Sozialgericht Speyer Urteil, 10. März 2016 - S 13 KR 694/14

ECLI:ECLI:DE:SGSPEYE:2016:0310.S13KR694.14.0A
bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2014 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine minimalinvasive adipositaschirurgische Operation einschließlich der postoperativen Nachsorge als Sachleistung zu gewähren.

2. Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer adipositaschirurgischen Maßnahme.

2

Die Klägerin ist 1973 geboren und bei der Beklagten krankenversichert. Sie beantragte im April 2014 die Kostenübernahme für eine adipositaschirurgische Magenoperation. Damals und heute wiegt sie bei einer Körpergröße von 1,76 m etwa 150 kg (Bodymaßindex 48,4 kg/m²). 1999 hatte ihr Ausgangsgewicht 65 kg betragen. Die Klägerin gab an, aufgrund ihres Übergewichts an schmerzhaften Gelenkbeschwerden, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Schlafapnoe zu leiden. Die Klägerin unternahm seit dem Jahr 2002 verschiedene Diäten und Programme ohne dauerhaften Erfolg. Unter anderem nahm sie von 2005 bis 2007 an dem Programm BodyMed teil und dabei knapp 24 kg Gewicht ab. Anschließend erfolgte wieder ein Gewichtsanstieg. Die Klägerin machte geltend, auch eine multimodale Therapie absolviert zu haben. Seit Aufnahme einer Verhaltenstherapie im Jahr 2012 halte sie ihr Gewicht und habe keine Essattacken mehr. Die Verhaltenstherapie machte die Klägerin bis in das Jahr 2015. Eine Ernährungstherapie machte sie im Jahr 2012 sowie im gesamten Jahr 2015. Seit März 2015 nimmt die Klägerin am Rehasport teil.

3

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 12.05.2014 ein. Dieser teilte mit, dass bei der Klägerin eine therapiebedürftige Erkrankung vorliege. Mangels einer schlüssigen Dokumentation zu den durchgeführten Therapiemaßnahmen könne eine ultima ratio Situation nicht nachvollzogen werden. Der operative Eingriff sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu befürworten. Es könne den Unterlagen weder der Gewichtsverlauf noch die Durchführung einer adäquaten Bewegungstherapie entnommen werden. Es fehle auch die Dokumentation von z.B. durch den Hausarzt geleiteten, sechs- bis zwölfmonatigen erfolglosen konservativen Therapiemaßnahmen mit Gewichtskontrollen und Diskussion des Ernährungstagebuchs.

4

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 19.05.2014 ab.

5

Zur Begründung ihres Widerspruchs machte die Klägerin geltend, dass die medizinische Indikationsstellung interdisziplinär durch sechs Fachärzte und einen klinischen Psychologen getroffen worden sei.

6

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des MDK vom 18.06.2014 ein, der an seiner Auffassung fest. Es sei weiterhin nicht ersichtlich, dass eine multimodale Behandlung durchgeführt worden sei. Diese sei vorrangig.

7

Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 06.11.2014 zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 05.12.2014 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung ihres vorgerichtlichen Vorbringens weiterverfolgt.

9

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 19.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr antragsgemäß eine minimalinvasive adipositaschirurgische Operation als Sachleistung einschließlich der postoperativen Nachsorge zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Sie verweist auf die Gründe des Widerspruchsbescheides. Es sei weiterhin nicht erwiesen, dass alle konservativen Behandlungsmethoden erschöpft worden seien. Es sei nicht belegt, ob tatsächlich eine multimodale Therapie zur Gewichtsreduktion unter ärztlicher Anleitung über einen ausreichenden, aber auch zusammenhängenden Zeitraum stattgefunden habe. Dr. St… habe dies im Befundbericht nicht bestätigt, sondern nur eine Ernährungstherapie beschrieben. An Bewegungstherapien komme beispielsweise Wassergymnastik oder Schwimmen auch bei schlechter Beweglichkeit in Betracht.

14

Das Gericht hat Befundberichte eingeholt der Ernährungsmedizinerin Dr. St…vom 18.03.2015, des Allgemeinarztes Dr. E… von 23.03.2015 und der Fachärztin für Innere Medizin Dr. R… vom 14.04.2015, auf die verwiesen wird.

15

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-nervenärztlichen Gutachtens von Dr. Sch… vom 11.06.2015. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten Bezug genommen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen; dieser ist im Wesentlichen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

18

Der Bescheid der Beklagten vom 19.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2014 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat Anspruch auf die beantragte minimalinvasive adipositaschirurgische Operation nebst postoperativer Nachsorge als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.

19

Der Anspruch ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Diese Voraussetzungen liegen für die von der Klägerin begehrte adipositaschirurgische Operation zur Behandlung ihres Übergewichts vor. Die Maßnahme ist auch ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich und entspricht dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V).

20

Die Klägerin leidet an einer behandlungsbedürftigen Krankheit im Rechtssinne in Gestalt einer Adipositas Grad III mit einem BMI etwa 48 kg/m². Bei einem derartigen Übergewicht ist eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich, um das Auftreten von Folgeerkrankungen zur verhindern oder deren Verschlimmerung abzuwenden (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -, BSGE 90, 289). Bei der Klägerin bestehen nach den Ergebnis der Beweisaufnahme bereits adipositasassoziierte Erkrankungen in Gestalt eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms mit nächtlicher Ventilationstherapie und Hypoxämie-Hypoventilation-Syndrom, eines medikamentös behandelten Diabetes mellitus Typ II und von Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden ohne manifeste sensomotorische Ausfälle. Daraus und aus dem Ausmaß der Adipositaserkrankung resultiert ein akuter Bedarf, das Körpergewicht in deutlichem Maße und nachhaltig zu verringern.

21

Der Leistungspflicht der Beklagten für eine chirurgische Therapie der Krankheit steht nicht von Vornherein entgegen, dass das Übergewicht nicht durch eine Funktionsstörung des Magens, sondern durch ein krankhaftes Essverhalten hervorgerufen und unterhalten wird (vgl. BSG, am angegebenen Ort ).

22

Die Klägerin erfüllt auch die strengen Voraussetzungen für die begehrte mittelbare Behandlung ihrer Krankheit durch einen chirurgischen Eingriff in ein funktionell intaktes Organ (den Magen).

23

Eine mittelbare Krankenbehandlung durch chirurgische Operation eines funktionell intakten Organs zur Behandlung einer anderweitigen krankhaften Funktionsstörung bedarf einer speziellen Rechtfertigung. Eine solche mittelbare Krankenbehandlung ist nur dann ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich, wenn sie bei Abwägung der Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, aaO).

24

Nach diesen Vorgaben besteht nur dann ein Anspruch auf eine chirurgische Behandlung zur Gewichtsreduktion, wenn sie unter Berücksichtigung der konservativen Behandlungsalternativen notwendig ist und wenn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für einen chirurgischen Eingriff gegeben sind. Das ist bei der Klägerin zur Überzeugung der Kammer, die sich hierbei auf die sachverständigen Ausführungen des Gutachters Dr. Sch… stützt, der Fall.

25

Der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft ist in der Leitlinie "Chirurgie der Adipositas" vom Juni 2010 (Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie - Chirurgische Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie -, Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin; im Folgenden: Leitlinie Chirurgie) dargestellt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.01.2014 - L 5 KR 325/12 -, juris).

26

Danach sind adipositaschirurgische Maßnahmen nach heutigem Erkenntnisstand unter folgenden Voraussetzungen indiziert (vgl. Leitlinie Chirurgie, Seite 12 ff.):

27

- BMI von mindestens 40 kg/m² oder von mindestens 35 kg/m² mit erheblichen Begleiterkrankungen (vgl. Seite 12);
- tolerables Operationsrisiko (vgl. Seite 22);
- ausreichende Motivation und Compliance (vgl. Seite 22);
- Gewährleistung einer langfristigen medizinischen Nachsorge (vgl. Seite 22);
- keine instabilen psychopathologischen Zustände, aktive Substanzabhängigkeit oder unbehandelte Bulimia nervosa; allerdings stellen psychische Erkrankungen keine generelle Kontraindikation mehr dar (vgl. Seite 22);
- grundsätzlich Erschöpfung der konservativen Therapie (multimodale Therapie - Ernährung, Bewegung, ggf. Psychotherapie - über 6 bis 12 Monate ohne anhaltenden Gewichtsverlust von 10-30 % des Ausgangsgewichts, vgl. Seiten 12, 15 f.); ausnahmsweise primäre Indikation bei geringen Erfolgsaussichten der konservativen Therapie nach Art und/oder Schwere der Krankheit oder psychosozialen Gegebenheiten (vgl. Seite 16).

28

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. Sch… erfüllt. Das gilt insbesondere für die Erschöpfung der konservativen Therapie. Das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen wird auch von der Beklagten nicht angezweifelt.

29

Die Klägerin hat zur Überzeugung der Kammer eine multimodale Therapie im Sinne der Leitlinie in der Vergangenheit erfolglos, das heißt ohne anhaltenden Gewichtsverlust absolviert. Das gilt zum einen hinsichtlich des in den Jahren 2005 bis 2007 absolvierten Programms BodyMed. Dieses Programm erfüllt die Kriterien für ein qualifiziertes Behandlungsprogramm im Sinne der Leitlinie Chirurgie. Das ergibt sich aus der Evaluation des Programms, die in der interdisziplinäre Leitlinie zur „Prävention und Therapie der Adipositas“ vom April 2014 (Herausgeber: Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Deutsche Diabetes Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Ernährung sowie Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin; im Folgenden Leitlinie Therapie) dargestellt ist. Die Klägerin nahm während dieses Programms zwar knapp 24 kg Körpergewicht ab, konnte diesen Gewichtsverlust jedoch in der Folgezeit nicht halten. Es gibt dabei keinen Anhaltspunkt dafür, dass es an der notwendigen Motivation und Compliance der Klägerin gefehlt hat. Vielmehr hat diese auch in den Folgejahren zahlreiche Versuche unternommen, ihr Körpergewicht zu reduzieren. Wenn diese konservative Therapie somit letztlich erfolglos geblieben ist, so steht das einem Anspruch auf eine chirurgische Therapie nicht entgegen, sondern ist Voraussetzung dieses Anspruchs (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, aaO). Dabei ist es nach der Überzeugung der Kammer unschädlich, dass dieses Programm zuletzt 2007 absolviert worden war. Maßgeblich ist, dass in der Folge der Gewichtsverlust nicht gehalten werden konnte, weshalb die Klägerin nicht erneut auf dieses Programm oder ein entsprechendes Programm verwiesen werden kann. Überdies hat die Klägerin jedenfalls bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erneut eine multimodale Therapie unternommen. Denn sie war zwischen den Jahren 2012 und 2015 in einer Verhaltenstherapie, besuchte das komplette Jahr 2015 eine Ernährungsberatung und nimmt ebenfalls seit Anfang 2015 am Rehasport teil. Dies hat zwar einen weiteren Gewichtsanstieg verhindert, jedoch keine Reduktion des Körpergewichts bewirkt. Angesichts dessen gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass die erneute Durchführung eines multimodalen Programms nunmehr zu einer langfristigen Reduktion des Körpergewichts der Klägerin führen könnte. Auch insoweit schließt sich die Kammer der Beurteilung von Dr. Sch… an. Ohne dass es nach dem Vorgesagten entscheidend darauf ankommt, kann zur Überzeugung der Kammer auch nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin seit Jahren einen BMI von über 48 kg/m² aufweist, wobei ab einem BMI von 50 kg/m² sogar eine primäre Indikation einer adipositaschirurgischen Maßnahme angenommen werden kann.

30

Nach alldem liegt bei der Klägerin die Indikation zur beantragten adipositaschirurgische Maßnahme vor. Die Operation ist zugleich als ultima ratio notwendig. Weil einerseits erfolgversprechende konservative Behandlungsmethoden nicht bestehen und andererseits die Adipositas der Klägerin wegen ihres gravierenden Ausmaßes und der bereits auftretenden Folgeerkrankungen dringend behandlungsbedürftig ist, ist die Operation nach Abwägung der Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Therapie ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich und somit als Maßnahme der Krankenbehandlung zu Lasten der Beklagten gerechtfertigt.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

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(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.