzwerte könnten nicht starr und schematisch angewandt werden, vielmehr seien die besonderen tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls zu berücksichtigen.
57Dagegen wendet die Beklagte ein, ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergebe sich zu Gunsten der Kläger erst, wenn das angefochtene Bauvorhaben die Immissionsrichtwerte nach Maßgabe der Sportanlagenlärmschutzverordnung zum Nachteil der Kläger wesentlich überschreite. Das Bauvorhaben halte dem entgegen aber bereits die noch darunter liegenden und durch die angefochtene Baugenehmigung vorgegebenen Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet ein. Die schalltechnische Bewertung vom 31. Januar 2014 weise schlüssig und plausibel nach, dass das Bauvorhaben die festgelegten Immissionsrichtwerte einhalte. Soweit die Kläger rügen, die Stellungnahme sei deshalb nicht brauchbar, da sie lediglich Geräusche erfasse, die von den Sporttreibenden während des Trainingsbetriebs ausgingen, sei dieser Einwand nicht sachgerecht. Streitgegenstand sei allein die Errichtung und Nutzung der Traglufthalle. Diese beinhalte gerade nicht deren Benutzung durch Zuschauer. Soweit die Kläger ferner rügen, der Erschließungsverkehr werde nicht berücksichtigt, sei dem entgegenzuhalten, dass selbst wenn dieser zu berücksichtigen wäre, er sich nicht zum Nachteil der Kläger auswirke, da der Großteil des An- und Abfahrtsverkehrs nicht über die Straße „B. X.-----grund “ erfolge. Sollte dennoch ein Teil des Zu- und Abfahrtsverkehrs über die Straße „B. X.-----grund “ erfolgen, handele es sich hierbei um eine bestimmungswidrige Nutzung, die der Beklagten nicht zuzurechnen sei. Hinsichtlich des in dem Gutachten nicht einbezogenen Lärms durch die Duschentlüftung, gehe aus der Stellungnahme der F. vom 6. November 2014 hervor, dass die Anlage ab 21.00 Uhr ausgeschaltet sei.
58Mit der ersten Nachtragsbaugenehmigung vom 26. März 2014 genehmigte die Beklagte nachträglich die geänderte Bauausführung u.a. hinsichtlich der Lageänderung der Einhausung des Gebläses. Diese befindet sich nunmehr etwa 5 Meter weiter südlich als ursprünglich genehmigt.
59Mit der zweiten Nachtragsbaugenehmigung vom 5. Juni 2014 genehmigte die Beklagte die Änderung der Betriebsbeschreibung insofern, als dass die temporäre Nutzung durch Schulklassen ermöglicht wird. Gemäß Anlage a) der zweiten Nachtragsbaugenehmigung ist u.a. die Gruppengröße auf max. 25 Personen begrenzt. Der Unterricht findet zu den üblichen Schulunterrichtszeiten, werktags und nur außerhalb der Ferien, in der Zeit zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr für jeweils max. 60 Minuten statt. Es findet reiner Schwimmunterricht ohne den Einsatz von Bällen, Musik oder Lautsprechern statt.
60Die Kläger haben im Laufe des Verfahrens ein weiteres Lärmschutzgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. K. vom 16. September 2014 vorgelegt. Aus diesem geht hervor, dass bei Betrieb des Freibades ohne die errichtete Traglufthalle durchschnittliche Schallimmissionen von rund 60 dB(A) mit Spitzenwerten von bis zu 91 dB(A) festgestellt wurden.
61Hinsichtlich dieser schalltechnischen Untersuchung von September 2014 ist die Beklagte der Ansicht, sie könne bereits deshalb keinen Anspruch auf Verbindlichkeit haben, weil sie eine andere bauliche Anlage in Betrieb untersucht habe, nämlich das Außenschwimmbecken ohne die errichtete Traglufthalle.
62Mit der „3. Änderung der Baugenehmigung von 30.07.2012: Änderung der Betriebsbeschreibung“ vom 13. November 2014, gegen die sich die Kläger in dem Verfahren 5 K 5405/14 zur Wehr setzen, änderte die Beklagte unter anderem die Auflage Nr. 1 der ursprünglichen Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 dahingehend, dass nunmehr die von der Anlage verursachten Geräuschimmissionen auf dem Grundstück der Kläger tagsüber 60 dB(A), in den Ruhezeiten 55 dB(A) und nachts 45 dB(A) nicht überschreiten dürfen. A. Bestandteil der Genehmigung vom 13. November 2014 werden zwei Anlagen gemacht. Die Betriebsbeschreibung nach Anlage a) weicht insofern von der ursprünglichen Betriebsbeschreibung vom 18. Juli 2007 ab, als dass sie keine Angaben mehr unter Punkt 7.2 hinsichtlich der Geräusche durch das Gebläse, sowie der Lage der Geräuschquellen und Maßnahmen zur Vermeidung schädlicher Geräusche mehr enthält. Nach Anlage b), einem Schreiben des Beigeladenen vom 5. November 2014, dürfen in der Traglufthalle keine Testspiele stattfinden. Zudem haben nur aktive Badegäste, Athleten und deren Trainer und Betreuer sowie Badmitarbeiter und Aufsichtspersonen Zutritt zur Traglufthalle, soweit die zulässige Gesamtbesucherzahl von 100 Personen nicht überschritten wird. Anderen Besuchern ist der Zutritt zur Halle untersagt. Der zulässige Benutzerkreis wird durch die temporäre Nutzung durch Schulklassen erweitert, wobei die Gruppengröße auf 25 Personen begrenzt ist. Schließlich sind in der Halle Pfeifen, Vuvuzelas, Trommeln und vergleichbare übermäßig lärmerzeugende Instrumente untersagt.
63Das Gericht hat am 12. Juni 2013 einen Ortstermin durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Ortsterminprotokoll und das angefertigte Lichtbildmaterial Bezug genommen.
64In der mündlichen Verhandlung vom 30. Juli 2015 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
65Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
66Entscheidungsgründe:
67Über die Klage entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten die zuständige Berichterstatterin, vgl. § 87 a Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung, vgl. § 101 Abs. 2 VwGO.
68Die Klage ist bereits unzulässig.
69Dass die Kläger keinen Klageantrag gestellt und auch schriftsätzlich einen solchen nicht angekündigt haben, führt nicht bereits zur Unzulässigkeit der Klage. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO soll die Klage einen bestimmten Antrag enthalten. Der Wortlaut der Vorschrift zeigt bereits, dass ein Antrag nicht notwendiger Inhalt der Klage ist.
70Vgl. Sodann / Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 82 Rn. 5.
71Stellt der Kläger keinen Sachantrag, hat das Gericht das Klagebegehren sachgerecht anhand seiner schriftsätzlichen Äußerungen auszulegen. Insofern bestimmt § 88 VwGO, dass das Gericht zwar über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, an die Fassung der Anträge aber nicht gebunden ist. Vorliegend geht aus den Schriftsätzen der Kläger eindeutig hervor, dass diese sich gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 hinsichtlich der Errichtung einer Traglufthalle über dem bestehenden Außenschwimmbecken auf dem Grundstück B. X.-----grund °° in C. zur Wehr setzen und die Verletzung eigener Rechte geltend machen.
72Die so verstandene auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 gerichtete Klage hat jedoch bereits deshalb keinen Erfolg, da diese nach Erteilung der Baugenehmigung vom 13. November 2014 keine eigenständige Regelungswirkung mehr entfaltet, so dass sich das Verfahren erledigt hat.
73Insofern geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Baugenehmigung vom 13. November 2014 um ein so genanntes Aliud handelt, das allein maßgeblich für die Errichtung der hier in Frage stehenden Traglufthalle ist, seinerseits jedoch alle vorausgehenden Baugenehmigungen einschließt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die Baugenehmigungen vom 30. Juli 2012, vom 26. März 2014 und vom 5. Juni 2014 keine eigenständige Regelungswirkung mehr entfalten und von dem Beigeladenen auch nicht mehr jeweils isoliert betrachtet ausgenutzt werden können. Dass der Beigeladene in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich erklärt hat, die Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 nicht mehr ausnutzen zu wollen, führt demnach nicht bereits für sich genommen zur Zulässigkeit der Klage.
74Dass die Baugenehmigung vom 13. November 2014 als „3. Änderung der Baugenehmigung vom 30.07.2012“ bezeichnet wurde und damit dem Wortlaut nach nahe zu legen scheint, dass es sich lediglich um einen Annex zur Ursprungsgenehmigung handeln solle, steht dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen, da das Gericht insofern nicht an die wörtliche Bezeichnung der Genehmigung gebunden ist, sondern vielmehr unter Berücksichtigung der Genehmigungsentscheidung als solchen den Rechtscharakter des Verwaltungsakts zu überprüfen hat. Im Einzelnen:
75Die Frage, wie weit die Wirkung einer Baugenehmigung reicht und in welchem Fall ein „aliud“ gegenüber der beantragten Anlage vorliegt, lässt sich kaum allgemein oder „abstrakt“ beantworten.
76Vgl. Boeddinghaus, BauO, § 75 Rn. 46 mit Verweis auf Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 27. Januar 1997 – 4 B 2/97 -.
77Demnach ist ein Aliud dann anzunehmen, wenn sich das neue Vorhaben in Bezug auf baurechtlich relevante Kriterien von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben unterscheidet. Dies gilt unabhängig davon, ob die baurechtliche Zulässigkeit des abgewandelten Bauobjekts als solche im Ergebnis anders zu beurteilen ist. Ein baurechtlich relevanter Unterschied zwischen dem ursprünglich genehmigten und dem abgewandelten Bauvorhaben ist immer dann anzunehmen, wenn sich für das abgewandelte Bauvorhaben die Frage der Genehmigungsfähigkeit wegen geänderter tatsächlicher oder rechtlicher Voraussetzungen neu stellt, das heißt diese geänderten Voraussetzungen eine erneute Überprüfung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfordern. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Baugenehmigung, die sicherstellen soll, dass nur solche Bauvorhaben zur Ausführung gelangen, deren Vereinbarkeit mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW) von der Bauaufsichtsbehörde festgestellt worden ist.
78Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteile vom 21. Februar 2007 – 10 A 27/07 -, vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 - und vom 7. November 1996 -7 A 4820/95 -, jeweils zitiert nach juris.
79Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des OVG NRW eine bereits erteilte Baugenehmigung nur dann durch eine Nachtragsbaugenehmigung ergänzt oder geändert werden, soweit dadurch das Vorhaben nicht in seinem Wesen verändert wird. Die Nachtragsbaugenehmigung ist zwar ein Verwaltungsakt, der eine eigene Regelung mit Außenwirkung beinhaltet, sie modifiziert aber nur die ursprünglich erteilte Baugenehmigung und rechtfertigt – für sich genommen – die Verwirklichung des Vorhabens nicht. Sie betrifft kleinere Änderungen, darf aber inhaltlich nicht ein von dem Genehmigungsgegenstand wesensverschiedenes Vorhaben - „aliud“ - regeln.
80Vgl. OVG NRW, Urteil vom 4. Mai 2004 – 10 A 1476/04 -, zitiert nach juris.
81Dies zugrundegelegt handelt es sich vorliegend zwar bei beiden Baugenehmigungen im Grundsatz um das gleiche Vorhaben, nämlich die Errichtung einer Traglufthalle über einem Außenschwimmbecken. Allerdings genehmigt die Baugenehmigung vom 13. November 2014 die Einhaltung mischgebietsverträgliche Lärmwerte während die Baugenehmigung vom 30. Juli 2012 lediglich die in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässigen Lärmwerte genehmigt. Dabei handelt es sich nach verständiger Würdigung des jeweiligen Genehmigungsumfangs nicht lediglich um eine geringfügige Abweichung von der ursprünglichen Genehmigung sondern um eine Wesensveränderung im oben genannten Sinne. Gerade durch die erhebliche Änderung der zulässigen Immissionswerte und der damit verbundenen Nutzungsintensivierung, die wesentliche Auswirkungen auf das Schutzniveau der Nachbarn haben kann, hat die Beklagte das Vorhaben bei der Erteilung der Baugenehmigung vom 13. November 2014 insgesamt in den Blick genommen und die Genehmigungsentscheidung gänzlich neu getroffen. Dafür spricht vor allem auch, dass gerade die Festsetzung von zulässigen Lärmwerten für das Ausmaß der Nutzungsmöglichkeit einer Traglufthalle wesentlich und prägend ist.
82Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nicht für erstattungsfähig zu erklären, da dieser keinen Antrag gestellt und sich damit nicht dem allgemeinen Prozessrisiko ausgesetzt hat.
83Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.