Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 29. März 2017 - Au 4 K 17.30459

bei uns veröffentlicht am29.03.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die positive Entscheidung über seinen Asylantrag.

Der Kläger, nach seinen Angaben sierra-leonischer Staatsangehöriger, Volkszugehörigkeit Mende, Christ, geboren am 18. November 1976 in Freetown, stellte am 29. Januar 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag.

Bei seiner persönlichen Anhörung am 7. Oktober 2016 gab er an, Sierra-Leone im Oktober 2013 verlassen zu haben und mit dem Schiff nach Hamburg gefahren zu sein, wo er am 31. Dezember 2013 nach Deutschland eingereist sei. In Sierra-Leone habe er in eine Geheimgesellschaft eintreten sollen. Dies habe er nicht gewollt. Er sei darauf an verschiedenen Orten verbal bedroht worden. Als Mende sei er überall verfolgt.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2017 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (1.). Der Antrag auf Asylanerkennung wurde abgelehnt (2.). Der subsidiäre Schutzstatus wurde nicht zuerkannt (3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen liegen nicht vor (4.). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; im Falle einer Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens. Sollte der Kläger die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Sierra Leone abgeschoben. Der Kläger könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe

oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6.). Im Wesentlichen führte der Bescheid aus, der Vortrag des Klägers bei der Anhörung sei flüchtlingsrechtlich nicht relevant. Auf den Bescheid wird im Übrigen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Der Kläger ließ am 2. Februar 2017 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit den Anträgen,

den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.1.2017, GZ:, zugestellt am 27.1.2017, aufzuheben;

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise den subsidiären Schutz zuzuerkennen sowie das Bestehen von Abschiebungshindernissen gem. § 60 Abs. 5 – 7 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 27. Februar 2017 ausgeführt: Dem Kläger drohe bei Rückkehr in sein Heimatland unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, ausgehend von nichtstaatlichen Akteuren, da er sich geweigert habe, in einen der für Sierra-Leone typischen Geheimbund einzutreten und deshalb mit Gefahren für Leib und Leben bedroht worden sei. Die Geheimgesellschaften bänden ihre Mitglieder nicht nur untereinander, sondern auch an ihre Vorfahren. Es handele sich um mächtige, aktive soziale Netzwerke, die landesweit abseits westlicher Hierarchien durch

„Logen“ tätig seien. Den Mitgliedern sei es unter Androhung des Todes verboten, die tatsächlichen Vorgänge innerhalb der Gesellschaften zu enthüllen. Ebenso müsse um sein Leben fürchten, wer sich einer Aufnahme in einen von düsteren Ritualen geprägten Geheimbünde verweigere. Die Geheimgesellschaften seien im ganzen Land präsent, so dass dem Kläger auch eine Rückkehr in einen anderen Landesteil keine Sicherheit bieten würde. Angesichts der Gesamtlage in Sierra-Leone bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Sierra-Leone eine existenzsichernde Lebensgrundlage finden könne. Justiz und Polizei könnten keinen ausreichenden Schutz gewährleisten, insbesondere wegen verbreiteter Korruption.

Das Bundesamt legte am 7. Februar 2017 die Akten vor. In der Sache äußerte es sich nicht.

Mit Beschluss vom 9. März 2017 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am 29. März 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Bundesamtsakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes oder die Feststellung von Abschiebungsverboten. Der Bescheid des Bundesamts vom 24. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger befürchtet bei Rückkehr nach Sierra-Leone Verfolgung (§§ 3 ff. Asyl) bzw. Bedrohung (§ 4 AsylG) durch nichtstaatliche Akteure (§ 3c Nr. 3 AsylG), weil er einer Geheimgesellschaft nicht beitreten wollte. Dies ist indes bei zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts nicht beachtlich wahrscheinlich (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 9 ZB 17.30027 – juris Rn. 4). Der Kläger hat nach seinen Angaben bis zu seiner Ausreise im Oktober 2013 – also bis kurz vor seinem 37. Geburtstag – in Freetown gelebt; in all diesen Jahren ist er nach seinem Vorbringen lediglich drei Mal aufgesucht und gefragt worden, ob er der Geheimgesellschaft beitrete. Dabei ist letztlich lediglich versucht worden, den Kläger zum Beitritt zu überreden. Zu nennenswerten Konsequenzen hat seine jeweilige Weigerung, der Gesellschaft beizutreten, nicht geführt, insbesondere nicht zu körperlichen Bedrohungen oder Angriffen. Vielmehr ist seit dem letzten Aufsuchen im Jahr 2012 bis zur Ausreise des Klägers niemand mehr bei ihm erschienen. Ein solches weiteres Aufsuchen wurde ihm, wie der Kläger auf Frage seines Bevollmächtigten ausgeführt hat, auch nicht angekündigt. Insofern ergibt sich auch keine andere Beurteilung aus den Angaben des Klägers, man müsse bis spätestens 40 Jahren der Geheimgesellschaft beitreten. Wäre ein derartiger Zwang wirklich vorhanden, hätte es nahe gelegen, dass die Bemühungen um den Beitritt des Klägers intensiver geworden wären, je näher sein 40. Geburtstag rückte. Dies ist nicht geschehen; vielmehr haben letztlich keine Besuche mehr stattgefunden. Die allgemeine Befürchtung des Klägers, man werde ihn im Auge behalten, bietet keinen zureichenden objektiven Anhaltspunkt für die Annahme, es werde – entgegen den bisherigen Vorkommnissen – dem Kläger in Zukunft nicht mehr möglich sein, einen Beitritt zu der Geheimgesellschaft erforderlichenfalls (wiederum) abzulehnen oder gar dafür, dass es nunmehr zu Verfolgungshandlungen oder der Bedrohung mit einem ernsthaften Schaden kommen würde.

Die Schilderungen des Klägers stehen im Übrigen im Einklang mit der aktuellen und nicht in Zweifel zu ziehenden Auskunftslage. So gibt es in Sierra-Leone viele Menschen, die nicht Mitglied einer Geheimgesellschaft sind. Sie können insbesondere in den größeren Städten ohne Probleme leben. (Auswärtiges Amt an VG Augsburg vom 9.1.2017). Dementsprechend konnte auch der Vater des Klägers, obwohl er sogar aus der Geheimgesellschaft austreten wollte, von mindestens 1976 (Geburtsjahr des Klägers) bis 1991 offenbar unbehelligt in Freetown leben. Dafür, dass der Tod des Vaters des Klägers etwas mit seinem Austritt zu tun haben könnte, wie vom Kläger angedeutet, bestehen keine Anhaltspunkte. Hiergegen spricht vielmehr entscheidend, dass der Vater erst 15 Jahre nach seinem Umzug nach Freetown gestorben ist. Auch der Kläger hat – nach seinen Angaben vor dem Bundesamt ist er Einzelkind und hat auch keine Verwandten – jedenfalls seit dem Tod seiner Mutter 1999 alleine und – bis auf die, jedoch unproblematisch verlaufenen, Besuche von Mitgliedern der Geheimgesellschaft – letztlich unbehelligt in Freetown gelebt. Dies gilt auch für die vom Kläger genannten „Poro-Tage“ in Freetown, denen sich die Bewohner offenkundig durch Zu-Hause-Bleiben ohne weiteres entziehen können.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich ferner, dass für den Kläger in Sierra-Leone interner Schutz gem. § 3e AsylG (bezüglich des subsidiären Schutzes i.Vm. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG) besteht. Nochmals ist insoweit auf die Auskunft des Auswärtigen Amts vom 9. Januar 2017 zu verweisen, wonach in Sierra-Leone die – vielen – Menschen, die nicht Mitglied einer Geheimgesellschaft sind, ohne Probleme insbesondere in größeren Städten leben können. Für den Kläger gilt nichts anderes. Seine Weigerung auf die Anfragen, ob er Mitglied werde, sind ohne nennenswerte Konsequenz geblieben. Der Kläger hat vor dem Bundesamt angegeben, als Hilfskraft in verschiedenen Jobs gearbeitet zu haben. Hierdurch ist es ihm nach seinen Angaben möglich gewesen, die Reise nach Deutschland – wie er angegeben hat, eine direkte Schiffsreise nach Hamburg – zu finanzieren. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger nicht in der Lage sein sollte, dieses Leben bei einer Rückkehr fortzusetzen.

Auch im Übrigen bestehen nach gegenwärtiger Auskunftslage keine stichhaltigen Gründe dafür, dass dem Kläger in Sierra Leone ein ernsthafter Schaden droht, da dort seit Ende des Bürgerkriegs im Jahre 2002 stabiler Frieden herrscht.

Hinsichtlich des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Gewährung des subsidiären Schutzes wird im Übrigen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids wird ebenfalls gem. § 77 Abs. 2 AsylG bezüglich des Nichtvorliegens von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bezug genommen; ferner wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Insbesondere folgt auch aus den schwierigen Lebensverhältnissen in Sierra Leone kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Bei den dort vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb insoweit Abschiebeschutz gem. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu gewähren wäre. Anhaltspunkte für eine extreme Gefährdungslage, bei der die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greifen würde, sind nicht erkennbar (vgl. VG München, U.v. 10.1.2017 – M 21 K 13.30391 – juris Rn. 51). In Bezug auf den Kläger gilt insoweit zudem erneut, dass er arbeitsfähig ist, er in Sierra-Leone auch gearbeitet hat und es ihm offenbar über viele Jahre möglich war, dort trotz schwieriger Lebensumstände seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Rechtsfehler des streitgegenständlichen Bescheids in Bezug auf die Abschiebungsandrohung (Nr. 5) und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Nr. 6) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf die Begründung des Bescheids wird erneut Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3c Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann


Die Verfolgung kann ausgehen von 1. dem Staat,2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließl

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Der nicht ausgewiesene Kläger ist nach e

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Tenor

I. Die Anträge der Klägerinnen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.

II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

III. Die Klägerinnen haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil ihre Anträge auf Zulassung der Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Die Anträge der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1. Dezember 2016 sind unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 AsylG nicht vorliegen.

1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerinnen beimessen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).

Die Frage, „ob allein die Tatsache, dass in dem Herkunftsland der Klägerinnen, Sierra Leone, in dem noch immer 90% der Frauen/Mädchen beschnitten werden, ausreicht, um die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Genitalverstümmelung und damit einer politischen Verfolgungsmaßnahme gem. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zu rechtfertigen“, hat mangels Klärungsbedürftigkeit ebenso wenig grundsätzliche Bedeutung, wie die Frage, „wie die Feststellung einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu erfolgen hat“.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass der Wahrscheinlichkeitsmaßstab voraussetzt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 76 = juris Rn. 32 m.w.N.). Demnach sind nicht nur die für eine Verfolgung sprechenden Tatsachen und Umstände in die Würdigung einzustellen wie hier der hohe Anteil der von einer Genitalverstümmelung betroffenen Frauen in Sierra-Leone, sondern auch solche, die in tatsächlicher Hinsicht im konkreten Einzelfall gegen eine berechtigte Furcht vor einer an das Geschlecht anknüpfenden Verfolgung sprechen.

Hiervon geht auch das Verwaltungsgericht aus. Es stellt nicht infrage oder hält es für irrelevant, dass 90% aller Frauen in Sierra-Leone von Genitalverstümmelung betroffen sind, sondern verneint „trotz einer nach wie vor hohen Beschneidungsquote“ die Wahrscheinlichkeit einer drohenden Genitalverstümmelung der Klägerin zu 2 weil die Klägerin zu 1 nach ihrer Rückkehr nach Freetown zusammen mit ihrem dort lebenden Ehemann dafür sorgen kann, dass ihre Tochter nicht beschnitten wird.

2. Die geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Wie aus dem angefochtenen Urteil hervorgeht, hat sich das Verwaltungsgericht mit der Tatsache auseinander gesetzt, dass nach Auskunftslage nach wie vor 88% der Frauen in Sierra-Leone von Genitalverstümmelung betroffen sind (S. 7 d. UA) und deshalb nach wie vor von einer hohen Beschneidungsquote in Sierra-Leone auszugehen ist (S. 10 d. UA). Es hat aber das Vorbringen der Klägerin zu 1 zur behaupteten Vorverfolgung für unglaubhaft erachtet und ist zudem zu der Bewertung gelangt, dass der Klägerin zu 2 in Freetown und mit Hilfe ihrer Eltern keine Genitalverstümmelung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen weder ausgeführt, dass Freetown frei von Genitalverstümmelung ist noch in Abrede gestellt, dass die Klägerin zu 1 dem Volk der Temne angehört; es hat vielmehr auf die Auskunftslage Bezug genommen, wonach es in Freetown traditionelle Bindungen und Zwänge der heimischen Ethnien nicht gibt. Mit der Kritik an der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (BVerfG, E.v. 19.7.1967 - 2 BvR 639/66 - BVerfGE 22, 267/273; BVerwG, B.v. 30.7.2014 - 5 B 25.14 - juris; B.v. 15.5.2014 - 9 B 14.14 - juris Rn. 8).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der nicht ausgewiesene Kläger ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Sierra Leone und reiste nach seinen Angaben auf dem Luftweg im April 2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 7. Mai 2012 einen Asylantrag stellte.

Zur Begründung trug er bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 9. August 2012 vor, seine Eltern und seine Geschwister seien während des Bürgerkrieges im Januar 1999 ums Leben gekommen. Seine Ehefrau sei am 20. Mai 2008 bei der Geburt ihres ersten Kindes verstorben. Seine Tochter lebe derzeit bei seinem Onkel und dessen Familie, bei dem auch er aufgewachsen sei und bis zu seiner Ausreise im September 2011 gelebt habe. Außer diesem Onkel wisse er von keinen Verwandten in Sierra Leone. Er habe sieben Jahre die Grundschule in Bo und vier Jahre das Gymnasium in Freetown besucht. Er habe Automechaniker gelernt und in Bo als Automechaniker gearbeitet. Seit September 2010 sei er als Fahrer für die SLPP tätig gewesen. Er sei lediglich ein Anhänger aber kein Mitglied der SLPP gewesen. Im September 2011 sei er in einem Konvoi als Fahrer für die SLPP gefahren und bei einem Angriff von Anhängern der APC verletzt worden. Er habe dann zusammen mit weiteren Personen das Bürogebäude der APC in Brand gesetzt und noch am gleichen Tag das Land verlassen. Er könne nicht nach Sierra Leone zurückkehren, da er dort keine Familie habe. Er wisse auch nicht, wo sich seine Tochter aufhalte. Zudem könne er nicht zurück, weil die APC an der Macht sei. Wegen der Tötung seiner Eltern und Geschwister habe er auch psychische Probleme. Hierzu wurden mehrere ärztliche Bescheinigungen vorgelegt.

Mit Bescheid vom 19. April 2013 (Bescheid als Einschreiben am 24.4.2013 zur Post gegeben) lehnte das Bundesamt den Antrag auf Asylanerkennung und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Nrn. 1 und 2), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) nicht vorliegen (Nr. 3), forderte den Kläger auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. im Falle einer Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte die Abschiebung nach Sierra Leone an (Nr. 4).

Zur Begründung wurde im Zusammenhang mit den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgeführt, die Voraussetzungen für nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) lägen nicht vor. Es sei lediglich ein Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung (im Folgenden: PTBS) diagnostiziert worden. Zudem fehle die für die Prüfung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 AufenthG (a.F.) erforderliche anschauliche und nachvollziehbare Beschreibung der konkreten Auswirkungen auf den Gesundheitszustand des Klägers. Zudem sei festzustellen, dass bislang offensichtlich keinerlei Behandlungen stattgefunden hätten. Im Hinblick auf die allgemeine Lage in Sierra Leone würden dem Kläger bei einer Rückkehr keine existenziellen Gefahren drohen.

Der Kläger hat durch den früheren Bevollmächtigten mit der am 6. Mai 2013 eingegangenen Klage beantragen lassen, den Bescheid des Bundesamts vom 19 April 2013 in den Nummern 2 bis 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Flüchtling anzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass beim Kläger Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (a.F.) hinsichtlich Sierra Leone vorliegen.

Zur Begründung wurde auf die bisherigen Ausführungen des Klägers Bezug genommen und unter Hinweis auf ein weiteres ärztliches Attest vom 13. Mai 2013 zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger an einer behandlungsbedürftigen PTBS leide, die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt.

Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2014 trug die jetzige Bevollmächtigte unter Bezug auf einen weiteren ärztlichen Bericht vom 27. Oktober 2014 ergänzend zu den gesundheitlichen Problemen des Klägers vor.

Mit Beschluss des damals zuständigen Einzelrichters vom 2. März 2015 wurde durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben zu folgenden Fragen:

1. Liegt beim Kläger eine PTBS oder eine andere psychische Erkrankung vor?

2. Ist die Erkrankung auf Erlebnisse des Klägers in Sierra Leone oder auf der Flucht zurückzuführen?

3. Ist die Erkrankung behandlungsbedürftig und wenn ja, in welcher Form und wie lange?

4. Welche gesundheitlichen Folgen treten ein, falls die Erkrankung nicht behandelt wird bzw. eine erforderliche Behandlung unterbrochen wird und der Kläger in das Herkunftsland Sierra Leone abgeschoben wird?

Mit der Erstattung des Gutachtens wurde das LMU Klinikum der Universität München, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, beauftragt. In dem Auftragsschreiben wurde der Gutachter zudem gebeten, für den Fall, dass er zum Ergebnis komme, dass der Kläger an einer behandlungsbedürftigen PTBS leide, näher auszuführen, auf welche konkreten (traumatisierenden) Umstände die Erkrankung des Kläger zurückzuführen sei sowie - mit Blick auf Kapitel V, Gliederung 43.1 der ICD 10, wonach die Latenz nach einem Trauma bei der PTBS grundsätzlich nur wenige Wochen bis Monate dauert - warum von einer noch behandlungsbedürftigen Erkrankung auszugehen sei, obwohl das traumatisierende Ereignis womöglich schon Jahre zurückliege.

Der beauftragte Gutachter kommt im Gutachten vom 23. November 2016 auf Grundlage einer Untersuchung des Klägers am 1. und 2. Juni 2015 zum Ergebnis, beim Kläger liege eine, auf Erlebnisse des Klägers in Sierra Leone zurückzuführende, komplexe PTBS vor, die immer wieder zu krisenhaften Einbrüchen mit akuter Suizidalität geführt habe und führe. Die Erkrankung bedürfe einer medikamentösen sowie psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlung. Es handle sich um ein schwerwiegendes Krankheitsbild mit hohem Leidensdruck. Im Falle einer Abschiebung werde mit Sicherheit ein dauerhafter Schaden für die psychische Gesundheit des Klägers entstehen und wahrscheinlich wäre zudem dessen Leben durch mögliche Suizidversuche bedroht. Aus ärztlicher Sicht solle daher die Rückkehr nach Sierra Leone vermieden werden.

Die Bevollmächtigte nahm zu dem Gutachten mit Schriftsätzen vom 7. und 20. Dezember 2016 sowie in der mündlichen Verhandlung am 9. Januar 2017 Stellung und wies ergänzend darauf hin, die bisherige medikamentöse Behandlung sei nicht ausreichend gewesen, um eine Verbesserung der Krankheit zu bewirken. Die sozialpsychiatrischen Umstände seien äußerst schlecht und es fehle auch die für eine Stabilisierung erforderliche Sicherheit, zudem sei es immer wieder zu Rückschlägen gekommen, z.B. durch die Nachricht vom Tod des Onkels des Klägers und seine Sorge um das Leben der Tochter im Zusammenhang mit der Ebola-Epidemie in Sierra Leone. Der Kläger habe auch nicht die empfohlene Psychotherapie sondern lediglich eine psychiatrisch-medikamentöse Behandlung erhalten. Eine Möglichkeit zur Psychotherapie bestehe in Sierra Leone nicht, die psychiatrische Behandlung dort sei völlig mangelhaft und es gebe weder ausreichend Medikamente noch Fachärzte für Psychiatrie. In diesem Zusammenhang wurde ergänzend auf eine Entscheidung des Bundesamts vom 1. Dezember 2016 sowie mehrere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen hingewiesen.

Die Klage wurde in der mündlichen Verhandlung auf die Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheids beschränkt und sinngemäß beantragt,

den Bescheid vom 19. April 2013 in den Ziffern 3 und 4 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte hat die Akten mit Schreiben vom 13. Mai 2013 vorgelegt und sich im Übrigen nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich des eingeholten Gutachtens sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Über die Klage ist in der Hauptsache aufgrund der Beschränkung nur noch hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 des angefochtenen Bescheids und der Verpflichtung zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu entscheiden. Die insoweit zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2013 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG) in den angefochtenen Ziffern rechtmäßig, der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).

Die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers begründen kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 23 ff.). Derartige Ausnahmegründe liegen jedenfalls nach dem Ende der Ebola-Epidemie in Sierra Leone Anfang 2016 nicht mehr vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Entsprechend der Gesetzesbegründung zu der mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. 2016 I S. 390 ff.) eingeführten Präzisierung in den Sätzen 2 bis 4 wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach Satz 1 darstellen. Eine solche schwerwiegende Erkrankung könne zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden, es sei denn, die Abschiebung führe zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung (BT-Drs. 18/7538 S. 18).

Angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes einer PTBS sowie seiner vielfältigen Symptome bedarf es bereits zur Substantiierung eines Beweisantrags und erst recht für den Nachweis einer posttraumatischen PTBS regelmäßig der Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8/07 und 10 C 1710 C 17.07 - juris jeweils Rn. 15).

Zudem müssen die Anknüpfungstatsachen einer entsprechenden qualifizierten Bescheinigung glaubhaft gemacht worden sein. Bei der Diagnoseerstellung von posttraumatischen Störungen ermöglicht die Symptomatologie des psychopathologischen Befunds generell keine Rekonstruktion der objektiven Seite der traumatisierenden Ereignisse. Dass das behauptete traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat, muss vielmehr vom Schutzsuchenden gegenüber dem Tatrichter und nicht gegenüber einem ärztlichen Gutachter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden (BayVGH, B.v. 4.11.2016 - 9 ZB 16.30468 - juris Rn. 18; B.v. 17.10.2012 - 9 ZB 10.30390 - juris Rn. 8). Insoweit obliegt es dem Kläger, die behaupteten Geschehnisse, die bei ihm eine PTBS zum Entstehen gebracht haben sollen, jedenfalls in Grundzügen unter Angabe von Einzelheiten schlüssig und widerspruchsfrei zu schildern (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 a.a.O. - juris Rn. 23; B.v. 17.10.2012 a.a.O. - juris Rn. 8). Werden im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben gemacht, die auch unter Berücksichtigung von Erinnerungsproblemen traumatisierter Personen nicht nachvollziehbar sind, enthält das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche, erscheinen die Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar oder wird das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne ausreichende Begründung erweitert oder gesteigert, insbesondere wenn Tatsachen, die für das geltend gemachte Abschiebungsverbot ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren eingeführt werden, so kann den Aussagen in der Regel kein Glauben geschenkt werden.

Entsprechend diesem Maßstab liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nicht vor.

Zwar entspricht das eingeholte Gutachten weitgehend den Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung einer PTBS. Die vom Gutachter gezogenen Schlussfolgerungen beruhen allerdings auf unglaubhaften Angaben des Klägers und sind daher mangels ausreichender Anknüpfungstatsachen nicht tragfähig. Vor diesem Hintergrund ist das Gutachten nicht geeignet, den Nachweis einer PTBS zu erbringen.

Der Gutachter ist in Übereinstimmung mit den einschlägigen Kriterien für eine PTBS vom Erfordernis eines traumatisierenden Ereignisses mit entsprechender Schwere ausgegangen (vgl. die vom Gutachter zugrunde gelegten Kriterien nach Maßgabe der DSM-V der American Psychiatric Association, ebenso die Kriterien nach Maßgabe der internationalen Klassifikation ICD-10: F 43.1).

Als entsprechendes traumatisierendes Ereignis hat der Gutachter die Entdeckung der ermordeten Eltern und Geschwister durch den Kläger zu Grunde gelegt. Zudem werden eine zweiwöchige Gefangennahme des Klägers in der Folge sowie der Tod der Frau des Klägers bei der Geburt der Tochter herangezogen (Gutachten, S.29/30 und S. 39).

Das Gericht hält demgegenüber die Angaben des Klägers zu zentralen Punkten der behaupteten traumaauslösenden Ereignisse, insbesondere zur Entdeckung seiner ermordeten Eltern und Geschwister sowie zu einer Gefangennahme für unglaubhaft und den Kläger im Übrigen insgesamt für unglaubwürdig. Damit fehlt es an einer ausreichenden Grundlage für die Schlussfolgerungen des Gutachters hinsichtlich einer PTBS.

Das Gericht nimmt dem Kläger bereits nicht ab, dass er im Zeitpunkt der Ermordung seiner Familie - nach Angaben des Klägers am 6. Januar 1999 - in Bo war. Die betreffenden Aussagen stehen in unauflösbarem Widerspruch zu den Aussagen im Zusammenhang mit dem schulischen Werdegang vor dem Bundesamt. Der Kläger hat die Richtigkeit seiner Angaben vor dem Bundesamt - auch die Angaben zum persönlichen Lebenshintergrund wie Schulbildung, Wohnort, Eltern/Verwandte - auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nochmals ausdrücklich bestätigt.

Laut seiner Aussage beim Bundesamt ging der Kläger sieben Jahre in die Grundschule in BO und besuchte anschließend für vier Jahre das Gymnasium in Freetown. Er sei in dieser Zeit manchmal auch in Bo gewesen, z.B. in den Ferien, aber ansonsten in Freetown zur Schule gegangen. Nach den vier Jahren Gymnasium sei er dann wieder nach Bo zurückgegangen. In zeitlicher Hinsicht hat der Kläger die entsprechende Aussage in der mündlichen Verhandlung konkretisiert und mitgeteilt, er habe die Grundschule von 1991 bis 1998 besucht und im Anschluss drei Jahre die Secondary/High School. Beim Gutachter gab der Kläger dagegen an, er habe die Grundschule für sechs Jahre und anschließend die Secondary School bis zum dritten Jahr besucht. Unabhängig davon, welchen der Angaben des Klägers in zeitlicher Hinsicht Glauben geschenkt werden kann, befand er sich im Jahr 1999 auf der Secondary School in Freetown. Die Aussage des Klägers, er habe am Tag der Ermordung seiner Eltern nach der Schule einen Klassenkameraden besucht, sich zwischen 17 Uhr und 18 Uhr auf den Heimweg gemacht, um pünktlich zum Abendessen erscheinen zu können und dann seine ermordete Familie entdeckt, steht hierzu in nicht auflösbarem Widerspruch.

Die Angaben zum Ablauf der Schulausbildung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung durch eine weitere Version ergänzt, die nicht geeignet ist, die aufgetretenen Widersprüche zu erklären. Die Glaubhaftigkeit dieser geänderten Darstellung ist bereits dadurch gemindert, dass sie erst in der mündlichen Verhandlung und auf entsprechende Nachfrage erfolgt ist. Zudem ist auch diese Darstellung durch Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten gekennzeichnet. Danach will der Kläger die Secondary School zunächst für ein Jahr in BO und dann für zwei weitere Jahre bei seinem Onkel in Freetown besucht haben. Er habe dann die Schule abbrechen müssen, weil das Geld seines Onkels nicht mehr gereicht habe. Diese Aussage steht in Widerspruch zu der Behauptung des Klägers vor dem Gutachter, er sei nach der Ermordung seiner Eltern bei seinem Onkel (dem nach seinen Angaben zusammen mit seiner Tochter einzigen ihm bekannten Verwandten in Sierra Leone) in einer kleinen Stadt außerhalb von BO untergekommen, habe dort in bescheidenen Verhältnissen leben und auf einen Schulbesuch verzichten müssen. Die Einlassung des Klägers auf den entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung, er könne sich im Hinblick auf die vergangene Zeit nicht mehr so genau erinnern, sowie der Hinweis auf seine gesundheitlichen Probleme, aufgrund der er Erinnerungsprobleme habe, stellt eine Schutzbehauptung dar. Unabhängig davon, dass auch die Umstände im Zusammenhang mit einer PTBS zumindest in den Grundzügen widerspruchsfrei und schlüssig darzustellen sind, hat der Gutachter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Kläger zum Untersuchungszeitpunkt keine Unfähigkeit vorliege, einen wichtigen Aspekt des Traumas zu erinnern (Gutachten, S. 30).

Auch im Übrigen sind die Angaben des Klägers zur Entdeckung der Ermordung seiner Familie durch Steigerungen, Widersprüchlichkeiten und Unsicherheit des Klägers gekennzeichnet, die bei einer Schilderung von selbst erlebten Geschehnissen so nicht aufgetreten wären.

Vor dem Bundesamt waren die Angaben des Klägers zur Ermordung der Eltern trotz ausdrücklicher Nachfrage zu den Hintergründen seiner psychiatrischen Behandlung noch extrem vage. Er teilte hierzu zunächst mit, er sei dabei gewesen als seine Familie getötet worden sei, berichtigte sich daraufhin dahin, er sei nicht dabei gewesen, als das passiert sei, er sei bei einem Freund gewesen. Hinsichtlich der zeitlichen Einordnung beließ es der Kläger bei der Angabe, seine Eltern seien während des Bürgerkriegs im Januar 1999 verstorben. Von der persönlichen Entdeckung der ermordeten Familie berichtete er nicht.

Auch in den Angaben des Klägers im Rahmen der biographischen Anamnese im Entlassbericht des KBO Isar-Amper-Klinikum vom 6. August 2012 wird die Ermordung von Familienangehörigen lediglich auf das Jahr 1999 eingegrenzt, zudem ist dort lediglich von der Ermordung des Vaters des Klägers die Rede. Eine Entdeckung der ermordeten Familienangehörigen durch den Kläger persönlich ist auch dort nicht erwähnt.

Erstmals bei der Untersuchung vor dem Gutachter hat der Kläger dann behauptet, die Ermordung seiner Familie selbst entdeckt zu haben. Als maßgebliches Datum ist in dem Gutachten an zwei Stellen der 6. Januar 1996 vermerkt. Unabhängig davon, ob der Kläger dieses erkennbar falsche Datum gegenüber dem Gutachter tatsächlich angegeben hat oder hier ein Schreibfehler oder ein Missverständnis ursächlich war, erweckt die durch Unsicherheit gekennzeichnete Reaktion des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf die entsprechende Nachfragen und Vorhalte zu den zeitlichen Angaben den Eindruck, dass der Kläger nicht über selbst Erlebtes berichten konnte. Er unternahm nicht den Versuch, die zeitlichen Angaben plausibel zu machen, sondern relativierte diese dahin, er glaube lediglich, das genaue Datum des Angriffs sei der 6. Januar 1999 gewesen - genau erinnern könne er sich nicht mehr - und berief sich auch bei diesem Punkt auf Erinnerungsprobleme.

Die Schilderung des Klägers zur Entdeckung der Ermordung seiner Familie ist im Übrigen realitätsfremd und lässt darauf schließen, dass der Kläger dem Gutachter sowie dem Gericht auf der Grundlage tatsächlicher Geschehnisse im Bürgerkrieg in Sierra Leone (vgl. zu den Angriffen im Januar 1999 z.B. truth and reconciliation Commission of Sierra Leone - final report, Volume 3a, chapter 3, S. 150 ff.) eine in weiten Teilen frei erfundene Geschichte präsentiert hat. Dem Kläger kann nicht abgenommen werden, er sei am 6. Januar 1999, einem Tag, an dem in Sierra Leone ein groß angelegter Angriff von Rebellen mit Massakern an der Bevölkerung stattfand, regulär zur Schule und dann zu einem Freund gegangen und habe erst auf dem Nachhauseweg festgestellt, dass seine Familie sowie eine Vielzahl von Personen in der Umgebung Opfer von Massakern geworden seien. Das wird durch die Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung zur Situation im zeitlichen Umfeld eher noch bestätigt. Danach habe man die Schule manchmal nicht besuchen können, wenn die Lage unsicher gewesen sei. Gegenüber dem Gutachter gab der Kläger zudem an, sein Vater habe ihn und seine Brüder im Vorfeld mehrmals ermahnt, vorsichtig zu sein. Es habe in den Monaten vor der Ermordung seiner Eltern eine immer stärker werdende Bedrohungslage gegeben. Sein Vater habe von den Kindern verlangt, gemeinsam und unverzüglich nach der Schule nach Hause zu gehen.

Dem Kläger kann auch nicht sein Vortrag zu einer zweiwöchigen Gefangennahme mit Misshandlungen abgenommen werden. Der entsprechende Vortrag vor dem Gutachter ist völlig unsubstantiiert und findet in der Anhörung des Klägers vor dem Bundesamt nicht einmal ansatzweise eine Entsprechung. Der Kläger hat hierzu auch in der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen. Die entsprechenden Angaben gegenüber dem Gutachter stehen zudem in Widerspruch zu den Ausführungen des Klägers gegenüber dem Gutachter, er habe nach dem Angriff auf seine Familie die ersten Tage bei der Familie seines Freundes übernachtet und sei dann von seinem Onkel gefunden und aufgenommen worden.

Auch der Vortrag des Klägers zu weiteren Geschehnissen in seinem Heimatland lässt darauf schließen, dass er - soweit ihm dies im Zusammenhang mit Abschiebungsverboten und der geltend gemachten PTBS günstig erscheint - die Unwahrheit sagt bzw. Begebenheiten verfälscht darstellt. So machte der Kläger bereits vor dem Bundesamt widersprüchliche Angaben über den Verbleib bzw. seine Kenntnis über den Verbleib seiner Tochter. Gegenüber dem Gutachter trug er dann vor, er habe den Beginn der Ebola-Epidemie im Oktober 2014 voller Sorge verfolgt und über seine Facebook-Kontakte erfahren, dass sein Onkel an Ebola verstorben und seine Tochter mit einer Ebola-Infektion in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei. Weitere Informationen habe er nicht erhalten, im Moment habe er seinen Facebook-Account nicht mehr besucht, aus lauter Angst vor schlechteren Nachrichten. Der Tod seines Onkels lasse ihn sehr verzweifeln. Die Ungewissheit über den Verbleib seiner Tochter raube ihm den Verstand. In der mündlichen Verhandlung auf den Verbleib der Tochter angesprochen behauptete der Kläger, hierüber immer noch nichts zu wissen, reagierte auf den Vorhalt der von ihm gegenüber dem Gutachter selbst angegebenen Möglichkeit einer Erkundigung über Facebook-Kontakte zunächst mit Unwissen und ließ sich dann auf die - von der Version gegenüber dem Gutachter abweichende und im Hinblick auf den geschilderten Leidensdruck wegen der Unsicherheit über den Verbleib der Tochter - völlig unglaubhafte Aussage ein, er habe von Erkundigungen abgesehen, da er den Kontakt zu seinen damaligen Freunden bei Facebook nicht mehr habe.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass (1) auch wenn man dem Vorbringen des Klägers zu den traumaauslösenden Ereignissen in den Grundzügen Glauben schenken würde und von der im Gutachten diagnostizierten PTBS ausgehen würde, ein Abschiebungsverbot unter Zugrundelegung des Maßstabs von § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG nicht vorläge und im Übrigen (2) das Gutachten im Zusammenhang mit dem Kriterium der zeitlichen Latenz zwischen Trauma und Auftreten von Symptomen nicht die Anforderungen für den Nachweis einer PTBS erfüllt und jedenfalls ohne Ergänzung durch den Gutachter für den Nachweis einer PTBS nicht zu Grunde gelegt werden könnte.

(1) Im Hinblick auf die Regelungen in § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG läge selbst dann kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, wenn man dem Vorbringen des Klägers zu den traumaauslösenden Ereignissen und den geschilderten Beschwerden in den Grundzügen Glauben schenken und von den gestellten Diagnosen des Gutachtens ausgehen würde. Eine PTBS stellt im Hinblick auf die Regelungen in § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG für sich gesehen keine lebensbedrohliche oder ähnlich schwerwiegende Erkrankung dar, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründet. Eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung liegt laut Gutachten nicht vor. Damit ist auch im Falle einer Rückkehr nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Die entsprechenden Aussagen im Gutachten differenzieren insofern nicht ausreichend zwischen inlandsbezogenen und den hier maßgeblichen zielstaatsbezogenen Umständen und beruhen im Übrigen im Hinblick auf die Situation in Sierra Leone auf unzureichenden Anknüpfungstatsachen. Eine ärztlichen Bescheinigung, der nicht zu entnehmen ist, wie sie zur prognostischen Diagnose kommt und welche Tatsachen dieser zugrunde liegen, ist nicht geeignet, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots zu begründen (vgl. zu Abschiebungsverboten wegen Reiseunfähigkeit BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 8.2.2012 - 2 M 29/12 - juris Rn. 11 ff.). Entsprechendes gilt, wenn die zu Grunde gelegten Tatsachen in wesentlichen Bereichen unzutreffend sind. Insofern obliegt auch in diesem Zusammenhang die Feststellung der für die ärztliche Bewertung zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen ausschließlich dem Tatrichter. Eine nach dem Gutachten erforderliche Fortsetzung der medikamentösen Behandlung mit Antidepressiva ist auch in Sierra Leone gewährleistet.

Anhaltspunkte für existenzielle Krisen bis hin zur Suizidalität bestehen nach der Entlassung des Klägers aus dem KBO Isar-Amper-Klinikum im Jahr 2012 - mit Ausnahme der aufgetretenen Krisen Ende 2014 im Zusammenhang mit der zwischenzeitlich beendeten Ebola-Epidemie in Sierra Leone und der Trauer bzw. Sorge um Angehörige - nicht. Der Zustand des Klägers war nach dem Gutachten im Untersuchungszeitpunkt nicht akut lebensbedrohlich, obwohl der Kläger weiterhin nur medikamentös ausreichend behandelt wird, sozialpsychiatrisch unzureichend versorgt ist und eine Traumatherapie weder im Untersuchungszeitpunkt noch bis zur mündlichen Verhandlung aufgenommen hat. Der Kläger sei von akuter Suizidalität distanziert, auch eine Fremdgefährdung bestehe nicht (vgl. Gutachten, S. 24). Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Verschlechterung ergeben sich - auch unter Berücksichtigung des aktuellen Attests des behandelnden Arztes vom 19. Dezember 2016 - nicht.

Die Aussagen im Gutachten lassen auch nicht darauf schließen, dass im Falle einer Abschiebung zielstaatsbezogene Umstände zu einer wesentlichen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Klägers mit lebensbedrohlichen oder ähnlich schwerwiegenden, d.h. existenziell bedrohlichen Krankheitsfolgen führen würden. Der Gutachter führt hierzu aus, eine Rückkehr in das vorherige Umfeld der erlebten Bedrohung sei für alle Menschen eine extreme Belastung. Insofern würde eine Rückkehr ins Umfeld, in dem der Kläger aufgewachsen sei, zu einer erheblichen Verschlechterung führen. Die ständige Angst vor der Abschiebung nach Sierra Leone, das für den Kläger eine ständige Ausnahmesituation und einen hohen Stressfaktor berge, bedeute einen dramatischen Leidensdruck. Im Falle einer Abschiebung würde mit Sicherheit ein dauerhafter Schaden für die psychische Gesundheit des Klägers entstehen und wahrscheinlich wäre zudem sein Leben durch mögliche Suizidversuche bedroht. Aus ärztlicher Sicht solle daher die Rückkehr nach Sierra Leone vermieden werden. Diese Aussagen zielen im Schwerpunkt auf - hier nicht maßgebliche - inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Furcht und Unsicherheit im Vorfeld einer Abschiebung bzw. Umständen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Abschiebung (Reisefähigkeit) ab, denen im Übrigen durch entsprechende Vorbereitung und Ausgestaltung der Abschiebung begegnet werden kann. Hinsichtlich der zielstaatsbezogenen Umstände verbleibt es bei dem allgemeinen Hinweis auf die Belastung traumatisierter Personen durch eine Rückkehr in das Umfeld der Traumatisierung. Insofern ist aber neben dem langen Zeitablauf seit den geltend gemachten traumaauslösenden Ereignissen zu berücksichtigen, dass sich die Situation in Sierra Leone zwischenzeitlich grundlegend verändert hat, ein Großteil der Flüchtlinge des Bürgerkriegs in ihr Heimatland zurückgekehrt sind und auch die Bekämpfung der Straflosigkeit für während des Bürgerkriegs begangene schwere Menschenrechtsverstöße Fortschritte macht. Insoweit wird zunächst auf die ausführlichen Darstellungen zur allgemeinen Lage in Sierra Leone in der Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend auf Folgendes hingewiesen: Nach Beendigung des elfjährigen Bürgerkrieges im Jahre 2002 kehrt Sierra Leone immer mehr zu friedlichen und geordneten politischen Verhältnissen zurück. Die während des Bürgerkriegs begangenen Verbrechen werden umfassend ermittelt und aufgearbeitet (vgl. Truth & Reconciliation Commission of Sierra Leone, final report, Vol 3a, Chapter 3, The Military an Political History of the Conflict). Auf Grundlage einer Vereinbarung mit den Vereinten Nationen wurde ein Sondergerichtshof für Sierra Leone eingerichtet, (Special Court for Sierra Leone - SCSL), der für eine juristische Aufarbeitung sorgt, vor dem bereits eine Vielzahl von Prozessen stattgefunden hat und durch den u.a. der ehemalige liberianische Staatspräsident Charles Taylor wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt wurde (vgl. AI - Amnesty Report 2013 Sierra Leone; U.S. Department of State - Sierra Leone Country Report on Human Rights Practices 2006; Wikipedia - https: …de.wikipedia.org/wiki/Sierra_Leone und https: …en.wikipedia.org/wiki/Charles_Taylor_(Liberian_politician) - zitiert jeweils nach Stand 19.1.2017).

Ein von der UNHCR initiiertes Repatriierungsprogramm für Bürgerkriegsflüchtlinge wurde im Juli 2004 abgeschlossen und ein Großteil der Flüchtlinge ist in ihre Heimat zurückgekehrt. Am 23. Juni 2006 wurde Sierra Leone als eines der ersten Länder vom UN-Sicherheitsrat auf die Agenda der 2005 ins Leben gerufenen Peacebuilding Commission (PBC) gesetzt. Nach Aussage des früheren UN-Generalsekretärs Ban Ki-Moon am 14. Juni 2010 in Freetown repräsentiert Sierra Leone einen der erfolgreichsten Fälle für Wiederaufbau, Friedenswahrung und Friedensaufbau nach einem Konflikt (Wikipedia - https: …de.wikipedia.org/wiki/Sierra_Leone - zitiert nach Stand 19.1.2017).

Ob eine Rückkehr traumatisierter Personen aus Krisenregionen trotz Aufarbeitung straffrei begangener Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen im Herkunftsland mit einer nicht hinnehmbaren Gefahr einer Retraumatisierung verbunden ist, hängt von den - einer ärztlichen Bescheinigung zu Grunde zu legenden - Einzelumständen, einerseits Art und Umfang einer erfolgten Aufarbeitung der Krise im Herkunftsstaat und andererseits von Art, Dauer und Intensität des erlittenen Traumas ab. Das Gutachten geht hierauf nicht ein. Die Bescheinigung des behandelnden Arztes vom 19. Dezember 2016 greift diesen Gesichtspunkt zwar ansatzweise auf, der hier gezogene Vergleich mit der Situation von Juden, die nach ihrer Befreiung aus Konzentrationslagern auch nach Ende des dritten Reichs und der Aufarbeitung der begangenen Verbrechen nicht mehr nach Deutschland einreisen konnten, liegt im Hinblick auf den maßgeblichen Vortrag des Klägers zu Art und Intensität der erlebten Traumen aber erkennbar neben der Sache.

Im Hinblick auf die Behandlungsmöglichkeiten in Sierra Leone geht das Gericht davon aus, dass eine ausreichende therapeutische und psychiatrische Behandlung dort nicht sichergestellt ist und damit eine ausreichende Behandlung einer PTBS nicht möglich ist. Hierauf kommt es aber im Hinblick auf die Regelungen in § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG gerade nicht an. Maßgeblich ist vielmehr, dass eine ausreichende medikamentöse Versorgung mit Antidepressiva auch in Sierra Leone gewährleistet und damit eine lebensbedrohliche oder existenziell bedrohliche Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands des Klägers nach einer Rückkehr nicht wahrscheinlich ist. Entsprechend der Auskunftslage ist davon auszugehen, dass eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva auch in Sierra Leone erfolgen kann (vgl. Auskunft AA an VG Aachen vom 21.2.2007). Anhaltspunkte, dass sich hieran etwas geändert haben könnte, sind nicht substantiiert vorgetragen und - nach dem Ende der Ebola-Epidemie Anfang 2016 - jedenfalls im Hinblick auf große Städte wie Freetown nicht naheliegend. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Klägerseite vorgelegten Entscheidungen des Bundesamts vom 1. Dezember 2016 sowie den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten bzw. in Bezug genommenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. Dabei handelt es sich nur teilweise um Entscheidungen zu Sierra Leone. Bei den entsprechenden Entscheidungen standen im Mittelpunkt die therapeutischen und psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten. Soweit dort auch Fragen zur medikamentösen Versorgungslage angesprochen sind, handelt es sich um Fragen der individuellen Verfügbarkeit. Insoweit besteht im Hinblick auf die langjährige Tätigkeit des Klägers als KFZ-Mechaniker bis zu seiner Ausreise aus Sierra Leone kein Anlass zur Annahme, er sei nach einer Rückkehr dauerhaft nicht in der Lage, einen ausreichenden Unterhalt, der auch eine medikamentöse Behandlung einschließt, zu erzielen. Eine Ergänzung des Gutachtens im Hinblick auf diese Punkte war auf Grund der fehlenden Entscheidungsrelevanz (mangelnde Glaubhaftigkeit der Schilderung des Klägers) nicht veranlasst.

(2) Hinsichtlich des Kriteriums der zeitlichen Latenz beruhen die Bewertungen des Gutachtens auf einer Verkennung der Anforderungen eines Vollbeweises für sämtliche Kriterien einer PTBS nach Maßgabe der allgemeinen Beweisregeln. Demnach ist für sämtliche Kriterien ein Nachweis mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nötig. Zweifel gehen entsprechend den allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten des Asylbewerbers. Der Gutachter weist im Zusammenhang mit Kapitel V, Gliederung 43.1 ICD 10, wonach die Latenz nach einem Trauma bei der PTBS grundsätzlich nur wenige Wochen bis Monate dauert, darauf hin, die Verlaufsdynamik der PTBS sei aufgrund der komplexen Psychopathologie sehr variabel. Die von ihm gemachten statistischen Angaben - Symptome bei 42% der Betroffenen 9 Monate nach dem Trauma, bei 15 bis 25% persistierend über Jahre und bei einem Drittel der Patienten chronischer Verlauf mit einer mittleren Revisionszeit von 3 Jahren - lassen die Diagnose PTBS beim Kläger zwar als möglich, nicht jedoch als wahrscheinlich oder nahezu sicher erscheinen. Der Gutachter hat keine Feststellungen getroffen, die eine Zuordnung der Symptome des Klägers zu einer chronisch oder sonst atypisch verlaufenden PTBS trotz der erheblichen zeitlichen Latenz mit an Sicherheit grenzender oder zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit ermöglichen würde. Insbesondere fehlt es an einer Würdigung und Gewichtung von Symptomen vor der Ausreise des Klägers aus Sierra Leone - dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Schwere der Symptome dort offenbar weit hinter der in Deutschland beobachteten Schwere mit krisenhaften Einbrüchen bis hin zu akuter Suizidalität zurückblieb. Der Kläger führte in Sierra Leone nach seinen Angaben trotz erheblicher Belastungen durch den Tod seiner Familie ein weitgehend normales Leben, ging einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen einer - zusammen mit Freunden betriebenen - KFZ-Werkstatt nach und war auch in der Lage, familiäre Bindungen einzugehen. Er war auch nach dem Tod seiner Frau bei der Geburt des Kindes in der Lage, einem geregelten Leben und einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Eine Ergänzung des Gutachtens im Hinblick auf diese Punkte war auf Grund der fehlenden Entscheidungsrelevanz (mangelnde Glaubhaftigkeit der Schilderung des Klägers) nicht veranlasst.

Abgesehen von der geltend gemachten PTBS liegen keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen bzw. im Hinblick auf qualifizierte ärztliche Bescheinigungen Anlass für eine weitere Sachverhaltsermittlung bieten. Im Hinblick auf die von Klägerseite angeführte Anorexia nervosa (Magersucht) ergeben sich aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen keine Anhaltspunkte für eine lebensgefährliche oder vergleichbar schwerwiegende Erkrankung.

Schließlich folgt auch aus den schwierigen Lebensverhältnissen in Sierra Leone kein Abschiebungsverbot aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Bei den dort vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Anhaltspunkte für eine extreme Gefährdungslage bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG ausnahmsweise nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 - 9 C 9/95 - juris LS 3 und Rn. 14; BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15/12 - juris Rn. 38), sind nicht erkennbar.

Nachdem auch die nach Maßgabe von § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden ist, war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung: § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.