Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 27. Jan. 2016 - Au 4 S 16.50004

bei uns veröffentlicht am27.01.2016

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der 1988 in Damaskus geborene, ledige Antragsteller (ungeklärte Staatsangehörigkeit, nach eigenen Angaben palästinensischer Volkszugehörigkeit) begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn und beantragt hierzu die Abänderung eines im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen ablehnenden gerichtlichen Beschlusses.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2015, dem Antragsteller nach seinen Angaben zugestellt am 30. Juni 2015, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an. Am 13. Juli 2015 ließ der Antragsteller hiergegen Klage erheben (Au 4 K 15.50367). Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den 19. Februar 2016 anberaumt.

Bereits am 7. Juli 2015 hatte der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen (Au 4 S 15.50360). Mit Beschluss vom 17. Juli 2015 lehnte das Verwaltungsgericht Augsburg diesen Antrag ab.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20. Januar 2016 beantragte der Antragsteller gem. § 80 Abs. 7 VwGO,

den Beschluss vom 17.7.2015 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23.6.2015 anzuordnen.

Zur Begründung verwies der Antragsteller auf die Entwicklung in Ungarn in den letzten Monaten. Ungarn habe einen Zaun an der Grenze zu Serbien errichtet, um Schutzsuchende zu veranlassen, die serbischungarische Grenze nur an den Grenzübergängen zu überschreiten. Die ungarische Bevölkerung sei den Schutzsuchenden überwiegend ablehnend eingestellt. Die ungarische Regierung habe offen erklärt, dass weitere Flüchtlinge nicht aufgenommen würden. Sie sehe die Flüchtlinge ausdrücklich als Gefahr an. Die Europäische Kommission habe zwei Vertragsverletzungsverfahren wegen ausstehender Berichte zur Einhaltung von Asylverfahrensbestimmungen und zur Einhaltung des Standards der Aufnahmebedingungen anerkannter Flüchtlinge eingeleitet. Ungarn habe mit Wirkung vom 1. August 2015 seine Rechtsgrundlagen in Asylsachen in erheblichem Umfang geändert. Danach werde auch bei Beitrittskandidaten der Europäischen Union - wie Serbien - nicht mehr geprüft, ob die als sichere Drittstaaten angesehenen Staaten, wie etwa Griechenland, ihrerseits in den Verfolgerstaat abschöben. Zahlreiche Beschleunigungs- und Darlegungspflichten seien eingeführt bzw. verschärft worden. Zudem werde seit 1. Juli 2015 Asylhaft gegen Asylsuchende insbesondere verhängt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass der Antragsteller das Asylverfahren verzögern oder sich diesem entziehen wird, wobei die Haft für die Dauer des gesamten Asylverfahrens aufrechterhalten bleibe. All dies sei Folge des massiven Kapazitätsproblems aufgrund der enormen Zunahme der Flüchtlingszahlen in Ungarn bei einer nur geringen Zahl von Aufnahmeplätzen. Aufgrund der aktuellen Rechtslage gingen daher die Verwaltungsgerichte zunehmend davon aus, dass in Ungarn systemische Mängel angenommen werden müssten. Zudem fänden wohl auf Bitten Ungarns überhaupt keine Rückstellungen von Deutschland aus statt, so dass die Abschiebung tatsächlich nicht durchgeführt werden könne und die angefochtene Abschiebungsanordnung rechtswidrig sei.

Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 25. Januar 2016 erneut die einschlägigen Akten vor, äußert sich aber auch im vorliegenden Verfahren nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Akten des Bundesamts Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Die vom Antragsteller begehrte Abänderung des Beschlusses vom 17. Juli 2015 kommt gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nur bei veränderten oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachten Umständen in Betracht.

Veränderte Umstände, die entgegen dem Beschluss vom 17. Juli 2015 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage rechtfertigen würden, liegen jedoch nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann der Asylbewerber der Überstellung in den nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Mitgliedstaats nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat entgegentreten (EuGH, U.v. 10.12.2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 - Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung zugrunde. Dies setzt voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechte-Charta (GR-Charta) bzw. Art. 3 EMRK kommen kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 1677 - juris Rn. 5 f.).

Mit zahlreichen anderen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen ist jedoch davon auszugehen, dass auch angesichts der vom Antragsteller geschilderten Entwicklungen in Ungarn in den letzten Monaten nicht die Schwelle erreicht oder überschritten ist, die zur Annahme systemischer Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bzw. systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO führen müssten (vgl. VG Augsburg, U.v. 14.1.2016 - Au 5 K 15.50489 - Rn. 44 ff.; VG Augsburg, B.v. 11.12.2015 - Au 4 S 15.50482 - Rn. 11 ff.; VG Dresden, B.v. 30.12.2015 - 2 L 1378/15.A - juris Rn. 10 f.; VG Ansbach, U.v. 21.12.2015 - AN 3 K 15.50498; VG Bayreuth, B.v. 18.11.2015 - B 3 S 15.50292 - juris Rn. 24 ff.; VG München, B.v. 10.11.2015 - M 1 S 15.50687 - juris Rn. 12 ff.). Das Gericht ist nicht der erforderlichen Überzeugungsgewissheit (§ 108 VwGO), dass die dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde liegende Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat stehe in Einklang mit den Erfordernissen der GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 1677 - juris Rn. 5 unter Verweis auf EuGH - U.v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u. a. - Slg. 2011, I-13905 - Rn. 78 f), widerlegt ist.

Im Einzelnen gilt hinsichtlich der vom Antragsteller als verändert geltend gemachten Umstände folgendes:

Der von Ungarn an der Grenze zu Serbien errichtete Zaun betrifft den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer nicht.

Soweit sich der Antragsteller auf Berichte bezieht, die vor dem streitgegenständlichen Beschluss vom 17. Juli 2015 veröffentlicht wurden (Süddeutsche Zeitung vom 24.6.2015; Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen [EASO] vom Mai 2015) können diese nachträglich veränderte Umstände von vornherein nicht begründen. Im Übrigen hat Ungarn die in den Medien als Außer-Kraft-Setzung der Dublin-Regelungen interpretierte Ankündigung vom 23. Juni 2015 bereits am Folgetag revidiert (vgl. z. B. http://www.sueddeutsche.de/politik/nachkritikausbruesselungarnrudertbeiaufnahmestoppfuerasylsuchendezurueck-1.2536039; darauf abstellend z. B. VG München, B. v. 3.7.2015 - 1 S7 15.50582, veröffentlicht unter bayern.recht).

Im Übrigen ist insoweit ferner zu beachten, dass die derzeitige Diskussion in Deutschland und EU-weit über die Aufnahme von Flüchtlingen bekanntlich immer wieder zu pointierten, überspitzten oder gar drastischen politischen Stellungnahmen führt, wie sie der Antragsteller etwa mit Äußerungen des ungarischen Ministerpräsidenten in der FAZ und im Handelsblatt vom September und Oktober 2015 anführt. Aus derartigen Äußerungen im politischen Diskurs systemische Mängel abzuleiten, erscheint nicht sachgerecht, weil anderenfalls der Vollzug der Regelungen der Dublin III-Verordnung von der Tagespolitik abhängig und damit gleichsam beliebig würde, weil sich ferner auf diese Weise einzelne EU-Mitgliedstaaten durch schlichte Verlautbarungen ihrer Pflichten aus der Dublin III-Verordnung entziehen könnten (anstatt ihre Einwendungen, wie geboten, ggfs. auf EU-Ebene einzubringen, etwa in einen Änderungs-Rechtsetzungsprozess) und weil systemische Mängel gerade nicht einzelne Defizite, sondern größere Funktionsstörungen voraussetzen. Auf seiner Tagung am 17./18. Dezember 2015 hat sich der Europäische Rat - der sich u. a. aus den Staats- und Regierungschefs zusammensetzt (Art. 15 Abs. 2 EUV) - im Übrigen dazu bekannt, dass die geltenden Vorschriften des Dublin-Systems eingehalten werden müssen, bis die Europäische Kommission in nächster Zeit Vorschläge zur Überprüfung des Dublin-Systems vorlegt (vgl. die Schlussfolgerungen der Tagung, Nr. I.2, abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/de/press/pressreleases/2015/12/18-eucoconclusions/). Diese Verpflichtung hat auch Ungarn mitgetragen, nachdem der Europäische Rat aus Rechtsgründen in der Regel (Art. 15 Abs. 4 EUV) und, wie dem Gericht bekannt ist, in der Praxis stets im Konsens beschließt.

Für die von Antragsteller angeführte Einstellung der ungarischen Bevölkerung gegenüber Flüchtlingen gilt ähnliches. Es liegt auf der Hand, dass die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats für die Bearbeitung von Asylanträgen rechtlich nicht von der - wie auch immer zu erfassenden - „Stimmung“ oder „Einstellung“ in diesem Land abhängen kann.

Hinsichtlich der kürzlich verabschiedeten ungarischen Asylrechtsvorschriften trifft es zwar zu, dass die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 254 AEUV) gegen Ungarn eingeleitet hat. Ausweislich einer Pressemitteilung der Kommission vom 12. Dezember 2015 (http://europa.eu/rapid/pressrelease_IP-15-6228_de.htm) stehen aber - lediglich - einige der ungarischen Asylrechtsvorschriften nicht mit dem EU-Recht (insbesondere mit der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie [Richtlinie 2013/32/EU] und mit der Richtlinie über das Recht auf Dolmetschleistungen und Übersetzungen in Strafverfahren [Richtlinie 2010/64/EU] sowie Art. 47 der EU-GR-Charta) im Einklang. Damit geht aber offenbar auch die Europäische Kommission nicht davon aus, dass die Rechtslage und die Vollzugspraxis in Ungarn - gleichsam insgesamt - systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung mit der Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EU-GR-Charta begründen.

Daneben bedeutet die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission nicht, dass auch tatsächlich ein Verstoß gegen EU-Recht vorliegt. Eine solche Verletzung kann ausschließlich der Europäische Gerichtshof feststellen (vgl. Art. 260 Abs. 1 und Abs. 2 AEUV). Ist aber nicht einmal durch den nach dem EU-Primärrecht zuständigen Gerichtshof entschieden, dass die durch Ungarn geschaffene Rechtslage eine Verletzung von EU-Recht darstellt, so kann nicht aus dieser innerstaatlichen Rechtslage - im Vorgriff auf eine eventuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs - auf systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung geschlossen werden. Selbst wenn sich im Übrigen aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs herausstellen sollte, dass die ungarische Gesetzgebung und Vollzugspraxis nicht (vollständig) mit dem maßgeblichen EU-Primär- und Sekundärrecht in Einklang steht, würde daraus nicht automatisch folgen, dass auch systemische Schwachstellen und die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung vorliegen. Systemische Mängel in einem Mitgliedstaat liegen nicht bereits vor, wenn dieser das maßgebliche EU-Recht nicht vollständig beachtet hat. Wie ausgeführt, reichen selbst einzelne Verstöße gegen Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK - die hier von der Europäischen Kommission noch nicht einmal angeführt worden sind - für die Annahme systemischer Schwachstellen nicht aus.

Würde im Übrigen bereits die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens zum Maßstab genommen, wann systemische Schwachstellen vorliegen, so würde die als Ausnahmevorschrift gedachte Regelung in Art. 3 Abs. 2 Dublin III-Verordnung entgegen ihrem Sinn und Zweck nicht selten aktiviert werden müssen. So laufen Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission wegen aus ihrer Sicht mangelhafter Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch gegen Italien, Kroatien, Malta und Griechenland (vgl. http://europa.eu/rapid/pressrelease_MEMO-15-6223_de.htm).

Insgesamt wird derzeit - wie sich auch aus der Pressemitteilung der Europäischen Kommission ergibt - auf EU-Ebene das Nötige und in den europäischen Verträgen Vorgesehene getan, um eine Einhaltung des EU-Rechts durch Ungarn sicherzustellen; Ungarn widersetzt sich dem Vorgehen der EU auch nicht, sondern hat von der Europäischen Kommission geforderten Stellungnahmen übermittelt, mögen diese auch nicht zur (vollständigen) Ausräumung der bei der Kommission vorhandenen Bedenken geführt haben. Bei einer sich nach wie vor in Bewegung befindlichen Situation sowie einer nicht eindeutig als EU-rechtswidrig feststehenden Rechtslage ist die Schwelle für die Annahme systemischer Schwachstellen nicht erreicht.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der UNHCR zwar die Situation in Ungarn kritisch beobachtet, aber offenbar nicht davon ausgeht, dass die neuen gesetzlichen Regelungen als solche einen Verstoß gegen internationales oder europäisches Recht darstellen. Es wurde z. B. dazu aufgerufen, die Umsetzung des neuen Rechtsregimes und die Abschiebung nicht hilfsbedürftiger Personen in Einklang mit den internationalen und europäischen Vorgaben sicherzustellen (vgl. VG Stade v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris Rn. 12 m. w. N.). Dagegen wird - anders als in der Vergangenheit etwa bei Bulgarien - nicht von einer Überstellung von Flüchtlingen nach Ungarn abgeraten (hierauf abstellend u. a. VG Ansbach, U. v. 21.12.2015 - AN 3 K 15.50498 - juris Rn. 33; VG Augsburg, B.v. 11.12.2015 - Au 4 S 15.50482 - Rn. 11; VG Stade, a. a. O.). Dieser Umstand ist angesichts des Amts, das dem UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften besonders relevant (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 - C-528/11- NVwZ-RR 2013, 660 - Rn. 44).

Daneben geht das Gericht davon aus, dass die materielle Verschärfung des Asylrechts insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Transitstaaten (Serbien) eingereist sind, nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel führt. Auch das deutsche Asylrecht kennt derartige einschränkende Bestimmungen, vgl. § 26 a AsylG (VG Augsburg, U.v. 3.8.2015 - Au 5 K 15.50347 - juris -). Dass dem Antragsteller, der eigenen Angaben zufolge über Serbien nach Ungarn eingereist ist, als Dublin-Rückkehrer konkret eine Überstellung nach Serbien drohen würde, kann aktuellen Berichten nicht entnommen werden. Die Überstellung des Antragstellers in einen Staat, dessen Asyl- und Aufnahmesystem möglicherweise nicht den europäischen Mindeststandards genügt, ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Eine theoretische Möglichkeit begründet keinen systemischen Mangel des ungarischen Asyl- und Aufnahmesystems in Bezug auf Dublin-Rückkehrer

Schließlich ist davon auszugehen, dass aufgrund der in Kraft getretenen Regelungen und der begleitenden Maßnahmen der ungarischen Behörden der ungehinderte Zustrom von Flüchtlingen nach Ungarn derzeit nicht mehr anhält. Damit dürfte sich auch das zwischenzeitlich aufgetretene Problem vorhandener Kapazitätsengpässe für die Unterbringung zurückkehrender Flüchtlinge deutlich entschärft haben (vgl. VG Augsburg, U. v. 14.1.2016 - Au 5 K 15.50489 - Rn. 45).

Soweit der Antragsteller ferner darauf verweist, die Abschiebungsanordnung sei rechtswidrig, weil seit Monaten überhaupt keine Rückstellungen nach Ungarn vorgenommen werden, wird dies schon dadurch widerlegt, dass der Antragsteller gleichzeitig vorträgt, in Sicherungshaft genommen worden zu sein, um seine Abschiebung nach Ungarn zu gewährleisten. Daneben steht die Grundlage dieses Vortrags, dass das Unterbleiben von Überstellungen auf Bitten Ungarns geschehe, im Widerspruch zu den Beschlüssen des Europäischen Rats, der sich zur Geltung der Regelungen des Dublin-Systems bekannt hat. Schließlich kann, wie ausgeführt, der Asylbewerber der Überstellung in den nach den Dublin-Verordnungen zuständigen Mitgliedstaats nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat entgegentreten. Solche Mängel sind nach dem Vorstehenden nicht anzunehmen.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der am 1988 in Damaskus geborene, ledige Antragsteller (ungeklärte Staatsangehörigkeit, nach eigenen Angaben palästinensischer Volkszugehörigkeit), begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn.

Nach eigenen Angaben reiste der Antragsteller am 15. Februar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 7. April 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) einen Asylantrag. In einem persönlichen Gespräch mit dem Bundesamt zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gab der Antragsteller u. a. an, er habe sein Herkunftsland im Oktober 2014 verlassen. Sein Reiseweg nach Deutschland habe über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich geführt. In Ungarn seien ihm Anfang Februar 2015 Fingerabdrücke abgenommen worden. Er gab ferner an, er wolle nicht nach Ungarn, er habe von Anfang an nach Deutschland gewollt und wolle hier arbeiten. Er habe einen Cousin, der seit einem Jahr in Deutschland sei. Die genaue Adresse kenne er nicht.

Eine Überprüfung durch das Bundesamt ergab hinsichtlich des Antragstellers einen EURODAC-Treffer für Griechenland und zwei EURODAC-Treffer für Ungarn. Auf den Wiederaufnahmeantrag des Bundesamtes vom 5. Juni 2015 erklärten die ungarischen Behörden mit Schreiben vom 16. Juni 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO und teilten mit, dass der Antragsteller in Ungarn am 3. Februar 2015 einen Asylantrag gestellt habe. Das Verfahren sei am 6. Februar 2015 eingestellt worden, da der Antragsteller verschwunden sei.

Mit Bescheid vom 23. Juni 2015, dem Antragsteller nach seinen Angaben zugestellt am 30. Juni 2015, lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an.

Am 7. Juli 2015 stellte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg den Antrag,

die aufschiebende Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Am 13. Juli 2015 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 23. Juni 2015 durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben (Au 4 K 15.50367).

Zur Begründung wurde ausgeführt: Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin lägen in Ungarn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vor, so dass die Gefahr bestehe, dass der Antragsteller einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt werde. Bereits zum 1. Juli 2013 sei in Ungarn eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, wonach Asylbewerber bis zu sechs Monate inhaftiert werden könnten, was ein erhebliches Risiko einer umfassenden Inhaftierung von Asylbewerbern mit sich bringe. Dublin-Rückkehrer würden regelmäßig, zumeist mit der Begründung der Fluchtgefahr, unter schlechten hygienischen Bedingungen inhaftiert, wobei die Haftanordnung schematisch, als nicht bezogen auf den konkreten Einzelfall, erfolge. Individuelle Rechtsmittel hiergegen könnten nicht eingelegt werden. Die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden seien in Ungarn nicht sichergestellt. Die in den einschlägigen EU-Richtlinien (Aufnahmerichtlinie; Verfahrensrichtlinie) normierten Standards würden nicht gewährleistet. Vor diesem Hintergrund hätten einige Verwaltungsgerichte, namentlich das VG Bremen und das VG Berlin entschieden, dass eine Rücküberstellung nach Ungarn unzulässig sei, da Dublin-Rückkehrer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Behandlung ausgesetzt sein würden, die gegen die EU-GR-Charta und die EMRK verstoße. Zudem habe der EGMR mit Urteil vom 10. März 2015 entschieden, dass Ungarn wegen der Umstände der Unterbringung von Gefangenen und wegen diesbezüglicher ineffektiver Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Art. 3 bzw. Art. 13 EMRK verstoßen habe.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Bundesamtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG statthaft. Gem. § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO konnte der Antrag schon vor Erhebung der Anfechtungsklage gestellt werden. Ein derartiges Vorgehen setzt zwar voraus, dass eine Anfechtungsklage nachträglich fristgerecht (§ 74 Abs. 1 AsylVfG) erhoben wird. Dies war hier jedoch der Fall.

Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin vom 23. Juni 2015 erweist sich nach derzeitiger Aktenlage als rechtmäßig. Das öffentliche Vollzugsinteresse an der in dem Bescheid ausgesprochenen, sofort vollziehbaren (vgl. § 75 Abs. 1 AsylVfG) Abschiebungsanordnung überwiegt daher das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet.

Eine Abschiebungsanordnung durch das Bundesamt ergeht nach § 34a Abs. 1 AsylVfG, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor.

Ungarn ist vorliegend aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (Europäischen Union), nämlich nach den Regelungen der Dublin III-VO, für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, § 27a AsylVfG.

Eine Überstellung des Antragstellers nach Griechenland, dem gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO primär zuständigen Mitgliedstaat, kam nicht in Betracht, weil dort die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO (systemische Schwachstellen) vorliegen. Die Antragsgegnerin war daher gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO verpflichtet, die Prüfung fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Dublin III-VO als zuständig bestimmt werden kann. Die Antragsgegnerin hat sich für eine Anfrage an Ungarn auf Rückübernahme entschieden, wo der Antragsteller am 3. Februar 2015 einen Asylantrag gestellt hatte (Art. 3 Abs. 2 Unterabsätze 1 und 3 Dublin III-VO). Die ungarischen Behörden haben mit Schreiben vom 16. Juni 2015 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO erklärt.

Es steht auch im Sinne des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, d. h. die Abschiebung ist tatsächlich möglich und rechtlich zulässig. Ersteres hängt in erster Linie von der Übernahmebereitschaft desjenigen Drittstaates ab, in den abgeschoben werden soll. Dies ist hier, wie ausgeführt, der Fall. Die Frist zur Überstellung nach Ungarn (Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO) ist noch nicht abgelaufen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann der Asylbewerber allerdings in dem Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat seiner Aufnahme zustimmt, der Überstellung damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. u. a. EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 - juris Rn. 60). Diese Rechtsprechung ist nunmehr von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO vom Unionsgesetzgeber aufgegriffen worden.

Derartige systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn vermag das Gericht jedoch entgegen dem entsprechenden Vortrag des Antragstellers nicht zu erkennen.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich erst kürzlich mit der Frage beschäftigt, ob das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Ungarn im Hinblick auf die - auch von Antragsteller maßgeblich in Bezug genommenen - seit 1. Juni 2013 bestehenden Regelungen zur Asylhaft systemische Mängel aufweisen (BayVGH, B.v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris Rn. 3 ff.). Dieser Entscheidung lässt sich entnehmen, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Frage verneint.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, soweit einzelne erstinstanzliche Verwaltungsgerichte systemische Mängel annähmen, gingen diese gerade nicht von einem systemischen Verstoß gegen Art. 4 EU-GR-Charta aus. Sie lägen daher offenbar einen anderen als den in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der Dublin III-VO festgelegten Prüfungsmaßstab („Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-GR-Charta") zugrunde. Diesen Maßstab habe aber der EuGH bereits für die Dublin II-VO verbindlich festgelegt, indem er ausgeführt habe, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat genügt, um die Annahme systemischen Versagens zu tragen.

Im Übrigen verneine auch der Großteil der nationalen Verwaltungsgerichte systemische Mängel bzw. Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn.

Aus neueren Auskünften des UNHCR und von Pro Asyl ergebe sich nichts anderes. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sei nach Auswertung von von ihm eingeholten Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich nicht feststellen ließe, dass ein Kläger Gefahr liefe, nach seiner Rücküberstellung nach Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK zu unterfallen. Die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehr inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sei ebenfalls zu der Einschätzung gelangt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ein Asylsuchender nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn im Rahmen der Dublin-VO einer Behandlung ausgesetzt zu werden, die Art. 3 EMRK verletzen würde (U.v. 6.6.2013 - Mohammed ./. Österreich, Nr. 2283/12 - InfAuslR 2014, 197, und U.v. 3.7.2014 - Mohammadi ./. Österreich, Nr. 71932/12 - NLMR - Newsletter Menschenrechte - 2014, 282). In dem Urteil vom 3. Juli 2014 halte der EGMR an seiner Bewertung im Urteil vom 6. Juni 2013 fest. Seither seien keine neuen Umstände bekannt geworden, die nunmehr zu dem Schluss führen könnten, dass das ungarische Asyl- und Asylhaftsystem systemische Mängel aufweise und für den Antragsteller die reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestehe. Zwar zeigten Länderberichte, dass es noch eine Praxis der Inhaftierung von Asylbewerbern gebe und auch Dublin-Rückkehrer davon betroffen wären. Auch seien die Haftgründe vage formuliert und es gebe kein Rechtsmittel gegen Asylhaft. Aus den Berichten würde sich allerdings auch ergeben, dass es keine systematische Inhaftierung von Asylsuchenden mehr gebe und jetzt im Gesetz Alternativen zur Haft vorgesehen seien. Die Höchstdauer des Gewahrsams sei auf sechs Monate beschränkt. Hinsichtlich der Haftbedingungen sei anzumerken, dass es zwar immer noch Berichte über Mängel gebe, in einer Gesamtschau aber von Verbesserungen auszugehen sei. Erneut weise der Gerichtshof darauf hin, dass sich auch der UNHCR bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe.

In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und dem - wie auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof hervorgehoben - Großteil der Verwaltungsgerichte geht das erkennende Gericht davon aus, dass in Bezug auf Ungarn keine systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vorliegen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta mit sich brächten (vgl. ebenso in jüngerer Zeit aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte: VG Gelsenkirchen, B.v. 10.4.2015 - 7a L 1208/15.A; VG München, B.v. 20.5.2015 - M 1 S 14.50568; VG Würzburg B.v. 18.5.2015 - W 6 S 15.50104; VG Regensburg, B.v. 10.4.2015 - RO 1 S 15.50123).

Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass hohe Anforderungen an die Annahme eines systemischen Mangels und der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta zu stellen sind. Denn die auf Ebene der EU vereinbarte Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (vgl. nunmehr Art. 78 Abs. 2 AEUV) gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der EU-GR-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - Rn. 80; vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - NVwZ 2014, 1039 - juris Rn. 6).

Diese Vermutung kann aus Sicht des erkennenden Gerichts nicht schon dadurch angezweifelt oder gar widerlegt werden, dass eine EU-weit einheitliche Anwendung oder Umsetzung der auf EU-Ebene erlassenen Regelwerke zum gemeinsamen europäischen Asylsystem nicht sichergestellt ist oder in den Mitgliedstaaten Schwierigkeiten bestehen, EU-Recht einzuhalten oder gar im Einzelfall dagegen verstoßen wird. Die Bedeutung der vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Vermutung erhält erst und gerade deshalb besonderes Gewicht, weil auch innerhalb des „gemeinsamen europäischen Asylsystems“ die Durchführung selbst des unmittelbar verbindlichen EU-Rechts Sache der Mitgliedstaaten bleibt (Art. 291 Abs. 1 AEUV) und die erlassenen EU-Richtlinien der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedürfen (Art. 288 Abs. 4 AEUV).

Ist aber der Europäische Gerichtshof im Angesicht der Möglichkeit einer unter-schiedlichen Handhabung und Umsetzung der Regeln und der sonstigen Defizite des gemeinsamen europäischen Asylsystems von einer Vermutung zugunsten der Einhaltung der EU-GR-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK ausgegangen, kann vom Vorliegen systemischer Mängel nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden. Dementsprechend hat der Gerichtshof ausgeführt, dass aus der Möglichkeit, dass das Dublin-System in der Praxis „auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat“ stoßen kann, nicht zu schließen ist, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Dublin II-VO berühren würde. Wenn jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin II-VO genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nachdem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH, U.v. 21.12.2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, Rn. 82 ff.).

Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass in Bezug auf die Situation von Asylbewerbern in Ungarn von systemischen Mängeln auszugehen ist und die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta konkret bestünde, so dass die vom EuGH aufgestellte Vermutung widerlegt wäre.

In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist in letzter Zeit vor allem die - auch vom Antragsteller gerügte - Inhaftierung von Asylbewerbern, gerade von sog. „Dublin-Rückkehrern“, Grund für unterschiedliche Auffassungen gewesen, ob von systemischen Mängeln in Bezug auf das Asylverfahren in Ungarn auszugehen ist.

Zu diesem Aspekt hat das Auswärtige Amt in seiner Antwort an das Verwaltungs-gericht Düsseldorf vom 19. November 2014 auf dessen Frage, ob „rücküberstellte Dublin-Rückkehrer nach der Einreise immer, also regelhaft, in Haft genommen werden“, geantwortet, dies könne nicht bestätigt werden. Grundlegend anderes wird auch in der Auskunft von Pro Asyl an das Verwaltungsgericht München vom 31. Oktober 2014 nicht ausgeführt, wonach Dublin-Rückkehrer zwar „regelmäßig“, andererseits aber „nicht sämtliche“ Rückkehrer inhaftiert würden. Übereinstimmend berichten das Auswärtige Amt und Pro Asyl, dass für diese Inhaftierungen in Art. 31 A des ungarischen Asylgesetzes eine gesetzliche Grundlage existiert. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die dortigen tatbestandlichen Voraussetzungen weit gefasst sind und gerade für Dublin-Rückkehrer häufig herangezogen werden können (Feststellung der Identität; Asylbewerber hat sich Feststellungen der Behörde entzogen; Fluchtgefahr; vgl. Antworten des Auswärtigen Amts und von Pro Asyl auf Frage 4 des Verwaltungsgerichts Düsseldorf). Allerdings ist auch insoweit eine Inhaftierung keine automatische Folge, da - wiederum nach übereinstimmenden Auskünften - nach den gesetzlichen Bestimmungen auch geprüft werden muss, ob durch andere Maßnahmen die Verfügbarkeit des Asylsuchenden gesichert werden kann.

Wenn in den vorliegenden Erkenntnisquellen allerdings teilweise geltend gemacht wird, von den Alternativen zur Haft werde in der Praxis kaum Gebrauch gemacht, ist diesbezüglich - wie auch generell zum Vollzug des ungarischen Asylgesetzes - festzustellen, dass deutsche Verwaltungsgerichte weder dafür zuständig noch in der Lage sind, die Ordnungsgemäßheit des Vollzugs des Gesetzes eines anderen Mitgliedstaats zu prüfen. Die gegenseitige Kontrolle des Vollzugs der jeweiligen mitgliedstaatlichen Asylgesetze durch die Gerichte anderer Mitgliedstaaten würde das genannte Ziel des Dublin-Systems konterkarieren, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. In Bezug auf die Frage der systemischen Mängel im Asylverfahren ist daher darauf zu verweisen, dass gem. Art 52 Abs. 1 EU-GR-Charta Eingriffe in die durch die Charta gewährten Rechte (hier: Art. 6 EU-GR-Charta) einer gesetzlichen Grundlage sowie der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bedürfen. Diese Voraussetzungen sind durch die von Ungarn geschaffene und auch hinsichtlich der Ausnahmen aus Verhältnismäßigkeitsgründen im Grundsatz vollzogene Gesetzeslage eingehalten.

Hinzu kommt, dass die Inhaftierungs-Entscheidungen nach übereinstimmenden Auskünften des Auswärtigen Amts und Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht Düsseldorf bzw. dem Verwaltungsgericht München einer gerichtlichen Überprüfung unterliegen, wie ebenfalls in der EU-GR-Charta (Art. 47) normiert. Über die vom Auswärtigen Amt diesbezüglich geschilderten abstrakten rechtlichen Rahmenbedingungen hinaus führt Pro Asyl näheres zu der aus seiner Sicht mangelhaften Praxis aus, wonach die Haftprüfungen ineffektiv seien. Insofern gilt jedoch insbesondere angesichts der auch in Art. 47 EU-GR-Charta normierten Unabhängigkeit der Gerichte, dass die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht zur Kontrolle der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats berufen sind, zumal nach der Konzeption der europäischen Verträge der Einklang des mitgliedstaatlichen Rechts mit dem EU-Recht von jedem Gericht dieses Mitgliedstaats durch Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens zum Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 AEUV geklärt werden kann.

In Bezug auf die konkreten Bedingungen in den Einrichtungen, in denen inhaftierte Asylbewerber untergebracht werden, geht das Gericht nicht von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung aus. Den Antworten des Auswärtigen Amtes und von Pro Asyl gegenüber dem Verwaltungsgericht München und dem Verwaltungsgericht Düsseldorf lässt sich übereinstimmend entnehmen, dass sich die Belegungssituation in den Einrichtungen im Vergleich zu Mitte 2013 im Laufe des Jahres 2014 entspannt hat (Pro Asyl gibt Belegungsquoten im Februar 2014 zwischen 43% und 83% an). Tagsüber können sich die Insassen in den Einrichtungen frei bewegen, auch auf dem jeweiligen Freigelände. Eine ärztliche Grundversorgung ist sichergestellt, ebenso die Versorgung mit Lebensmitteln.

Insgesamt ist nicht zu verkennen, dass die Aufnahme- und Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Ungarn oft beanstandenswert und teilweise unzureichend sind. Die - wie ausgeführt hohe - Schwelle für das Vorliegen von systemischen Mängeln, die die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta rechtfertigen könnten, ist jedoch aus Sicht des Gerichts nicht überschritten.

Das vom Antragsteller angeführte Urteil des EGMR vom 10. März 2015 betreffend die Unterbringung von Gefangenen in Ungarn rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dieses Urteil betraf nicht den Umgang mit Asylbewerbern, sondern die Haftbedingungen von Strafgefangenen ungarischer Nationalität.

Die Abschiebung ist auch nach den Maßstäben des innerstaatlichen Rechts zulässig. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte für ein inlandsbezogenes Vollzugshindernis nach § 34a AsylVfG, etwa wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen des Antragstellers und daraus resultierender fehlender Reisefähigkeit.

Nach allem war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

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Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Behandlung seines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn sowie ein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 12 Monaten ab dem Tag der Abschiebung.

Der am ... 1997 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 15. Juni 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 20. August 2015 Asylerstantrag stellte.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 8. September 2015 gab der Kläger an, dass er den Irak am 8. Juni 2014 verlassen habe. Nach Deutschland sei er über die Länder Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn eingereist. Die Reise habe ca. ein Jahr gedauert. Für seine Reise habe er die Verkehrsmittel Lkw und Bus genutzt. Als ersten Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe er Anfang Juni 2015 Bulgarien erreicht. In Ungarn seien ihm Anfang Juni 2015 Fingerabdrücke abgenommen worden. Für den weiteren Vortrag des Klägers wird auf die Niederschrift über dessen persönliche Anhörung am 8. September 2015 Bezug genommen.

Für den Kläger liegt mit Datum 21. August 2015 ein EURODAC-Treffer mit der Kennung „HU...“ vor. Danach hat der Kläger am 14. Juni 2015 in Ungarn um Asyl nachgesucht.

Am 16. Oktober 2015 ersuchte das Bundesamt die ungarischen Behörden um Übernahme des Klägers. Dieses Übernahmeersuchen blieb im Folgenden von Seiten der ungarischen Behörden unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2015 wurde der Antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1.). In Ziffer 2. wurde gegenüber dem Kläger die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. In Ziffer 3. des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (Auf-enthG) auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylgesetz (AsylG) unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) für die Behandlung des Asylantrages des Klägers zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates angegeben, dass er in keinen anderen Dublin-Mitgliedsstaat überstellt werden wolle. Als Grund gegen eine Überstellung nach Ungarn habe der Kläger angeführt, dass sein Vater und sein Bruder sich im Bundesgebiet aufhalten würden und er auf keinen Fall von seiner Familie getrennt werden wolle. Dieser Vortrag könne nicht dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland zuständiger Mitgliedsstaat werde. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vor. Diese Beurteilung werde von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten und zuletzt auch durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Juli 2014 bestätigt. Es werde festgestellt, dass das ungarische Asylsystem im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards stehe und die wichtigsten Garantien enthalte. Daher werde der Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Deutschland sei vielmehr verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedsstaat innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchens durch Ungarn oder der endgültigen negativen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung habe, durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Eine Abschiebung habe gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Folge, dass der Drittstaatsangehörige nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten dürfe.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 17. November 2015 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25. November 2015 Klage gegen den vorbezeichneten Bescheid des Bundesamts erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten von 17. November 2015 zugestellt am 20. November 2015 - aufzuheben und festzustellen, dass der Asylantrag des Klägers vom 20. August 2015 zulässig ist.

Der Kläger trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass das Dublin-Abkommen im Sommer 2015 außer Kraft gesetzt worden sei und die Bundesrepublik Deutschland daher verpflichtet sei, eigenständig über den Asylantrag des Klägers zu befinden. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages in Deutschland und die Abschiebung nach Ungarn widerspreche den Anordnungen der Bundesregierung. Im Übrigen sei die Beklagte verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, da der vorliegende Fall einer außergewöhnlichen humanitären Verpflichtung entspreche. Bei dem Kläger handle es sich um einen irakischen Staatsangehörigen muslimischen Glaubens. Sein Vater verfüge über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Der Kläger werde dem deutschen Staat keine Kosten verursachen. Der Vater übe eine selbständige Tätigkeit aus und sei in der Lage, dem Kläger ein Einstellungsverhältnis zu verschaffen, so dass der Lebensunterhalt und die Existenzgrundlage des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet seien.

Ein vom Kläger ebenfalls gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Dezember 2015 (Az. Au 5 S. 15.50490) abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Ein vom Kläger nachfolgend gestellter Antrag auf Abänderung des Beschlusses im Verfahren Au 5 S. 15.50490 wurde mit weiterem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Dezember 2015 (Az. Au 5 S. 15.50499) abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. Dezember 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Eine Antragstellung ist nicht erfolgt.

Am 14. Januar 2016 fand mündliche Verhandlung statt, in der der Kläger persönlich angehört wurde. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte den folgenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit besitzt der Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte in nationalem Verfahren über sein Asylgesuch entscheidet.

Ein Asylantrag ist gemäß § 27 a AsylG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34 a Abs. 1 AsylG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Hintergrund dieser Bestimmungen ist, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft kraft Verfassungsrechts (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG) als sichere Drittstaaten gelten, während sonstige sichere Drittstaaten durch Gesetz bestimmt werden. Wer sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat, bedarf grundsätzlich nicht des Schutzes eines anderen Staates. Bei der Republik Ungarn handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylG). Die Einreise aus einem dieser Staaten schließt die Berufung auf ein Asylrecht aus (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG).

Im vorliegenden Fall ist auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union die Republik Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Dublin III-Verordnung. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung. Der Kläger hat am 20. August 2015 in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag gestellt.

Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den bei den Artikeln 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Kläger aus einem Drittstaat kommend, die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat. Vorliegend ergibt sich die Zuständigkeit der Republik Ungarn aus dem festgestellten EURODAC-Treffer. Danach hat der Kläger bereits in Ungarn um Asyl nachgesucht (EURODAC-Treffer beginnt mit „HU1“: Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von EURODAC; im Folgenden: EURODAC-VO).

Die nach Art. 13 Abs. 1, 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-VO zuständige ungarische Behörde hat dem Wiederaufnahmegesuch des Klägers gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO fiktiv zugestimmt.

Es liegen auch keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Ungarns in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen.

Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die DublinVerordnungen gehören, liegt die Vermutung zu Grunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGRCh) sowie der EMRK behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukommt.

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ zu Grunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn in Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EuGrCh ausgesetzt zu werden.

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht nur vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System auf Grund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656 - juris).

Systemische Mängel sind zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Verhältnisse in der Republik Ungarn nicht anzunehmen.

Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U.v. 6.6.2013 -2283/12 - Asylmagazin 2013, 342 ff.) sowie anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2015 - 14 B 13.30076 - juris; VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 4; OVG LSA, B.v. 31.5.2013 - 4 L 169/12 - juris Rn. 23; VG Würzburg, B.v. 2.1.2015 - W 1 S. 14.50120 - juris Rn. 28 ff.; U.v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Düsseldorf, B.v. 2.9.2014 - 6 L 1235/14.A - juris Rn. 30 ff.; B.v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Stade, B.v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 7 ff.; VG Hannover, B.v. 27.5.2014 - 5 B 634/14 - juris Rn. 8 ff.; zuletzt auch unter Berücksichtigung der asylgesetzlichen Verschärfungen in Ungarn VG Ansbach, B.v. 29.10.2015 - AN 3 S. 15.50473 - juris; B.v. 20.10.2015 - 3 S. 15.50425 - juris; a.A.: SächsOVG, B.v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris Rn. 4 m.w.N.; VG München, B.v. 26.6.2014 - M 24 S. 14.50325 - juris Rn. 31 ff.; VG Stuttgart, U.v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, B.v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 24 ff.; B.v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, B.v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris Rn. 18 ff.; VG Berlin, B.v. 15.1.2015 - VG 23 L 899.14 - juris).

Systemische Mängel bestehen (erst) bei einer reellen Unfähigkeit des gesamten Verwaltungsapparats zur Beachtung des Art. 4 EuGRCh, was gleichbedeutend ist mit strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens haben. Die im jeweiligen nationalen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Dies kann einerseits darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asylsystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - in weiten Teilen aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft defizitär ist und funktionslos wird (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 5 a.E.; und B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, S. 1039 f. = juris Rn. 6 und 9; VGH BW, U.v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, S. 77, 78 ff. = juris; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 79 ff.; OVG RP, U.v. 21.2.2014 - 10 A10656/13 -juris Rn. 39 f.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat als Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme im europäischen Zielstaat die Überstellung von Asylbewerbern dorthin verhindern, ausdrücklich benannt, ob eine Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Staates vorliegt (vgl. EGMR, U.v. 4.11,2014, Tarakhel ./. Switzerland, Nr. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff. = juris Rn. 114 f., und E.v. 13.1.2015, A.M.E. ./. Netherlands, Nr. 51428/10, hudoc Rn. 34 u. 35).

Unerheblich ist, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. Derartige Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen zu berücksichtigen. Persönliche Erlebnisse Betroffener, die einige Jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 6).

Bei Beachtung dieser Maßgaben bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) über den Streitfall keine systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO. Dies gilt soweit der einzelne internationalen Schutz begehrende Drittstaatsangehörige gerade keinem besonderen schutzwürdigen Personenkreis angehört. Mit den beiden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowohl vom 6. Juni 2013 in der Sache Mohammed ./. Österreich - Nr. 2283/12 -, und vom 3. Juli 2014 in der Sache Mohammadi ./. Österreich - Nr. 71932/12 -, geht das Gericht angesichts des Ablaufs und der Durchführung von Asylverfahren in Ungarn sowie der Behandlung von Dublin-Rückkehrern weiterhin davon aus, dass das ungarische Asylsystem und die Aufnahmebedingungen keine systematischen Defizite aufweisen. Obwohl der EGMR in seiner (ersten) Entscheidung vom 6. Juni 2013 - Nr. 2283/12 - noch deutlicher von alarmierenden Berichten über die Verhältnisse in Ungarn in den Jahren 2011 und 2012 ausging, hat er zuletzt in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - Nr. 71932/12 - ausdrücklich hervorgehoben, dass angesichts der seinerzeit festzustellenden Änderung des Asylrechts wie auch der tatsächlichen Behandlung von Drittstaatsangehörigen in Ungarn zu Beginn des Jahres 2014 Art. 3 EMRK einer Rückführung eines Asylsuchenden dorthin nach den Dublin-Regularien gerade nicht entgegensteht. Dabei hat sich der EGMR ausdrücklich unter genauerer Darstellung des jeweiligen Inhalts auf im Einzelnen näher bezeichnete und ausgewertete Stellungnahmen verschiedener Regie-rungswie Nichtregierungsorganisationen gestützt, die zeitlich bis ins Jahr 2014 hineinreichten. Insgesamt seien Verbesserungen des Asylsystems einschließlich der Abschiebehaftbedingungen und auch der Rechtsschutzmöglichkeiten festzustellen.

Hintergrund dieser Verbesserung ist die zur Bewältigung der durch die massive Flüchtlingswelle namentlich von Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak entstandenen Flüchtlingskrise von der EU gewährte finanzielle, logistische und personelle Unterstützung. Die Hilfen und bereits erreichten Verbesserungen lassen zudem mittel- und langfristig eine weitere Besserung der Zustände erwarten. Gerade dass der UNHCR, dessen amtlichen Stellungnahmen bei der Beurteilung der Situation und der 36 Funktionsfähigkeit des Asylsystems in den Mitgliedstaaten eine besondere Relevanz zukommt (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 - C-528/11 - NVwZ-RR 2013, S. 660 ff. = juris Rn. 44), zu Ungarn kein ausdrückliches Positionspapier gegen eine Überstellung von Asylsuchenden nach den Regeln der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 verfasst hat, hat den EGMR veranlasst anzunehmen, der betroffene Drittstaatsangehörige sei keines individuellen realen Risikos ausgesetzt gewesen, als Asylantragsteller in Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK unterworfen zu werden.

Dem schließt sich die erkennende Kammer nach eigenständiger Durchsicht und Bewertung der ebenfalls vorliegenden Erkenntnisse an, und hält daran auch mit Blick auf zeitlich nachfolgende neuere Erkenntnismittel fest. Eine Änderung der vom EGMR zugrunde gelegten Sachlage, die ein Abweichen von dessen Rechtsprechung rechtfertigen würde, besteht zur Überzeugung des Gerichts nicht:

Nach den zum 1. Januar 2014 erfolgten Änderungen im ungarischen Asylgesetz als genereller Reglung haben nunmehr Rückkehrer nach den Dublin-Regularien - bis auf einen Ausnahmefall - einen garantierten Zugang zum Asylverfahren und einer vollständigen Untersuchung ihres Asylbegehrens.

Namentlich der jüngste Bericht von „aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary“ mit Stand 17. Februar 2015, der von Mitgliedern des „Hungarian Helsinki Committee (HHC)“ geschrieben und von „European Council on Refugees and Exiles (ECRE)“ herausgegeben wurde, abrufbar unter: http: …www.asylumin-europe.org/sites/default/files/report-download/aida_-_hungary_thirdupdate_ final_ feb ruary_2015.pdf, stellt insgesamt heraus, dass Dublin-Rückkehrer - anders als im Jahr 2013 - Zugang zum Asylverfahren haben und ihr Asylbegehren vollständig geprüft wird (S. 21). Asylsuchende werden als Erstantragsteller den nationalen Bestimmungen zufolge registriert und behandelt. Wirkt ein Asylsuchender nicht ausreichend mit, kann dies u.U. zu finanziellen Konsequenzen bei der Tragung der Unter-bringungs- und Behandlungskosten führen. Es liegen bislang keine Erkenntnisse vor, dass Asylsuchende nicht tatsächlich untergebracht werden. In Aufnahmeeinrichtungen werden Asylsuchende mit Essen versorgt, erhalten Hygieneartikel und Taschengeld; Kinder, Alleinerziehende und über 60-Jährige erhalten einen Betrag über 25% 38 der niedrigsten Rente (95 EUR), andere Erwachsene weniger. Im Jahr 2014 betrug die Verweildauer von Personen in den Asylunterkünften länger als 5 Monate. Die staatlichen Unterbringungszentren werden von Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Frauen werden regelmäßig mit Familien auf einem Flur untergebracht. Unbe-gleitete Kinder werden in einer gesonderten Einrichtung aufgenommen. Familien werden während des Asylverfahrens nicht getrennt. Die Bedingungen in den Unterbringungszentren sind nicht einheitlich. Jedoch gibt es überall drei Mahlzeiten am Tag. Es kann überwiegend auch selbständig gekocht werden. Die Menschen teilen sich Räume. Psychologische Betreuung und Psychotherapie für traumatisierte Asylsuchende wird von Nichtregierungsorganisation angeboten (S. 40-44). Nicht inhaftierte Asylsuchende können sich frei im Land bewegen, dürfen ihre Unterbringungseinrichtung aber nur weniger als 24 Stunden verlassen. Um die monatlichen Geldzahlungen zu erhalten, müssen Asylsuchende wenigstes 25 Tage im Monat in der Einrichtung sein (S. 46 f.). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist gewährleistet; Allgemeinmediziner sind in den Unterbringungszentren regelmäßig unter der Woche verfügbar, Fachärzte jedoch nur in Notfällen (S. 49 f.). Im Jahr 2014 waren mehr als 4.800 Asylsuchende inhaftiert; die Haftplätze sind fast vollständig belegt. Es gibt keine besonderen Kategorien von Asylsuchenden, die inhaftiert werden. Familien werden gemeinsam in einer gesonderten Einrichtung in Haft genommen (S. 51).

Ein systemischer Mangel wird zur Überzeugung der Kammer insbesondere nicht durch die in Ungarn (auch im Jahr 2015) praktizierte Asylhaft begründet. Eine Inhaftierung ist nach dem ungarischen Asylgesetz zulässig zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit, nach dem Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens, oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Betreffende seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat. Die Verhängung der Asylhaft ist nach vorheriger Einzelfallprüfung nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch die Anwendung weniger einschneidender Alternativen zur Inhaftierung erreicht werden kann, etwa durch die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit, die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten oder Meldeauflagen. Gegen die Anordnung der Asylhaft als solches gibt es kein eigenständiges Rechtsmittel; die Haft wird allerdings insoweit richterlich überprüft, dass dies erstmals nach 72 Stunden und in der Folgezeit in 60-TagesIntervallen erfolgt (vgl. zu den Einzelheiten der Asylhaft: Auswärtiges Amt, Bericht an das VG Düsseldorf vom 19.11.2014- 508516.80/48135, juris Mitteilungen, S. 2 f.; (österreichisches) Bundesverwaltungsgericht, B.v. 4.12.2014 - W 192 2014566-1/3 E - (B) I. 1.1. Asylrechtliche Haft), abrufbar unter: http: …www.ris.bka.gv.at (Datenbank RIS)).

Diese Regelungen zur Asylhaft und ihre tatsächliche Anwendung hat der EGMR bereits bei seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - Nr. 71932/12 - berücksichtigt, da er u.a. auf den Country Report des Ungarischen Helsinki-Komitee vom 30. April 2014 abgestellt hat. Dem ist zu entnehmen, dass in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2013 etwa 26% aller Asylbewerber und etwa 42% der männlichen Asylbewerber inhaftiert worden sind; ferner bestehen in den Haftanstalten nicht unerhebliche Mängel auf den Gebieten der Wohnverhältnisse, der Wasserqualität und der Versorgung mit Putz- und Reinigungsmitteln. Dem bereits genannten neuen Bericht „aida-Country-Report Hungary“ Stand 17. Februar 2015 sind für das gesamte Jahr 2014 keine nennenswert höheren Haftzahlen als die soeben dargestellten wie auch keine Verschlechterung der bereits früher festgestellten mäßigen Haftbedingungen zu entnehmen (dort S. 51, 53-56, 58-61). Ähnliche Zahlen und Umstände haben den EGMR gerade nicht veranlasst, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK - dessen Schutzbereich dem des Art. 4 EU-GR-Charta entspricht -bei der Behandlung von Asyl begehrenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn festzustellen.

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel wegen drohender Obdachlosigkeit von Schutz suchenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn greifbar. Es ist nämlich bisher, d.h. im gesamten vergangenen Jahr 2014 gerade kein Fall bekannt, in dem einem Asylantragsteller - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary, Stand 17. Februar 2015, S. 43; und bereits National Country Report Hungary, Stand 30. April 2014, S. 40).

Ebenfalls nicht geeignet ein anderes rechtliches Ergebnis zu begründen, ist der Umstand, dass in Ungarn am 1. August 2015 ein Gesetz in Kraft getreten ist, welches die Rechte von Asylsuchenden (nochmals) einschränkt. Die materielle Verschärfung des Asylrechts insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Transitstaaten (Serbien) eingereist sind, führt nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel. Auch das deutsche Asylrecht kennt derartige einschränkende Bestimmungen (§ 26a AsylG).

Es liegen derzeit dem Gericht auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass DublinRückkehrer von Ungarn nach Serbien abgeschoben würden. Die geänderte Gesetzeslage in Ungarn ist dem Umstand geschuldet, dem bis Sommer 2015 ungehinderten Zustrom von Flüchtlingen Herr zu werden. Die ungarische Regierung scheint insoweit bemüht, die Vorschriften der Dublin-VO einzuhalten und für eine geregelte Einreise und Registrierung der Flüchtlinge zu sorgen, die gerade nicht in Ungarn Asyl beantragen wollen, sondern mit dem Ziel Deutschland in den Schengen-Raum einreisen (vgl. VG Ansbach, B.v. 29.10.2015 - AN 3 S. 15.50473 - juris Rn. 43). Des Weiteren ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass aufgrund der in Kraft getretenen Regelungen und der begleitenden Maßnahmen der ungarischen Behörden der ungehinderte Zustrom von Flüchtlingen nach Ungarn derzeit nicht mehr anhält. Damit dürfte sich auch das zwischenzeitlich aufgetretene Problem vorhandener Kapazitätsengpässe für die Unterbringung zurückkehrender Flüchtlinge deutlich entschärft haben.

Der Umstand, dass die Beklagte derzeit davon absieht, syrische Flüchtlinge nach Ungarn zu überstellen, mag ebenfalls keinen Erfolg der Klage zu begründen. Sofern die Abschiebungsanordnung nach Ungarn mit den Bestimmungen der Dublin III-VO in Einklang steht, kann der Kläger dieser Anordnung nur mit dem Vortrag entgegentreten, dass in Ungarn systemische Schwachstellen des Asylsystems bzw. der Aufnahmebedingungen vorliegen.

Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittrecht der Beklagten begründen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal es sich bei den vom volljährigen Kläger benannten Personen (Vater und Bruder) nicht um berücksichtigungsfähige Familienangehörige im Sinne von Art. 2 g) Dublin III-VO handelt.

Ein der Abschiebung nach Ungarn entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Beklagten auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 -AuAS 2014 S. 244 ff. = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 -juris Rn. 4), ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten seit fiktiver Annahme des Überstellungsgesuchs durch die Republik Ungarn (31. Oktober 2015) noch nicht abgelaufen, so dass es keiner Entscheidung über die Frage bedarf, ob dem Kläger allein aus dem Fristablauf ein subjektiv-öffentliches Recht erwachsen kann.

Schließlich ändert an der Zuständigkeit Ungarns für die Behandlung des Asylantrages des Klägers auch nichts, dass dieser vorgetragen hat, er habe das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erstmalig in Bulgarien betreten.

Eine objektive Überprüfung, ob der die Aufnahme erklärende Mitgliedsstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann ein Asylbewerber nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich „aufgeladen“ sind, an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Verordnung ebenso wie das gesamte gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten - Mitgliedstaaten wie Drittstaaten - die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin III-VO, nämlich erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, -zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten, sowie - drittens - ein „forum shopping“ zu verhindern (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - juris; U.v. 21.11.2011 - C-411/10 - juris; U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - juris). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Kläger keine Berührungspunkte zum dem aufnahmebereiten Mitgliedstaat hat, mithin zum bloßen Objekt des Verfahrens würde, was vorliegend angesichts seines wenn auch kurzen Aufenthaltes in Ungarn nicht der Fall ist, bzw. der aufnahmebereite Mitgliedstaat über den Sachverhalt durch den ersuchenden Mitgliedstaat vorsätzlich getäuscht wurde.

Bei Vorliegen jedenfalls eines EURODAC-Treffers der Kategorie 1 für Ungarn kann nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte quasi willkürlich ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn gerichtet und die ungarischen Behörden über eine eigentlich gegebene Zuständigkeit Bulgariens getäuscht hat.

Als Ausfluss des Prinzips gegenseitigen Vertrauens hat der Asylsuchende überdies nur einen Anspruch darauf, dass sein Asylgesuch in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft materiell geprüft wird. Weitergehende Ansprüche besitzt der Asylsuchende nicht. Dies entspricht im Wesentlichen auch der Regelung in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, wonach jeder Mitgliedsstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 (Dublin III-VO) beschließen kann, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Schließlich begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Klägers nach Ungarn keinen Bedenken.

Einwände gegen das im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot für 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung, gestützt auf § 11 Auf-enthaltG, wurden von Seiten des Klägers nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Nach allem erweist sich der Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2015 als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 3 K 15.50498

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 21.12.2015

3. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 710 01

Hauptpunkte:

- Visum für Ungarn; keine systemischen Mängel in Ungarn, alleinreisende Frau aus dem Iran; Kirchenasyl

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

Bundesrepublik Deutschland

vertreten durch: ...

- Beklagte -

wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer, durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert ohne mündliche Verhandlung

am 21. Dezember 2015

folgendes Urteil:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben im Jahr 1971 geboren, iranische Staatsangehörige und protestantische Christin. Sie reiste eigenen Angaben zufolge am 4. Mai 2015 auf dem Luftweg von Teheran über Istanbul nach Budapest. Von dort sei sie am 5. Mai 2015 mit Hilfe eines Schleusers und mit einem gefälschten Reisepass nach München geflogen. Am 3. Juni 2015 beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Eine Anfrage bei der VIS am 3. Juni 2015 ergab, dass die Klägerin bei der Einreise in die Europäische Union im Besitz eines ungarischen Visums war, ausgestellt vom Ungarischen Konsulat in Teheran mit Gültigkeit vom 29. März 2015 bis 27. April 2015.

In dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 21. Juli 2015 erklärte die Klägerin, sie wolle in Deutschland das Asylverfahren durchführen, da die Verhältnisse hier besser seien als in Ungarn, v.a. für sie als Frau. Sie wolle gern arbeiten. Sie habe im Iran starke Migräne gehabt, die sie in Deutschland nicht mehr habe.

Sie sei am Tag ihrer Einreise nach Ungarn am 4. Mai 2015 dort erkennungsdienstlich behandelt worden.

Angaben zur Erlangung des Visums konnte sie nicht machen. Sie habe für ihre Schleusung 30.000.000,- Tomen an den Schleuser bezahlt.

Am 28. August 2015 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-Verordnung an Ungarn gerichtet. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 erklärten die ungarischen Behörden ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Klägerin nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2015, der der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 27. Oktober 2015 zugestellt wurde, lehnte die Beklagte den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer I), ordnete in Ziffer II die Abschiebung nach Ungarn an und befristete in Ziffer III das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nichts vorgetragen, was die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Durchführung des Asylverfahrens begründen könne. Es gebe keine Hinweise darauf, dass es in Ungarn seitens der Behörden zu Übergriffen auf Asylsuchende komme. Die Klägerin könne sich an die zuständigen Behörden wenden, wenn sie körperliche Übergriffe durch Dritte befürchte. Eine mangelnde Schutzfähigkeit oder Schutzbereitschaft der ungarischen Behörden sei nicht feststellebar. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vor. Zur Begründung wird insgesamt auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit einem am 30. Oktober 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin Klage gegen den genannten Bescheid erheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, wegen des massenhaften Zustroms an Asylsuchenden habe sich die Situation in Ungarn für Schutzsuchende sehr verschlechtert. Außerdem herrsche dort ein Klima von Rassismus und ausländerfeindlicher Einstellung, von dem auch Teile der Behörden erfasst seien.

Sie beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Klägerin ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.

Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 4. November 2015,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 2. November 2015 teilte die „Kongregation der Schwestern ... mit, die Klägerin befinde sich seit 2. November 2015 dort im Kirchenasyl.

Mit Schreiben vom 27. November 2015 bzw. 14. Dezember 2015 teilten die Beteiligten auf gerichtliche Anfrage mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2015 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 22. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Asylantrag der Klägerin ist unzulässig.

Denn Ungarn ist nach § 27 a AsylG, Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zuständig. Dies hat Ungarn mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 gegenüber der Beklagten erklärt.

Die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO ist noch nicht abgelaufen, so dass die Überstellung nach Ungarn noch erfolgen kann. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Frist im vorliegenden Fall wegen der Inanspruchnahme von Kirchenasyl durch die Klägerin seitens der Beklagten verlängert werden kann, Art. 29 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO.

Denn ein Ausländer ist bereits dann flüchtig, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (VG Regensburg, U. v. 20.2.2015 - RN 3 K 14.50264, juris Rn. 54; VG Magdeburg, U. v. 11.12.2014 - 1 B 1196/14, juris).

Auf die näheren Umstände der Einreise der Klägerin in das Gebiet der Europäischen Union kommt es nicht an, insbesondere nicht darauf, dass das Visum zum Einreisezeitpunkt nach Ungarn nach Angaben der Klägerin schon abgelaufen war (Einreise 4. Mai 2015, Ende der Gültigkeit 27. April 2015). Denn bei den Vorschriften der Dublin III-VO handelt es sich überwiegend um Normen, die die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens regeln und dem Antragsteller gerade kein subjektives Recht darauf einräumen, dass sein Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt wird (vgl. Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1. Mai 2015, Rn. 29 und 30 zu § 27 a AsylVfG). Entscheidend ist, dass sich Ungarn aufgrund der der o.g. Regelungen zur Durchführung des Asylverfahrens für zuständig erklärt hat.

Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Auslegung der Dublin III-Verordnung, die „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, Urteil vom 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - Pui, C-4/11; EuGH, Urteil vom 10.12.2013, C-394/12).

Das in dieser Verordnung und in weiteren Rechtsakten geregelte Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) stützt sich - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) - auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, ferner dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, 417; vgl. Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406).

Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An diesen in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normierten Ausnahmefall sind daher strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 ff.). Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK muss im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation bestehen. Sie liegt maßgeblich dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet, oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NRW a. a. O.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich der Tatrichter zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung dieser Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14, juris).

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Mig-ranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu.

Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage des dem Gericht vorliegenden, aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn (vgl. Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu den Änderungen des ungarischen Asylrechts vom 7. August 2015, abrufbar unter http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-HU-asylum-law-amendment-2015-August-info-note.pdf; Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in Ungarn, Stand Mai 2014; Stellungnahme des UNHCR vom 9.5.2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A jeweils abrufbar unter https://milo.bamf.de; Ungarn Länderbericht des AIDA (Asylum Information Database), Stand November 2015, und AIDA „Crossing Boundaries“, Oktober 2015, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org; bordermonitoring.eu: Auskunft an die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und München vom 30. Oktober 2014 und „Lager und Solidarität an der Grenze, 14. Juli 2015; Amnesty International Juli 2015:“Europe’s Borderlands - Violations against refugees and migrants in Macedonia, Serbia and Hungary“, abrufbar unter http://www.amnestyusa.org/research/reports/europe-s-borderlands-violations-against-migrants-and-refugees-in-macedonia-serbia-and-hungary; Amnesty International zur Lage der Flüchtlinge in Ungarn Oktober 2015 :“Fenced out-Hungary’s violations of the rights of refugees and mig-rants“, abrufbar unter http://www.amnesty.org/en/documents/eur27/2614/2015/en/; UNHCR:“Europe’s refugee emergency response update #10, 6. - 12. November 2015, abrufbar unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&skip=0&query=&coi=HUN;) jedenfalls für die Person der Klägerin derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Ungarn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten.

Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns zwar dahingehend verändert, als erneut weitgehende Inhaftierungsgründe für Asylbewerber geschaffen wurden. Diese Rechtsänderungen wurden hinsichtlich der Unbestimmtheit der Haftgründe sowie hinsichtlich der unzureichenden Rechtsbehelfe gegen die Inhaftierung verschiedentlich kritisiert (vgl. Bericht des Hungarian Hel-sinki Commiittees a. a. O.; Ungarn Länderbericht des AIDA a. a. O.; UNHCR vom 9.5.2014 a. a. O.). Die genannten Berichte beruhen allerdings im Wesentlichen auf einer Auswertung der geänderten Rechtslage selbst, während Erkenntnisse zur konkreten Handhabung nicht verlässlich vorliegen. Es zu konstatieren, dass der UNHCR - abgesehen von seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf - bislang keine generellen Feststellungen zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Ungarn getroffen und auch keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris). Unter Berücksichtigung der besonderen Relevanz des durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragenen Amtes des UNHCR für die Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens (vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013, 660), kommt dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR besondere Bedeutung zu. Der Auffassung, die z. B. das Verwaltungsgericht des Saarlandes im Beschluss vom 7. August 2015 (3 L 672/15, juris Rn. 20) vertritt (so auch VG Köln, U. v. 11.9.2015 - 18 K 3279/15.A, juris und VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15, juris), wonach Äußerungen der Pressesprecherin des UNHCR zu entnehmen sei, dass der UNHCR über die fremdenfeindliche Gesinnung der ungarischen Regierung besorgt sei und dass diese Äußerungen wegen der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden sei, bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens besonders zu beachten seien, schließt sich das Gericht nicht an. Abzustellen ist vielmehr auf Empfehlungen des UNHCR zur Beachtung der Aufnahme- und Verfahrensregelungen der Dublin-Verordnungen bei der Umsetzung in nationales Recht (so auch VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15, juris). Diese gab der UNHCR erst jüngst z. B. zu den Verhältnissen für Asylsuchende in Tschechien ab (siehe hierzu FAZ vom 27.10.2015: UN werfen Tschechien menschenunwürdiges Verhalten vor; Tagesspiegel vom 22.10.2015: UN: Tschechien inhaftiert Flüchtlinge „systematisch“). An einer solchen Empfehlung zu Ungarn fehlt es bislang, wie auch das VG des Saarlandes (a. a. O.) selbst feststellt, obwohl Ungarn in den letzten Monaten in seiner Bedeutung als Transitland stark im Fokus der Öffentlichkeit stand.

Auch wenn die Inhaftierungsregelungen und -praxis in Ungarn in der Rechtsprechung zur Annahme systemischer Mängel führen (vgl. VG München, U. v. 23.9.2014 - M 24 K 13.31329 -; VG Sigmaringen, B. v. 22.4.2014 - A 5 K 972/14 - juris; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - jeweils juris; VG Münster, B. v. 7.7.2015 - 2 L 858/15.A; VG München, B. v. 5.3.2015 - M 15 S 15.50160 - juris; VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris; VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15 - juris; VG Köln, U.v. 11.9.2015 - 18 K 3279/; VG Oldenburg, U. v. 2.11.2015 - 12 A 2572/15 - juris; VG Augsburg, B. v. 23.10.2015 - Au 5 S 15.50405 - bislang nicht veröffentlicht), ist nach Überzeugung des Gerichts für den hier vorliegenden Einzelfall nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei einer Rücküberstellung nach Ungarn zu befürchten. Zwar sind Dublin-Rückkehrer häufiger von Asylhaft betroffen als Ersteinreisende. Ausweislich einer Erklärung des Direktors des ungarischen Asyldirektorates gegenüber dem Liaisonmitarbeiter des Bundesamtes in Budapest im September 2013 werden Asylantragsteller aus sogenannten anerkennungsträchtigen Herkunftsländern aber regelmäßig weder in Asylhaft noch in Abschiebehaft genommen (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 2.9.2014 - 6 L 1235/14.A - juris). Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. September 2015 an das Verwaltungsgericht Magdeburg gibt es zwar keine generelle Regelung (mehr), wonach Dublin-Rückkehrer je nach Herkunftsland von der Anwendung von Asylhaft ausgenommen sind. Die Zahlen lassen aber den Rückschluss darauf zu, dass Menschen aus anerkennungsträchtigen Herkunftsländern deutlich seltener mit der Anwendung von Asylhaft rechnen müssen. Im Zeitraum 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 wurden nach den Angaben des Auswärtigen Amtes 492 Personen in Asylhaft genommen, das sind 0,7% aller Asylantragssteller. Asylhaft wird nur nach Einzelfallprüfung und dann angeordnet, wenn kein milderes Mittel möglich ist.

Die Haftplätze waren im September 2015 nicht alle belegt, was trotz der hohen Flüchtlingszahlen für einen maßvollen Umgang der ungarischen Behörden mit dem Instrument der Asylhaft spricht. Inhaftiert werden nach dieser Auskunft nur Männer. Entgegenstehende Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor. Auch der UNHCR kann derzeit keine verlässlichen Angaben über den Umgang mit Asylantragstellern im Dublin-Verfahren in Ungarn machen.

Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen lässt sich nicht entnehmen, dass die Haftbedingungen an sich menschenunwürdig im oben dargelegten Sinn wären und es dort systematisch zu Menschenrechtsverletzungen kommen würde. Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh bzw. des Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, kommt es im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO nicht an (BVerwG, B. v. 6.6.2014 a. a. O.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung grundsätzlich über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion zu-kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - 2 C 3.12 - juris), hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 im Ergebnis festgestellt, dass systemische Mängel hinsichtlich der Inhaftierungspraxis Ungarns nicht vorliegen und ein tatsächliches Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Ungarn nicht bestehe (vgl. EGMR, Urteil vom 3.7.2014 - 71932/12). Neuere Entscheidungen hierzu gibt es nicht. Der Europa-Direktor des UNHCR, Vincent Cochetel hat angekündigt, sollte die Verschärfung der Einwanderungsregeln, die ab 15. September 2015 in Ungarn gelten, zu Verstößen gegen die UN-Konvention führen, werde der UNHCR den EGMR anrufen (www.heute.de/unhcr-fluechtlingsstrom-ebbt-nicht-ab-kritik-an-ungarn, 9. September 2015). Bisher ist dem Gericht hierzu nichts bekannt geworden.

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Entscheidungen ausgeführt, allein die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehrer inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems (so auch VG Dresden, B. v. 9.9. 2015 - 2 L 719/15.A). Er stützt sich weiterhin maßgeblich darauf, dass der UNHCR sich bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; BayVGH, B. v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris).

Hinsichtlich der Anwendung der seit 1. August 2015 in Ungarn geltenden Rechtslage, wonach Serbien nun sicherer Drittstaat sei, die Asylverfahren verkürzt und Anträge abgelehnt würden, wenn sich ein Asylbewerber unentschuldigt länger als 48 Stunden aus der ihm zugewiesenen Unterkunft entferne, ergibt sich nichts anderes. Es liegen dem Gericht für die Behandlung von Rückkehrern im Dublin-Verfahren keinerlei auf Tatsachen gestützte Erkenntnisse vor, die Anlass dazu gäben, Mängel in o.g. Qualität im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen anzunehmen.

Auch die derzeit in vielen Ländern der EU anzutreffenden Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge stellen für sich keinen systemischen Mangel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO dar. Denn hierbei handelt es sich um rein tatsächliche Probleme, die der unerwartete Zustrom so vieler Menschen mit sich bringt (a. A. VG Augsburg, B. v. 23.10.2015, a. a. O.).

Da die Klägerin auch keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Aufnahme-Richtlinie) angehört, kann sie sich einer Überstellung nach Ungarn somit nicht damit entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für sie in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen würde (vgl. VG Köln, B. v. 28.4.2015 - 17 L 1024/15.A - juris; VG Ansbach, B. v. 16.4.2015 - AN 4 K 14.30119), zumal sie freiwillig mit einem Visum für Ungarn eingereist ist.

Die Anordnung der Abschiebung begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylG vorliegen.

Das nach § 11 AufenthG ausgesprochene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot verletzt die Klägerin jedenfalls deshalb nicht in ihren Rechten, weil die Befristung auf 0 Monate festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 22. November 2015 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Bayreuth

Aktenzeichen: B 3 S 15.50292

Beschluss

vom 18. November 2015

3. Kammer

rechtskräftig: Ja

Sachgebiets-Nr. 810

Hauptpunkte:

- Abschiebungsanordnung nach Ungarn;

- keine systemischen Mängel hinsichtlich Ungarn;

- Festhalten am Dublin-Verfahren

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Antragsteller -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Bundesrepublik Deutschland vertreten durch: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle M 1 - Zirndorf - Rothenburger Str. 29, 90513 Zirndorf

- Antragsgegnerin -

beteiligt:

Regierung von Oberfranken - Vertreter des öffentlichen Interesses - Ludwigstr. 20, 95444 Bayreuth

wegen Vollzug des Asylgesetzes (AsylG) (Irak-Rücküberstellung nach Ungarn)

hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth, 3. Kammer,

durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... ohne mündliche Verhandlung am 18. November 2015 folgenden Beschluss: 1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, irakischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am ... 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am ... 2015 einen Asylantrag.

Der Akte des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ist ein sogenannter EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Ungarn zu entnehmen. Aufgrund dessen richtete das Bundesamt am 15.07.2015 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an Ungarn. Die ungarischen Behörden haben hierauf keine Antwort erteilt.

Mit Bescheid vom 28.10.2015, der laut Postzustellungsurkunde am 30.10.2015 zugestellt wurde, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2). Außerdem befristete sie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 3).

Zur Begründung führt das Bundesamt aus, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylG unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gem. Art. 18 Abs. 1 b Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Insbesondere lägen in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vor. Diese Beurteilung werde von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten und zuletzt auch durch die Entscheidung des EGMR vom 03.07.2014 bestätigt. Daher würde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft.

Gegen diesen Bescheid bzw. die darin enthaltene Abschiebungsanordnung richtet sich der beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 02.11.2015 eingegangene Antrag,

die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.

Außerdem wird beantragt,

dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen.

Zur Begründung des Eilantrages wird im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Rücküberstellung nach Ungarn unzulässig sei, da das Asylsystem und die Aufnahmebedingungen dieses Landes systemische Mängel aufwiesen. Außerdem bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides, denn im Hinblick auf die jüngste Entscheidung der Bundesregierung im September 2015, Flüchtlinge - die sich in Ungarn aufhielten - ungehindert nach Deutschland einreisen zu lassen, könnte die Antragsgegnerin durch die hier mangelnde Ausübung des Selbsteintrittsrechtes, willkürlich gehandelt haben. Dies gelte auch hinsichtlich der Tatsache, dass für Flüchtlinge aus Syrien das Dublin-Verfahren ausgesetzt worden sei, während es für den Antragsteller weiter angewandt würde.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 09.11.2015,

den Antrag abzulehnen.

Das Klageverfahren wird unter dem Az. B 3 K 15.50293 geführt und richtet sich gegen die Ziffern 1. und 2. des Bescheides vom 28.10.2015.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte des Klageverfahrens und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen.

II.

1. Der zulässige - insbesondere gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1, § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG statthafte und unter Beachtung der einwöchigen Antragsfrist des § 34 a Abs. 2 Satz 1 AsylG fristgerecht gestellte Antrag - ist unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage anordnen, wenn die Klage - wie hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 75 Abs. 1 AsylG - keine aufschiebende Wirkung hat. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht insbesondere eine summarische Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache und bei offenen Erfolgsaussichten das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides abzuwägen.

Die angegriffene Abschiebungsanordnung stellt sich unter Zugrundelegung der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen derzeitigen Sach- und Rechtslage bei der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig dar, so dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung zurückzutreten hat.

Nach § 34 a Abs. 1 AsylG wird die Abschiebung ohne das Erfordernis einer vorherigen Androhung und Fristsetzung insbesondere dann angeordnet, wenn der Ausländer in einen aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylG) abgeschoben werden soll, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Die Abschiebungsanordnung stellt sich als Festsetzung eines Zwangsmittels dar, die erst dann ergehen darf, wenn alle Voraussetzungen für die Abschiebung erfüllt sind. Dies ist in erster Linie die Zuständigkeit des anderen Staates, daneben muss aber auch feststehen, dass die Abschiebung in den zuständigen Staat nicht aus anderen Gründen rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier - wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt (§ 77 Abs. 2 AsylG) - im Hinblick auf die beabsichtigte Abschiebung nach Ungarn vor.

a) Der Asylantrag ist gemäß § 27a AsylG unzulässig. Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass Ungarn gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO für die Bearbeitung des Asylantrages und die Wiederaufnahme des Antragstellers zuständig ist. Denn die ungarischen Behörden haben auf das am 15.07.2015 vom Bundesamt gestellte Wiederaufnahmegesuch - dem ein EURODAC - Treffer der Kategorie 1 zugrunde lag - nicht geantwortet.

b) Außergewöhnliche Umstände, die die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder möglicherweise für ein Selbsteintrittsrecht bzw. eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.

Das Gericht hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschluss v. 18.09.2015, Az. B 3 S 15.50219 - in juris), wonach die Erfolgsaussichten einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach Ungarn als offen angesehen wurden, nicht mehr fest, weil sich die Sachlage nunmehr verändert hat.

Die Antragsgegnerin führt - wie mittlerweile allgemein bekannt - das Dublin-Verfahren seit dem 21.10.2015 wieder vollumfänglich für alle Herkunftsländer und alle Mitgliedstaaten der EU (außer Griechenland) durch. Damit ist die faktische Aussetzung dieses Verfahrens für syrische Staatsangehörige revidiert worden; die Antragsgegnerin hält wieder konsequent am Dublin-Verfahren fest. Insoweit hat das Gericht keine Bedenken mehr, was eine Ungleichbehandlung oder willkürliche Verfahrensweise angeht. Es ist daher sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht mehr unklar, ob die Antragsgegnerin bei der Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Deshalb besteht für das Gericht kein Anlass mehr, die Erfolgsaussichten einer Klage eines Asylbewerbers gegen eine Abschiebungsanordnung nach Ungarn grundsätzlich als offen zu betrachten.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Überstellung an einen Mitgliedsstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat (rück-)überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011, Az. C-411/10 u. a. in NVwZ 2012, 417 ff.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedsstaats gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedsstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH a. a. O.). Eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin II-VO (nunmehr Dublin III-VO) gefährden, rasch denjenigen Mitgliedsstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist (EuGH a. a. O.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hält das Gericht derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in Ungarn nicht für glaubhaft gemacht (so auch VG Ansbach, B. v. 20.10.2015, Az. AN 3 S 15.50398 - in juris; VG Stade, B. v. 04.11.2015, Az. 1 B 1749 und v. 15.10.2015, Az. 1 B 1605/15 - in juris; VG Dresden, B. v. 09.09.2015, Az. 2 L 719/15.A - in juris; VG Augsburg, U. v. 03.08.2015, Au 5 K 15.50347 - in juris). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass die Lage der Asylbewerber in Ungarn durchaus problematisch ist. So ist zwar davon auszugehen, dass eine Vielzahl von sog. „Dublin-Rückkehrern“ inhaftiert wird (vgl. Stellungnahme des UNHCR an das VG Düsseldorf vom 30.09.2014). Die Vorschriften des ungarischen Asylgesetzes zur Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern stehen jedoch mit den Vorgaben der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 (Aufnahmerichtlinie) in Einklang (vgl. VG Dresden a. a. O. Rn. 30). Insbesondere erscheint es auch nicht willkürlich, sondern nachvollziehbar, wenn die ungarischen Behörden für Dublin-Rückkehrer, die bereits einmal in einem laufenden Asylverfahren Ungarn verlassen haben, eine Fluchtgefahr annehmen, da eine wiederholte Ausreise zu befürchten ist und eine Inhaftierung zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens notwendig erscheint (vgl. VG Ansbach, B. v. 20.10.2015 a. a. O. Rn. 34). Die Haftbedingungen in Ungarn überschreiten auch nicht die Grenze zur systemisch angelegten willkürlichen und erniedrigenden Behandlung bzw. Folter im Sinne des Art. 3 EMRK (vgl. VG Stade, a. a. O. Rn. 17 f.).

Auch die am 01.08.2015 in Kraft getretene Verschärfung des ungarischen Asylrechts, insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Drittstaaten (z. B. Serbien) eingereist sind, führt nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel. Denn zum einen hat der UNHCR angesichts dieser Verschärfungen bisher keinen Überstellungsstopp nach Ungarn gefordert. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit aber gerade eine besondere Bedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. VG Stade, a. a. O. Rn. 20). Zum anderen kennt auch das deutsche Asylrecht mit der Vorschrift des § 26a AsylG eine Bestimmung, aufgrund der ein Asylantrag abzulehnen ist, wenn ein Asylbewerber aus einem sicheren Drittstaat eingereist ist (vgl. VG Augsburg, a. a. O. Rn. 48).

Ein systemischer Mangel ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die ungarischen Aufnahmekapazitäten begrenzt sind. Ungarn ist bemüht, bei der Durchführung von Dublin-Überstellungen darauf zu achten, dass Kapazitäten zur Unterbringung der Dublin-Rückkehrer vorhanden sind. Dies ergibt sich aus einem dem Gericht bekannten Schreiben der Kreisverwaltung Altenkirchen an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 04.09.2015, wonach Ungarn täglich nur eine begrenzte Zahl von Asylbewerbern zurücknimmt. Auch eine Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Magdeburg vom 28.09.2015 (Gz. 508-9-516.80/48518) konnte eine Erschöpfung der ungarischen Aufnahmekapazitäten für Dublin-Rückkehrer nicht bestätigen. Vielmehr waren die bestehenden Aufnahmeeinrichtungen zum Zeitpunkt der Stellungnahme nicht voll belegt (vgl. hierzu VG Stade, B. v. 04.11.2015 a. a. O. Rn. 17).

Nachdem nunmehr die Mehrzahl der Menschen Ungarn als Zufluchts- und Transitland meidet, ist davon auszugehen, dass die Auslastungen der Unterkünfte deutlich entspannter sind als dies noch im August/September dieses Jahres der Fall war.

c) Ein der Abschiebung nach Ungarn entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Antragsgegnerin auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.09.2014, Az. 2 BvR 732/14 - in juris Rn. 11 f.), ist nicht ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gemäß § 83b AsylG werden Gerichtskosten nicht erhoben.

3. Dem Antragsteller kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den vorgenannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt

II.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die nach ihren eigenen Angaben 1990 im Irak geborene Antragstellerin kurdischer Volkszugehörigkeit und yezidischer Religionszugehörigkeit reiste nach eigenen Angaben am 23. Januar 2015 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 9. März 2015 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. In einem persönlichen Gespräch am 9. März 2015 gab sie an, auf dem Landweg über die Türkei in das Bundesgebiet gekommen zu sein. Aufgrund eines Eurodac-Treffers für Ungarn vom 11. März 2015 richtete das Bundesamt am 13. März 2015 ein Aufnahmeersuchen an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 26. März 2015 Ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylverfahrens der Antragstellerin. Diese habe, zusammen mit weiteren familienangehörigen, am 20. Januar 2015 in Ungarn einen Asylantrag gestellt.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2015 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag der Antragstellerin unzulässig sei (Nr. 1 des Bescheids) und ordnete ihre Abschiebung nach Ungarn an (Nr. 2 des Bescheids). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Asylantrag sei unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort gestellten Asylantrags für dessen Behandlung zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Die Antragstellerin hat am 3. August 2015 Klage zum Verwaltungsgericht München gegen diesen Bescheid erhoben (M 1 K 15.50686). Ebenfalls am 3. August 2015 beantragt sie,

die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen.

Zur Klage- und Antragsbegründung wird im Wesentlichen vorgetragen, Ungarn sei für ihren Asylantrag nicht zuständig, da sie dort keinen solchen gestellt habe. In Ungarn bestünden zudem schwerwiegende Mängel hinsichtlich des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. Insbesondere drohe Asylhaft. Ihrem Vater sei mit Bescheid des Bundesamts vom 13. Mai 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Sie sei jung und alleinstehend. Später wird von ihr vorgetragen, nach einem Schreiben eines ****** jezidischen Vereins vom 25. August 2015 sei sie nach jezidischer Tradition mit einem Mann verheiratet, der ebenfalls in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe. Am 12. Oktober 2015 legte die Antragstellerin einen Mutterpass vor, wonach am 26. April 2016 mit einer Entbindung zu rechnen sei.

Die Akten des Bundesamts wurden mit Schreiben vom 5. August 2015 vorab übersandt. Eine Antragstellung erfolgte nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 27a AsylG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

1. Die ungarischen Behörden haben ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags der Antragstellerin nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. c Dublin III-VO erklärt. Hat ein Mitgliedstaat der Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe eines in der Dublin-VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt, kann der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums - unionsrechtlich - grundsätzlich nur damit entgegentreten, dass er entsprechend Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - NVwZ 2014, 208 ff. - juris Rn. 60; BVerwG, B. v. 14.7.2014 - 1 B 9/14 - juris Rn. 4).

Systemische Mängel sind zu bejahen, wenn in dem Zielstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass der Asylbewerber dort tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Grundrechte-Charta und Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt zu sein (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - NVwZ 2014, 1677 ff. - juris Rn. 6) oder, dass in dem Mitgliedstaat in verfahrens- oder materiell-rechtlicher Hinsicht nach aktuellen Erkenntnissen kein hinreichender Schutz vor Verfolgung gewährt wird. Die Grundrechtsverletzungen dürfen nicht nur in Einzelfällen vorkommen, sondern müssen strukturell bedingt sein.

Nach Überzeugung des Gerichts liegen - jedenfalls soweit es sich nicht um besonders verletzliche Personengruppen, etwa Familien mit kleinen Kindern, handelt - hinsichtlich Ungarn aus derzeitiger Sicht keine systemischen Mängel vor, was auch der jüngsten Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie diverser Verwaltungsgerichte bundesweit entspricht (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - abrufbar unter http://www.echr.coe.int; BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris Rn. 4 ff.; VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A - juris; AG Aachen, B. v. 26.2.2015 - 5 L 54/15.A - juris; VG Hamburg, B. v. 18.2.2015 - 2 AE 354/15 - juris; VG München, B. v. 13.1.2015 - M 17 S 14.50704; VG Hamburg, B. v. 18.2.2015 - 2 AE 354/15 - juris; VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris, m. w. N.; a. A.: z. B. VG München, B. v. 20.2.2015 - M 24 S 15.50091 - juris; VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris; offene Erfolgsaussichten für die Hauptsacheverfahren werden angenommen u. a. vom VG München, B. v. 4.2.2015 - M 23 S 15.50049 - juris; VG Stuttgart, B. v. 10.2.2015 - A 13 K 444/15 - juris). Eine die aktuelle Auskunftslage berücksichtigende, gefestigte Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte ist nicht erkennbar.

Auch wenn nach aktueller Erkenntnislage die Lebensbedingungen von Asylsuchenden in Ungarn schwierig sind und insbesondere die Inhaftierungspraxis bedenklich ist, sind die Missstände nicht so gravierend bzw. erreichen sie nicht ein solches Ausmaß, dass sie systemische Mängel begründen könnten. Dies gilt auch in Anbetracht des im Juli 2013 in Ungarn in Kraft getretenen Gesetzes, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monate zulässig ist. Eine Inhaftierung ist danach u. a. möglich zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit des Antragstellers, nach dessen Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Antragsteller seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat. Diese Gründe für die Verhängung von sogenannter Asylhaft dürften jedoch überwiegend mit der EU-Aufnahmerichtlinie und wohl auch der Dublin-VO selbst übereinstimmen (vgl. auch EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-534/11 - NVwZ 2013, 1142 ff. - juris). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist nicht ersichtlich (BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris Rn. 6; VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A - juris; VG München, U. v. 30.3.2015 - M 2 K 15.50224; VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris).

Auch der UNHCR hat bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Ungarn explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt besondere Bedeutung zu. Denn die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtenden - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).

Ferner sind den vorliegenden Auskünften (Auswärtiges Amt vom 21.11.2014 an das VG München; Pro Asyl v. 31.10.2014 an das VG Düsseldorf; UNHCR v. 9.5.2014 ebenfalls an das VG Düsseldorf) auch keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die inhaftierten Asylbewerber in Ungarn systematisch einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen werden, auch wenn bisweilen Defizite in den Haftbedingungen festgestellt werden konnten. So können sich die Asylsuchenden tagsüber frei bewegen, eine ausreichende medizinische und sonstige Versorgung ist gewährleistet, Freizeiteinrichtungen sind vorhanden. Rechtlicher Beistand wird ebenfalls gewährleistet (VG Augsburg, B. v. 2.2.2015 - Au 2 S 15.50041 - juris Rn. 28; VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A - juris Rn. 125 ff.; VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15 - juris).

2. Mit der Behauptung, sie habe in Ungarn keinen Asylantrag gestellt, kann die Antragstellerin nicht durchdringen, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die ungarischen Behörden Flüchtlinge gegen ihren Willen ins Asylverfahren drängen und erst recht nicht davon, dass sie die Wiederaufnahme von Flüchtlingen akzeptieren würden, zu deren Rücknahme sie mangels Asylantrags gar nicht verpflichtet wären.

Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Die von der Antragstellerin angeführte Schwangerschaft begründet unter den Umständen des Einzelfalles auch kein Selbsteintrittsrecht. Das ungarische Gesundheitssystem gewährleistet für Asylsuchende (vgl. aida - Asylum Information Database, Country Report Hungary, update vom 17.2.2015, S. 49 f.; Auswärtiges Amt vom 2.3.2015 an das VG München) und auch für Flüchtlinge in Asylhaft (vgl. VG Düsseldorf, U. v. 20.3.2015 - 13 K 501/14.A - juris Rn. 122 ff.) auch in dieser Hinsicht jedenfalls eine Grundversorgung. Dass sie nach jezidischem Recht verheiratet sei und sich ihr Partner ebenfalls im Bundesgebiet befinde, wo er einen Asylantrag gestellt habe, begründet den Selbsteintritt ebenso wenig wie der Vortrag, ihr Vater habe hier im Bundesgebiet die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen.

Einer Rückführung der Antragstellerin nach Ungarn stehen auch keine tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisse im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG entgegen. Insbesondere begründet die Vorlage von Dokumenten zum Nachweis einer Schwangerschaft nicht bereits die Vermutung einer eingetretenen Reiseunfähigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Gründe

I.

1

Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.

II.

2

Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.

3

Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,

"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."

4

Damit in Zusammenhang stehe die Frage,

"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."

5

Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:

"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).

Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).

Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).

Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."

6

Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach

AN 3 K 15.50498

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 21.12.2015

3. Kammer

Sachgebiets-Nr.: 710 01

Hauptpunkte:

- Visum für Ungarn; keine systemischen Mängel in Ungarn, alleinreisende Frau aus dem Iran; Kirchenasyl

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

Bundesrepublik Deutschland

vertreten durch: ...

- Beklagte -

wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer, durch die Einzelrichterin Richterin am Verwaltungsgericht Kokoska-Ruppert ohne mündliche Verhandlung

am 21. Dezember 2015

folgendes Urteil:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben im Jahr 1971 geboren, iranische Staatsangehörige und protestantische Christin. Sie reiste eigenen Angaben zufolge am 4. Mai 2015 auf dem Luftweg von Teheran über Istanbul nach Budapest. Von dort sei sie am 5. Mai 2015 mit Hilfe eines Schleusers und mit einem gefälschten Reisepass nach München geflogen. Am 3. Juni 2015 beantragte sie ihre Anerkennung als Asylberechtigte.

Eine Anfrage bei der VIS am 3. Juni 2015 ergab, dass die Klägerin bei der Einreise in die Europäische Union im Besitz eines ungarischen Visums war, ausgestellt vom Ungarischen Konsulat in Teheran mit Gültigkeit vom 29. März 2015 bis 27. April 2015.

In dem Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 21. Juli 2015 erklärte die Klägerin, sie wolle in Deutschland das Asylverfahren durchführen, da die Verhältnisse hier besser seien als in Ungarn, v.a. für sie als Frau. Sie wolle gern arbeiten. Sie habe im Iran starke Migräne gehabt, die sie in Deutschland nicht mehr habe.

Sie sei am Tag ihrer Einreise nach Ungarn am 4. Mai 2015 dort erkennungsdienstlich behandelt worden.

Angaben zur Erlangung des Visums konnte sie nicht machen. Sie habe für ihre Schleusung 30.000.000,- Tomen an den Schleuser bezahlt.

Am 28. August 2015 wurde ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-Verordnung an Ungarn gerichtet. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 erklärten die ungarischen Behörden ihre Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Klägerin nach Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO.

Mit Bescheid vom 22. Oktober 2015, der der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 27. Oktober 2015 zugestellt wurde, lehnte die Beklagte den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer I), ordnete in Ziffer II die Abschiebung nach Ungarn an und befristete in Ziffer III das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 0 Monate.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe nichts vorgetragen, was die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Durchführung des Asylverfahrens begründen könne. Es gebe keine Hinweise darauf, dass es in Ungarn seitens der Behörden zu Übergriffen auf Asylsuchende komme. Die Klägerin könne sich an die zuständigen Behörden wenden, wenn sie körperliche Übergriffe durch Dritte befürchte. Eine mangelnde Schutzfähigkeit oder Schutzbereitschaft der ungarischen Behörden sei nicht feststellebar. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen vor. Zur Begründung wird insgesamt auf den Bescheid Bezug genommen.

Mit einem am 30. Oktober 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin Klage gegen den genannten Bescheid erheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, wegen des massenhaften Zustroms an Asylsuchenden habe sich die Situation in Ungarn für Schutzsuchende sehr verschlechtert. Außerdem herrsche dort ein Klima von Rassismus und ausländerfeindlicher Einstellung, von dem auch Teile der Behörden erfasst seien.

Sie beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, für die Klägerin ein Asylverfahren in Deutschland durchzuführen.

Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 4. November 2015,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 2. November 2015 teilte die „Kongregation der Schwestern ... mit, die Klägerin befinde sich seit 2. November 2015 dort im Kirchenasyl.

Mit Schreiben vom 27. November 2015 bzw. 14. Dezember 2015 teilten die Beteiligten auf gerichtliche Anfrage mit, dass auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet werde.

Mit Beschluss vom 17. Dezember 2015 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 22. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Asylantrag der Klägerin ist unzulässig.

Denn Ungarn ist nach § 27 a AsylG, Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zuständig. Dies hat Ungarn mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 gegenüber der Beklagten erklärt.

Die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Unterabsatz 1 Dublin III-VO ist noch nicht abgelaufen, so dass die Überstellung nach Ungarn noch erfolgen kann. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Frist im vorliegenden Fall wegen der Inanspruchnahme von Kirchenasyl durch die Klägerin seitens der Beklagten verlängert werden kann, Art. 29 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO.

Denn ein Ausländer ist bereits dann flüchtig, wenn er sich seiner Überstellung durch sein Nichterscheinen entzieht. In einem solchen Fall hat nicht der Mitgliedstaat, sondern der Asylbewerber den Ablauf der Frist zu vertreten (VG Regensburg, U. v. 20.2.2015 - RN 3 K 14.50264, juris Rn. 54; VG Magdeburg, U. v. 11.12.2014 - 1 B 1196/14, juris).

Auf die näheren Umstände der Einreise der Klägerin in das Gebiet der Europäischen Union kommt es nicht an, insbesondere nicht darauf, dass das Visum zum Einreisezeitpunkt nach Ungarn nach Angaben der Klägerin schon abgelaufen war (Einreise 4. Mai 2015, Ende der Gültigkeit 27. April 2015). Denn bei den Vorschriften der Dublin III-VO handelt es sich überwiegend um Normen, die die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens regeln und dem Antragsteller gerade kein subjektives Recht darauf einräumen, dass sein Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt wird (vgl. Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand 1. Mai 2015, Rn. 29 und 30 zu § 27 a AsylVfG). Entscheidend ist, dass sich Ungarn aufgrund der der o.g. Regelungen zur Durchführung des Asylverfahrens für zuständig erklärt hat.

Besondere Umstände, die die Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Auslegung der Dublin III-Verordnung, die „einen der Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems bildet“, und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH, Urteil vom 21.12. 2011 - C-411/10 und C-493/10 - Slg. 2011, I-13905; EuGH, Urteil vom 14.11.2013 - Pui, C-4/11; EuGH, Urteil vom 10.12.2013, C-394/12).

Das in dieser Verordnung und in weiteren Rechtsakten geregelte Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) stützt sich - ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, Urteil vom 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) - auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, ferner dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10, C-493/10, NVwZ 2012, 417; vgl. Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406).

Davon kann nur dann abgesehen werden, wenn dieser zuständige Mitgliedsstaat sogenannte „systemische Mängel“ des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufweist, so dass die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gefahr für Asylbewerber bestünde, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Asylbewerber der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat nur mit dem Einwand sogenannter systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (so grundsätzlich EUGH, große Kammer, U. v. 10.12.2013, RS: 10-394/12, juris). Diese Rechtsprechung mündete in Art. 3 Abs. 2 der Dublin III-VO, der bestimmt, dass im Falle systemischer Schwachstellen in einem Mitgliedsstaat für den Fall, dass keine anderen zuständigen Staaten gefunden werden können, der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedsstaat der zuständige Mitgliedsstaat wird. An diesen in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO normierten Ausnahmefall sind daher strenge Anforderungen zu stellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790 ff.). Eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK muss im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation bestehen. Sie liegt maßgeblich dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet, oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z. B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (vgl. OVG NRW a. a. O.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss sich der Tatrichter zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d. h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Widerlegung dieser Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35/14, juris).

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind die regelmäßigen Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort. Den Berichten des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Mig-ranten vor Ort kommt bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin III-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zu.

Nach diesen Grundsätzen ist auf Grundlage des dem Gericht vorliegenden, aktuellen Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern in Ungarn (vgl. Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu den Änderungen des ungarischen Asylrechts vom 7. August 2015, abrufbar unter http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-HU-asylum-law-amendment-2015-August-info-note.pdf; Bericht des Hungarian Helsinki Committee zu Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in Ungarn, Stand Mai 2014; Stellungnahme des UNHCR vom 9.5.2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A jeweils abrufbar unter https://milo.bamf.de; Ungarn Länderbericht des AIDA (Asylum Information Database), Stand November 2015, und AIDA „Crossing Boundaries“, Oktober 2015, abrufbar unter http://www.asylumineurope.org; bordermonitoring.eu: Auskunft an die Verwaltungsgerichte Düsseldorf und München vom 30. Oktober 2014 und „Lager und Solidarität an der Grenze, 14. Juli 2015; Amnesty International Juli 2015:“Europe’s Borderlands - Violations against refugees and migrants in Macedonia, Serbia and Hungary“, abrufbar unter http://www.amnestyusa.org/research/reports/europe-s-borderlands-violations-against-migrants-and-refugees-in-macedonia-serbia-and-hungary; Amnesty International zur Lage der Flüchtlinge in Ungarn Oktober 2015 :“Fenced out-Hungary’s violations of the rights of refugees and mig-rants“, abrufbar unter http://www.amnesty.org/en/documents/eur27/2614/2015/en/; UNHCR:“Europe’s refugee emergency response update #10, 6. - 12. November 2015, abrufbar unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain?page=search&skip=0&query=&coi=HUN;) jedenfalls für die Person der Klägerin derzeit nicht ernsthaft zu befürchten, dass in Ungarn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber systemische Mängel aufweisen, die einen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GRCh bzw. Art. 3 EMRK begründen könnten.

Zum 1. Juli 2013 wurde das Asylsystem Ungarns zwar dahingehend verändert, als erneut weitgehende Inhaftierungsgründe für Asylbewerber geschaffen wurden. Diese Rechtsänderungen wurden hinsichtlich der Unbestimmtheit der Haftgründe sowie hinsichtlich der unzureichenden Rechtsbehelfe gegen die Inhaftierung verschiedentlich kritisiert (vgl. Bericht des Hungarian Hel-sinki Commiittees a. a. O.; Ungarn Länderbericht des AIDA a. a. O.; UNHCR vom 9.5.2014 a. a. O.). Die genannten Berichte beruhen allerdings im Wesentlichen auf einer Auswertung der geänderten Rechtslage selbst, während Erkenntnisse zur konkreten Handhabung nicht verlässlich vorliegen. Es zu konstatieren, dass der UNHCR - abgesehen von seiner Stellungnahme vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf - bislang keine generellen Feststellungen zum Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen in Ungarn getroffen und auch keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Ungarn zu überstellen (vgl. VG Würzburg, Beschluss vom 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris). Unter Berücksichtigung der besonderen Relevanz des durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragenen Amtes des UNHCR für die Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens (vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013 - C 528/11 - NVwZ-RR 2013, 660), kommt dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR besondere Bedeutung zu. Der Auffassung, die z. B. das Verwaltungsgericht des Saarlandes im Beschluss vom 7. August 2015 (3 L 672/15, juris Rn. 20) vertritt (so auch VG Köln, U. v. 11.9.2015 - 18 K 3279/15.A, juris und VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15, juris), wonach Äußerungen der Pressesprecherin des UNHCR zu entnehmen sei, dass der UNHCR über die fremdenfeindliche Gesinnung der ungarischen Regierung besorgt sei und dass diese Äußerungen wegen der Rolle, die dem Amt des UNHCR durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden sei, bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrens besonders zu beachten seien, schließt sich das Gericht nicht an. Abzustellen ist vielmehr auf Empfehlungen des UNHCR zur Beachtung der Aufnahme- und Verfahrensregelungen der Dublin-Verordnungen bei der Umsetzung in nationales Recht (so auch VG Stade, B. v. 4.11.2015 - 1 B 1749/15, juris). Diese gab der UNHCR erst jüngst z. B. zu den Verhältnissen für Asylsuchende in Tschechien ab (siehe hierzu FAZ vom 27.10.2015: UN werfen Tschechien menschenunwürdiges Verhalten vor; Tagesspiegel vom 22.10.2015: UN: Tschechien inhaftiert Flüchtlinge „systematisch“). An einer solchen Empfehlung zu Ungarn fehlt es bislang, wie auch das VG des Saarlandes (a. a. O.) selbst feststellt, obwohl Ungarn in den letzten Monaten in seiner Bedeutung als Transitland stark im Fokus der Öffentlichkeit stand.

Auch wenn die Inhaftierungsregelungen und -praxis in Ungarn in der Rechtsprechung zur Annahme systemischer Mängel führen (vgl. VG München, U. v. 23.9.2014 - M 24 K 13.31329 -; VG Sigmaringen, B. v. 22.4.2014 - A 5 K 972/14 - juris; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - VG Düsseldorf, B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - jeweils juris; VG Münster, B. v. 7.7.2015 - 2 L 858/15.A; VG München, B. v. 5.3.2015 - M 15 S 15.50160 - juris; VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - 23 L 899.14 A - juris; VG Bremen, B. v. 1.4.2015 - 3 V 145/15 - juris; VG Köln, U.v. 11.9.2015 - 18 K 3279/; VG Oldenburg, U. v. 2.11.2015 - 12 A 2572/15 - juris; VG Augsburg, B. v. 23.10.2015 - Au 5 S 15.50405 - bislang nicht veröffentlicht), ist nach Überzeugung des Gerichts für den hier vorliegenden Einzelfall nicht die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei einer Rücküberstellung nach Ungarn zu befürchten. Zwar sind Dublin-Rückkehrer häufiger von Asylhaft betroffen als Ersteinreisende. Ausweislich einer Erklärung des Direktors des ungarischen Asyldirektorates gegenüber dem Liaisonmitarbeiter des Bundesamtes in Budapest im September 2013 werden Asylantragsteller aus sogenannten anerkennungsträchtigen Herkunftsländern aber regelmäßig weder in Asylhaft noch in Abschiebehaft genommen (vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 2.9.2014 - 6 L 1235/14.A - juris). Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 28. September 2015 an das Verwaltungsgericht Magdeburg gibt es zwar keine generelle Regelung (mehr), wonach Dublin-Rückkehrer je nach Herkunftsland von der Anwendung von Asylhaft ausgenommen sind. Die Zahlen lassen aber den Rückschluss darauf zu, dass Menschen aus anerkennungsträchtigen Herkunftsländern deutlich seltener mit der Anwendung von Asylhaft rechnen müssen. Im Zeitraum 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 wurden nach den Angaben des Auswärtigen Amtes 492 Personen in Asylhaft genommen, das sind 0,7% aller Asylantragssteller. Asylhaft wird nur nach Einzelfallprüfung und dann angeordnet, wenn kein milderes Mittel möglich ist.

Die Haftplätze waren im September 2015 nicht alle belegt, was trotz der hohen Flüchtlingszahlen für einen maßvollen Umgang der ungarischen Behörden mit dem Instrument der Asylhaft spricht. Inhaftiert werden nach dieser Auskunft nur Männer. Entgegenstehende Erkenntnisse liegen derzeit nicht vor. Auch der UNHCR kann derzeit keine verlässlichen Angaben über den Umgang mit Asylantragstellern im Dublin-Verfahren in Ungarn machen.

Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen lässt sich nicht entnehmen, dass die Haftbedingungen an sich menschenunwürdig im oben dargelegten Sinn wären und es dort systematisch zu Menschenrechtsverletzungen kommen würde. Darauf, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GRCh bzw. des Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war, kommt es im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO nicht an (BVerwG, B. v. 6.6.2014 a. a. O.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Rechtsprechung grundsätzlich über den jeweils entschiedenen Einzelfall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion zu-kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.2013 - 2 C 3.12 - juris), hat mit Urteil vom 3. Juli 2014 im Ergebnis festgestellt, dass systemische Mängel hinsichtlich der Inhaftierungspraxis Ungarns nicht vorliegen und ein tatsächliches Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung im Sinne des Art. 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Ungarn nicht bestehe (vgl. EGMR, Urteil vom 3.7.2014 - 71932/12). Neuere Entscheidungen hierzu gibt es nicht. Der Europa-Direktor des UNHCR, Vincent Cochetel hat angekündigt, sollte die Verschärfung der Einwanderungsregeln, die ab 15. September 2015 in Ungarn gelten, zu Verstößen gegen die UN-Konvention führen, werde der UNHCR den EGMR anrufen (www.heute.de/unhcr-fluechtlingsstrom-ebbt-nicht-ab-kritik-an-ungarn, 9. September 2015). Bisher ist dem Gericht hierzu nichts bekannt geworden.

Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in zwei Entscheidungen ausgeführt, allein die Tatsache, dass das ungarische Asylrecht Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthalte und Ungarn auf dieser Grundlage Dublin-Rückkehrer inhaftiere, sei für sich genommen noch kein begründeter Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems (so auch VG Dresden, B. v. 9.9. 2015 - 2 L 719/15.A). Er stützt sich weiterhin maßgeblich darauf, dass der UNHCR sich bisher nicht generell gegen Rücküberstellungen nach Ungarn ausgesprochen habe (BayVGH, B. v. 12.6.2015 - 13a ZB 15.50097 - juris; BayVGH, B. v. 27.4.2015 - 14 ZB 13.30076 - juris).

Hinsichtlich der Anwendung der seit 1. August 2015 in Ungarn geltenden Rechtslage, wonach Serbien nun sicherer Drittstaat sei, die Asylverfahren verkürzt und Anträge abgelehnt würden, wenn sich ein Asylbewerber unentschuldigt länger als 48 Stunden aus der ihm zugewiesenen Unterkunft entferne, ergibt sich nichts anderes. Es liegen dem Gericht für die Behandlung von Rückkehrern im Dublin-Verfahren keinerlei auf Tatsachen gestützte Erkenntnisse vor, die Anlass dazu gäben, Mängel in o.g. Qualität im Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen anzunehmen.

Auch die derzeit in vielen Ländern der EU anzutreffenden Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge stellen für sich keinen systemischen Mangel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO dar. Denn hierbei handelt es sich um rein tatsächliche Probleme, die der unerwartete Zustrom so vieler Menschen mit sich bringt (a. A. VG Augsburg, B. v. 23.10.2015, a. a. O.).

Da die Klägerin auch keiner besonders schutzbedürftigen Personengruppe im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Aufnahme-Richtlinie) angehört, kann sie sich einer Überstellung nach Ungarn somit nicht damit entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für sie in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen würde (vgl. VG Köln, B. v. 28.4.2015 - 17 L 1024/15.A - juris; VG Ansbach, B. v. 16.4.2015 - AN 4 K 14.30119), zumal sie freiwillig mit einem Visum für Ungarn eingereist ist.

Die Anordnung der Abschiebung begegnet keinen rechtlichen Bedenken, da die Voraussetzungen des § 34a Abs. 1 AsylG vorliegen.

Das nach § 11 AufenthG ausgesprochene gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot verletzt die Klägerin jedenfalls deshalb nicht in ihren Rechten, weil die Befristung auf 0 Monate festgesetzt wurde.

Im Übrigen wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 2 AsylG auf die zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamtes vom 22. November 2015 Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,

Hausanschrift:Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:Postfach 616, 91511 Ansbach,

schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;

Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in

in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 1 Satz 1 RVG).

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Behandlung seines Asylantrages als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn.

Der am ... 1991 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit.

Seinen Angaben zu Folge reiste der Kläger am 31. Dezember 2014 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 16. März 2015 Asylerstantrag stellte.

Für den Kläger liegt ein Eurodac-Treffer international mit der Kennung ... für die Republik Ungarn vor.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt), richtete am 5. Mai 2015 ein Übernahmeersuchen für den Kläger an die Republik Ungarn. Mit Schreiben vom 8. Juni 2015 erklärten die ungarischen Behörden ihre Zuständigkeit für die Behandlung des Asylantrags des Klägers und erklärten sich mit einer Rücküberstellung einverstanden.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juni 2015 wurde der Antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1.). In Ziffer 2. des Bescheides wurde gegenüber dem Kläger die Abschiebung nach Ungarn angeordnet.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) für die Behandlung des Asylantrages zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe in seinem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates angegeben, dass er in keinen anderen Dublin-Mitgliedstaat überstellt werden wolle. Gründe, die gegen eine Überstellung nach Ungarn sprächen, seien nicht vorgebracht worden und auch anderweitig nicht ersichtlich. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vor. Diese Beurteilung sei von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten und zuletzt auch durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 3. Juli 2014 bestätigt worden. In dieser Entscheidung werde festgestellt, dass das ungarische Asylsystem im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards stehe und die wichtigsten Garantien enthalte. Daher werde der Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Bundesrepublik Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des Aufnahme- und Wiederaufnahmeersuchens durch Ungarn oder der endgültigen negativen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung habe, durchzuführen.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 10. Juni 2015 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 4. Juli 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt:

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. Juni 2015, Gz.: ..., wird aufgehoben.

Der Bescheid vom 10. Juni 2015 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Aufgrund seines Reiseweges sei nicht Ungarn, sondern Bulgarien für die Behandlung des Asylantrags des Klägers zuständig. Eine Abschiebung in den nach der Dublin III-VO unzuständigen Aufnahmestaat Ungarn verbiete sich, ein Übernahmeersuchen an den zuständigen Mitgliedstaat Bulgarien sei wegen Ablaufs der Anfragefrist aus Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO nicht mehr möglich, so dass die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig geworden sei. Nach der Dublin III-Verordnung müsse die Anfrage an den für die Übernahme zuständigen Mitgliedstaat zwingend innerhalb der dort geregelten Ausschlussfrist gestellt werden. Werde diese Frist versäumt, so trete die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Durchführung des Verfahrens ein. Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO vermittle dem Asylantragsteller ein subjektives Recht.

Auf den weiteren Inhalt des Klageschriftsatzes vom 4. Juli 2015 wird ergänzend verwiesen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Eine Antragstellung ist nicht erfolgt.

Ein vom Kläger ebenfalls gestellter Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 8. Juli 2015 (Az. Au 5 S 15.50348) abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. Juli 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 3. August 2015 fand mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

Der Einzelrichter konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2015 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Gleiches gilt in Bezug auf die Beachtung der Ladungsfrist aus § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO, da die Beklagte mit Schreiben vom 24. Juni 2015 generell auf die Einhaltung von Ladungsfristen verzichtet hat.

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit besitzt der Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte im nationalen Verfahren über das Asylgesuch des Klägers entscheidet.

Ein Asylantrag ist gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34 a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Hintergrund dieser Bestimmungen ist, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft kraft Verfassungsrechts (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG) als sichere Drittstaaten gelten, während sonstige sichere Drittstaaten durch Gesetz bestimmt werden. Wer sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat, bedarf grundsätzlich nicht des Schutzes eines anderen Staates. Bei der Republik Ungarn handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylVfG). Die Einreise aus einem dieser Staaten schließt die Berufung auf ein Asylrecht aus (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG).

Im vorliegenden Fall ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union die Republik Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Dublin III-Verordnung. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung. Der Kläger hat am 16. März 2015 in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag gestellt.

Für die Prüfung des Asylantrages des Klägers ist gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO Ungarn zuständig. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den bei den Artikeln 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Kläger aus einem Drittstaat kommend, die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat. Vorliegend ergibt sich die Zuständigkeit der Republik Ungarn aus dem festgestellten Eurodac-Treffer. Danach hat der Kläger in Ungarn illegal die Grenze überschritten (Eurodac-Treffer beginnt mit „HU2“: Art. 14 Abs. 1 i. V. m. Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von Eurodac; im Folgenden: Eurodac-VO).

Die nach Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO zuständige ungarische Behörde hat dem Wiederaufnahmegesuch des Klägers auch ausdrücklich gemäß Art. 18 Abs. 1a Dublin III-VO mit Schreiben vom 8. Juni 2015 zugestimmt (Bl. 58 der Behördenakte).

An der Zuständigkeit Ungarns für die Behandlung des Asylantrages des Klägers ändert auch nichts, dass dieser vorgetragen hat, das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erstmalig in Bulgarien betreten zu haben.

Eine objektive Überprüfung, ob der die Aufnahme erklärende Mitgliedsstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann eine Asylbewerber nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich „aufgeladen“ sind, an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Verordnung ebenso wie das gesamte gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten - Mitgliedstaaten wie Drittstaaten - die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin III-VO, nämlich - erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, - zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten, sowie - drittens - ein „forum shopping“ zu verhindern (vgl. EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - juris; U. v. 21.11.2011 - C-411/10 - juris; U. v. 14.11.2013 - C-4/11 - juris). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Kläger keine Berührungspunkte zum dem aufnahmebereiten Mitgliedstaat hat, mithin zum bloßen Objekt des Verfahrens würde, was vorliegend angesichts seines wenn auch kurzen Aufenthaltes in Ungarn nicht der Fall ist, bzw. der aufnahmebereite Mitgliedstaat über den Sachverhalt durch den ersuchenden Mitgliedstaat vorsätzlich getäuscht wurde.

Letzteres ist hier nicht ersichtlich, zumal der Vortrag des Klägers zu seinem Reiseweg widersprüchlich ist. Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt am 1. Juni 2015 hat der Kläger anders als in der mündlichen Verhandlung am 3. August 2015 erklärt, dass er sich nicht in Ungarn aufgehalten habe. Auch seien ihm keine Fingerabdrücke abgenommen worden. Insoweit steht der Vortrag des Klägers in eindeutigem Wiederspruch zu dem für ihn vorliegenden Eurodac-Treffer. Auch spricht gegen eine bewusste Täuschung durch die Beklagte, dass der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung am 1. Juni 2015 seinen Reiseweg nicht näher darlegen konnte. Er sei in Bulgarien in einen LKW gestiegen. Danach wisse er nicht, über welche Länder er gefahren sei. Bei dieser Sachlage und dem Vorliegen eines Eurodac-Treffers der Kategorie 2 kann nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte quasi willkürlich ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn gerichtet und die ungarischen Behörden über eine eigentlich gegebene Zuständigkeit Bulgariens getäuscht hat.

Als Ausfluss des Prinzips gegenseitigen Vertrauens hat der Asylsuchende überdies nur einen Anspruch darauf, dass sein Asylgesuch in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft materiell geprüft wird. Weitergehende Ansprüche besitzt der Asylsuchende nicht. Dies entspricht im Wesentlichen auch der Regelung in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, wonach jeder Mitgliedsstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 (Dublin III-VO) beschließen kann, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Es liegen auch keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Ungarns in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen.

Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die Dublin-Verordnungen gehören, liegt die Vermutung zugrunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGrCh) sowie der EMRK behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukommt.

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ zugrunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn in Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EuGrCh ausgesetzt zu werden.

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht nur vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System aufgrund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656 - juris).

Systemische Mängel sind zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Verhältnisse in der Republik Ungarn nicht anzunehmen.

Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 2013, 342 ff.) sowie anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2015 - 14 B 13.30076 - juris; VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 4; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12 - juris Rn. 23; VG Würzburg, B. v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 28 ff.; U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 2.9.2014 - 6 L 1235/14.A - juris Rn. 30 ff.; B. v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 7 ff.; VG Hannover, B. v. 27.5.2014 - 5 B 634/14 - juris Rn. 8 ff.; andere Ansicht: SächsOVG, B. v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris Rn. 4 m. w. N.; VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris Rn. 31 ff.; VG Stuttgart, U. v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 24 ff.; B. v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, B. v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris Rn. 18 ff.; VG Berlin, B. v. 15.1.2015 - VG 23 L 899.14 - juris).

Systemische Mängel bestehen (erst) bei einer reellen Unfähigkeit des gesamten Verwaltungsapparats zur Beachtung des Art. 4 EuGrCh, was gleichbedeutend ist mit strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens haben. Die im jeweiligen nationalen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Dies kann einerseits darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asylsystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - in weiten Teilen aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft defizitär ist und funktionslos wird (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 5 a. E.; und B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, S. 1039 f. = juris Rn. 6 und 9; VGH BW, U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, S. 77, 78 ff. = juris; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 79 ff.; OVG RP, U. v. 21.2.2014 - 10 A10656/13 - juris Rn. 39 f.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat als Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme im europäischen Zielstaat die Überstellung von Asylbewerbern dorthin verhindern, ausdrücklich benannt, ob eine Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Staates vorliegt (vgl. EGMR, U. v. 4.11,2014, Tarakhel ./. Switzerland, Nr. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff. = juris Rn. 114 f., und E.v. 13.1.2015, A.M.E. ./. Netherlands, Nr. 51428/10, hudoc Rn. 34 u. 35).

Unerheblich ist, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. Derartige Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen zu berücksichtigen. Persönliche Erlebnisse Betroffener, die einige Jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 EUGrCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (vgl. BVerwG, B. v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 6).

Bei Beachtung dieser Maßgaben bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylVfG) über den Streitfall keine systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 VO (EU) Nr. 604/2013. Dies gilt soweit der einzelne internationalen Schutz begehrende Drittstaatsangehörige gerade keinem besonderen schutzwürdigen Personenkreis angehört. Mit den beiden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowohl vom 6. Juni 2013 in der Sache ... ./. Österreich - Nr. 2283/12 -, und vom 3. Juli 2014 in der Sache ... ./. Österreich - Nr. 71932/12 -, geht das Gericht angesichts des Ablaufs und der Durchführung von Asylverfahren in Ungarn sowie der Behandlung von Dublin-Rückkehrern weiterhin davon aus, dass das ungarische Asylsystem und die Aufnahmebedingungen keine systematischen Defizite aufweisen. Obwohl der EGMR in seiner (ersten) Entscheidung vom 6. Juni 2013 - Nr. 2283/12 - noch deutlicher von alarmierenden Berichten über die Verhältnisse in Ungarn in den Jahren 2011 und 2012 ausging, hat er zuletzt in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - Nr. 71932/12 - ausdrücklich hervorgehoben, dass angesichts der seinerzeit festzustellenden Änderung des Asylrechts wie auch der tatsächlichen Behandlung von Drittstaatsangehörigen in Ungarn zu Beginn des Jahres 2014 Art. 3 EMRK einer Rückführung eines Asylsuchenden dorthin nach den Dublin-Regularien gerade nicht entgegensteht. Dabei hat sich der EGMR ausdrücklich unter genauerer Darstellung des jeweiligen Inhalts auf im Einzelnen näher bezeichnete und ausgewertete Stellungnahmen verschiedener Regierungs- wie Nichtregierungsorganisationen gestützt, die zeitlich bis ins Jahr 2014 hineinreichten. Insgesamt seien Verbesserungen des Asylsystems einschließlich der Abschiebehaftbedingungen und auch der Rechtsschutzmöglichkeiten festzustellen.

Hintergrund dieser Verbesserung ist die zur Bewältigung der durch die massive Flüchtlingswelle namentlich von Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak entstandenen Flüchtlingskrise von der EU gewährte finanzielle, logistische und personelle Unterstützung. Die Hilfen und bereits erreichten Verbesserungen lassen zudem mittel- und langfristig eine weitere Besserung der Zustände erwarten. Gerade dass der UNHCR, dessen amtlichen Stellungnahmen bei der Beurteilung der Situation und der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in den Mitgliedstaaten eine besondere Relevanz zukommt (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - NVwZ-RR 2013, S. 660 ff. = juris Rn. 44), zu Ungarn kein ausdrückliches Positionspapier gegen eine Überstellung von Asylsuchenden nach den Regeln der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 verfasst hat, hat den EGMR veranlasst anzunehmen, der betroffene Drittstaatsangehörige sei keines individuellen realen Risikos ausgesetzt gewesen, als Asylantragsteller in Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 3 EMRK unterworfen zu werden.

Dem schließt sich die erkennende Kammer nach eigenständiger Durchsicht und Bewertung der ebenfalls vorliegenden Erkenntnisse an, und hält daran auch mit Blick auf zeitlich nachfolgende neuere Erkenntnismittel fest. Eine Änderung der vom EGMR zugrunde gelegten Sachlage, die ein Abweichen von dessen Rechtsprechung rechtfertigen würde, besteht zur Überzeugung des Gerichts nicht:

Nach den zum 1. Januar 2014 erfolgten Änderungen im ungarischen Asylgesetz als genereller Reglung haben nunmehr Rückkehrer nach den Dublin-Regularien - bis auf einen Ausnahmefall - einen garantierten Zugang zum Asylverfahren und einer vollständigen Untersuchung ihres Asylbegehrens.

Namentlich der jüngste Bericht von „aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary“ mit Stand 17. Februar 2015, der von Mitgliedern des „Hungarian Helsinki Committee (HHC)“ geschrieben und von „European Council on Refugees and Exiles (ECRE)“ herausgegeben wurde, abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_-_hungary_thirdupdate_ final_ feb ruary_2015.pdf, stellt insgesamt heraus, dass Dublin-Rückkehrer - anders als im Jahr 2013 - Zugang zum Asylverfahren haben und ihr Asylbegehren vollständig geprüft wird (S. 21). Asylsuchende werden als Erstantragsteller den nationalen Bestimmungen zufolge registriert und behandelt. Wirkt ein Asylsuchender nicht ausreichend mit, kann dies u.U. zu finanziellen Konsequenzen bei der Tragung der Unterbringungs- und Behandlungskosten führen. Es liegen bislang keine Erkenntnisse vor, dass Asylsuchende nicht tatsächlich untergebracht werden. In Aufnahmeeinrichtungen werden Asylsuchende mit Essen versorgt, erhalten Hygieneartikel und Taschengeld; Kinder, Alleinerziehende und über 60-Jährige erhalten einen Betrag über 25% der niedrigsten Rente (95 Euro), andere Erwachsene weniger. Im Jahr 2014 betrug die Verweildauer von Personen in den Asylunterkünften länger als 5 Monate. Die staatlichen Unterbringungszentren werden von Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Frauen werden regelmäßig mit Familien auf einem Flur untergebracht. Unbegleitete Kinder werden in einer gesonderten Einrichtung aufgenommen. Familien werden während des Asylverfahrens nicht getrennt. Die Bedingungen in den Unterbringungszentren sind nicht einheitlich. Jedoch gibt es überall drei Mahlzeiten am Tag. Es kann überwiegend auch selbstständig gekocht werden. Die Menschen teilen sich Räume. Psychologische Betreuung und Psychotherapie für traumatisierte Asylsuchende wird von Nichtregierungsorganisation angeboten (S. 40-44). Nicht inhaftierte Asylsuchende können sich frei im Land bewegen, dürfen ihre Unterbringungseinrichtung aber nur weniger als 24 Stunden verlassen. Um die monatlichen Geldzahlungen zu erhalten, müssen Asylsuchende wenigstes 25 Tage im Monat in der Einrichtung sein (S. 46 f.). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist gewährleistet; Allgemeinmediziner sind in den Unterbringungszentren regelmäßig unter der Woche verfügbar, Fachärzte jedoch nur in Notfällen (S. 49 f.). Im Jahr 2014 waren mehr als 4.800 Asylsuchende inhaftiert; die Haftplätze sind fast vollständig belegt. Es gibt keine besonderen Kategorien von Asylsuchenden, die inhaftiert werden. Familien werden gemeinsam in einer gesonderten Einrichtung in Haft genommen (S. 51).

Ein systemischer Mangel wird zur Überzeugung der Kammer insbesondere nicht durch die in Ungarn (auch im Jahr 2014) praktizierte Asylhaft begründet. Eine Inhaftierung ist nach dem ungarischen Asylgesetz zulässig zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit, nach dem Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens, oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Betreffende seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat. Die Verhängung der Asylhaft ist nach vorheriger Einzelfallprüfung nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch die Anwendung weniger einschneidender Alternativen zur Inhaftierung erreicht werden kann, etwa durch die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit, die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten oder Meldeauflagen. Gegen die Anordnung der Asylhaft als solches gibt es kein eigenständiges Rechtsmittel; die Haft wird allerdings insoweit richterlich überprüft, dass dies erstmals nach 72 Stunden und in der Folgezeit in 60-Tages-Intervallen erfolgt (vgl. zu den Einzelheiten der Asylhaft: Auswärtiges Amt, Bericht an das VG Düsseldorf vom 19.11.2014- 508-9-516.80/48135, juris Mitteilungen, S. 2 f.; (österreichisches) Bundesverwaltungsgericht, B. v. 4.12.2014 - W 192 2014566-1/3 E - (B) I. 1.1. Asylrechtliche Haft), abrufbar unter: http://www.ris.bka.gv.at (Datenbank RIS)).

Diese Regelungen zur Asylhaft und ihre tatsächliche Anwendung hat der EGMR bereits bei seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - Nr. 71932/12 - berücksichtigt, da er u. a. auf den Country Report des Ungarischen Helsinki-Komitee vom 30. April 2014 abgestellt hat. Dem ist zu entnehmen, dass in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2013 etwa 26% aller Asylbewerber und etwa 42% der männlichen Asylbewerber inhaftiert worden sind; ferner bestehen in den Haftanstalten nicht unerhebliche Mängel auf den Gebieten der Wohnverhältnisse, der Wasserqualität und der Versorgung mit Putz- und Reinigungsmitteln. Dem bereits genannten neuen Bericht „aida-Country-Report Hungary“ Stand 17. Februar 2015 sind für das gesamte Jahr 2014 keine nennenswert höheren Haftzahlen als die soeben dargestellten wie auch keine Verschlechterung der bereits früher festgestellten mäßigen Haftbedingungen zu entnehmen (dort S. 51, 53-56, 58-61). Ähnliche Zahlen und Umstände haben den EGMR gerade nicht veranlasst, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK - dessen Schutzbereich dem des Art. 4 EU-GR-Charta entspricht - bei der Behandlung von Asyl begehrenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn festzustellen.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass gegen eine drohende Inhaftierung des Klägers als Rückkehrer spricht, dass Asylantragsteller aus sog. „anerkennungsträchtigen“ Herkunftsländern, wozu auch der Irak zählt, grundsätzlich weder in Asylhaft noch in Abschiebehaft genommen bzw. von dort zeitnah nach Abschluss der Verfahren entlassen werden (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 2.9.2014 - 6 L 1235/14.A - juris Rn. 70).

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel wegen drohender Obdachlosigkeit von Schutz suchenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn greifbar. Es ist nämlich bisher, d. h. im gesamten vergangenen Jahr 2014 gerade kein Fall bekannt, in dem einem Asylantragsteller - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary, Stand 17. Februar 2015, S. 43; und bereits National Country Report Hungary, Stand 30. April 2014, S. 40).

Ebenfalls nicht geeignet ein anderes rechtliches Ergebnis zu begründen, ist der Umstand, dass in Ungarn am 1. August 2015 in Kraft getreten ist, welches die Rechte von Asylsuchenden (nochmals) einschränkt. Die materielle Verschärfung des Asylrechts insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Transitstaaten (Serbien) eingereist sind, führt nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel. Auch das deutsche Asylrecht kennt derartige einschränkende Bestimmungen (§ 26a AsylVfG).

Ein der Abschiebung nach Ungarn entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG ausnahmsweise von der Beklagten auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 - AuAS 2014 S. 244 ff. = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B. v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 - juris Rn. 4), ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten seit Annahme des Überstellungsgesuchs durch die Republik Ungarn (8. Juni 2015) noch nicht abgelaufen, so dass es keiner Entscheidung über die Frage bedarf, ob dem Kläger allein aus dem Fristablauf ein subjektiv-öffentliches Recht erwachsen kann.

Schließlich begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Klägers nach Ungarn keinen Bedenken. Die ungarischen Behörden haben der Rückführung des Klägers mit Schreiben vom 8. Juni 2015 ausdrücklich zugestimmt.

Nach allem erweist sich der Bescheid des Bundesamtes vom 10. Juni 2015 als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylVfG.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Behandlung seines Asylantrages in der Bundesrepublik Deutschland als unzulässig sowie die Anordnung seiner Abschiebung nach Ungarn sowie ein gesetzliches Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 12 Monaten ab dem Tag der Abschiebung.

Der am ... 1997 in ... (Irak) geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und sunnitischem Glauben.

Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 15. Juni 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 20. August 2015 Asylerstantrag stellte.

Bei seiner persönlichen Anhörung gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 8. September 2015 gab der Kläger an, dass er den Irak am 8. Juni 2014 verlassen habe. Nach Deutschland sei er über die Länder Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn eingereist. Die Reise habe ca. ein Jahr gedauert. Für seine Reise habe er die Verkehrsmittel Lkw und Bus genutzt. Als ersten Mitgliedsstaat der Europäischen Union habe er Anfang Juni 2015 Bulgarien erreicht. In Ungarn seien ihm Anfang Juni 2015 Fingerabdrücke abgenommen worden. Für den weiteren Vortrag des Klägers wird auf die Niederschrift über dessen persönliche Anhörung am 8. September 2015 Bezug genommen.

Für den Kläger liegt mit Datum 21. August 2015 ein EURODAC-Treffer mit der Kennung „HU...“ vor. Danach hat der Kläger am 14. Juni 2015 in Ungarn um Asyl nachgesucht.

Am 16. Oktober 2015 ersuchte das Bundesamt die ungarischen Behörden um Übernahme des Klägers. Dieses Übernahmeersuchen blieb im Folgenden von Seiten der ungarischen Behörden unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2015 wurde der Antrag des Klägers als unzulässig abgelehnt (Ziffer 1.). In Ziffer 2. wurde gegenüber dem Kläger die Abschiebung nach Ungarn angeordnet. In Ziffer 3. des Bescheides wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (Auf-enthG) auf 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Asylantrag des Klägers gemäß § 27a Asylgesetz (AsylG) unzulässig sei, da Ungarn aufgrund des dort gestellten Asylantrages gemäß Art. 18 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) für die Behandlung des Asylantrages des Klägers zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Kläger habe im persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates angegeben, dass er in keinen anderen Dublin-Mitgliedsstaat überstellt werden wolle. Als Grund gegen eine Überstellung nach Ungarn habe der Kläger angeführt, dass sein Vater und sein Bruder sich im Bundesgebiet aufhalten würden und er auf keinen Fall von seiner Familie getrennt werden wolle. Dieser Vortrag könne nicht dazu führen, dass die Bundesrepublik Deutschland zuständiger Mitgliedsstaat werde. In Ungarn lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vor. Diese Beurteilung werde von verschiedenen deutschen Verwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten und zuletzt auch durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3. Juli 2014 bestätigt. Es werde festgestellt, dass das ungarische Asylsystem im Einklang mit den internationalen und europäischen Standards stehe und die wichtigsten Garantien enthalte. Daher werde der Asylantrag des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Deutschland sei vielmehr verpflichtet, die Überstellung nach Ungarn als zuständigem Mitgliedsstaat innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchens durch Ungarn oder der endgültigen negativen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder einer Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung habe, durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Ungarn beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Eine Abschiebung habe gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zur Folge, dass der Drittstaatsangehörige nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich dort aufhalten dürfe.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 17. November 2015 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 25. November 2015 Klage gegen den vorbezeichneten Bescheid des Bundesamts erhoben und beantragt,

den Bescheid der Beklagten von 17. November 2015 zugestellt am 20. November 2015 - aufzuheben und festzustellen, dass der Asylantrag des Klägers vom 20. August 2015 zulässig ist.

Der Kläger trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, dass das Dublin-Abkommen im Sommer 2015 außer Kraft gesetzt worden sei und die Bundesrepublik Deutschland daher verpflichtet sei, eigenständig über den Asylantrag des Klägers zu befinden. Die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrages in Deutschland und die Abschiebung nach Ungarn widerspreche den Anordnungen der Bundesregierung. Im Übrigen sei die Beklagte verpflichtet, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, da der vorliegende Fall einer außergewöhnlichen humanitären Verpflichtung entspreche. Bei dem Kläger handle es sich um einen irakischen Staatsangehörigen muslimischen Glaubens. Sein Vater verfüge über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Der Kläger werde dem deutschen Staat keine Kosten verursachen. Der Vater übe eine selbständige Tätigkeit aus und sei in der Lage, dem Kläger ein Einstellungsverhältnis zu verschaffen, so dass der Lebensunterhalt und die Existenzgrundlage des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet seien.

Ein vom Kläger ebenfalls gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 2. Dezember 2015 (Az. Au 5 S. 15.50490) abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Ein vom Kläger nachfolgend gestellter Antrag auf Abänderung des Beschlusses im Verfahren Au 5 S. 15.50490 wurde mit weiterem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Dezember 2015 (Az. Au 5 S. 15.50499) abgelehnt. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. Dezember 2015 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Eine Antragstellung ist nicht erfolgt.

Am 14. Januar 2016 fand mündliche Verhandlung statt, in der der Kläger persönlich angehört wurde. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte den folgenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beteiligten an der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 teilgenommen haben. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit besitzt der Kläger auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte in nationalem Verfahren über sein Asylgesuch entscheidet.

Ein Asylantrag ist gemäß § 27 a AsylG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34 a Abs. 1 AsylG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.

Hintergrund dieser Bestimmungen ist, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft kraft Verfassungsrechts (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz - GG) als sichere Drittstaaten gelten, während sonstige sichere Drittstaaten durch Gesetz bestimmt werden. Wer sich in einem sicheren Drittstaat aufgehalten hat, bedarf grundsätzlich nicht des Schutzes eines anderen Staates. Bei der Republik Ungarn handelt es sich um einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union und damit um einen sicheren Drittstaat (§ 26 a Abs. 2 AsylG). Die Einreise aus einem dieser Staaten schließt die Berufung auf ein Asylrecht aus (Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG).

Im vorliegenden Fall ist auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union die Republik Ungarn für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Dublin III-Verordnung. Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung. Der Kläger hat am 20. August 2015 in der Bundesrepublik Deutschland Asylantrag gestellt.

Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist ein Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den bei den Artikeln 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt wird, dass ein Kläger aus einem Drittstaat kommend, die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat. Vorliegend ergibt sich die Zuständigkeit der Republik Ungarn aus dem festgestellten EURODAC-Treffer. Danach hat der Kläger bereits in Ungarn um Asyl nachgesucht (EURODAC-Treffer beginnt mit „HU1“: Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von EURODAC; im Folgenden: EURODAC-VO).

Die nach Art. 13 Abs. 1, 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin III-VO zuständige ungarische Behörde hat dem Wiederaufnahmegesuch des Klägers gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO fiktiv zugestimmt.

Es liegen auch keine Umstände vor, die die Zuständigkeit Ungarns in Durchbrechung des Systems der Bestimmungen der Dublin-Verordnungen entfallen ließen.

Dem gemeinsamen Europäischen Asylsystem, zu dem insbesondere die DublinVerordnungen gehören, liegt die Vermutung zu Grunde, dass jeder Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat gemäß den Anforderungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EuGRCh) sowie der EMRK behandelt wird. Es gilt daher die Vermutung, dass Asylbewerbern in jedem Mitgliedstaat eine Behandlung entsprechend den Erfordernissen der Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukommt.

Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ zu Grunde liegende Vermutung ist jedoch dann als widerlegt zu betrachten, wenn in Mitgliedstaaten „nicht unbekannt sein kann“, also ernsthaft zu befürchten ist, dass dem Asylverfahren einschließlich seiner Aufnahmebedingungen in einem Mitgliedstaat derart grundlegende, systemische Mängel anhaften, dass für dorthin überstellte Asylbewerber die Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EuGrCh ausgesetzt zu werden.

Als systemische Mängel sind solche Störungen anzusehen, die entweder im System eines nationalen Asylverfahrens angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von ihnen nicht nur vereinzelt oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen objektiv vorhersehbar treffen oder die dieses System auf Grund einer empirisch feststellbaren Umsetzung in der Praxis in Teilen funktionslos werden lassen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 21.2.2014 - 10 A 10656 - juris).

Systemische Mängel sind zu dem gemäß § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hinsichtlich der Verhältnisse in der Republik Ungarn nicht anzunehmen.

Das Gericht teilt insoweit die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U.v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U.v. 6.6.2013 -2283/12 - Asylmagazin 2013, 342 ff.) sowie anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Ungarn verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2015 - 14 B 13.30076 - juris; VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 4; OVG LSA, B.v. 31.5.2013 - 4 L 169/12 - juris Rn. 23; VG Würzburg, B.v. 2.1.2015 - W 1 S. 14.50120 - juris Rn. 28 ff.; U.v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Düsseldorf, B.v. 2.9.2014 - 6 L 1235/14.A - juris Rn. 30 ff.; B.v. 8.9.2014 - 9 L 1506/14.A - juris Rn. 8 ff.; VG Stade, B.v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 7 ff.; VG Hannover, B.v. 27.5.2014 - 5 B 634/14 - juris Rn. 8 ff.; zuletzt auch unter Berücksichtigung der asylgesetzlichen Verschärfungen in Ungarn VG Ansbach, B.v. 29.10.2015 - AN 3 S. 15.50473 - juris; B.v. 20.10.2015 - 3 S. 15.50425 - juris; a.A.: SächsOVG, B.v. 24.7.2014 - A 1 B 131/14 - juris Rn. 4 m.w.N.; VG München, B.v. 26.6.2014 - M 24 S. 14.50325 - juris Rn. 31 ff.; VG Stuttgart, U.v. 26.6.2014 - A 11 K 387/14 - juris Rn. 16 ff.; VG Düsseldorf, B.v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 24 ff.; B.v. 16.6.2014 - 13 L 141/14.A - juris Rn. 24 ff.; VG Oldenburg, B.v. 18.6.2014 - 12 B 1238/14 - juris Rn. 18 ff.; VG Berlin, B.v. 15.1.2015 - VG 23 L 899.14 - juris).

Systemische Mängel bestehen (erst) bei einer reellen Unfähigkeit des gesamten Verwaltungsapparats zur Beachtung des Art. 4 EuGRCh, was gleichbedeutend ist mit strukturellen Störungen, die ihre Ursache im Gesamtsystem des nationalen Asylverfahrens haben. Die im jeweiligen nationalen Asylsystem festzustellenden Mängel müssen demnach so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig sind, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Dies kann einerseits darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind, andererseits aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Asylsystem - mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis - in weiten Teilen aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft defizitär ist und funktionslos wird (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 5 a.E.; und B.v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, S. 1039 f. = juris Rn. 6 und 9; VGH BW, U.v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, S. 77, 78 ff. = juris; OVG NRW, U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 79 ff.; OVG RP, U.v. 21.2.2014 - 10 A10656/13 -juris Rn. 39 f.).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat als Maßstab für die Beantwortung der Frage, ob Struktur und allgemeine Lage der Aufnahme im europäischen Zielstaat die Überstellung von Asylbewerbern dorthin verhindern, ausdrücklich benannt, ob eine Gleichgültigkeit der Behörden des betreffenden Staates vorliegt (vgl. EGMR, U.v. 4.11,2014, Tarakhel ./. Switzerland, Nr. 29217/12, NVwZ 2015, 127 ff. = juris Rn. 114 f., und E.v. 13.1.2015, A.M.E. ./. Netherlands, Nr. 51428/10, hudoc Rn. 34 u. 35).

Unerheblich ist, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung kommen kann und ob ein Drittstaatsangehöriger einer solchen tatsächlich schon einmal ausgesetzt gewesen ist. Derartige Erfahrungen sind in die Gesamtwürdigung einzubeziehen, ob systemische Mängel im Zielland der Überstellung vorliegen; nur in diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen zu berücksichtigen. Persönliche Erlebnisse Betroffener, die einige Jahre zurückliegen, können allerdings durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 EUGRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (vgl. BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35.14 - NVwZ 2014, S. 1677 ff. = juris Rn. 6).

Bei Beachtung dieser Maßgaben bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) über den Streitfall keine systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO. Dies gilt soweit der einzelne internationalen Schutz begehrende Drittstaatsangehörige gerade keinem besonderen schutzwürdigen Personenkreis angehört. Mit den beiden Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sowohl vom 6. Juni 2013 in der Sache Mohammed ./. Österreich - Nr. 2283/12 -, und vom 3. Juli 2014 in der Sache Mohammadi ./. Österreich - Nr. 71932/12 -, geht das Gericht angesichts des Ablaufs und der Durchführung von Asylverfahren in Ungarn sowie der Behandlung von Dublin-Rückkehrern weiterhin davon aus, dass das ungarische Asylsystem und die Aufnahmebedingungen keine systematischen Defizite aufweisen. Obwohl der EGMR in seiner (ersten) Entscheidung vom 6. Juni 2013 - Nr. 2283/12 - noch deutlicher von alarmierenden Berichten über die Verhältnisse in Ungarn in den Jahren 2011 und 2012 ausging, hat er zuletzt in seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - Nr. 71932/12 - ausdrücklich hervorgehoben, dass angesichts der seinerzeit festzustellenden Änderung des Asylrechts wie auch der tatsächlichen Behandlung von Drittstaatsangehörigen in Ungarn zu Beginn des Jahres 2014 Art. 3 EMRK einer Rückführung eines Asylsuchenden dorthin nach den Dublin-Regularien gerade nicht entgegensteht. Dabei hat sich der EGMR ausdrücklich unter genauerer Darstellung des jeweiligen Inhalts auf im Einzelnen näher bezeichnete und ausgewertete Stellungnahmen verschiedener Regie-rungswie Nichtregierungsorganisationen gestützt, die zeitlich bis ins Jahr 2014 hineinreichten. Insgesamt seien Verbesserungen des Asylsystems einschließlich der Abschiebehaftbedingungen und auch der Rechtsschutzmöglichkeiten festzustellen.

Hintergrund dieser Verbesserung ist die zur Bewältigung der durch die massive Flüchtlingswelle namentlich von Schutzsuchenden aus Syrien und dem Irak entstandenen Flüchtlingskrise von der EU gewährte finanzielle, logistische und personelle Unterstützung. Die Hilfen und bereits erreichten Verbesserungen lassen zudem mittel- und langfristig eine weitere Besserung der Zustände erwarten. Gerade dass der UNHCR, dessen amtlichen Stellungnahmen bei der Beurteilung der Situation und der 36 Funktionsfähigkeit des Asylsystems in den Mitgliedstaaten eine besondere Relevanz zukommt (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 - C-528/11 - NVwZ-RR 2013, S. 660 ff. = juris Rn. 44), zu Ungarn kein ausdrückliches Positionspapier gegen eine Überstellung von Asylsuchenden nach den Regeln der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 verfasst hat, hat den EGMR veranlasst anzunehmen, der betroffene Drittstaatsangehörige sei keines individuellen realen Risikos ausgesetzt gewesen, als Asylantragsteller in Ungarn einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK unterworfen zu werden.

Dem schließt sich die erkennende Kammer nach eigenständiger Durchsicht und Bewertung der ebenfalls vorliegenden Erkenntnisse an, und hält daran auch mit Blick auf zeitlich nachfolgende neuere Erkenntnismittel fest. Eine Änderung der vom EGMR zugrunde gelegten Sachlage, die ein Abweichen von dessen Rechtsprechung rechtfertigen würde, besteht zur Überzeugung des Gerichts nicht:

Nach den zum 1. Januar 2014 erfolgten Änderungen im ungarischen Asylgesetz als genereller Reglung haben nunmehr Rückkehrer nach den Dublin-Regularien - bis auf einen Ausnahmefall - einen garantierten Zugang zum Asylverfahren und einer vollständigen Untersuchung ihres Asylbegehrens.

Namentlich der jüngste Bericht von „aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary“ mit Stand 17. Februar 2015, der von Mitgliedern des „Hungarian Helsinki Committee (HHC)“ geschrieben und von „European Council on Refugees and Exiles (ECRE)“ herausgegeben wurde, abrufbar unter: http: …www.asylumin-europe.org/sites/default/files/report-download/aida_-_hungary_thirdupdate_ final_ feb ruary_2015.pdf, stellt insgesamt heraus, dass Dublin-Rückkehrer - anders als im Jahr 2013 - Zugang zum Asylverfahren haben und ihr Asylbegehren vollständig geprüft wird (S. 21). Asylsuchende werden als Erstantragsteller den nationalen Bestimmungen zufolge registriert und behandelt. Wirkt ein Asylsuchender nicht ausreichend mit, kann dies u.U. zu finanziellen Konsequenzen bei der Tragung der Unter-bringungs- und Behandlungskosten führen. Es liegen bislang keine Erkenntnisse vor, dass Asylsuchende nicht tatsächlich untergebracht werden. In Aufnahmeeinrichtungen werden Asylsuchende mit Essen versorgt, erhalten Hygieneartikel und Taschengeld; Kinder, Alleinerziehende und über 60-Jährige erhalten einen Betrag über 25% 38 der niedrigsten Rente (95 EUR), andere Erwachsene weniger. Im Jahr 2014 betrug die Verweildauer von Personen in den Asylunterkünften länger als 5 Monate. Die staatlichen Unterbringungszentren werden von Nichtregierungsorganisationen unterstützt. Frauen werden regelmäßig mit Familien auf einem Flur untergebracht. Unbe-gleitete Kinder werden in einer gesonderten Einrichtung aufgenommen. Familien werden während des Asylverfahrens nicht getrennt. Die Bedingungen in den Unterbringungszentren sind nicht einheitlich. Jedoch gibt es überall drei Mahlzeiten am Tag. Es kann überwiegend auch selbständig gekocht werden. Die Menschen teilen sich Räume. Psychologische Betreuung und Psychotherapie für traumatisierte Asylsuchende wird von Nichtregierungsorganisation angeboten (S. 40-44). Nicht inhaftierte Asylsuchende können sich frei im Land bewegen, dürfen ihre Unterbringungseinrichtung aber nur weniger als 24 Stunden verlassen. Um die monatlichen Geldzahlungen zu erhalten, müssen Asylsuchende wenigstes 25 Tage im Monat in der Einrichtung sein (S. 46 f.). Der Zugang zur Gesundheitsversorgung ist gewährleistet; Allgemeinmediziner sind in den Unterbringungszentren regelmäßig unter der Woche verfügbar, Fachärzte jedoch nur in Notfällen (S. 49 f.). Im Jahr 2014 waren mehr als 4.800 Asylsuchende inhaftiert; die Haftplätze sind fast vollständig belegt. Es gibt keine besonderen Kategorien von Asylsuchenden, die inhaftiert werden. Familien werden gemeinsam in einer gesonderten Einrichtung in Haft genommen (S. 51).

Ein systemischer Mangel wird zur Überzeugung der Kammer insbesondere nicht durch die in Ungarn (auch im Jahr 2015) praktizierte Asylhaft begründet. Eine Inhaftierung ist nach dem ungarischen Asylgesetz zulässig zur Überprüfung der Identität und Staatsangehörigkeit, nach dem Untertauchen oder anderweitiger Behinderung der Durchführung des Asylverfahrens, oder wenn dies aus gewichtigen Gründen zu befürchten ist oder wenn der Betreffende seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, an Verfahrenshandlungen teilzunehmen, und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert hat. Die Verhängung der Asylhaft ist nach vorheriger Einzelfallprüfung nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch die Anwendung weniger einschneidender Alternativen zur Inhaftierung erreicht werden kann, etwa durch die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit, die Pflicht, sich an einem zugewiesenen Ort aufzuhalten oder Meldeauflagen. Gegen die Anordnung der Asylhaft als solches gibt es kein eigenständiges Rechtsmittel; die Haft wird allerdings insoweit richterlich überprüft, dass dies erstmals nach 72 Stunden und in der Folgezeit in 60-TagesIntervallen erfolgt (vgl. zu den Einzelheiten der Asylhaft: Auswärtiges Amt, Bericht an das VG Düsseldorf vom 19.11.2014- 508516.80/48135, juris Mitteilungen, S. 2 f.; (österreichisches) Bundesverwaltungsgericht, B.v. 4.12.2014 - W 192 2014566-1/3 E - (B) I. 1.1. Asylrechtliche Haft), abrufbar unter: http: …www.ris.bka.gv.at (Datenbank RIS)).

Diese Regelungen zur Asylhaft und ihre tatsächliche Anwendung hat der EGMR bereits bei seiner Entscheidung vom 3. Juli 2014 - Nr. 71932/12 - berücksichtigt, da er u.a. auf den Country Report des Ungarischen Helsinki-Komitee vom 30. April 2014 abgestellt hat. Dem ist zu entnehmen, dass in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2013 etwa 26% aller Asylbewerber und etwa 42% der männlichen Asylbewerber inhaftiert worden sind; ferner bestehen in den Haftanstalten nicht unerhebliche Mängel auf den Gebieten der Wohnverhältnisse, der Wasserqualität und der Versorgung mit Putz- und Reinigungsmitteln. Dem bereits genannten neuen Bericht „aida-Country-Report Hungary“ Stand 17. Februar 2015 sind für das gesamte Jahr 2014 keine nennenswert höheren Haftzahlen als die soeben dargestellten wie auch keine Verschlechterung der bereits früher festgestellten mäßigen Haftbedingungen zu entnehmen (dort S. 51, 53-56, 58-61). Ähnliche Zahlen und Umstände haben den EGMR gerade nicht veranlasst, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 3 EMRK - dessen Schutzbereich dem des Art. 4 EU-GR-Charta entspricht -bei der Behandlung von Asyl begehrenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn festzustellen.

Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte für systemische Mängel wegen drohender Obdachlosigkeit von Schutz suchenden Drittstaatsangehörigen in Ungarn greifbar. Es ist nämlich bisher, d.h. im gesamten vergangenen Jahr 2014 gerade kein Fall bekannt, in dem einem Asylantragsteller - etwa wegen Überbesetzung der Unterbringungseinrichtungen - in Ungarn kein Obdach gewährt worden ist (vgl. aida, Asylum Information Database, Country Report Hungary, Stand 17. Februar 2015, S. 43; und bereits National Country Report Hungary, Stand 30. April 2014, S. 40).

Ebenfalls nicht geeignet ein anderes rechtliches Ergebnis zu begründen, ist der Umstand, dass in Ungarn am 1. August 2015 ein Gesetz in Kraft getreten ist, welches die Rechte von Asylsuchenden (nochmals) einschränkt. Die materielle Verschärfung des Asylrechts insbesondere dergestalt, dass Asylanträge abgelehnt werden dürfen, wenn Asylsuchende über sichere Transitstaaten (Serbien) eingereist sind, führt nicht per se zum Vorliegen systemischer Mängel. Auch das deutsche Asylrecht kennt derartige einschränkende Bestimmungen (§ 26a AsylG).

Es liegen derzeit dem Gericht auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass DublinRückkehrer von Ungarn nach Serbien abgeschoben würden. Die geänderte Gesetzeslage in Ungarn ist dem Umstand geschuldet, dem bis Sommer 2015 ungehinderten Zustrom von Flüchtlingen Herr zu werden. Die ungarische Regierung scheint insoweit bemüht, die Vorschriften der Dublin-VO einzuhalten und für eine geregelte Einreise und Registrierung der Flüchtlinge zu sorgen, die gerade nicht in Ungarn Asyl beantragen wollen, sondern mit dem Ziel Deutschland in den Schengen-Raum einreisen (vgl. VG Ansbach, B.v. 29.10.2015 - AN 3 S. 15.50473 - juris Rn. 43). Des Weiteren ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass aufgrund der in Kraft getretenen Regelungen und der begleitenden Maßnahmen der ungarischen Behörden der ungehinderte Zustrom von Flüchtlingen nach Ungarn derzeit nicht mehr anhält. Damit dürfte sich auch das zwischenzeitlich aufgetretene Problem vorhandener Kapazitätsengpässe für die Unterbringung zurückkehrender Flüchtlinge deutlich entschärft haben.

Der Umstand, dass die Beklagte derzeit davon absieht, syrische Flüchtlinge nach Ungarn zu überstellen, mag ebenfalls keinen Erfolg der Klage zu begründen. Sofern die Abschiebungsanordnung nach Ungarn mit den Bestimmungen der Dublin III-VO in Einklang steht, kann der Kläger dieser Anordnung nur mit dem Vortrag entgegentreten, dass in Ungarn systemische Schwachstellen des Asylsystems bzw. der Aufnahmebedingungen vorliegen.

Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die ein Selbsteintrittrecht der Beklagten begründen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal es sich bei den vom volljährigen Kläger benannten Personen (Vater und Bruder) nicht um berücksichtigungsfähige Familienangehörige im Sinne von Art. 2 g) Dublin III-VO handelt.

Ein der Abschiebung nach Ungarn entgegenstehendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das im Rahmen einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG ausnahmsweise von der Beklagten auch noch nach Erlass der Abschiebungsanordnung zu berücksichtigen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 - 2 BvR 732/14 -AuAS 2014 S. 244 ff. = juris Rn. 11 f.; OVG NRW, B.v. 30.8.2011 - 18 B 1060/11 -juris Rn. 4), ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Auch ist die Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO von sechs Monaten seit fiktiver Annahme des Überstellungsgesuchs durch die Republik Ungarn (31. Oktober 2015) noch nicht abgelaufen, so dass es keiner Entscheidung über die Frage bedarf, ob dem Kläger allein aus dem Fristablauf ein subjektiv-öffentliches Recht erwachsen kann.

Schließlich ändert an der Zuständigkeit Ungarns für die Behandlung des Asylantrages des Klägers auch nichts, dass dieser vorgetragen hat, er habe das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft erstmalig in Bulgarien betreten.

Eine objektive Überprüfung, ob der die Aufnahme erklärende Mitgliedsstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann ein Asylbewerber nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich „aufgeladen“ sind, an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Verordnung ebenso wie das gesamte gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten - Mitgliedstaaten wie Drittstaaten - die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin III-VO, nämlich erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, -zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten, sowie - drittens - ein „forum shopping“ zu verhindern (vgl. EuGH, U.v. 10.12.2013 - C-394/12 - juris; U.v. 21.11.2011 - C-411/10 - juris; U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - juris). Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der Kläger keine Berührungspunkte zum dem aufnahmebereiten Mitgliedstaat hat, mithin zum bloßen Objekt des Verfahrens würde, was vorliegend angesichts seines wenn auch kurzen Aufenthaltes in Ungarn nicht der Fall ist, bzw. der aufnahmebereite Mitgliedstaat über den Sachverhalt durch den ersuchenden Mitgliedstaat vorsätzlich getäuscht wurde.

Bei Vorliegen jedenfalls eines EURODAC-Treffers der Kategorie 1 für Ungarn kann nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte quasi willkürlich ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn gerichtet und die ungarischen Behörden über eine eigentlich gegebene Zuständigkeit Bulgariens getäuscht hat.

Als Ausfluss des Prinzips gegenseitigen Vertrauens hat der Asylsuchende überdies nur einen Anspruch darauf, dass sein Asylgesuch in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft materiell geprüft wird. Weitergehende Ansprüche besitzt der Asylsuchende nicht. Dies entspricht im Wesentlichen auch der Regelung in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, wonach jeder Mitgliedsstaat abweichend von Art. 3 Abs. 1 (Dublin III-VO) beschließen kann, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Schließlich begegnet die rechtliche und tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung des Klägers nach Ungarn keinen Bedenken.

Einwände gegen das im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot für 12 Monate ab dem Tag der Abschiebung, gestützt auf § 11 Auf-enthaltG, wurden von Seiten des Klägers nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Nach allem erweist sich der Bescheid des Bundesamtes vom 17. November 2015 als rechtmäßig und war die Klage demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.