Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400

bei uns veröffentlicht am27.03.2015

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 30. August 2012 wird aufgehoben, soweit eine höhere Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag als 19.602,69 EUR festgesetzt worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin 4/5 und der Beklagte 1/5.

3. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Vorauszahlung zu einem Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung oder Erweiterung der L.-straße in Eb..

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.-Nr. AA, Gemarkung Eb., mit einer Fläche von 1.197 m².

Mit Bescheid vom 30.08.2012 setzte die Verwaltungsgemeinschaft Eb. für den Markt Eb. für das Grundstück der Klägerin eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Verbesserung oder Erweiterung der L.-straße (Abrechnungsabschnitt von nördlicher Einmündung der Wa.-straße bis zur Einmündung in die Staatsstraße ...) in Höhe von 25.127,37 EUR fest. Er schlüsselte den Beitrag auf in einen Beitrag für einen Abrechnungsteil 1 für Fahrbahn und Entwässerung in Höhe von 16.399,74 EUR und in einen Beitrag für den Abrechnungsteil 2 für Gehwege, Beleuchtung und Bordsteine in Höhe von 8.727,63 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 27.09.2012 Widerspruch über den bisher nicht entschieden wurde.

Mit Schriftsatz vom 10.06.2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Untätigkeitsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt:

Der Vorauszahlungsbescheid auf den Straßenausbaubeitrag für das Grundstück Fl.-Nr. AA, Gemarkung Eb., vom 30.08.2012 wird aufgehoben.

Mit Schriftsatz vom 04.03.2014 trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zur Klagebegründung vor, die Satzung für die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags der Beklagten sei unwirksam. § 7 der Satzung (Beitragsmaßstab) enthalte eine unvollständige und daher nicht anwendbare Regelung zur Verteilung des umlagefähigen Aufwands. Er verwies auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 06.04.2010 - 6 ZB 09.1583. Entsprechend dieser Entscheidung sei die Ausbaubeitragssatzung der Beklagten nichtig, weil in der Satzung nicht ausreichend bestimmt sei, wie die zulässige Geschossfläche zu ermitteln sei. Außerdem enthalte sie keine vorteilsgerechte Beitragsabstufung hinsichtlich der Außenbereichsflächen. Die Verteilungsregelung ermögliche es nicht, alle Anlieger und damit grundsätzlich beitragspflichtigen Grundstücke vorteilsgerecht in die Aufwandsverteilung einzubeziehen. Das Abrechnungsgebiet umfasse auch Grundstücke, die über landwirtschaftlich genutzte Teilflächen bzw. Parkflächen verfügten. Die Fl.-Nr. BB (O.-weg ...) mit einer Grundstücksfläche von 7.691 m² und weiträumigen Parkanlagen sei aufgrund der Tiefenbegrenzungsregelung lediglich mit 3.214 m² herangezogen worden.

Mit Schriftsatz vom 12.05.2014 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Klageerwiderung wird ausgeführt, die Lagerhausstraße sei eine Haupterschließungsstraße, die zwischenzeitlich ausgebaut sei. Die Schlussrechnungen lägen vor, so dass eine Abrechnung als Endabrechnung anstehe. Richtig sei, dass mit Bescheid vom 13.10.1995 das Grundstück der Klägerin bereits zu einem Straßenausbaubeitrag herangezogen worden sei. Die darin abgerechnete Ausbaumaßnahme habe die Erschließungsanlage Marktplatz und Würzburger Straße betroffen. Damit sei ein völlig anderer Straßenausbau abgerechnet worden. Das Grundstück der Klägerin liege an beiden Straßen tatsächlich und beitragsrechtlich an. Die genannte Entscheidung des BayVGH zur Unwirksamkeit der Satzung beziehe sich auf das Erschließungsbeitragsrecht und sei nicht auf das Straßenausbaubeitragsrecht anzuwenden. Zum anderen handele es sich vorliegend um einen unbeplanten Innenbereich, für den der Beitragsmaßstab in der Regelung des § 7 der Beitragssatzung klar, vollständig, hinreichend bestimmt und unmissverständlich geregelt sei.

Mit Schriftsatz vom 20.05.2014 verwies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erneut auf die rechtswidrige Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung und führte aus, dass das Buchgrundstück Fl.-Nr. BB bis zu seiner hinteren Grundstücksgrenze als Park genutzt werde.

Mit Schriftsatz vom 12.06.2014 führte die Beklagtenseite hierzu aus, dass die vollständige Heranziehung des Grundstücks Fl.-Nr. BB nicht der Vorteilhaftigkeit im Sinne des Straßenausbaubeitragsrechts entspreche. Zwischen dem öffentlichen Park und der L.-straße befinde sich das mit Wohnungen für Bedienstete genutzte Grundstücksteilstück, welches nicht öffentlich zugänglich und privat sei. Zwar bestehe die Möglichkeit des Zugangs zum O.-weg und damit auch zur Wü. Straße, eine Zufahrtsmöglichkeit von diesem Grundstücksteil sei jedoch tatsächlich nicht vorhanden. Eine historische Mauer verhindere zusätzlich die Zufahrt vom höher gelegenen privaten Bereich zum darunterliegenden Park.

Am 31.07.2014 führte die Kammer einen Erörterungstermin in der Gemeinde durch. Auf die hierzu gefertigte Niederschrift wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 11.09.2014 und 23.12.2014 forderte das Gericht weitere Unterlagen und eine Vergleichsberechnung an. Auf diese und die weiteren gewechselten Schriftsätze sowie den Inhalt der Beiakten wird verwiesen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

1. Die als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO erhobene Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 30.08.2012 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Höhe von 5.524,68 EUR aufzuheben, weil er in diesem Umfang rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil die Festsetzung einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag in Höhe von 19.602,69 EUR rechtmäßig ist.

Der Beklagte kann für die Erneuerung und Verbesserung der L.-straße gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KAG i. V. m. der Ausbaubeitragssatzung vom 20.12.2002 (SBS) eine Vorauszahlung auf den Ausbaubeitrag in dieser Höhe verlangen.

Die Gemeinden können gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung des Aufwands für die Herstellung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 3 KAG sollen für die Verbesserung oder Erneuerung von Ortsstraßen und beschränkt-öffentlichen Wegen Beiträge erhoben werden, soweit nicht Erschließungsbeiträge nach dem Baugesetzbuch zu erheben sind.

Nach Art. 5 Abs. 5 Satz 1 KAG können Vorauszahlungen auf den Beitrag erhoben werden, wenn mit der Herstellung der Einrichtung begonnen worden ist. Die Erhebung einer Voraus-zahlung setzt mit Blick auf ihr Wesen als eine Zahlung, die vor Entstehung der endgültigen (sachlichen) Beitragspflicht „auf den Beitrag“ und zur Verrechnung mit der endgültigen Beitragsschuld (vgl. Art. 5 Abs. 5 Satz 2 KAG) erbracht wird, weiter voraus, dass eine wirksame Beitragssatzung vorhanden ist und die Gemeinde alle weiteren, ihr obliegenden rechtlich relevanten Entscheidungen getroffen hat, die für die Bestimmbarkeit der Höhe der zukünftigen (endgültigen) Beitragsforderung erforderlich sind (vgl. BayVGH vom 01.06.2011 - 6 BV 10.2467 - BayVBl 2012, 206 m. w. N.).

Da zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung, dem Erlass der letzten Behördenentscheidung (BayVGH, U. v. 01.06.2011 - 6 BV 10.2467 - VGH n. F. 64, 165/167 = BayVBl 2012, 206/207 jeweils RdNr. 32) die Bauarbeiten bereits begonnen hatten, die endgültige Beitragspflicht aber noch nicht entstanden war, konnte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid grundsätzlich Vorauszahlungen auf den Straßenausbau-beitrag erheben. Dass die endgültige Beitragspflicht inzwischen entstanden ist, da laut Angaben des Beklagten im Juli 2014 die letzte Unternehmerrechnung eingegangen ist, lässt die Rechtmäßigkeit des zuvor ergangenen Vorauszahlungsbescheids unberührt (BayVGH, a. a. O., RdNrn. 33f.).

a) Der Beklagte verfügt mit der Straßenausbaubeitragssatzung vom 20.12.2002 (SBS) über eine für die streitgegenständliche Beitragserhebung wirksame Rechtsgrundlage. Der Beitragsmaßstab des § 7 Abs. 1 SBS sieht vor, dass der Aufwand je zur Hälfte nach der Summe der Grundstücksflächen und der zulässigen Geschossflächen umzulegen ist.

aa) Der in § 7 Abs. 2 SBS geregelte Beitragsmaßstab differenziert - wie der Klägervertreter zu Recht ausführt - nicht zwischen Grundstücksflächen im Innen- und Außenbereich. Einen abgestuften Verteilungsmaßstab für Außenbereichsgrundstücke, die im Ausbaubeitragsrecht - anders als im Erschließungsbeitragsrecht - wegen des umfassenderen Vorteilsbegriffs nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben dürfen, enthält die Satzung des Beklagten nicht.

Nachdem sich in dem hier abgerechneten Ausbaugebiet keine Außenbereichsflächen befinden, die ausgebaute Straße vielmehr im Ortskern des Marktes liegt, wirkt sich der fehlende Verteilungsmaßstab für Außenbereichsflächen nicht aus. Es gilt der Grundsatz der regionalen Teilbarkeit der Gültigkeit einer Verteilungsregelung, der besagt, dass auf die Verhältnisse in dem jeweils in Rede stehenden Abrechnungsgebiet abzustellen ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 36 RdNrn. 10f.).

bb) Nach der Tiefenbegrenzungsregelung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 SBS ist, wenn ein Bebauungsplan nicht besteht, die tatsächliche Grundstücksfläche bis zu einer Tiefe von 50 m, gemessen von der der Erschließungsanlage zugewandten Grenze des beitragspflichtigen Grundstücks, zugrunde zu legen. Reicht die bauliche oder gewerbliche Nutzung über diese Begrenzung hinaus, so ist die Tiefe maßgebend, die durch die hintere Grenze der Nutzung bestimmt wird (Satz 2).

Die Frage, ob eine derartige Tiefenbegrenzungsregelung für vollauf im unbeplanten Innenbereich gelegene Grundstücke anwendbar ist, wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilt (vgl. zum Meinungsstand Driehaus, a. a. O., RdNrn. 37 ff zu § 35). Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat die Frage noch nicht abschließend entschieden. Nach Auffassung von Driehaus, der das Gericht folgt, ist eine Tiefenbegrenzungsregelung für Innenbereichsgrundstücke, die insgesamt Baulandqualität haben, nicht zulässig (Driehaus, a. a. O., RdNrn. 38, 43 zu § 35).

Die Tiefenbegrenzungsregelung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 SBS ist dem Wortlaut nach auch auf vollends im Innenbereich liegende Grundstücke anwendbar. Hält man dies für unzulässig, hat dies aber nicht eine Nichtigkeit der gesamten Satzung, sondern allenfalls eine Teilnichtigkeit der konkreten Regelung zur Folge. Denn eine Beitragssatzung ist nur dann insgesamt nichtig, wenn anzunehmen ist, dass bei objektiver, am Sinn und Zweck der Norm orientierter Betrachtungsweise die gesamte Regelung ohne die nichtige Teilregelung so nicht getroffen worden wäre. Dies kann jedoch im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Durch eine schlichte Nichtanwendung der Tiefenbegrenzungsregelung kann eine sachgerechte Verteilung des Ausbauaufwandes herbeigeführt werden.

cc) Die unter Hinweis auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 06.04.2010 - 6 ZB 09.1583 erhobene Rüge, in der Satzung sei nicht hinreichend bestimmt, wie die zulässige Geschossfläche zu ermitteln sei, greift nicht. Die zitierte Entscheidung bezieht sich auf Problemfälle in beplanten Gebieten, bei denen aufgrund der Festsetzungen des wirksamen Bebauungsplans die zulässige Geschossfläche nicht eindeutig bestimmt werden kann. Hier liegt jedoch kein Fall des § 7 Abs. 3 SBS (zulässige Geschossfläche, wenn ein rechtsverbindlicher Bebauungsplan besteht), sondern ein Fall des § 7 Abs. 5 Buchst. d) SBS vor, der regelt, dass sich in unbeplanten Gebieten die zulässige Geschossfläche nach dem durchschnittlichen bzw. vorhandenen Maß der baulichen Nutzung bestimmt. Gegen diese Regelung bestehen keine Bedenken.

b) Bei der streitgegenständlichen Ausbaumaßnahme - der Verbesserung und Erweiterung der L.-straße - handelt es sich um eine beitragsfähige Verbesserung und/oder Erneuerung sowie Erweiterung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG, § 1 SBS. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

c) Gegenstand einer beitragsfähigen Maßnahme ist grundsätzlich die einzelne Ortsstraße als öffentliche Einrichtung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG. Bezieht sich eine beitragsfähige Erneuerung demnach auf die jeweilige Einrichtung insgesamt, ist der umlagefähige Aufwand gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG auf sämtliche Grundstücke zu verteilen, die eine beitragsrelevante Inanspruchnahmemöglichkeit dieser Einrichtung haben.

Hinsichtlich des Einrichtungsbegriffs ist auf die natürliche Betrachtungsweise abzustellen, d. h. auf den Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Straßenausstattung - ungeachtet eines anderen Straßennamens - vermitteln (u. a. BayVGH, U. v. 28.1.2010 - 6 BV 08.3043 - BayVBl 2010, 470; U. v. 1.6.2011 - 6 BV 10.2467 - BayVBl 2012, 206/208).

Maßgebliche Einrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist demnach entgegen der Ansicht des Beklagten nicht nur die ca. 450 m lange L.-straße, die im Osten bei den beiden Y-förmigen Einmündungen von der N... Straße (Staatsstraße ...) beginnt und dem Namen nach auf der Höhe des Grundstücks Fl.-Nr. AA endet. Vielmehr setzt sich die Einrichtung unter der Bezeichnung Wa.-straße geradeaus fort und endet schließlich nach ca. 70 m im Westen bei der Einmündung in die Wü. Straße (Bundesstraße ...).

Seinen Eindruck hat das Gericht auf der Grundlage der in den Akten befindlichen Lagepläne, der vorgelegten Fotos und der von den berufsrichterlichen Mitgliedern der Kammer anlässlich des Erörterungstermins durchgeführten Ortseinsicht gewonnen, der auch den an der Entscheidung beteiligten (ehrenamtlichen) Richtern vermittelt wurde. Begibt man sich von der L.-straße kommend in Richtung Wa.-straße und auf dieser weiter bis zur Einmündung in die Wü. Straße (B ...), hat man nicht den Eindruck, dass an der Stelle, an der man dem Namen nach die Wa.-straße betritt, eine andere Einrichtung beginnt. Vielmehr setzt sich die Straße optisch geradeaus fort. Dies wird auch aus dem Lageplan (Bl. 142 Gerichtsakte) deutlich sowie aus dem Luftbild (Bl. 64 Gerichtsakte) und dem rechten unteren Foto auf Blatt 3 der Beiakte I. Der Teil der Wa.-straße, der sich in einer Kurve von der L.-straße entfernt und in nördlicher Richtung hangaufwärts zur Wi.-straße führt, wirkt dagegen optisch wie eine Abzweigung von der Einrichtung L.-straße/Wa.-straße.

d) Der voraussichtliche Ausbauaufwand ist auf alle Grundstücke zu verteilen, denen durch die Ausbaumaßnahme an der Einrichtung ein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wird. § 7 Abs. 1 SBS (Beitragsmaßstab) sieht vor, dass der Aufwand je zur Hälfte nach der Summe der Grundstücksflächen und der zulässigen Geschossflächen umzulegen ist.

aa) Zu den beitragspflichtigen Grundstücken gehört zweifellos das Grundstück Fl.-Nr. AA der Klägerin, das auf der gesamten Länge von knapp 40 m durchgängig mit einem an der Grundstücksgrenze verlaufenden Nebengebäude direkt an der Einrichtung anliegt. Das Nebengebäude verfügt über mehrere Tor-/Türöffnungen, so dass die Einrichtung vom Grundstück aus ohne weiteres betreten werden kann (Driehaus, a. a. O., § 35, RdNr. 12). Ob daran ein nennenswertes Interesse der Klägerin besteht, ist ohne Belang.

bb) Darüber hinaus hat der Beklagte auch die Grundstücke in das Abrechnungsgebiet einzubeziehen, die an dem mit der streitgegenständlichen Maßnahme zwar nicht erneuerten, aber die Fortsetzung der Einrichtung bildenden Teil der Wa.-straße liegen.

Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf eine Abrechnung im Wege der Abschnittsbildung mit dem Argument, der Abschnitt Wa.-straße sei bereits 1995 erneuert und abgerechnet worden, deshalb sei im Zuge des Ausbaus des Abschnitts L.-straße nun die Abrechnung nur unter den an diesem Abschnitt gelegenen Grundstücken erfolgt.

Eine Abrechnung eines Teilstreckenausbaus auf der Grundlage einer Abschnittsbildung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG in Verbindung mit der Beitragssatzung (hier § 6 Abs. 4 Satz 1 SBS) setzt voraus, dass die Gemeinde ein hinreichend konkretes Programm für die Fortsetzung des Ausbaus aller vorgesehenen Teilstrecken aufgestellt hat, also ein Bauprogramm, das eine Fortsetzung der beitragsfähigen Maßnahme in einer nächsten Etappe vorsieht, weil insoweit zwar ein Ausbaubedarf besteht, aber z. B. gegenwärtig keine ausreichenden Finanzmittel zur Verfügung stehen, und die Gemeinde sich im Interesse einer möglichst umgehenden Refinanzierung der ihr für den Ausbau der ersten Teilstrecke entstandenen Aufwendungen für eine Abschnittsbildung entscheidet (Driehaus, a. a. O., § 33, RdNr. 55). Ein Abschnitt darf also grundsätzlich nur dann gebildet werden, wenn der Ausbau nach den planerischen Vorstellungen der Gemeinde, die im Bauprogramm ihren Niederschlag gefunden haben, fortgeführt werden soll, die tatsächliche Ausführung sich aber zunächst auf eine bestimmte Teilstrecke der geplanten Ausdehnung beschränkt. Zudem darf eine Abschnittsbildung mit Blick auf die rechtliche Grenze des Willkürverbots nicht dazu dienen, bei der Abrechnung eines nach dem Bauprogramm nur auf eine Teilstrecke beschränkten Ausbaus nur die an diesem Teil der Einrichtung gelegenen Anlieger zu belasten, die übrigen aber zu verschonen. Außerhalb einer Abschnittsbildung auf der Grundlage des Art. 5 Abs. 1 Satz 5 KAG lässt es das Gesetz nicht zu, eine Teilstrecke in Durchbrechung des Grundsatzes der einheitlichen Abrechnung einer Einrichtung rechtlich zu verselbstständigen und dadurch den Abrechnungsraum zu verändern (vgl. BayVGH vom 28.01.2010 - 6 BV 08.3043 - juris, RdNr. 16).

Ein diesen Maßstäben entsprechendes Bauprogramm, das den Ausbau der Lagerhaus-straße als letzte Etappe der Einrichtung L.-straße/Wa.-straße vorsieht, kann der Beklagte nicht vorweisen.

Der Gemeinderatsbeschluss vom 10.05.1993 (Bl. 118 Gerichtsakte) sieht unter der Überschrift „2.1 Abschnittbildung“ ein vier Maßnahmen umfassendes Bauprogramm vor, darunter auch die Wa.-straße in zwei Abschnitten; dem ersten Abschnitt ab der Einmündung von der B ... bis zum Beginn der L.-straße und dem zweiten Abschnitt hangaufwärts bis zur Wi.-straße. Der erste Abschnitt wurde im Jahr 1995 abgerechnet (Abrechnungsgebiet siehe Bl. 2 Beiakte IV), der zweite Abschnitt im Jahr 2000 (Abrechnungsgebiet Bl. 7 Beiakte IV). Der jetzt streitgegenständliche Ausbau der L.-straße, der sich gewissermaßen an den ersten Abschnitt der Wa.-straße anschließt, ist in diesem Bauprogramm mit keinem Wort erwähnt. Somit ergibt sich aus dem Gemeinderatsbeschluss vom 10.05.1993 nicht, dass damals als weitere Etappe ein Ausbau der L.-straße beabsichtigt war. Aus den vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Finanzplänen lässt sich nur die jeweilige Mittelbereitstellung für die vom Gemeinderat beschlossenen Ausbaumaßnahmen ersehen. Sie ersetzen kein fehlendes Ausbauprogramm für eine wirksame Abschnittbildung. Es ist ohnehin fraglich, ob ein abschnittsweiser Ausbau über einen Zeitraum von fast 20 Jahren (erste Etappe 1993; letzte Etappe 2012) noch mit dem Sinn und Zweck der Abschnittsbildung vereinbar wäre, zumal bei der Aufstellung des Bauprogramms der Ausbaubedarf für die vorgesehenen Abschnitte bereits bestanden haben muss.

Eine wirksame Abschnittsbildung liegt somit nicht vor. Vielmehr handelt es sich um einen abrechnungsfähigen Teilstreckenausbau. Die von der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 28.01.2010 - 6 BV 08.3043, juris RdNr. 14) geforderte Voraussetzung, dass die ausgebaute Teilstrecke mindestens ein Viertel der gesamten Straßenlänge umfassen muss, ist erfüllt. Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht an.

cc) Bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Grundstücksflächen, auf die nach § 7 Abs. 1 SBS die eine Hälfte des beitragsfähigen Aufwands umzulegen ist, hat der Beklagte zu Unrecht die Tiefenbegrenzungsregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SBS angewandt. Alle Grundstücke liegen im unbeplanten historischen Ortskern. Wie oben a) bb) ausgeführt, ist die Tiefenbegrenzungsregelung unwirksam. Sie ist für Innenbereichsgrundstücke nicht anwendbar (Driehaus, a. a. O., § 35, RdNr. 37). Somit sind alle beitragspflichtigen Grundstücke mit ihrer vollen Fläche einzubeziehen, darunter das Grundstück der Klägerin ebenso wie die Fl.-Nr. BB einschließlich Orangeriegarten.

dd) Hinsichtlich der zu berücksichtigenden Geschossflächen, auf die nach § 7 Abs. 1 SBS die andere Hälfte des beitragsfähigen Aufwands umzulegen ist, wurden von Klägerseite keine substantiierten Rügen erhoben. Offenkundige Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich.

e) Aufgrund der vom Gericht mit Schreiben vom 23.12.2014 angeforderten Vergleichs-berechnung, die der Beklagte mit Schriftsatz vom 30.01.2015 vorgelegt hat (Bl. 139 bis 156 der Gerichtsakte) ergibt sich ein auf das Grundstück der Klägerin entfallender Vorauszahlungsbetrag von 19.602,69 EUR (statt 25.127,37 EUR). In dieser Höhe hat der Bescheid des Beklagten vom 30.08.2012 Bestand. Eine Aufhebung des Bescheides insgesamt kommt nicht in Betracht, nachdem das Gericht in Erfüllung seiner Verpflichtung zur Spruchreifmachung (§ 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die richtige Höhe des Beitrags unter Inanspruchnahme der Gemeinde ermitteln konnte (BVerwG, Urteil vom 03.06.2010, 9 C 4/09, juris, Rd.Nr. 13).

Somit war die Klage im Übrigen abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen (§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 709 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 75


Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 03. Juni 2010 - 9 C 4/09

bei uns veröffentlicht am 03.06.2010

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf einen Straßenausbaubeitrag für die Anlegung von Gehwegen. Er ist Eigentümer eines
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 27. März 2015 - B 4 K 13.400.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 06. Okt. 2016 - 6 ZB 15.1163

bei uns veröffentlicht am 06.10.2016

Tenor I. Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 27. März 2015 - B 4 K 13.400 - wird abgelehnt. II. Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahre

Referenzen

Ist über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 68 zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit der Einlegung des Widerspruchs oder seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß über den Widerspruch noch nicht entschieden oder der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aus. Wird dem Widerspruch innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stattgegeben oder der Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf einen Straßenausbaubeitrag für die Anlegung von Gehwegen. Er ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, das an eine kurze Abzweigung der F. Straße, der Ortsdurchfahrt einer Landesstraße, angrenzt. Im Zuge des durch das Land Hessen vorgenommenen Ausbaus der F. Straße wurden auch deren Gehwege auf Kosten der insoweit die Baulast tragenden Beklagten ausgebaut. Hierfür zog die Beklagte den Kläger zu einer im Widerspruchsverfahren auf 5 549,07 € verringerten Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag heran. Dabei wurde der beitragsfähige Aufwand gemäß § 6 Satz 1 der Straßenbeitragssatzung (StBS) der Beklagten auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke nach deren Fläche verteilt.

2

Mit seiner Klage machte der Kläger zahlreiche Einwände geltend: Der von der Beklagten gewählte Verteilungsmaßstab der Grundstücksfläche sei nicht anwendbar, weil durch die Ausbaumaßnahme auch Außenbereichsgrundstücke erschlossen würden mit der Folge, dass sich die Verteilung gemäß § 6 Satz 2 und 3 StBS nach der Geschossfläche richten müsse. Der Maßstab der Grundstücksfläche sei zudem nicht vorteilsgerecht und daher unwirksam, weil das Maß der zulässigen baulichen Nutzung der herangezogenen Grundstücke unterschiedlich sei. § 10 StBS sei unwirksam, weil darin der Geschossflächenmaßstab für den unbeplanten Innenbereich in einer Weise pauschaliert sei, die dem Maß der tatsächlich zulässigen baulichen Nutzung nicht entspreche. Der Gemeindeanteil sei zu niedrig angesetzt. Die Beklagte habe verschiedene weitere Grundstücke, u.a. die bereits erwähnten Außenbereichsgrundstücke, in die Verteilung einbeziehen müssen. Schließlich sei der beitragsfähige Aufwand überhöht, weil verschiedene Kostenpositionen nicht hätten einbezogen werden dürfen.

3

Das Verwaltungsgericht hat ausweislich des Tenors seines Urteils den Vorausleistungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufgehoben und dem Kläger 2/5, der Beklagten 3/5 der Kosten auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien insoweit rechtswidrig, als zwei Außenbereichsgrundstücke bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes hätten berücksichtigt werden müssen. Dies habe zur weiteren Folge, dass sich die Verteilung des umlagefähigen Aufwandes gemäß § 6 Satz 3 StBS nach der Geschossfläche richte. Die übrigen vom Kläger erhobenen Einwendungen dagegen griffen nicht durch. Da die Ermittlung der zutreffenden Höhe der vom Kläger zu tragenden Vorausleistung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordere, werde von der in § 113 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Befugnis Gebrauch gemacht, den angefochtenen Heranziehungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids aufzuheben und es der Beklagten zu überlassen, den Vorausleistungsbetrag anhand der Vorgaben des Urteils neu zu berechnen.

4

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte geltend gemacht, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei zwar zutreffend, soweit darin die Einwände des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zurückgewiesen worden seien. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei es aber auch nicht zu beanstanden, dass sie die Veranlagung nach den Grundstücksflächen und nicht nach den Geschossflächen durchgeführt habe. Die beiden Außenbereichsgrundstücke seien bei der Abrechnung nicht zu berücksichtigen, da es insoweit wegen eines tatsächlichen Hindernisses auf Straßengrund, nämlich wegen eines zwei Meter breiten Grabens mit Böschung, an einer Inanspruchnahmemöglichkeit fehle. Es seien auch keine Grundstücke bevorteilt, die eine unterschiedliche Nutzung besäßen. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht von einer Abrechnung nach Geschossflächen ausginge, wäre der angefochtene Bescheid nicht gänzlich aufzuheben gewesen, sondern lediglich aufgrund einer durchzuführenden Vergleichsberechnung teilweise zu reduzieren.

5

Der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zur Begründung hat er zum einen das Urteil des Verwaltungsgerichts als im Ergebnis zutreffend verteidigt, zum anderen seinen bisherigen Vortrag wiederholt und vertieft; ergänzend hat er geltend gemacht, dass weitere Grundstücke in die Verteilung hätten einbezogen werden müssen. Nach einem rechtlichen Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs, dass die erstinstanzlich abschlägig beschiedenen Einwände des Klägers für die Berufungsentscheidung möglicherweise nicht mehr von Bedeutung sein könnten, hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass der Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens mit dem des erstinstanzlichen Klageverfahrens identisch sei. Eine Anschlussberufung sei weder erforderlich noch zulässig gewesen. Eine solche habe er schon deshalb nicht einlegen können, weil er durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert gewesen sei. Hilfsweise hätte die Berufungserwiderung mit Rücksicht auf die den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand umfassende Begründung vom Berufungsgericht als Anschlussberufung ausgelegt werden müssen.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem angefochtenen Urteil (KStZ 2009, 58) das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, infolge des auf § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO gestützten Vorgehens des Verwaltungsgerichts seien diejenigen Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit des Vorausleistungsbescheides, die das Verwaltungsgericht als unbegründet zurückgewiesen habe, in Rechtskraft erwachsen. Die zugelassene Berufung der Beklagten eröffne insoweit keine Möglichkeit zur Überprüfung dieser klägerischen Einwendungen. Angesichts des klaren Wortlauts des Antrags im Berufungserwiderungsschriftsatz liege auch keine Anschlussberufung des Klägers vor. Soweit das Verwaltungsgericht seinen Einwänden gefolgt sei, erweise sich dies als unzutreffend. Die in Rede stehenden Außenbereichsgrundstücke seien zu Recht bei der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes unberücksichtigt geblieben, weil der Seitenwegegraben mit seiner Böschung ein mit verhältnismäßigem Aufwand nicht ausräumbares Hindernis darstelle, so dass es an einer verkehrssicheren Zugangsmöglichkeit fehle.

7

Zur Begründung seiner Revision trägt der Kläger vor: Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verstoße gegen §§ 128, 121, 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO, weil das Gericht den Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens zu Unrecht als eingeschränkt angesehen habe. Die Berufung gegen ein sog. Bestimmungsurteil gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO könne nicht auf einzelne Entscheidungselemente beschränkt werden, während andere in Rechtskraft erwüchsen. Eine solche Aufteilung der tragenden Gründe einer Entscheidung bei einem einheitlichen Streitgegenstand sei mit dem Zweck des § 121 VwGO, Rechtssicherheit zu schaffen, nicht vereinbar. Eine Erstreckung der Rechtskraft auf die tragenden Entscheidungsgründe beim Bestimmungsurteil setze mindestens eine Tenorierung voraus, welche die Verknüpfung des Tenors mit den ihn tragenden Entscheidungsgründen zweifelsfrei erkennen lasse, damit der Rechtsschutzsuchende erkennen könne, ob er gegen ein Urteil Rechtsmittel einlegen müsse. Jedenfalls habe der Verwaltungsgerichtshof bestimmte erstinstanzlich vorgetragene Einwände betreffend den anzuwendenden Verteilungsmaßstab zu Unrecht vom Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens ausgeschlossen. Gehe man von der Möglichkeit einer Rechtskraftwirkung hinsichtlich der erstinstanzlich abschlägig beschiedenen Einwände aus, hätte der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls den Berufungszurückweisungsantrag als Anschlussberufung auslegen oder den Kläger gemäß § 86 Abs. 3 VwGO rechtzeitig darauf hinweisen müssen, dass dieser sein Rechtsschutzziel nur im Wege einer ausdrücklich erklärten Anschlussberufung verfolgen könne. Noch im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Berufungsgerichts seien sämtliche Einwendungen erschöpfend verhandelt worden. Zum Zeitpunkt des zu spät erteilten rechtlichen Hinweises sei die Frist für eine Anschlussberufung bereits abgelaufen gewesen.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. September 2008 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 30. Mai 2007 die Berufung zurückzuweisen und seiner Anschlussberufung stattzugeben.

9

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt Bundesrecht. Es leidet an einem Verfahrensmangel (§ 137 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 VwGO), der zur Zurückverweisung des Rechtsstreits und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof zwingt (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

11

Der Verwaltungsgerichtshof hat von einer gemäß § 128 VwGO im Berufungsverfahren grundsätzlich stattfindenden vollumfänglichen Prüfung des Streitfalls (im Rahmen der Anträge) abgesehen. Er hat sich auf der Grundlage des auf § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO gestützten erstinstanzlichen Urteils an einer Überprüfung der vom Verwaltungsgericht abschlägig beschiedenen Einwände des Klägers gegen die geforderte Vorausleistung auf den Straßenausbaubeitrag wegen einer insoweit angenommenen Rechtskraftwirkung (§ 121 VwGO) gehindert gesehen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof § 128 VwGO i.V.m. §§ 121, 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO verletzt. Er hat - auf der Grundlage eines verfahrensfehlerhaften Vorgehens des Verwaltungsgerichts (1.) - selbst verfahrensfehlerhafte Schlussfolgerungen gezogen (2.).

12

1. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs fußt auf einem in zweifacher Hinsicht verfahrensfehlerhaften Vorgehen des Verwaltungsgerichts:

13

a) Sie beruht zum einen auf dem zu Unrecht auf § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO gestützten Vorgehen des Verwaltungsgerichts. Dieses hätte die angefochtenen Bescheide nicht in vollem Umfang aufheben und die Neuberechnung der zutreffenden Höhe des Vorausleistungsbetrages nicht der Beklagten überlassen dürfen. Das Verwaltungsgericht hätte aufgrund seiner Verpflichtung zur Spruchreifmachung (§ 86 Abs. 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) selbst - ggf. mit Hilfestellung der beklagten Behörde - ermitteln müssen, ob und ggf. in welcher Höhe die angefochtenen Bescheide zumindest hinsichtlich eines Teilbetrags ("soweit") aufrechterhalten bleiben konnten (stRspr, vgl. etwa Urteile vom 18. November 2002 - BVerwG 9 C 2.02 - BVerwGE 117, 200 <206> = Buchholz 406.11 § 242 BauGB Nr. 3 S. 7 und vom 10. Juni 2009 - BVerwG 9 C 2.08 - BVerwGE 134, 139 <153> = Buchholz 406.11 § 130 BauGB Nr. 45 Rn. 40). Das vom Verwaltungsgericht gewählte Vorgehen nach § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO setzt voraus, dass die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Danach darf das Gericht die Errechnung des zutreffenden Betrages nur dann der Behörde überlassen, wenn die eigene Ermittlung auf ernsthafte Schwierigkeiten stößt und eine solche "Zurückverweisung" der Sache an die Behörde unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten - namentlich deren Interesse an einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung - zumutbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind diese Voraussetzungen bei Erschließungsbeiträgen regelmäßig nicht erfüllt, weil sich in diesem Rechtsgebiet die richtige Höhe des Beitrags durchweg ohne weiteres aus dem Zahlenwerk in den dem Gericht vorliegenden Akten errechnen lässt oder vom Gericht unter Inanspruchnahme der Gemeinde ermittelt werden kann (Urteil vom 18. Januar 1991 - BVerwG 8 C 14.89 - BVerwGE 87, 288 <297> = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 110 S. 26). Für Straßenausbaubeiträge gilt im Grundsatz nichts anderes (siehe auch Beschluss vom 4. September 2008 - BVerwG 9 B 2.08 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 32 Rn. 6 ff. zur Spruchreifmachung trotz Beurteilungsspielraums des Satzungsgebers bei der Bestimmung des Gemeindeanteils im Straßenausbaubeitragsrecht). Anhaltspunkte dafür, dass im Streitfall die Ermittlung der zutreffenden Höhe des Vorausleistungsbetrags - ggfs. anhand einer von der Beklagten anzufordernden Alternativberechnung - einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert oder ernsthafte Schwierigkeiten bereitet hätte, sind nicht ersichtlich.

14

b) Darüber hinaus leidet das erstinstanzliche Urteil - wie auch der Verwaltungsgerichtshof erkannt hat - an einer unklaren Tenorierung (Urteilsformel gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), die mit den Gründen der Entscheidung nicht im Einklang steht. Nach dem Hauptausspruch des Tenors (Ausspruch zur Sache) hat das Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang aufgehoben. Lediglich aus den Entscheidungsgründen (an deren Ende) wird deutlich, dass es ein sog. Bestimmungsurteil gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO treffen wollte. Im Übrigen kann - nur mittelbar - aus dem Kostenausspruch gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO abgeleitet werden, dass der Kläger - anders als es der Tenor in seinem Hauptausspruch nahelegt - nicht voll obsiegt hat. Diese Tenorierung ist zu beanstanden. Will das Gericht bei einer Anfechtungsklage gegen einen Geldleistungsverwaltungsakt von der Befugnis gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO Gebrauch machen, ist der Hauptausspruch des Tenors sachgerechter Weise wie folgt zu formulieren: "Der Bescheid des (...) vom (...) und der Widerspruchsbescheid des (...) vom (...) werden dahin geändert, dass der Betrag (... €) durch einen vom Beklagten nach Maßgabe der Entscheidungsgründe neu zu berechnenden Betrag ersetzt wird" (vgl. auch Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand November 2009, § 113 Rn. 42; J. Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 113 Rn. 14). War die Klage auf vollständige Aufhebung der angefochtenen Bescheide gerichtet oder folgt das Gericht den Einwänden des Klägers nicht in vollem Umfang, ist ergänzend zu tenorieren: "Im Übrigen wird die Klage abgewiesen" (vgl. Gerhardt, a.a.O.). Eine solche Tenorierung, die das teilweise Unterliegen des Klägers und damit auch die für die Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln grundsätzlich erforderliche Beschwer des Klägers im Entscheidungstenor eindeutig zum Ausdruck bringt, ist schon wegen des Gebots der Rechtsmittelklarheit geboten. Dieses aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot besagt, dass Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sein müssen. Der Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen muss klar vorgezeichnet sein. Das Gebot der Rechtsmittelklarheit richtet sich zwar in erster Linie an den Gesetzgeber im Rahmen von dessen Verpflichtung zur Ausgestaltung von Rechtsmitteln (vgl. BVerfG, Beschluss des Plenums vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <416>). Es hat aber auch Bedeutung für das Prozessieren der Gerichte und deren Verpflichtung, ihre Entscheidungen, insbesondere in ihrem Tenor, klar und eindeutig zu formulieren. Der Rechtsschutzsuchende - zumal wenn er nicht anwaltlich vertreten ist - darf nicht durch eine unklare Tenorierung in die Irre geführt oder im Ungewissen gelassen werden, ob er zur Wahrung seiner Rechte ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung einlegen kann oder muss.

15

2. Diese Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens wären für die revisionsgerichtliche Prüfung allerdings an sich nicht von Bedeutung, weil deren Gegenstand grundsätzlich - vorbehaltlich der Fälle der §§ 134, 135 VwGO - allein verfahrens- oder materiellrechtliche Fehler des Berufungsgerichts sind (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 6. Oktober 1976 - BVerwG 2 B 71.75 - Buchholz 237.0 § 29 LBG BW Nr. 1 S. 3 f. m.w.N.). Anders verhält es sich, wenn Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts sich im berufungsgerichtlichen Verfahren fortsetzen bzw. wenn sie dort fortwirken (Beschlüsse vom 16. November 1982 - BVerwG 9 B 3232.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 216 S. 11 und vom 18. Juni 1984 - BVerwG 9 B 2330.82 - Buchholz 310 § 130 VwGO Nr. 9 S. 1 f.; Czybulka, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 132 Rn. 105; Bader, VwGO, 4. Aufl. 2007, § 132 Rn. 26). So liegt der vorliegende Fall. Die erstinstanzlichen Verfahrensfehler haben sich im Berufungsverfahren dadurch fortgesetzt, dass der Verwaltungsgerichtshof sich aufgrund der von ihm angenommenen Rechtskraftwirkung des erstinstanzlichen Urteils gehindert gesehen hat, dieses - wie gemäß § 128 VwGO geboten - in vollem Umfang einer berufungsgerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof selbst verfahrensfehlerhaft entschieden.

16

a) Im Ansatz nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Entscheidungsgründe eines sog. Bestimmungsurteils gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Rechtskraft erwachsen können. Bestimmt ein Gericht in Anwendung dieser Vorschrift die Änderung eines Geldleistungsverwaltungsaktes durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, so erwachsen die in den Entscheidungsgründen enthaltenen Vorgaben ("Determinanten") für die Neuberechnung des Geldbetrages, soweit sie nicht mit Rechtsmitteln angegriffen werden, in Rechtskraft. Insofern gilt für die gerichtlichen Vorgaben in einem Bestimmungsurteil gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO dasselbe wie bei einem Bescheidungsurteil gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Auch dort nehmen die tragenden Erwägungen der Entscheidungsgründe an der Rechtskraft teil (Urteil vom 27. Januar 1995 - BVerwG 8 C 8.93 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 70 S. 7 = NJW 1996, 737<738>); Rennert, in: Eyermann, a.a.O. § 121 Rn. 22; jeweils m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Klägers ist es gerade Sinn und Zweck der Sondervorschrift des § 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO, den Streit der Beteiligten über die Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung bestimmter für die Errechnung der zutreffenden Höhe der in Rede stehenden Geldleistungspflicht maßgeblicher tatsächlicher oder rechtlicher Umstände möglichst abschließend zu klären, so dass der Behörde nur noch die Aufgabe verbleibt, in einem bloßen Rechenvorgang die gerichtlichen Vorgaben umzusetzen. Folgt das Gericht den Einwänden des Klägers nur teilweise und will dieser dies durch die höhere Instanz überprüfen lassen, so muss er Rechtsmittel einlegen (im Streitfall wären dies ein Antrag auf Zulassung der Berufung oder eine Anschlussberufung gewesen).

17

b) Ausgehend von diesem insoweit zutreffenden Ansatz hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, die erstinstanzlich abschlägig beschiedenen Einwände des Klägers seien, weil dieser kein Rechtsmittel eingelegt habe, in Rechtskraft erwachsen und einer Prüfung durch das Berufungsgericht nicht mehr zugänglich. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in dessen Berufungserwiderungsschriftsatz gestellte Antrag, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, könne nicht in eine Anschlussberufung umgedeutet werden. Ob diese Auslegung des erwähnten Schriftsatzes revisionsgerichtlich zu beanstanden ist, kann dahinstehen.

18

Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs verstößt jedenfalls deshalb gegen § 128 i.V.m. §§ 121, 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO, weil eine Rechtskraftwirkung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht abschlägig beschiedenen Einwände eine entsprechend eindeutige, dem Gebot der Rechtsmittelklarheit genügende Tenorierung dieses Urteils voraussetzt (siehe oben unter II.1.b). Diese ist im Streitfall nicht gegeben. Nach dem Hauptausspruch des erstinstanzlichen Tenors waren die angefochtenen Bescheide - wie vom Kläger beantragt - in vollem Umfang aufgehoben worden. Es fehlte bereits an einer formellen Beschwer des Klägers. Eine materielle Beschwer ergab sich allein aus den Entscheidungsgründen, die aber im Widerspruch zum Tenor stehen. Unter diesen Umständen, die einen Rechtsschutzsuchenden, zumal einen Rechtslaien, der sich vor dem Verwaltungsgericht nicht anwaltlich vertreten lassen muss (§ 67 Abs. 1 VwGO), darüber im Unklaren lassen, ob und wie er sein Rechtsschutzbegehren mit Rechtsmitteln weiterverfolgen muss oder nicht, verbietet es sich, dem erstinstanzlichen Urteil eine der Weiterverfolgung des klägerischen Rechtsschutzbegehrens entgegenstehende Rechtskraftwirkung beizumessen.

19

c) Selbst wenn man - unabhängig von dem Vorstehenden - unterstellen würde, dass im Streitfall eine (siehe oben II.2.a) grundsätzlich mögliche Rechtskraftwirkung des erstinstanzlichen Urteils hinsichtlich der darin abschlägig beschiedenen Einwände des Klägers eingetreten wäre, hätte der Verwaltungsgerichtshof jedenfalls deshalb gegen § 128 i.V.m. §§ 121, 113 Abs. 2 Satz 2 VwGO verstoßen, weil er den Umfang dieser Rechtskraftwirkung verkannt hat. Denn er hat übersehen, dass Teile des erstinstanzlichen Vorbringens des Klägers vom Verwaltungsgericht nicht beschieden worden sind und daher insoweit auch keine Rechtskraft eintreten konnte (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 11 S 43/00 - NVwZ-RR 2001, 411 zu nicht behandelten Rechtsvoraussetzungen oder Ermessensaspekten beim Bescheidungsurteil). Dies betrifft die unter verschiedenen Aspekten erhobenen und im Berufungsverfahren wiederholten Einwände des Klägers gegen den von der Beklagten zugrunde gelegten Beitragsmaßstab der Grundstücksfläche (§ 6 Satz 1 StBS). Das Verwaltungsgericht ist, weil es bereits aus einem anderen Grunde - nämlich wegen der nach seiner Ansicht in die Verteilung einzubeziehenden beiden Außenbereichsgrundstücke - die Beklagte zur Anwendung des Geschossflächenmaßstabs (§ 6 Satz 2 und 3 StBS) verpflichtet sah, in seinem Urteil nicht auf den Einwand des Klägers eingegangen, dass der Grundstücksflächenmaßstab nicht vorteilsgerecht und daher unwirksam sei, weil das Maß der zulässigen baulichen Nutzung der herangezogenen Grundstücke unterschiedlich sei. Dieser Einwand ist im Berufungsverfahren insoweit "wieder aufgelebt". Ähnliches gilt für den weiteren Einwand, dass § 10 StBS unwirksam sei, weil darin der Geschossflächenmaßstab für den unbeplanten Innenbereich in einer Weise pauschaliert sei, die dem Maß der tatsächlich zulässigen baulichen Nutzung nicht entspreche. Auch diesen erstinstanzlich vorgetragenen, dort aber nicht beschiedenen, im Berufungsverfahren vom Kläger wiederholten Einwand hätte der Verwaltungsgerichtshof nicht unter Hinweis auf die von ihm angenommene Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils von der berufungsgerichtlichen Prüfung ausnehmen dürfen. Entsprechendes gilt für die gemäß § 128 Satz 2 VwGO vom Kläger im Berufungsverfahren neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.