Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2011 - 10/10

bei uns veröffentlicht am30.06.2011

Tenor

I.

1. Artikel 1 § 12 Absatz 7 Satz 3 des Gesetzes zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzesund zur Änderung weiterer Gesetze vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V S. 606) ist mit Artikel 72 Absatz 1 Satz 1, Artikel 73 Absatz 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern unvereinbar und nichtig.

2. Artikel 1 § 20 Absatz 1 Satz 1 und § 22 Absatz 1 Satz 1 dieses Gesetzes sind mit Artikel 72 Absatz 1 Satz 1, Artikel 73 Absatz 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern unvereinbar und nichtig, soweit darin jeweils die Einschränkung "mit 500 und mehr Einwohnern" enthalten ist.

II.

Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat den Beschwerdeführerinnen ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

A.

I.

1

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen einzelne Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes - FAG M-V - in der seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung. Dabei geht es um diejenigen Vorschriften, mit denen die Schlüsselzuweisungen für kreisangehörige Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern gekürzt werden (§ 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V) und Sonderbedarfszuweisungen sowie Fehlbetragszuweisungen und Konsolidierungshilfen an solche Gemeinden grundsätzlich ausgeschlossen werden (§§ 20, 22 FAG M-V). Die Beschwerdeführerinnen sind kreisangehörige Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern. Sie machen geltend, in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 73 Abs. 2 und Art. 72 Abs. 1 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern - LV - verletzt zu werden.

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1. Die angegriffenen Vorschriften beruhen auf dem Gesetz zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V S. 606), das zum 01. Januar 2010 in Kraft getreten ist.

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Gemäß § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V werden ab dem Jahr 2012 bei der Bemessung der Höhe der Schlüsselzuweisungen die Einwohner von Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von weniger als 500 zu 95 Prozent und von Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von 500 und mehr zu 100 Prozent berücksichtigt.

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Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FAG M-V können auf Antrag Sonderbedarfszuweisungen an Gemeinden mit 500 und mehr Einwohnern, Landkreise sowie Ämter und Zweckverbände gewährt werden. Dabei geht es um Zuweisungen für Investitionen, soweit sich die Antragsteller in einer außergewöhnlichen Lage befinden oder besondere Aufgaben zu erfüllen haben (Nr. 1), und für nicht investive Zwecke, nur soweit dies zur Förderung von Verwaltungskooperationen oder Verwaltungsfusionen oder bei Vorliegen eines besonderen öffentliche Interesses notwendig ist (Nr. 2).

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§ 22 Abs. 1 Satz 1 FAG M-V sieht vor, dass Gemeinden mit 500 und mehr Einwohnern sowie Landkreise auf Antrag ergänzende Hilfen zur Unterstützung der eigenen Maßnahmen für das Erreichen des Haushaltsausgleichs erhalten können. Gemäß Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Vorschrift sollen die Hilfen dazu befähigen, eigenständig auf Dauer den Haushaltsausgleich zu erreichen; die Zuweisung setzt voraus, dass die Kommune selbst alle ihr zumutbaren Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung ergreift und diese auf Grundlage eines Haushaltssicherungskonzeptes umsetzt. Die Hilfen können gemäß Abs. 2 Satz 3 der Vorschrift gewährt werden für Fehlbetragszuweisungen zum Ausgleich unvermeidbarer Fehlbeträge, soweit eigene Mittel und die in dem Gesetz vorgesehenen allgemeinen Finanzzuweisungen sowie Zweckzuweisungen zum Haushaltsausgleich der Gemeinden und Landkreise nicht ausreichen, obwohl die Kommune alles ihr angemessen Mögliche zum Erreichen des Haushaltsausgleichs geleistet hat (Nr. 1), und für weitergehende Konsolidierungshilfen durch zweckgebundene nicht rückzahlbare und bedingt rückzahlbare Zuschüsse (Nr. 2). Letztmalig für das Haushaltsjahr 2011 können auch an Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern im Falle von Gemeindezusammenschlüssen und Eingemeindungen Hilfen zur Finanzierung von Fehlbeträgen der Vorjahre gewährt werden (§ 22 Abs. 2 Satz 8 FAG M-V).

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Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte eine Bemessung der Schlüsselzuweisungen für Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern auf der Grundlage von 90 Prozent der Einwohner vorgesehen. In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt (LT-Drs. 5/2685 S. 62 f.):

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"Gem. § 1 Abs. 3 KV M-V sollen Gemeinden mindestens 500 Einwohner haben. Dieser Regelung ist auch im Finanzausgleichsgesetz Rechnung zu tragen. Deshalb werden ab 2012 Gemeinden mit einer Einwohnerzahl von mindestens 500 im Vergleich zu kleineren Gemeinden durch Gewährung höherer Schlüsselzuweisungen (Einwohner von Gemeinden unter 500 Einwohnern werden nur mit 90 % bewertet) bevorzugt. Durch die Änderung der Verteilung und die damit einhergehende Konzentration wird der ländliche Raum konsequent gestärkt. Die Mittel, die bisher den Kleinstgemeinden zur Verfügung standen, bleiben der Säule der kreisangehörigen Gemeinden erhalten. Sie werden innerhalb der Säule aber dorthin verteilt, wo sie tatsächlich notwendig und geboten sind. Die Zuweisungen sollen gerade keine dauerhaft fehlende Finanzkraft ersetzen und von Handlungsnotwendigkeiten abhalten. Soweit geltend gemacht wird, dass die Kürzung nicht plausibel sei, da auch kleine Gemeinden Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen müssten, wird verkannt, dass Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich nur ergänzend greifen und die Aufgaben der Daseinsvorsorge auch in Gemeindestrukturen erfüllt werden können, die mit den Regelungen der Kommunalverfassung übereinstimmen. Tragfähige Strukturen sind auch mit erheblichen Synergien verbunden.

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Allein in der Arbeit der Amtsverwaltungen sind nicht unerhebliche Konzentrationen und Potenziale denkbar, wenn man nur bedenkt, dass Haushalte erarbeitet und Gemeindevertretersitzungen vorbereitet und betreut werden müssen. Durch die ab 2012 erhöhten Zuweisungen an Gemeinden mit mindestens 500 Einwohnern werden Kleinstgemeinden auch nicht genötigt, sich zusammen zu schließen. Die Landesregierung verwehrt leistungsfähigen Gemeinden nicht ihre weitere Selbständigkeit. Es ist aber nicht Aufgabe des Landes Kleinststrukturen auf Dauer zu finanzieren und damit gleichzeitig die Arbeitsfähigkeit anderer Gemeinden zu gefährden."

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Entsprechend der Beschlussempfehlung des Innenausschusses (LT-Drs. 5/2873 S. 27) wurden sodann 95 Prozent der Einwohner als Bemessungsgrundlage der Schlüsselzuweisungen für Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern festgelegt. In der Begründung der Beschlussempfehlung heißt es dazu, da die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung Ziel der Verwaltungsreform sei, müssten auch kleine Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern ein Mindestmaß an freiwilligen Aufgaben erfüllen können (a.a.O. S. 4).

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Die Beschwerdeführerinnen wiesen zum für die Berechnung des Finanzausgleichs für das Jahr 2010 maßgeblichen Stichtag am 31. Dezember 2008 Einwohnerzahlen von 189 (Beschwerdeführerin zu 1.), 127 (Beschwerdeführerin zu 2.) und 133 (Beschwerdeführerin zu 3.) auf.

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Die Auswirkungen der geänderten Regelung der Schlüsselzuweisungen werden von der Landesregierung auf der Grundlage der Daten des Finanzausgleichs 2010 dahingehend beschrieben, dass die Schlüsselzuweisungen für Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern sich ab 2012 um etwa 21,50 Euro/Einwohner reduzierten, wodurch bei den Beschwerdeführerinnen Mindereinnahmen von 4.063,50 Euro (Beschwerdeführerin zu 1.), 2.730,50 Euro (Beschwerdeführerin zu 2.) bzw. 2.859,50 Euro (Beschwerdeführerin zu 3.) entstünden. Gleichzeitig erhöhten sich die Schlüsselzuweisungen für Gemeinden mit mindestens 500 Einwohnern um etwa 2 Euro/Einwohner.

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2. Die Beschwerdeführerinnen haben am 02. Juni 2010 gemeinsam Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie machen geltend, die angegriffenen Vorschriften verletzten sie in ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 73 Abs. 2, Art. 72 Abs. 1 LV.

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Da nicht ein Verstoß gegen das Gebot finanzieller Mindestausstattung, sondern eine sachwidrige Benachteiligung bei der Ausgestaltung des Finanzausgleichs und damit eine Verletzung des Gebots interkommunaler Gleichbehandlung geltend gemacht werde, bedürfe es nicht der Darlegung, dass Aufgaben auf Grund der geringeren Finanzausstattung nicht mehr erfüllt werden könnten.

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Die Vorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V verstoße gegen Art. 73 Abs. 2 Satz 2 und Art. 72 Abs. 1 LV. Es sei unzulässig, durch finanzielle Schlechterstellung Druck zu entfalten, um auf die Bildung größerer Verwaltungseinheiten hinzuwirken. Es gehe dem Gesetzgeber nicht darum, durch den kommunalen Finanzausgleich finanzielle Anreize für freiwillige Gemeindezusammenschlüsse zu schaffen, sondern darum, seine finanziellen Zuwendungen nach einer von ihm angenommenen Wertigkeit kommunaler Selbstverwaltung vorzunehmen und Mittelkürzungen als indirekt wirkendes Zwangsmittel zur Erhöhung der Fusionsbereitschaft einzusetzen.

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Es gebe keinen Erkenntnissatz, nach dem bei Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern zwangsläufig unwirtschaftliche Strukturen vorlägen. Kleine Gemeinden ohne eigene Einrichtungen wiesen zum Teil weit gesündere Haushalte auf als größere. Sie könnten ihre Aufgaben kostengünstiger erledigen, soweit diese freiwillig und kostenlos durch die Einwohner übernommen würden, wie im Falle der Beschwerdeführerin zu 2. die Dorfreinigung oder die Pflege der Grünflächen. Auch ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, dass mit höherer Einwohnerzahl die Verwaltungsaufwendungen pro Kopf bzw. der Finanzbedarf der Gemeinden stiegen, lasse sich nicht aufstellen. Im übrigen sei auch zwischen den Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern eine Differenzierung geboten. Da nicht alle diese Gemeinden die selben eigenen Einrichtungen unterhielten, gebe es auch unterschiedlichen Finanzierungsbedarf. Verfassungsrechtlich zulässig wäre es gewesen, in Folge einer Bedarfsermittlung und unter Einbeziehung von zentralörtlichen Funktionen, von Flächenfaktoren oder besonderen Aufgabenpotentialen bedarfsorientierte Differenzierungen zu treffen. Darum gehe es dem Gesetzgeber jedoch nicht. Aus der Gesetzesbegründung werde vielmehr deutlich, dass er sich seiner finanziellen Verantwortung für "Kleinststrukturen" habe entziehen und diese dadurch habe eliminieren wollen. Kommunale Selbstverwaltung werde damit nicht gewährleistet, sondern stranguliert.

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Das gesetzgeberische Ermessen könne von den Verfassungsgerichten jedenfalls im Bereich des kommunalen Finanzausgleichs ebenso auf die Einhaltung des Abwägungsgebotes bei Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis kontrolliert werden wie Planungsentscheidungen durch die Verwaltungsgerichte. Hier liege ein Abwägungsfehler in Gestalt einer Abwägungsfehleinschätzung vor. Die Bedeutung des § 1 Abs. 3 KV M-V sei vom Gesetzgeber verkannt worden. Die Vorschrift könne nicht als Regelungsauftrag und Gesetzesbefehl angesehen werden. Kern der Vorschläge der Enquete-Kommission "Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen Mecklenburg-Vorpommern", auf die die Regelung zurück gehe, seien der Verzicht auf eine gemeindliche Gebietsreform und der Vorschlag gewesen, statt dessen eine Soll-Vorschrift für die Größe der amtsangehörigen Gemeinden und eine Anhebung der gesetzlichen Richtzahlen für die Größe der Ämter zu empfehlen. Die Mindesteinwohnerzahl habe eine Konkretisierung der Gründe des öffentlichen Wohls als Grundlage für Gebietsänderungen nach § 11 Abs. 1 KV M-V darstellen sollen. Sehe der Gesetzgeber davon ab, eine Reform von Gemeindestrukturen in dem dafür vorgesehenen Verfahren mit seinen formellen und materiellen Sicherungen durchzuführen, weil die öffentliche Erörterung von Leitbildern, Zielvorstellungen und Ordnungsrahmen nicht gewünscht werde, so sei es ihm verwehrt, Gemeinden über die Zwänge des kommunalen Finanzausgleichs - unter Umgehung der Anforderungen des § 11 KV M-V und der verfassungsrechtlichen Sicherungen bei Durchführung hoheitlicher Gebietsreformen - auszutrocknen und gleichsam durch die Hintertür zum Zusammenschluss zu zwingen.

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Entsprechendes gelte, soweit nach den §§ 20, 22 FAG M-V Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern von Zuweisungen ausgeschlossen seien, mit denen Gemeinden aus finanziellen Notlagen geholfen werden solle. Dies sei mit Blick auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verfassungswidrig und mit dem Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren. Art. 72 Abs. 1 LV entfalte eine Schutzwirkung, die den Gesetzgeber von Verfassungs wegen verpflichte, Vorkehrungen für den Fall zu treffen, dass eine Gemeinde unverschuldet und trotz sparsamster Wirtschaftsführung in eine finanzielle Lage gerate, in der ihr keinerlei Mittel auch nur für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung verblieben.

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Die Beschwerdeführerinnen beantragen,

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festzustellen, dass Art. 1 § 12 Abs. 7 Satz 3 des Gesetzes zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V S. 606 ff.) sowie § 20 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes, soweit darin jeweils die Einschränkung "mit 500 und mehr Einwohnern" enthalten ist, verfassungswidrig und nichtig sind.

II.

20

Der Landtag hält die Verfassungsbeschwerden für unzulässig und unbegründet.

21

Die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Beschwerdebefugnis nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sie hätten weder ihre jeweilige konkrete Haushaltslage dargelegt noch dargetan, welche Aufgaben des eigenen oder übertragenen Wirkungskreises sie auf Grund der geringeren Finanzausstattung trotz sparsamster Wirtschaftsführung und Ausschöpfung aller Einnahmemöglichkeiten nicht mehr sachgerecht erfüllen könnten.

22

Die angegriffenen Vorschriften verletzten die Beschwerdeführerinnen nicht in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung gemäß Art. 72 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 73 Abs. 2 LV. Sie führten nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Beschwerdeführerinnen. Der sachliche Grund für die Differenzierung zwischen Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und solchen mit mindestens 500 Einwohnern liege in der Vorschrift des § 1 Abs. 3 KV M-V. Wie in der Gesetzesbegründung zu jener Vorschrift ausgeführt, reiche die Finanzkraft kleinerer Gemeinden überwiegend nicht zur eigenverantwortlichen Erfüllung der Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft aus. Daraus ergäben sich Auswirkungen auf die Veranstaltungskraft von Gemeinden, z.B. beim Vorhalten eigener Einrichtungen.

III.

23

Die Landesregierung hält die Verfassungsbeschwerden ebenfalls für unzulässig und unbegründet.

24

Auch sie ist der Auffassung, es fehle an einer hinreichend substantiierten Darlegung der faktischen Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen. Auf die konkreten Auswirkungen der Regelung des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V auf die Beschwerdeführerinnen werde nicht eingegangen. Ferner werde unberücksichtigt gelassen, dass die Gewährung von Zuweisungen für besondere Bedarfe nach §§ 20, 22 FAG M-V Anträge der Gemeinde voraussetze, dass - neben der Mindesteinwohnerzahl - weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssten, und dass auf diese Leistungen kein Anspruch bestehe. Sofern die Beschwerdeführerinnen auch eine Verletzung ihres Rechts auf Mindestfinanzausstattung geltend machen wollten, hätten sie nicht hinreichend konkret dargelegt, welche der ihnen obliegenden Aufgaben sie auf Grund der ab dem Jahr 2012 geringeren Finanzausstattung nicht mehr angemessen erfüllen könnten.

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Die angegriffenen Vorschriften verletzten die Beschwerdeführerinnen nicht in ihrem Recht auf kommunale Selbstverwaltung nach Art. 72 und Art. 73 LV. Der Gesetzgeber habe bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs einen weiten Gestaltungsspielraum, der nicht überschritten sei. Den Neuregelungen liege jeweils eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung zu Grunde. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot sei beachtet. Die Rechtsprechung zum Abwägungsgebot im Bereich des Planungsrechts könne auf die verfassungsgerichtliche Prüfung von Gesetzen nicht übertragen werden.

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Die Regelung des § 12 Abs. 7 FAG M-V richte sich an dem gesetzlichen Maßstab des § 1 Abs. 3 KV M-V aus. Die Mindesteinwohnerzahl von 500 gehe zurück auf die Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in M-V" aus dem Jahr 2002. Mindesteinwohnerzahlen für amtsangehörige Gemeinden seien auch in den Kommunalverfassungen anderer Bundesländer festgelegt worden; die entsprechenden Regelungen seien jeweils verfassungsgerichtlich unbeanstandet geblieben.

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Der Gesetzgeber habe § 1 Abs. 3 KV M-V entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch nicht als "Gesetzesbefehl" bzw. "Regelungsverpflichtung" angesehen. Der Gesetzesbegründung sei vielmehr zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Regelung als Sollvorschrift erkannt habe und es ihm darauf angekommen sei, die Schlüsselzuweisungen unter den kreisangehörigen Gemeinden sachgerecht und angemessen zu verteilen. Dabei habe er sich nicht der Verantwortung für "Kleinststrukturen" entziehen wollen. Vielmehr habe die wesentliche Zielsetzung des Art. 73 Abs. 2 LV im Vordergrund gestanden, die Leistungsfähigkeit steuerschwacher Gemeinden und Kreise zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen.

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Allerdings gebe es keinen allgemeinen Erkenntnissatz, nach dem bei Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern zwangsläufig unwirtschaftliche Strukturen vorlägen. Die zur Begründung des § 1 Abs. 3 KV M-V herangezogene Analyse der Haushalte kleinerer Gemeinden sei nicht zu verallgemeinern. Der Regelung des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V liege jedoch auch keine Verallgemeinerung in dem genannten Sinne zu Grunde. Sie habe nicht den Zweck, die Finanzmittel nach einer "Wertigkeit" kommunaler Selbstverwaltung zu verteilen. Der Gesetzgeber halte es lediglich für sachgerecht, Kleinststrukturen nicht in gleichem Maße Finanzmittel zukommen zu lassen wie anderen Gemeinden, und damit in Zeiten insgesamt zurück gehender Finanzausgleichsleistungen die Arbeitsfähigkeit der anderen Gemeinden zu stärken.

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Kleinstgemeinden wie die Beschwerdeführerinnen würden auch nicht "genötigt" sich zusammen zu schließen. Mit der zeitlich verzögerten und sehr moderat reduzierten Einwohnerwertung verwehre der Gesetzgeber tatsächlich leistungsfähigen Gemeinden nicht ihre weitere Selbständigkeit. Da die Regelung erst ab dem Jahr 2012 gelte, hätten die Gemeinden die Möglichkeit, sich auf die Veränderungen einzustellen bzw. notwendige Strukturanpassungen durchzuführen. Von einer Umgehung der für Gebietsänderungen geltenden Anforderungen des § 11 KV M-V könne nicht die Rede sein.

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Auch durch die Beschränkung der Gewährung von Sonderbedarfszuweisungen auf Gemeinden mit mindestens 500 Einwohnern (§ 20 Abs. 1 Satz 1 FAG M-V) würden die Beschwerdeführerinnen nicht sachwidrig benachteiligt. Die Regelung orientiere sich am Maßstab des § 1 Abs. 3 KV M-V. Der Gesetzgeber stütze sich damit auf sachlich gerechtfertigte Erwägungen und überschreite nicht seinen Gestaltungsspielraum. Entsprechendes gelte für die grundsätzliche Beschränkung der Gewährung von Fehlbetragszuweisungen und Konsolidierungshilfen auf Gemeinden mit mindestens 500 Einwohnern (§ 22 Abs. 1 Satz 1 FAG M-V), zumal in § 22 Abs. 2 Satz 8 FAG M-V für bestimmte Fälle eine Ausnahmeregelung getroffen worden sei. Insoweit trage der Gesetzgeber seiner Verpflichtung hinreichend Rechnung, Schutzvorkehrungen zur Gewährleistung einer Finanzausstattung zu treffen, die für ein Mindestmaß an freiwilliger kommunaler Selbstverwaltung ausreiche.

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Sofern die Beschwerdeführerinnen auch eine Verletzung ihres Rechts auf Mindestfinanzausstattung geltend machen wollten, liege eine solche nicht vor. Auf der Basis der Daten des Finanzausgleichs 2010 würden sich ab dem Jahr 2012 die Schlüsselzuweisungen an Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern um ca. 21,50 Euro/Einwohner reduzieren. Für die Beschwerdeführerinnen würde dies zu Mindereinnahmen von 4.063,50 Euro (Beschwerdeführerin zu 1.), 2.730,50 Euro (Beschwerdeführerin zu 2.) und 2.859,50 Euro (Beschwerdeführerin zu 3.) führen. Den Beschwerdeführerinnen wie auch den anderen Kommunen im Land sei der bevorstehende Rückgang der Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich unabhängig von der Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes seit langem bekannt gewesen. Sie hätten jedoch anders als andere Gemeinden Vorsorge und notwendige Haushaltskonsolidierung weitgehend versäumt und auf die absehbare Entwicklung nicht angemessen reagiert. Sie hätten ebenso wie andere Gemeinden und auch Landkreise in den Jahren 2007 bis 2009 in erheblichem Maße Schlüsselzuweisungen erhalten, die konjunkturell bedingt über die mittelfristige Finanzplanung des Landes für die Jahre 2005 bis 2009 hinaus gegangen seien. Dabei gehe es um Gesamtbeträge von ca. 36.000 Euro (Beschwerdeführerin zu 1.), 26.000 Euro (Beschwerdeführerin zu 2.) und 29.500 Euro (Beschwerdeführerin zu 3). In den Haushaltserlassen für die genannten Jahre sei darauf hingewiesen worden, dass der Anstieg der Leistungen nur vorübergehender Natur sei und dass die zusätzlichen Mittel zielgerichtet für eine konsequente Haushaltskonsolidierung einzusetzen seien, in erster Linie durch Ansammlung in der allgemeinen Rücklage. Die Beschwerdeführerinnen hätten die zusätzlichen Mittel aber zumindest teilweise für den laufenden Haushalt verwendet.

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Zudem hätten insbesondere die Beschwerdeführerinnen zu 1. und 2. mit teilweise unterdurchschnittlichen Hebesätzen bei der Gewerbesteuer und der Grundsteuer B in den vergangenen Jahren ihre Einnahmemöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Keine der Beschwerdeführerinnen habe für das Jahr 2010 die Hebesätze erhöht. Soweit die Beschwerdeführerin zu 3. eine Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B ab dem Jahr 2011 beschlossen habe, habe sie sich lediglich rückwärts gewandt am Durchschnittshebesatz des Jahres 2008 orientiert, ohne die tatsächliche Entwicklung zu berücksichtigen. Mittelfristig müssten die Hebesätze aber entsprechend der Entwicklung in den anderen neuen Bundesländern steigen.

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Die Haushaltsdaten belegten, dass die Beschwerdeführerinnen weiterhin in der Lage seien, freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben zu erfüllen. Insbesondere bei der Beschwerdeführerin zu 1. werde ein hoher Standard an freiwilligen Leistungen deutlich. Mit Blick auf die angespannte Haushaltssituation sei eine Überprüfung dieses Standards auf Notwendigkeit und Angemessenheit - wie im einzelnen näher erläutert wird - dringend geboten. Soweit die Beschwerdeführerinnen sämtlich durch Umlagen belastet seien und über eine eher geringe und zudem schwankungsanfällige eigene Steuerkraft verfügten, sei diese insoweit schwierige Ausgangsposition in größeren Einheiten deutlich besser handhabbar.

B.

I.

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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

35

1. Sie ist nach Art. 53 Nr. 8 LV, § 11 Abs. 1 Nr. 10 des Landesverfassungsgerichtsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern - LVerfGG - statthaft. Danach entscheidet das Landesverfassungsgericht über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden, Kreisen und Landschaftsverbänden wegen Verletzung des Rechts auf Selbstverwaltung nach den Art. 72 bis 75 der Verfassung durch ein Landesgesetz.

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2. Die am 2. Juni 2010 bei Gericht eingegangene Beschwerde ist gemäß § 53 LVerfGG fristgerecht innerhalb eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze erhoben. Das Gesetz wurde am 10. November 2009 verkündet und ist gemäß seinem Art. 10 Satz 1 am 1. Januar 2010 in Kraft getreten.

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3. Die Beschwerdeführerinnen sind beteiligtenfähig. In Verfahren der kommunalen Verfassungsbeschwerde wird die Beteiligtenfähigkeit auch amtsangehöriger Gemeinden durch § 52 Abs. 2 LVerfGG abschließend bestimmt. Nach dieser Vorschrift können Gemeinden selbst Beschwerdeführer sein. § 127 Abs. 1 Satz 6 der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern - KV M-V -, nach dem eine amtsangehörige Gemeinde durch das Amt vertreten wird, wenn sie an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt ist, findet im verfassungsgerichtlichen Verfahren keine Anwendung (LVerfG M-V, Urt. v. 18.12.2003 LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 300; Urt. v. 04.02.1999 - LVerfG 1/98 -, LVerfGE 10, 317, 320 f.).

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4. Die Beschwerdeführerinnen sind nach Art. 53 Nr. 8 LV, § 52 Abs. 2 LVerfGG beschwerdebefugt. Sie können geltend machen, durch die angegriffenen Vorschriften selbst, gegenwärtig und unmittelbar in ihrem Recht auf Selbstverwaltung gemäß den Art. 72 bis 75 LV verletzt zu sein.

39

Im Falle der Nichtigkeit von § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG könnten die Beschwerdeführerinnen, die jeweils weniger als 500 Einwohner haben, ab 2012 höhere Schlüsselzuweisungen beanspruchen. Dass sich dies für sie nicht auswirken würde, weil sie die Voraussetzungen für die Gewährung von Schlüsselzuweisungen generell nicht erfüllen würden, ist nicht erkennbar. Sonderzuweisungen sowie Fehlbetragszuweisungen und Konsolidierungshilfen nach §§ 20, 22 FAG M-V werden zwar nur auf Antrag und unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gewährt; die Beschwerdeführerinnen sind aber auch insoweit durch die Neuregelung unmittelbar betroffen, weil sie - mit Ausnahme der Fälle des § 22 Abs. 2 Satz 8 FAG M-V - von vornherein von der Möglichkeit ausgeschlossen werden, solche Hilfen zu erhalten.

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Dass dies für die Beschwerdeführerinnen deshalb irrelevant wäre, weil Situationen, in denen sie Zuweisungen nach § 20 und § 22 FAG M-V beantragen und erhalten könnten, von vornherein nicht eintreten könnten, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Für Zuweisungen nach § 22 FAG M-V zur Unterstützung eigener Maßnahmen für das Erreichen des Haushaltsausgleichs ergibt sich ohne weiteres, dass diese auch für Kleinstgemeinden in Betracht kommen. Was Sonderbedarfszuweisungen nach § 20 FAG M-V angeht, liegt ebenfalls auf der Hand, dass Zuweisungen zur Förderung von Verwaltungskooperationen oder Verwaltungsfusionen gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FAG M-V auch - und evtl. gerade - von Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern nachgefragt werden können; auch Zuweisungen für Investitionen, soweit sich die Antragsteller in einer außergewöhnlichen Lage befinden oder besondere Aufgaben zu erfüllen haben (§ 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FAG M-V), erscheinen nicht von vornherein ausgeschlossen, weil auch Kleinstgemeinden Infrastruktureinrichtungen aufweisen können und der Begriff der "besonderen Aufgaben" in § 20 Abs. 1 Satz 2 FAG M-V nicht abschließend definiert wird.

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Die Subsidiarität der kommunalen Verfassungsbeschwerde greift wegen deren Natur als ausschließliche Rechtssatzbeschwerde nur ein, wenn die beanstandete Norm noch einer Konkretisierung durch eine nachrangige Norm bedarf, gegen die ihrerseits die Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann ( BVerfGE 76, 107, 113; BVerfGE 71, 25, 35 f.; LVerfG M-V, Urt. v. 18.12.2003 - LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 301; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Aufl. 2001, Rn. 697). Das ist hier nicht der Fall.

42

Der gegenwärtigen Betroffenheit durch die Vorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V steht nicht entgegen, dass Kommunen mit weniger als 500 Einwohnern erst ab dem Haushaltsjahr 2012 geringere Schlüsselzuweisungen erhalten. Das Gesetz zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V S. 606) ist nämlich bereits am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Schon jetzt ist klar abzusehen, dass und wie die Beschwerdeführerinnen zukünftig betroffen sein werden (vgl. hierzu auch LVerfG M-V, Urt. v. 26.11.2009 - LVerfG 9/08 -, UA S. 11- Doppik; Urt. v. 26. 07. 2007 - LVerfG 9/06 u.a. -, LVerfGE 18, 342, 369 - Kreisgebietsreform -, jew. m.w.N.).

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Das Begründungserfordernis des § 19 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 54 LVerfGG ist erfüllt (vgl. zu den diesbezüglichen Darlegungsanforderungen LVerfG M-V, Urt. v. 26.01.2006 - LVerfG 15/04 -, LVerfGE 17, 289, 293 ff.; Urt. v. 18.12.2003 - LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 300 f.). Insbesondere bedarf es, soweit die Beschwerdeführerinnen eine Verletzung des interkommunalen Gleichbehandlungsgebots rügen, nicht der Darlegung, dass die erforderliche Mindestfinanzausstattung unterschritten ist. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V, die erst ab dem Jahr 2012 und sodann unbeschränkt für die Zukunft gilt, kann auch nicht die Darlegung verlangt werden, dass die Beschwerdeführerinnen überhaupt Schlüsselzuweisungen erhalten. Entsprechendes gilt für die Darlegung, dass die Beschwerdeführerinnen in die Lage kommen könnten, Zuweisungen nach den §§ 20, 22 FAG M-V in Anspruch nehmen zu wollen.

II.

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Die Verfassungsbeschwerden sind begründet, da die angegriffenen Vorschriften die Beschwerdeführerinnen in ihren Rechten aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1, Art. 73 Abs. 2 LV verletzen. Es liegt ein Verstoß gegen das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung vor.

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1. Das Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung gemäß Art. 72 Abs. 1 Satz 1 LV umfasst auch einen gegen das Land gerichteten Anspruch auf eine angemessene Finanzausstattung, die ihnen die Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht. Diese ist Voraussetzung ihrer Existenz als Selbstverwaltungskörperschaften und damit integraler Bestandteil der verfassungsrechtlichen Gewährleistung. Die Kommunen sind berechtigt und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet, als Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und als Kreise die Angelegenheiten ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches in eigener Verantwortung zu regeln. Das können sie nur tun, wenn sie hinreichend mit finanziellen Mitteln versehen sind (LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfGE 17, 297, 318 m.w.N.; Urt. v. 18.12.2003 -LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 301 m.w.N.).

46

Auf dieser Grundlage sind wesentliche Bereiche der kommunalen Finanzausstattung durch weitere Verfassungsnormen ausgeformt worden. Nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 LV fließen den Gemeinden das Aufkommen aus den Realsteuern und nach Maßgabe der Landesgesetze Anteile aus staatlichen Steuern zu; nach Satz 2 ist das Land verpflichtet, den Gemeinden und Kreisen eigene Steuerquellen zu erschließen. Gemäß Art. 73 Abs. 2 LV stellt das Land, um die Leistungsfähigkeit steuerschwacher Gemeinden und Kreise zu sichern und eine unterschiedliche Belastung mit Ausgaben auszugleichen, im Wege des Finanzausgleichs die erforderlichen Mittel zur Verfügung. Die Verfassung schreibt damit einen kommunalen Finanzausgleich vor, der sowohl - vertikal - zwischen dem Land und den Kommunen als auch - horizontal - unter den Kommunen stattfindet. Gleichzeitig wird damit die Pflicht des Landes aus Art. 106 Abs. 7 Satz 1 Grundgesetz - GG - erfüllt, die Gemeinden und Gemeindeverbände am Länderanteil der Gemeinschaftssteuern prozentual zu beteiligen (vgl. Meyer in: Litten/Wallerath, LVerf M-V, Art. 73 Rn. 11). Schließlich hat nach Art. 72 Abs. 3 LV das Land, wenn es die Kommunen zur Erfüllung bestimmter Aufgaben verpflichtet, für eine daraus entstehende Mehrbelastung einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu schaffen (striktes Konnexitätsprinzip; siehe LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfGE 17, 297, 318 m.w.N.). Insgesamt verwirklichen die Art. 72 und 73 LV für das Land Mecklenburg-Vorpommern auch die bundesverfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung gemäß Art. 28 GG.

47

a) Bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Dieser umfasst insbesondere die Kriterien, nach denen die Finanzmittel auf die Kommunen verteilt werden. Die Einschätzungen des Gesetzgebers sind dabei vom Landesverfassungsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob sie unter dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit nachvollziehbar und vertretbar sind (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfGE 17, 297, 318; Urt. v. 18.12.2003 - LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 303 m.w.N.; VerfGH NW, Urt. v. 01.12.1998 -VerfGH 5/97 -, Juris Rn. 38).

48

Dem entspricht auch der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 79, 127, 154) herausgestellte Maßstab, dass gesetzliche Regelungen über die kommunale Selbstverwaltung vertretbar sein müssen, womit gleichzeitig gesagt ist, dass der Gesetzgeber insoweit eine Einschätzungsprärogative besitzt. Diese ist freilich um so enger und die gerichtliche Kontrolle umso intensiver, je mehr die gesetzliche Regelung dazu führt, dass die Selbstverwaltung an Substanz verliert (BVerfG a.a.O.; vgl. auch LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, a.a.O.).

49

b) Eine angemessene Finanzausstattung liegt nicht mehr vor, wenn die Kommunen mangels finanzieller Mittel außer Stande sind, ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zu erledigen. Die Mindestfinanzausstattung, die eine derartige Betätigung noch ermöglicht, bildet die zwingend einzuhaltende Untergrenze der angemessenen Finanzausstattung (LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfGE 17, 297, 319 f.; Urt. v. 18.12.2003 - LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 301 m.w.N.).

50

Das aus der Gewährleistung der Selbstverwaltung in der Landesverfassung zu entnehmende Recht auf eine angemessene Finanzausstattung entfaltet seine Wirkkraft jedoch nicht nur zur Vermeidung von den Kern des Selbstverwaltungsrechts berührenden Notlagen, sondern auch für Regelungen, welche die Kommunalfinanzen in der Normalsituation betreffen, einschließlich der Verteilung der Mittel zwischen dem Land und den Kommunen. Dabei bedeutet "angemessen", dass die Finanzausstattung der Kommunen aufgabenadäquat sein muss. Denn nach den Aufgaben richten sich die Ausgaben. Zur Leistung der aufgabenabhängigen Ausgaben müssen genügende Einnahmen vorhanden sein. Nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 LV fließen den Gemeinden Steuern "zur Erfüllung ihrer Aufgaben" zu; damit ist über die konkrete Vorschrift hinaus ein allgemeiner Grundsatz ausgesprochen. Art. 73 Abs. 2 LV verlangt, durch einen Finanzausgleich die "erforderlichen Mittel", d.h. die zur Aufgabenerfüllung notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen (LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfG 17, 297, 319).

51

Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang das interkommunale Gleichbehandlungsgebot zu beachten, das verbietet, bei der näheren Ausgestaltung des Finanzausgleichs bestimmte Gemeinden oder Gemeindeverbände sachwidrig zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot verbietet willkürliche, sachlich nicht vertretbare Differenzierungen. Es ist verletzt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachliche Grund fehlt. Das Verfassungsgericht hat dabei nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber die bestmögliche und gerechteste Lösung gewählt hat (vgl. LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfGE 17, 297, 318; Urt. v. 18.12.2003 - LVerfG 13/02 -, LVerfGE 14, 293, 302 m.w.N.; VerfGH NW, Urt. v. 26.05.2010 - VerfGH 17/08 -, NVwZ-RR 2010, 627; Urt. v. 01.12.1998 -VerfGH 5/97 -, Juris Rn. 36; BbgVerfG, Urt. v. 18.05.2006 - VfGBbg 39/04 -; Urt. v. 29.08.2002 - VfGBbg 34/01 -, LVerfGE 13, 159, 174; Urt. v. 18.06.1998 - VfGBbg 17/97 -, LVerfGE 8, 97, 139).

52

Ferner verlangt der Grundsatz der Systemgerechtigkeit, dass die vom Gesetzgeber gewählten Maßstäbe, nach denen der Finanzausgleich erfolgen soll, nicht in Widerspruch zueinander stehen und nicht ohne einleuchtenden Grund verlassen werden (VerfGH NW, Urt. v. 01.12.1998 - VerfGH 5/97 -, Juris Rn. 38). Zwar obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers, nach welchem System er eine bestimmte Materie ordnen will. Weicht er vom selbst bestimmten System ab, kann das jedoch einen Gleichheitsverstoß indizieren (vgl. VerfGH NW, Urt. v. 11.12.2007 -VerfGH 10/06 -, Juris Rn. 62).

53

2. Bei Anwendung der vorgenannten Maßstäbe ergibt sich, dass die angegriffenen Vorschriften mit Art. 72 Abs. 1 Satz 1, Art. 73 Abs. 2 LV nicht vereinbar sind, weil sie gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung verstoßen und die Beschwerdeführerinnen daher in ihren Rechten verletzen.

54

a) Dies gilt zunächst für die Vorschrift des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V n.F., nach der ab 2012 bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen für Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern lediglich 95 Prozent der Einwohner zu Grunde gelegt und damit die Schlüsselzuweisungen im Ergebnis um fünf Prozent reduziert werden.

55

Diese Regelung ist mit Art. 72 Abs. 1 Satz 1, Art. 73 Abs. 2 LV nicht vereinbar, weil es für die vorgesehene Differenzierung zwischen Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und solchen mit mindestens 500 Einwohnern an einem sachlichen Grund fehlt.

56

Schlüsselzuweisungen bilden als den Gemeinden und Landkreisen ohne Zweckbindung gewährte Mittel, über die frei verfügt werden kann, das Kernelement eines jeden kommunalen Finanzausgleichs (LVerfG M-V, Urt. v. 18.12.2003 - LVerfG 13/02 - LVerfGE 14, 293, 303; Meyer, Der kommunale Finanzausgleich in Mecklenburg-Vorpommern, 1999, S. 17; siehe auch Laier, Der kommunale Finanzausgleich, 2008, S. 34 f.). Die Höhe der Schlüsselzuweisungen an kreisangehörige Gemeinden bemisst sich im Verhältnis zu den anderen kreisangehörigen Gemeinden nach ihrer Steuerkraft und ihrem auf die Einwohner errechneten Finanzbedarf, § 12 Abs. 2 FAG M-V. Mit dem Merkmal des Finanzbedarfs wird an die "unterschiedliche Belastung mit Ausgaben" angeknüpft, die gemäß Art. 73 Abs. 2 LV ausgeglichen werden soll.

57

Nach dem vom Gesetzgeber gewählten Maßstab ist die Einwohnerzahl der maßgebliche Parameter für den Finanzbedarf der Gemeinde. Der Gesetzgeber hat sich insoweit grundsätzlich gegen den Ansatz von Gewichtungsfaktoren für unterschiedliche Einwohnerzahlen entschieden. Insbesondere hat er keine sogenannte Einwohnerveredelung geregelt. Dabei handelt es sich um eine Bemessung des gemeindlichen Finanzbedarfs unter Zugrundelegung einer Einwohnergewichtung nach Gemeindegrößenklassen, wobei mit zunehmender Gemeindegröße die Gewichtungsfaktoren steigen. Sie knüpft an das sog. Brecht/Popitzsche Gesetz an, das davon ausgeht, die Zunahme der Siedlungsdichte führe zu einem überproportionalen Anstieg des öffentlichen Aufwandes und begründe damit einen strukturellen Mehrbedarf für die Erledigung der den Gemeinden obliegenden Aufgaben (vgl. dazu - kritisch - BVerfGE 86, 148, 239 ff. m.w.N.).

58

Für die Reduzierung der Schlüsselzuweisungen an Kommunen mit weniger als 500 Einwohnern findet sich in der Gesetzesbegründung vor allem der Hinweis, dass gemäß § 1 Abs. 3 KV M-V Gemeinden mindestens 500 Einwohner haben sollen. Durch die Änderung der Verteilung würden die Mittel dahin konzentriert, wo sie tatsächlich notwendig und geboten seien. Dabei gehe es um tragfähige Strukturen. Die Zuweisungen könnten nicht das Ziel haben, kleinteilige und unwirtschaftliche Strukturen zu unterstützen. Sie sollten keine dauerhaft fehlende Finanzkraft ersetzen und von Handlungsnotwendigkeiten abhalten (LT-Drs. 5/2685 S. 62 f., 88).

59

Die Vertreter der Landesregierung haben diese Zielsetzung in der mündlichen Verhandlung dahin gehend erläutert, dass es nicht vorrangig darum gehe, Kleinststrukturen zu beseitigen, sondern - entsprechend dem Prinzip der Aufgabengerechtigkeit - die Mittel vorrangig dorthin zu verteilen, wo kommunale Einrichtungen und Veranstaltungen tatsächlich statt fänden und Aufgaben tatsächlich wahrgenommen würden. Dies sei in Kleinstgemeinden nicht der Fall, denen die erforderliche Leistungsfähigkeit insbesondere in Gestalt der Veranstaltungskraft typischerweise fehle. Infrastruktureinrichtungen befänden sich in der Regel in größeren Einheiten und müssten dort finanziert werden; dort seien punktuelle Investitionen auch besser ausgleichbar. Hingegen lasse die Investitionsfähigkeit von Kleinstgemeinden Maßnahmen z.B. des Straßenbaus häufig nicht mehr zu.

60

aa) Die Regelung des § 1 Abs. 3 KV M-V vermag die in § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V vorgenommene Differenzierung nicht zu rechtfertigen.

61

(1) Nach § 1 Abs. 3 KV M-V sollen Gemeinden mindestens 500 Einwohner haben. Dabei handelt es sich um eine strukturpolitische Regelung, die damit begründet wurde, dass Haushalte kleinerer Gemeinden sich im Vergleich zu größeren überwiegend als leistungsschwach darstellten, woraus sich Auswirkungen auf die Veranstaltungskraft, z.B. beim Vorhalten eigener Einrichtungen ergäben (LT-Drs. 4/527 S. 25). Mit dieser Regelung wurde eine Empfehlung der Enquete-Kommission "Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern" vom 03. Juni 2002 umgesetzt (LT-Drs. 3/2959 S. 8 f.). Der Auftrag der Enquete-Kommission lautete, "auf der Grundlage einer Analyse der Situation der Städte und Gemeinden des Landes und unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen mit verschiedenen Modellen zur Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungseffektivierung Empfehlungen für zukünftige kommunale Strukturen zu geben", wobei das Ziel sei, "die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung tatsächlich dauerhaft zu sichern und zu stärken" (LT-Drs. 3/1350 S. 3).

62

Die Mindesteinwohnerzahl nach § 1 Abs. 3 KV M-V wird als Konkretisierung für die Gründe des öffentlichen Wohls als Grundlage für Gebietsänderungen nach § 11 Abs. 1 KV M-V angesehen, so dass Gebietsabspaltungen und kleinere Fusionen, deren Ergebnis Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern wären, nicht genehmigungsfähig sein sollen (Glaser in: Darsow u.a., Schweriner Kommentierung der KV M-V, 3. Aufl. 2005, § 1 Rn. 4). Ebenso soll unproblematisch sein, wenn die Förderpolitik an diesem gesetzlichen Maßstab ausgerichtet wird (Meyer, LKV 2004, 242).

63

(2) Die strukturpolitische Zielsetzung des § 1 Abs. 3 KV M-V vermag die in § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V vorgenommene Differenzierung nicht zu rechtfertigen. Denn der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird verfassungsrechtlich durch das in Art. 73 Abs. 2 LV normierte Gebot eines aufgabengerechten Finanzausgleichs begrenzt. Eine Differenzierung muss daher an einen normativen Bedarf anknüpfen, der die Aufgaben zum Ausgangspunkt hat.

64

Allerdings erlaubt die Landesverfassung, im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs auch raumordnungspolitische Ziele zu verfolgen (vgl. auch VerfGH NW, Urt. v. 09.07.1998 - 16/96 u.a. -, NVwZ-RR 1999, 81, 85; BayVerfGH, Entsch. v. 27.02.1997 - Vf.17-VII-94 -, DÖV 1997, 639, 642). Dies betrifft im Rahmen des vom Gesetzgeber gewählten Systems für die Verteilung der Schlüsselzuweisungen jedoch die Frage, wie die grundsätzlich aufgabenbezogenen Bedarfskriterien im einzelnen festzulegen sind, die z.B. an die Ausgaben der Gemeinden anknüpfen können. So kann etwa die Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen an bestimmte tatsächlich vorliegende Unterschiede in der Ausgabenstruktur der Gemeinden geknüpft werden sollen, d.h. ob und in welchem Maß vorgefundene Unterschiede hinsichtlich der Ausgaben finanzausgleichsrechtlich als höherer Bedarf berücksichtigt werden sollen, im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers auch raumordnungspolitisch begründet werden.

65

So liegt es grundsätzlich im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, soweit in kleinen Gemeinden für die Wahrnehmung der selben Aufgaben höhere Kosten anfallen, einen im Rahmen des Finanzausgleichs ausgleichsfähigen höheren Bedarf gleichwohl zu verneinen. Ebenso kann umgekehrt der Gesetzgeber in kleinen Gemeinden anfallende höhere Kosten als ausgleichsfähig anerkennen. So sieht die Regelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 des saarländischen Kommunalfinanzausgleichsgesetzes für Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern einen Hauptansatz 104 v.H. der Einwohnerzahl vor, während für Gemeinden mit 10.000 Einwohnern (nur) 100 v.H. angesetzt werden.

66

Soweit ein Bedarf jedoch der Sache nach mit der Begründung verneint oder niedriger angesetzt werden soll, es bestehe kein Bedarf für den Fortbestand von Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern, widerspricht dieser Gesichtspunkt den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 73 Abs. 2 LV, die von dem gegebenen Bestand an Gemeinden ausgehen. Zwar ist die Existenz der einzelnen Kommune verfassungsrechtlich nicht gesichert. An kommunale Neugliederungen werden aber, basierend auf der institutionellen Garantie, an der jede Kommune Teil hat, von Verfassungs wegen sowohl materiell- als auch verfahrensrechtlich besondere Anforderungen gestellt, deren Einhaltung eine betroffene Kommune auf Verfassungsbeschwerde hin nachprüfen lassen kann (LVerfG M-V, Urt. v. 11.05.2006 - LVerfG 1/05 u.a. -, LVerfGE 17, 297, 322). Dass die Voraussetzungen der Regelung des § 11 Abs. 1 KV M-V bei allen Kleinstgemeinden erfüllt oder auch nur geprüft worden wären, ist nicht erkennbar. Die Reduzierung der Schlüsselzuweisungen für Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern kann daher auch nicht mit dem Argument gerechtfertigt werden, es handele sich um ein milderes Mittel im Verhältnis zu einer Zwangsfusion.

67

(3) Mit der von der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gestellten Begründung der fehlenden Veranstaltungskraft und tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung in Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern kann die in § 12 Abs. 7 Satz 3 KV M-V vorgenommene Differenzierung ebenfalls nicht gerechtfertigt werden.

68

Grundsätzlich muss sich die Entscheidung des Gesetzgebers auf objektivierbare Daten stützen lassen (VerfGH NW, Urt. v. 26.05.2010 - VerfGH 17/08 -, Juris Rn. 33). Um die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang an das Gesetzgebungsverfahren zum kommunalen Finanzausgleich gesteigerte Anforderungen zu stellen sind, in dem Sinne, dass aus den Gesetzesmaterialien objektiv erkennbar sein muss, dass die Daten zur Bedarfs- und Einnahmenermittlung Eingang in den Entscheidungsprozess des Gesetzgebers gefunden haben (vgl. NdsStGH, Urt. v. 04.06.2010 - StGH 1/08 -, Juris Rn. 80, 90 m.w.N.), geht es dabei nicht.

69

Empirische Untersuchungen über das tatsächliche Vorhandensein von Infrastruktureinrichtungen und die tatsächliche Aufgabenwahrnehmung einerseits in Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und andererseits in Gemeinden mit bis zu 1.000, 1.500 oder 2.000 Einwohnern liegen nicht vor. Im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzes zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze vom 10. November 2009 (GVOBl. M-V S. 606) sind insoweit keine Untersuchungen angestellt worden. Auch aus den Vorarbeiten zum Fünften Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Februar 2004 (GVOBl. M-V S. 61), mit dem die Vorschrift des § 1 Abs. 3 KV M-V eingefügt wurde, nach der Gemeinden nicht weniger als 500 Einwohner haben sollen, ergeben sich hierzu keine belastbaren Daten. Die Vorgaben der Enquete-Kommission "Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern" vom 03. Juni 2002 (LT-Drs. 3/2959 S. 8 f.), auf deren Empfehlung die Soll-Vorschrift des § 1 Abs. 3 KV M-V zurück geht, hatten - wie bereits dargestellt - eine andere Zielrichtung.

70

Die von der Enquete-Kommission angestellten Erhebungen waren qualitativer Art (Befragungen u.a. der Ämter). Bei der von der Enquete-Kommission gegebenen Empfehlung, Gemeinden sollten mindestens 500 Einwohner haben, handelte es sich um eine wertende Entscheidung auf der Grundlage der durchgeführten Beratungen und in Abwägung der Gesichtspunkte der Veranstaltungskraft und der demokratischen Teilhabe und letztlich um einen politischen Kompromiss (vgl. LT-Drs. 3/2959, S. 8 f.; zu den Sondervoten einerseits gegen die Festlegung einer Mindestgröße, andererseits für eine Mindesteinwohnerzahl von 1.000 vgl. dort Fn. 3 und 4). Auch nach den Angaben der Vertreter der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung war die Zahl 500 eine "gegriffene Größe".

71

Weitere empirische Grundlagen für die Regelung einer finanzausgleichsrechtlichen Differenzierungsschwelle bei einer Einwohnerzahl von 500 liegen nicht vor. Auch soweit die Vertreter der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, eine Untersuchung der Leistungsfähigkeit kommunaler Körperschaften habe ergeben, dass von 267 Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern lediglich 151 uneingeschränkt leistungsfähig seien - was etwa 56 % entspricht -, ist ein typisierender Vergleich mit den Gemeinden mit bis zu 1.000, 1.500 oder 2.000 Einwohnern offenbar nicht unternommen worden.

72

(4) Die Differenzierung zwischen Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und solchen mit mindestens 500 Einwohnern in § 12 Abs. 7 Satz 3 KV M-V lässt sich auch nicht insoweit auf die Regelung des § 1 Abs. 3 KV M-V stützen, als dieser - über die eigentliche strukturpolitische Zielsetzung hinaus - eine gesetzliche Vermutung mangelnder Veranstaltungskraft und Aufgabenwahrnehmung von Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern - mit der Folge geringeren Finanzbedarfs - zu entnehmen sein sollte. Auch dieser Gedanke vermag die Ungleichbehandlung beider Gruppen nicht zu rechtfertigen.

73

Bei der Regelung des § 1 Abs. 3 KV M-V handelt es sich um eine Soll-Vorschrift. Lediglich im Rahmen einer solchen Soll-Regelung, die Raum lässt für die Berücksichtigung von Besonderheiten, ist die Festlegung von Mindesteinwohnerzahlen für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten worden (vgl. BbgVerfG, Urt. v. 29.08.2002 - VfGBbg 34/01 -, LKV 2002, 573). Demgegenüber hat der Gesetzgeber im Rahmen des Finanzausgleichs, nämlich beim Maß des Ausgleichs der Differenz zwischen Leistungsfähigkeit und Bedarf, eine strikt unterschiedliche Behandlung derjenigen Gemeinden, die die Mindesteinwohnerzahl unterschreiten, und derjenigen, die sie überschreiten, vorgesehen, und damit der Regelung des § 1 Abs. 3 KV M-V insoweit eine zwingende Wirkung verliehen. Für diese "überschießende Tendenz" fehlt es an einer Rechtfertigung.

74

Die Regelung des § 1 Abs. 3 KV M-V beruht auf Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern" vom 03. Juni 2002 (LT-Drs. 3/2959 S. 8 f.). Eine gesetzliche Regelung zur Auflösung von Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern wurde dort ausdrücklich nicht vorgeschlagen. Die Formulierungen der Kommission lassen darauf schließen, dass regionale Besonderheiten berücksichtigt werden sollten. So heißt es dort, im Hinblick auf kleinteilige Strukturen mit geringer Bevölkerungsdichte, insbesondere in der Region Vorpommern, den Landkreisen Mecklenburg-Strelitz und Müritz, müsse ein Kompromiss zwischen effizienter Einwohnerzahl und Veranstaltungskraft der Gemeinden gesucht werden; in den gering besiedelten Räumen des Landes wäre der Zusammenhalt der örtlichen Gemeinschaft in der Konsequenz durch zum Teil kilometerweite Wege zwischen den Orten gefährdet (LT-Drs. 3/2959 S. 9; s.a. S. 125). Einen "Königsweg" der Gebiets- und Verwaltungsreform gebe es nicht; für die Entscheidung spielten die Siedlungsdichte und die demographische Entwicklung eine entscheidende Rolle (LT-Drs. 3/2959 S. 47).

75

Ausführungen zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten enthält auch die Begründung des Regierungsentwurfs zur Änderung der Kommunalverfassung betreffend die Regelung des § 125 Abs. 5 KV M-V zu Ausnahmen von der Mindestgröße amtsfreier Gemeinden, nach der nicht nur eine Insellage, sondern auch andere geographische Gegebenheiten, wie zum Beispiel eine Randlage von Gemeinden an einer Landkreis- oder Landesgrenze oder ein ausgeprägter touristischer Standort, dessen Vorhandensein sich an den Übernachtungszahlen eines Jahres messen lasse, die Amtsfreiheit der Gemeinde rechtfertigen sollen (LT-Drs. 4/527 S. 26).

76

Die Regelung des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V lässt demgegenüber keine Spielräume für die Berücksichtigung geographischer oder historischer Besonderheiten und die Analyse der Situation in einzelnen Gemeinden. Die Gemeinden haben keine Möglichkeit, etwaige sachliche Gründe geltend zu machen, die ihren selbständigen Fortbestand entgegen dem Leitbild des § 1 Abs. 3 KV rechtfertigen, um bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungen eine Gleichbehandlung mit denjenigen Gemeinden zu erreichen, die mindestens 500 Einwohner haben.

77

Auch im Hinblick auf den dem Gesetzgeber zustehenden Gestaltungsspielraum gilt nichts anderes. Was die Auswirkungen der Regelung auf die Substanz der Selbstverwaltung angeht, die das Maß der gerichtlichen Kontrolle bestimmt, ist zu berücksichtigen, dass eine Absenkung der Schlüsselzuweisungen um 5 v.H. ebenso wie die absoluten Reduzierungsbeträge von etwa 21,50 Euro je Einwohner bzw. zwischen 2.700 und 4.100 Euro insgesamt je Beschwerdeführerin gering erscheinen mögen, dass aber diese Beträge im Verhältnis zu der sog. "freien Spitze" der Finanzausstattung der Beschwerdeführerinnen, die für freiwillige Leistungen zur Verfügung steht, eine erhebliche Größenordnung erreichen. So liegen die Reduzierungsbeträge für die Beschwerdeführerin zu 1. bei 42 v.H. des Betrages, den sie im Jahr 2008 tatsächlich für freiwillige Leistungen aufgewendet hat, für die Beschwerdeführerin zu 2. bei 280 v.H. und für die Beschwerdeführerin zu 3. bei 215 v.H. dieses Betrages. Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerinnen im Jahr 2008 bei sparsamer Wirtschaftsführung freiwillige Leistungen in größerem Umfang hätten erbringen können - mit der Folge dass sich ein niedrigerer Vomhundertsatz für die nunmehrigen Reduzierungsbeträge ergeben hätte -, kommt es bei dieser Überlegung nicht an.

78

bb) Auch auf den Gedanken der sogenannten Einwohnerveredelung lässt die angegriffene Regelung sich nicht stützen.

79

Die dem Prinzip der Einwohnerveredelung zu Grunde liegende Gesetzmäßigkeit der überproportionalen Steigerung der Kosten der Aufgabenerledigung durch Agglomeration wurde bereits in den 1990er Jahren in Zweifel gezogen (vgl. BVerfGE 86, 148, 239 f.). Ein überproportionaler Anstieg des Finanzbedarfs bei höherer Siedlungsdichte lasse sich empirisch nicht nachweisen; tatsächlich höhere Ausgaben könnten gerade das Ergebnis einer besseren Finanzausstattung sein. Die Annahme der Unterschiede im Bedarf zwischen Stadt und Land widerspreche dem verfassungsrechtlichen Leitbild, dass alle Bürger gleichermaßen Anspruch auf staatliche Leistungen hätten. Ferner sei der Ausgleich von Agglomerationsnachteilen raumordnungspolitisch unerwünscht, da er die zu räumlichen Ungleichgewichten führende Konzentration verstärke. Schließlich sei nach durchgeführten Gebietsreformen zweifelhaft, ob die Gemeindegröße ein geeigneter Indikator für die Siedlungsdichte sein könne (BVerfG a.a.O.; vgl. ferner auch die vom BbgVerfG im Urt. v. 16.09.1999 - 28/98 -, NVwZ-RR 2000, 129, 132, wiedergegebenen Bedenken). Zum Teil werden die in der Brecht/ Popitzschen These zum Ausdruck kommenden Überlegungen heute auch als "unstrittig widerlegt" (Henneke u.a., Recht der Kommunalfinanzen, § 24 Rn. 350) bzw. " mit Sicherheit nicht mehr zutreffend" bezeichnet (Seitz, Der Einfluss der Bevölkerungsdichte auf die Kosten der öffentlichen Leistungserstellung, 2002, S. 13).

80

Gleichwohl sehen die Gesetze über den kommunalen Finanzausgleich in allen Flächenbundesländern mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein eine Einwohnerveredelung weiterhin vor (mit Staffelungen ab 1.500 Einwohner in Sachsen, ab 2.500 in Brandenburg, 3.000 in Baden-Württemberg und Thüringen und 5.000 in Bayern und im Saarland, im übrigen mit Staffelungen ab noch größeren Einwohnerzahlen). In der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte wird eine Einwohnergewichtung zur Bestimmung des kommunalen Finanzbedarfs als überkommene Methode der Bedarfsermittlung sowie als nicht offensichtlich ungeeignet und damit im Rahmen des dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums liegend angesehen (SächsVerfGH, Urt. v. 23.11.2000 - Vf. 53-II-97 -, SächsVBl 2001, 61, 66; BbgVerfG a.a.O.; VerfGH NW, Urt. v. 09.07.1998 - 16/96 u.a. -, NVwZ-RR 1999, 81, 84 f.; BayVerfGH, Entsch. v. 27.02.1997 - Vf.17-VII-94 -, DÖV 1997, 639, 641). Zum Teil wird dabei berücksichtigt, ob durch Nebenansätze Besonderheiten erfasst werden (vgl. SächsVerfGH a.a.O.; VerfGH NW a.a.O.; BayVerfGH a.a.O.), zum Teil, ob der Gesetzgeber sich auf ein Gutachten gestützt hat, in dem Bedenken und Alternativen geprüft wurden (vgl. VerfGH NW a.a.O.) oder ob aussagekräftiges Datenmaterial überhaupt bereits zur Verfügung stand (vgl. SächsVerfGH a.a.O.; BbgVerfG a.a.O.). Ferner wird zum Teil zusätzlich für den Folgezeitraum verlangt, dass der Gesetzgeber eine nachvollziehbare und tragfähige Begründung für die Zuordnung einzelner Prozentwerte zu bestimmten Einwohnerzahlen unter Berücksichtigung der gegen die Einwohnerveredelung erhobenen Bedenken gibt (vgl. BbgVerfG a.a.O.).

81

Auf die insbesondere im Hinblick auf die fehlende empirische Absicherung bestehenden Bedenken gegen das Prinzip der Einwohnerveredelung kommt es jedoch letztlich nicht an. Denn die Differenzierung in § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V lässt sich nicht auf das Prinzip der Einwohnerveredelung zurückführen.

82

Mit der diesem Prinzip zu Grunde liegenden typisierenden Überlegung, dass größere Strukturen regelmäßig einen höheren Finanzbedarf haben, steht es nicht im Einklang, mit den Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und solchen mit mindestens 500 Einwohnern lediglich zwei Gruppen zu bilden, für die Gewichtungsfaktoren von 95 v.H. und 100 v.H. angesetzt werden.

83

Die Regelungen in den Finanzausgleichsgesetzen anderer Bundesländer, die eine Einwohnerveredelung vorsehen, enthalten jeweils für eine Mehrzahl von Gemeindegrößen unterschiedliche Einwohnerfaktoren. In Sachsen ist insoweit in der Anlage zu § 7 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich mit den Gemeinden und Landkreisen im Freistaat Sachsen in der Fassung der Bekanntmachung vom 01. Januar 2007 die kleinteiligste Regelung getroffen worden. Dort finden sich jeweils gesonderte Festlegungen von Gewichtungsfaktoren ("Hauptansatz") für Gemeinden mit bis zu 1.500 Einwohnern (Faktor 100 v.H.) sowie für Gemeinden mit 4.000 (Faktor 112 v.H.), 7.500 (122 v.H.), 12.500 (133 v.H.), 17.500 (144 v.H.), 25.000 (152 v.H.), 40.000 (160 v.H.) und ab 55.000 Einwohnern (165 v.H.). Die am wenigsten differenzierende Regelung in Sachsen-Anhalt sieht jeweils gesonderte Gewichtungsfaktoren für Gemeinden mit weniger als 8.000, 25.000 und 60.000 Einwohnern vor (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 des Finanzausgleichsgesetzes vom 16.12.2009). Hinzu kommt, dass in allen Bundesländern, die eine Einwohnerveredelung regeln, für Gemeinden mit zwischen den Stufen liegenden Einwohnerzahlen der Gewichtungsfaktor jeweils durch Interpolation ermittelt wird.

84

Die Regelung des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V lässt sich vor diesem Hintergrund auch nicht mit dem Grundsatz der Systemgerechtigkeit in Übereinstimmung bringen.

85

cc) Die Regelung des § 12 Abs. 7 Satz 3 FAG M-V ist auch nicht mit einer bei Kleinstgemeinden typischerweise bestehenden Steuerschwäche zu begründen.

86

Maßgeblich hierfür ist, dass Art. 73 Abs. 2 LV ein Harmonisierungsgebot enthält, nach dem mit dem Finanzausgleich bestehende Ungleichheiten in der Steuerkraft gerade abgemildert werden sollen. Das Sozialstaatsprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG) und das Leitbild der "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse" (vgl. Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG) bzw. der "Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse" (vgl. Art. 72 Abs. 2 GG) fordern ein annähernd gleiches Versorgungsniveau in den Kommunen.

87

Das vom Land bereit gestellte Ausgleichsvolumen muss folglich unter den Kommunen so verteilt werden, dass es zu einer Annäherung ihrer Finanzausstattung kommt und auch die ursprünglich finanzschwachen Kommunen so gestärkt werden, dass sie zu einer eigenverantwortlichen Entwicklung und Aufgabengestaltung befähigt werden (vgl. NdsStGH, Urt. v. 04.06.2010 - StGH 1/08 -, Juris Rn. 74; VerfGH NW, Urt. v. 11.12.2007 - VerfGH 10/06 -, Juris Rn. 66, jew. m.w.N.). Dieser gesetzlichen Vorgabe widerspricht es, die Steuerkraft gerade zum umgekehrten Differenzierungskriterium zu machen in dem Sinne, dass bei besonders großen Steuerkraftunterschieden ein geringerer Ausgleich vorgesehen wird.

88

Im Übrigen ist auch insoweit der Schwellenwert von 500 Einwohnern nicht empirisch belegt. Ein Vergleich der Steuerkraft von Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern einerseits und solchen mit mindestens 500 Einwohnern andererseits, wie ihn die Vertreter der Landesregierung in der mündlichen Verhandlung angeführt haben, ist hinsichtlich der Differenzierung zwischen Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern und solchen mit weniger als 1.000, 1.500 oder 2.000 Einwohnern nicht aussagekräftig. Die Differenzierung bleibt daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht systemgerecht.

89

b) Vorstehendes gilt erst recht für den grundsätzlichen Ausschluss von Gemeinden mit weniger als 500 Einwohnern von Sonderbedarfszuweisungen sowie Fehlbetragszuweisungen und Konsolidierungshilfen (§ 20 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 FAG M-V), zumal dieser ausnahmslose Leistungsausschluss bereits nicht mit dem in Art. 73 Abs. 2 LV formulierten Ziel der Sicherung der Leistungsfähigkeit steuerschwacher Gemeinden in Einklang steht.

90

Zuweisungen nach § 20 und § 22 FAG M-V können in entsprechenden Situationen für die Gemeinden existentiell sein. Im Hinblick auf die Bedeutung für die kommunale Selbstverwaltung sind an die sachliche Rechtfertigung der Ausschlussregelungen daher entsprechend hohe Anforderungen zu stellen. Über entsprechende Zuweisungen für besondere Bedarfe, auf die kein Rechtsanspruch besteht (§ 20 Abs. 2 Satz 2, § 22 Abs. 3 Satz 2 FAG M-V), sind ohnehin jeweils Einzelfallentscheidungen zu treffen. Der absolute Ausschluss der Kleinstgemeinden ist insoweit sachlich nicht gerechtfertigt.

C.

91

Die Verfahren sind nach § 33 Abs. 1 LVerfGG kostenfrei. Gemäß § 34 Abs. 1 LVerfGG sind den beschwerdeführenden Gemeinden ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

D.

92

Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 LVerfGG ist die Entscheidungsformel im Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern zu veröffentlichen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2011 - 10/10

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Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Juni 2011 - 10/10 zitiert 9 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 72


(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. (2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 106


(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu: 1. die Zölle,2. die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 12 Feststellung der Umsatzsteueranteile


Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Finanzausgleichsgesetz - FinAusglG 2005 | § 13 Verteilung der Umsatzsteuer und Vollzug des Finanzkraftausgleichs während des Ausgleichsjahres


Die Verteilung der Umsatzsteuer und der Finanzkraftausgleich werden während des Ausgleichsjahres aufgrund vorläufiger Bemessungsgrundlagen vorgenommen. Die vorläufigen Anteile an der Umsatzsteuer sowie die vorläufigen Zuschläge zu und Abschläge von d

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Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Die Verteilung der Umsatzsteuer und der Finanzkraftausgleich werden während des Ausgleichsjahres aufgrund vorläufiger Bemessungsgrundlagen vorgenommen. Die vorläufigen Anteile an der Umsatzsteuer sowie die vorläufigen Zuschläge zu und Abschläge von der Finanzkraft werden nach den §§ 2 sowie 4 bis 10 ermittelt; jedoch werden zugrunde gelegt

1.
die Einnahmen der Länder nach § 7 Abs. 1 und 2 sowie die Gemeindeanteile an der Umsatzsteuer und an der Einkommensteuer und die Gewerbesteuerumlage nach § 8 in dem Jahreszeitraum, der am 30. September des vorausgehenden Jahres endet;
2.
die Steuerkraftzahlen der Grundsteuern und der Gewerbesteuer der Gemeinden gemäß § 8 nach den Grundbeträgen, die das Statistische Bundesamt zuletzt festgestellt hat, und nach ihren Aufkommen in dem Jahreszeitraum, der am 30. Juni des vorausgehenden Jahres endet;
3.
die Einwohnerzahlen nach § 9 Abs. 1, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Jahres festgestellt hat, das dem Ausgleichsjahr vorausgeht; sind diese nicht rechtzeitig verfügbar, die vom Statistischen Bundesamt zuletzt festgestellten Einwohnerzahlen.

Das Bundesministerium der Finanzen stellt nach Ablauf des Ausgleichsjahres die endgültige Höhe der Länderanteile an der Umsatzsteuer durch Rechtsverordnung fest, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der Ertrag der Finanzmonopole und das Aufkommen der folgenden Steuern stehen dem Bund zu:

1.
die Zölle,
2.
die Verbrauchsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 2 den Ländern, nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam oder nach Absatz 6 den Gemeinden zustehen,
3.
die Straßengüterverkehrsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern,
4.
die Kapitalverkehrsteuern, die Versicherungsteuer und die Wechselsteuer,
5.
die einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben,
6.
die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer,
7.
Abgaben im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

(2) Das Aufkommen der folgenden Steuern steht den Ländern zu:

1.
die Vermögensteuer,
2.
die Erbschaftsteuer,
3.
die Verkehrsteuern, soweit sie nicht nach Absatz 1 dem Bund oder nach Absatz 3 Bund und Ländern gemeinsam zustehen,
4.
die Biersteuer,
5.
die Abgabe von Spielbanken.

(3) Das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer steht dem Bund und den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftsteuern), soweit das Aufkommen der Einkommensteuer nicht nach Absatz 5 und das Aufkommen der Umsatzsteuer nicht nach Absatz 5a den Gemeinden zugewiesen wird. Am Aufkommen der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer sind der Bund und die Länder je zur Hälfte beteiligt. Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer werden durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, festgesetzt. Bei der Festsetzung ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

1.
Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben der Bund und die Länder gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben. Dabei ist der Umfang der Ausgaben unter Berücksichtigung einer mehrjährigen Finanzplanung zu ermitteln.
2.
Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.
Zusätzlich werden in die Festsetzung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer Steuermindereinnahmen einbezogen, die den Ländern ab 1. Januar 1996 aus der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht entstehen. Das Nähere bestimmt das Bundesgesetz nach Satz 3.

(4) Die Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer sind neu festzusetzen, wenn sich das Verhältnis zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder wesentlich anders entwickelt; Steuermindereinnahmen, die nach Absatz 3 Satz 5 in die Festsetzung der Umsatzsteueranteile zusätzlich einbezogen werden, bleiben hierbei unberücksichtigt. Werden den Ländern durch Bundesgesetz zusätzliche Ausgaben auferlegt oder Einnahmen entzogen, so kann die Mehrbelastung durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, auch mit Finanzzuweisungen des Bundes ausgeglichen werden, wenn sie auf einen kurzen Zeitraum begrenzt ist. In dem Gesetz sind die Grundsätze für die Bemessung dieser Finanzzuweisungen und für ihre Verteilung auf die Länder zu bestimmen.

(5) Die Gemeinden erhalten einen Anteil an dem Aufkommen der Einkommensteuer, der von den Ländern an ihre Gemeinden auf der Grundlage der Einkommensteuerleistungen ihrer Einwohner weiterzuleiten ist. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es kann bestimmen, daß die Gemeinden Hebesätze für den Gemeindeanteil festsetzen.

(5a) Die Gemeinden erhalten ab dem 1. Januar 1998 einen Anteil an dem Aufkommen der Umsatzsteuer. Er wird von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden weitergeleitet. Das Nähere wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt.

(6) Das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer steht den Gemeinden, das Aufkommen der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern steht den Gemeinden oder nach Maßgabe der Landesgesetzgebung den Gemeindeverbänden zu. Den Gemeinden ist das Recht einzuräumen, die Hebesätze der Grundsteuer und Gewerbesteuer im Rahmen der Gesetze festzusetzen. Bestehen in einem Land keine Gemeinden, so steht das Aufkommen der Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern dem Land zu. Bund und Länder können durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden. Das Nähere über die Umlage bestimmt ein Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Nach Maßgabe der Landesgesetzgebung können die Grundsteuer und Gewerbesteuer sowie der Gemeindeanteil vom Aufkommen der Einkommensteuer und der Umsatzsteuer als Bemessungsgrundlagen für Umlagen zugrunde gelegt werden.

(7) Von dem Länderanteil am Gesamtaufkommen der Gemeinschaftsteuern fließt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insgesamt ein von der Landesgesetzgebung zu bestimmender Hundertsatz zu. Im übrigen bestimmt die Landesgesetzgebung, ob und inwieweit das Aufkommen der Landessteuern den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt.

(8) Veranlaßt der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.

(9) Als Einnahmen und Ausgaben der Länder im Sinne dieses Artikels gelten auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände).

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.