Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. November 2009 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 8. Juni 2010 zurückzunehmen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Monate April und Mai 2008 i.H.v. 898,80 € anlässlich der Auszahlung einer Lebensversicherung an den Kläger zu 2.

2

Auf den am 28. März 2008 eingegangenen Antrag der Kläger gewährte der Beklagte ihnen mit Bescheid vom 16. April 2008 für den Zeitraum 1. April bis 30. September 2008 Grundsicherungsleistungen i.H.v. 449,40 €/mtl. Nach ihrer vorherigen Anhörung hob er mit zwei Bescheiden vom 24. November 2009 unter jeweiligen Hinweis auf die erfolgte Auszahlung der Versicherung der V. (dies geschah unstreitig am 4. April 2008 i.H.v. 4652,80 €) seine Bewilligungsentscheidung für April und Mai 2008 teilweise i.H.v. (465,50 € + 433,30 €) = 898,80 € auf und forderte diesen Betrag von den Klägern zurück. Den von ihnen mit Schreiben vom 3. Dezember 2009 jeweils eingelegten und begründeten Widerspruch wies er mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 8. Juni 2010 (W 2931/09 und W 654/10) unter Darlegung der aus seiner Sicht maßgebenden Sach- und Rechtslage als unbegründet zurück.

3

Am 9. Juli 2010 haben die Kläger beim Sozialgericht Neubrandenburg Klage erhoben. Sie machen im wesentlichen geltend, dass der ab dem 1. Januar 1998 festgeschriebene Rückkaufswert ihrer bei der V. AG geführten Lebensversicherung zum Schonvermögen gehöre. lediglich die, seien. Wenn überhaupt die vom 1. Januar 2005 bis zum 3. April 2008 entstandenen Überschussbeteiligungen anrechnungsfähig seien, hätte lediglich eine teilweise Anrechnung zu Lasten des Klägers zu 2. erfolgen können, da die Klägerin zu 1. in den Monaten April und Mai 2008 keine SGB II-Leistungen bezogen habe, sondern ihr Einkommen mit dem Gesamtbedarf der Familie verrechnet worden sei.

4

Die Kläger beantragen,

5

den Beklagten zu verpflichten, seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. November 2009 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 8. Juni 2010 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Er verteidigt die angefochtenen Bescheide und bekräftigt u.a., dass zwischen garantierter Überschussbeteiligung, Schlussüberschussanteilen und Bewertungsreserven unterschieden werden müsse. Allenfalls die konstant gebliebene Versicherungssumme i.H.v. 3267,00 € könne als geschütztes Vermögen angesehen werden. Hingegen seien die Überschussanteile nicht feststehend und erst im Zeitpunkt der Fälligkeit zur Auszahlung gelangt. Daher müssten diese und die Bewertungsreserven komplett als Einkommen zu bewerten sein.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Leistungsakte des Beklagten (3 Hefter)sowie der Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 23. Oktober 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Klage ist begründet. Insofern sind die Kläger beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 Satz des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da die streitgegenständlichen (Widerspruchs-)bescheide rechtswidrig sind. Wie der Rückkaufswert der Versicherungssumme i.H.v. 3258,40 € waren die aufgelaufenen Überschussanteile und Bewertungsreserven aus der Lebensversicherung i.H.v. (1337,50 € + 41,70 € = 1379,20 €) am Stichtag 1. März 2008 ebenfalls bereits Vermögen und fallen insgesamt unter den in § 12 Abs. 2 SGB II geregelten Vermögensfreibetrag. Sie waren daher bei der Auszahlung am 4. April 2008 nicht als einmalige Einnahme zu berücksichtigen.

11

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BSG, Urt. vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R -, zit. nach juris, Rn 18) ist Einkommen alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, wobei regelmäßig der tatsächliche Zufluss maßgebend ist, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Demnach sind Zinseinnahmen (entsprechen-des gilt für die hier einschlägigen Überschussanteile bzw. Boni und Bewertungsreserven) dem ggf. durch Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II berücksichtigungsfrei gestellten Vermögen zuzurechnen, sofern sievor Antragstellung zugeflossen sind (vgl. BSG, a.a.O., Rn 19). So liegen die Dinge hier: Laut fernmündlicher Auskunft der G. vom 22. Oktober 2013 (Frau L.) betrug beim Kläger zu 2. am 1. März 2008 – also vor dem hiesigen SGB II-Folgeantrag am 28. März 2008 – die Versicherungssumme 3258,40 €, der Rückkaufswert aus dem Bonus der Versicherung 856,70 €, der Rückkaufswert aus den Überschüssen der Versicherung 480,80 € und die anteiligen Bewertungsreserven 41,70 € (Gesamtsumme. 4637,60 €). Auf ausdrückliche Nachfrage des Unterzeichners bekräftigte Frau L. (phon.), dass am 1. März 2008 alle vorstehenden Positionen auf dem Versicherungskonto des Klägers zu 2. bereits gutgeschrieben waren. Die vorzitierte Gesamtsumme und die Gutschrift zum o.a. Stichtag wurden durch die weitere fernmündliche Auskunft des Mitarbeiters Herrn R. (phon.) vom 22. Oktober 2013 und das Schreiben der E. vom 28. Oktober 2013 bestätigt.

12

Diese Sachlage ist mit einem auf längere Zeit angelegten Sparguthaben vergleichbar, das vor der SGB II-Antragstellung gebildet wurde. Ein solches Guthaben bleibt bei seiner Auszahlung Vermögen, auch wenn es - wie hier (s. Schreiben der V. an den Kläger zu 2. vom 27. März 2008) - erst nach der SGB II-Antragstellung fällig wird und zufließt. Dies trifft insbesondere für die Fälle zu, in denen mit bereits erlangten Einkünften angespart wurde (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R -, zit. nach juris, Rn 23).

13

Zwar hat das BSG festgestellt, dass Zinsgutschriften aus einem Sparguthaben zu berücksichtigende Einnahmen in Geld darstellen, wenn sie dem Hilfebedürftigen zeitlich nach Stellung seines SGB II-Antrages zugeflossen sind (vgl. BSG, a.a.O., Rn 18). Ein solcher Zufluss fand hier aber bereits vor der am 1. April 2008 fällig gewordenen Versicherungsleistung (s. dazu das an den Kläger zu 2. gerichtete Schreiben der V. vom 27. März 2008, Bl. 527 VV) statt. Gemäß § 271 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist bei einer festgelegten Leistungszeit im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger – vorliegend der Kläger zu 2. – die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner aber sie vorher bewirken kann. Letzteres wurde hier von den E. dergestalt umgesetzt, dass sie bereits vor der abschließenden Auszahlung der betreffenden Lebensversicherung und vor dem 28. März 2008 die Überschussbeteiligung und die anteiligen Bewertungsreserven der Versicherungssumme unwiderruflich gutgeschrieben hatte.

14

Das vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angeführte Urteil der 11. Kammer vom 16. Juli 2013 – S 11 AS 1380/11 – beruht auf einem nicht vergleichbaren Sachverhalt. Dies gilt zunächst für die dortige Klageerwiderung, wonach die Überschussanteile erst aufgrund der Kündigung der Heiratsversicherung unwiderruflich geworden seien. Darüber hinaus wurden laut dem auf Seite 6 UA zitierten Schreiben der A.-AG vom 6. Dezember 2012 die zum 1. Mai jeden Jahres gutgeschriebenen Überschussanteile in eine zusätzlich garantierte Bonusleistung (einmalige Kapitalzahlung) umgewandelt, was im hiesigen Rechtsstreit gerade nicht der Fall war.

15

Die Gerichtskostenfreiheit und die Kostenentscheidung folgen aus § 183 Satz 1, § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

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Sozialgericht Neubrandenburg Urteil, 23. Okt. 2013 - S 12 AS 1330/10 zitiert 6 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 12 Zu berücksichtigendes Vermögen


(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind1.angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bür

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Bundessozialgericht Urteil, 21. Juni 2011 - B 4 AS 22/10 R

bei uns veröffentlicht am 21.06.2011

Tenor Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2408/08) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind vorbehaltlich des Satzes 2 als Vermögen zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind

1.
angemessener Hausrat; für die Beurteilung der Angemessenheit sind die Lebensumstände während des Bezugs von Bürgergeld maßgebend,
2.
ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person; die Angemessenheit wird vermutet, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt,
3.
für die Altersvorsorge bestimmte Versicherungsverträge; zudem andere Formen der Altersvorsorge, wenn sie nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge gefördert werden,
4.
weitere Vermögensgegenstände, die unabhängig von der Anlageform als für die Altersvorsorge bestimmt bezeichnet werden; hierbei ist für jedes angefangene Jahr einer hauptberuflich selbständigen Tätigkeit, in dem keine Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, an eine öffentlich-rechtliche Versicherungseinrichtung oder an eine Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe entrichtet wurden, höchstens der Betrag nicht zu berücksichtigen, der sich ergibt, wenn der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung nach § 158 des Sechsten Buches mit dem zuletzt festgestellten endgültigen Durchschnittsentgelt gemäß Anlage 1 des Sechsten Buches multipliziert und anschließend auf den nächsten durch 500 teilbaren Betrag aufgerundet wird,
5.
ein selbst genutztes Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von bis zu 140 Quadratmetern oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung von bis zu 130 Quadratmetern; bewohnen mehr als vier Personen das Hausgrundstück beziehungsweise die Eigentumswohnung, erhöht sich die maßgebende Wohnfläche um jeweils 20 Quadratmeter für jede weitere Person; höhere Wohnflächen sind anzuerkennen, sofern die Berücksichtigung als Vermögen eine besondere Härte bedeuten würde,
6.
Vermögen, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks oder einer Eigentumswohnung von angemessener Größe bestimmt ist, und das Hausgrundstück oder die Eigentumswohnung Menschen mit Behinderungen oder pflegebedürftigen Menschen zu Wohnzwecken dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde sowie
7.
Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung für die betroffene Person eine besondere Härte bedeuten würde.

(2) Von dem zu berücksichtigenden Vermögen ist für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 15 000 Euro abzusetzen. Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.

(3) Für die Berücksichtigung von Vermögen gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit wird Vermögen nur berücksichtigt, wenn es erheblich ist. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind.

(4) Vermögen ist im Sinne von Absatz 3 Satz 2 erheblich, wenn es in der Summe 40 000 Euro für die leistungsberechtigte Person sowie 15 000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person übersteigt; Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Berechnung des erheblichen Vermögens ist ein selbst genutztes Hausgrundstück oder eine selbst genutzte Eigentumswohnung abweichend von Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 nicht zu berücksichtigen. Es wird vermutet, dass kein erhebliches Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Liegt erhebliches Vermögen vor, sind während der Karenzzeit Beträge nach Satz 1 an Stelle der Freibeträge nach Absatz 2 abzusetzen. Der Erklärung ist eine Selbstauskunft beizufügen; Nachweise zum vorhandenen Vermögen sind nur auf Aufforderung des Jobcenters vorzulegen.

(5) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs.

(6) Ist Bürgergeld unter Berücksichtigung des Einkommens nur für einen Monat zu erbringen, gilt keine Karenzzeit. Es wird vermutet, dass kein zu berücksichtigendes Vermögen vorhanden ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller dies im Antrag erklärt. Absatz 4 Satz 4 gilt entsprechend.

Tenor

Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2408/08) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 31.3.2005 bis 30.9.2005 und die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 2 832,95 Euro.

2

Der alleinstehende Kläger stellte erstmals am 31.3.2005 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Zu Einkünften aus selbstständiger oder anderer Tätigkeit machte er keine Angaben. Auf dem Zusatzblatt 2 findet sich mit grünem Stift - der Beraterin - die Einfügung: "Ich-AG 3.2.03 - 1 Jahr Förderung". Durch Bescheid vom 19.4.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 20,06 Euro für den Tag der Antragstellung und für die Monate April bis einschließlich September 2005 von monatlich jeweils 601,89 Euro (Regelleistung in Höhe von 331 Euro, KdU in Höhe von 270,89 Euro). Einkommen des Klägers berücksichtigte er bei der Berechnung nicht.

3

Auf eine Einladung des Beklagten zu einem Gespräch über seine berufliche Situation und zur Vorlage seiner Bewerbungen legte der Kläger am 29.12.2005 eine Änderungsmitteilung vor und gab an, er werde vom 9.1.2006 bis 28.2.2006 selbstständig tätig sein (Abbruch, Entkernung, Maurerarbeiten). Zusammen mit dieser Änderungsmitteilung füllte der Kläger das Zusatzblatt 2.1. (Einkommenserklärung) aus und legte die Anlage GSE zu seiner Einkommensteuererklärung für 2004 vor. Er teilte zunächst voraussichtliche Betriebseinnahmen in Höhe von 750 Euro sowie -ausgaben in Höhe von 225 Euro mit. Der Gewinn habe sich gegenüber den Vorjahren verringert, weil sich die Auftragslage verschlechtert habe. Im Mai und August 2006 reichte der Kläger ferner Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) für die Jahre 2005 und für die bereits abgelaufenen Monate des Jahres 2006 ein und legte mit einem weiteren Fortzahlungsantrag im Januar 2007 eine am 3.1.2007 erstellte betriebswirtschaftliche Auswertung vor, aus der sich für das Jahr 2005 insgesamt ein vorläufiges positives betriebswirtschaftliches Ergebnis von 8581,40 Euro ergibt. Am 16.7.2007 gab der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2005 zu den Akten, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 10 405 Euro ausweist. In einem vom Kläger beigefügten Schreiben des Steuerberaters wird zur Erläuterung ausgeführt, dass der Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermittelt worden sei und sich der in dem Steuerbescheid angesetzte Gewinn in Höhe von 10 405 Euro aus zwei Positionen zusammensetze - einem Gewinnanteil aus laufendem Geschäftsbetrieb in Höhe von 381 Euro und einem Gewinnanteil in Höhe von 10 024 Euro, der aus der Auflösung, Neubildung und Verzinsung von Sonderposten mit Rücklageanteil nach § 7g EStG (Ansparabschreibungen) entstanden sei. In dem Schreiben heißt es weiter: "Der hohe Gewinn des Jahres 2003 wurde im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des § 7g EStG in die Folgejahre verschoben. Dieser Gewinnanteil ist im Jahr 2005 nicht zugeflossen und stand damit nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung."

4

Unter Berücksichtigung der Gesamteinkünfte, die sich aus dem Steuerbescheid für 2005 ergeben, führte der Beklagte eine Neuberechnung für den Leistungszeitraum 31.3.2005 bis 30.9.2005 durch, hob mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 24.1.2008 den Bewilligungsbescheid vom 19.4.2005 vollständig auf und begründete dies mit § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, eine Summe von insgesamt 2923,57 Euro zu erstatten. Mit dem Änderungsbescheid vom 24.4.2008 reduzierte der Beklagte die Erstattungsforderung auf 2832,95 Euro. Den Widerspruch des Klägers vom 28.1.2008 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.4.2008 zurück.

5

Durch Urteil vom 22.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitbefangenen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Beklagte habe die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 19.4.2005 zutreffend auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt. Der Bescheid vom 19.4.2005 sei bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei nachträglich Einkommen erzielt worden, das zum Wegfall des Anspruchs geführt habe. Zu Recht habe der Beklagte das Einkommen ausgehend von dem im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 festgestellten steuerrechtlichen Gewinn ermittelt. Der auf die Auflösung der Ansparabschreibungen entfallende Gewinnanteil sei nicht abzuziehen. Die Auflösung der Rücklage fließe dem Steuerpflichtigen zu, weil Gelder, die ursprünglich für eine Investition vorgesehen und gebunden waren, nun wieder - auch zur Bestreitung des Lebensunterhalts - zur Verfügung stünden. Die von dem Beklagten vorgenommene Zwölftelung des berücksichtigungsfähigen Einkommens sei nicht zu beanstanden. Eine Aufteilung nach Zuflussmonaten habe hingegen nicht zu erfolgen, da der Kläger ersichtlich keine laufenden, dh regelmäßig zufließenden Einnahmen im Jahr 2005 gehabt habe. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen. Der Beklagte hat der Einlegung zugestimmt.

6

Der Kläger rügt mit der Revision (sinngemäß) eine Verletzung des § 11 Abs 1 SGB II. Zu Unrecht habe das SG die Feststellungen des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2005 zugrunde gelegt. Die Auflösung der im Jahr 2003 gebildeten Ansparabschreibung hätte nicht berücksichtigt werden dürfen. Hierbei handele es sich um einen im Jahr 2003 und nicht im maßgeblichen Zeitraum 2005 zugeflossenen Gewinn. Allein durch die Ausweisung der aufgelösten Ansparabschreibung stünden ihm keine bereiten Mittel zur Verfügung. Das Geld sei bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr zur Deckung der laufenden Betriebskosten verwendet worden.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2408/08) sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2008 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er schließt sich den Ausführungen des SG an.

Entscheidungsgründe

10

Die Sprungrevision ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG begründet.

11

Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der aufgehobene Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 von Anfang an rechtswidrig war (§ 45 SGB X) oder durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist (§ 48 SGB X). Es ist vom SG nicht festgestellt worden, ob bei Bescheiderteilung nach den objektiven Verhältnissen Hilfebedürftigkeit vorlag oder die Hilfebedürftigkeit ggf im Verlaufe des streitigen Zeitraumes entfallen ist.

12

1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar.

13

Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).

14

2. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 24.1.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.4.2008, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 31.3.2005 bis 30.9.2005 aufgehoben hat und eine Erstattungsforderung in Höhe von 2832,95 Euro gegenüber dem Kläger geltend macht. Der Kläger hat ihn zutreffend mit der Anfechtungsklage angegriffen.

15

3. Ob der Beklagte die Aufhebungsentscheidung - die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung unterstellt (s hierzu unter b) - auf § 48 SGB X stützen konnte, wie das SG annimmt, oder ob ggf § 45 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, kann vom erkennenden Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das SG ebenso wenig entschieden werden, wie die Frage, ob der Bewilligungsbescheid materiell-rechtlich rechtswidrig war.

16

a) Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68 und BSGE 65, 221 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl auch Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - und zuletzt BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2 mwN; BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1), um die objektiven Verhältnisse festzustellen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des SG nicht darauf an, zu welchen Vermutungen die Verwaltung aufgrund der klägerischen Angaben Anlass gehabt hatte. Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später - nach weiteren Ermittlungen - heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Mangelnde Amtsermittlung kann auch niemals Grund für eine nur vorläufige Leistungsbewilligung sein. Der endgültige Bescheid ist umgekehrt kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen - nicht wegen fehlerhafter Ausübung der Amtsermittlungspflicht, sondern - objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung etwa der Einkommenssituation besteht. Eine endgültige Bewilligung unter Abschlag von der Leistungshöhe aufgrund einer prospektiven Schätzung von Einkommen ohne rechtliche Befugnis hierzu ist rechtswidrig (BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1). Entscheidet der Träger jedoch endgültig und bewilligt nicht nur vorläufige Leistungen, sind Maßstab der Überprüfung der Aufhebungsentscheidung § 45 oder § 48 SGB X.

17

Die objektiven Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bewilligungsbescheids können den Feststellungen des SG nicht entnommen werden. Das SG hat ausgeführt, aufgrund der Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Bewilligung von Alg II sei nicht zu vermuten gewesen, dass sich im Leistungszeitraum Einkünfte - in wechselnder Höhe - aus selbstständiger Tätigkeit ergeben könnten. Die Kammer glaube dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte gehabt, noch solche erwartet und deswegen die entsprechenden Felder des Antrags nicht angekreuzt habe. Wenn das Gericht in seinen weiteren Ausführungen gleichwohl davon ausgeht, dass der Kläger Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung hatte, brauchte es zwar von seinem Rechtsstandpunkt keine weitere Aufklärung der tatsächlichen Einkommens- und Vermögenssituation vorzunehmen. Insoweit verkennt es jedoch den rechtlichen Maßstab für die Beurteilung, ob eine zur Rechtswidrigkeit führende wesentlich Änderung der Verhältnisse oder eine anfängliche Rechtswidrigkeit gegeben waren.

18

b) Ob der Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 rechtmäßig war, beurteilt sich zuvörderst danach, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erfüllt hatte, insbesondere, ob er hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II - jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954 - ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

19

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II - ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 - sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit. Eine nähere Bestimmung, was als Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Beschäftigung zu berücksichtigen ist, findet sich in der Alg II-V in der im streitigen Zeitraum anzuwendenden Fassung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622) nicht. Danach ist auch bei Selbstständigen von den Bruttoeinnahmen auszugehen (§ 2 Abs 1 Alg II-V). Nach § 2 Abs 2 Alg II-V sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen und einmalige Einnahmen von dem Monat an, in dem sie zufließen(§ 2 Abs 3 Alg II-V). Ansonsten war das Einkommen iS des § 11 Abs 2 SGB II um die dort benannten Absetzbeträge zu bereinigen und nach § 3 Nr 3 Alg II-V bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit ein Pauschbetrag für die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Betriebsausgaben in Höhe von 30 % der Betriebseinnahmen abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Über welche Einkünfte in diesem Sinne der Kläger bei Bescheiderteilung verfügte oder ihm nachträglich - nicht vorhersehbar oder regelmäßig - im streitigen Bewilligungszeitraum zugeflossen sind, hat das SG nicht festgestellt. Es geht vielmehr davon aus, dass der im Einkommensteuerbescheid 2005 ausgewiesene Gewinn nach § 7g EStG als Einkommen auf das ganze Jahr 2005 zu verteilen und als wesentliche Änderung der Verhältnisse - unabhängig von seinem tatsächlichen Zufluss - zu werten sei. Für diese Rechtsauffassung mangelt es im streitigen Zeitraum jedoch bereits an einer Rechtsgrundlage.

20

Die im streitigen Zeitraum anzuwendende Alg II-V in ihrer ursprünglichen Fassung vom 20.10.2004 (aaO) sieht - wie schon dargelegt - keine nähere Bestimmung des Arbeitseinkommens selbstständig Tätiger vor. § 2a Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499), der auf § 15 SGB IV und von dort aus auf die einkommensteuerrechtlichen Regelungen Bezug nimmt, ist erst am 1.10.2005 in Kraft getreten und misst sich keine Rückwirkung bei (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 44/07 R). Auch eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs 1 der Verordnung (VO) zu § 76 BSHG kommt nicht in Betracht(Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl 2005, § 11 RdNr 38, 40; aA Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 162 - Stand 32. EL VI/10). Ein Rückgriff auf die einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Gewinnermittlung und damit auch auf § 7g EStG war mithin - anders als vom SG angenommen - nicht vorgesehen.

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Es ist auch nicht ersichtlich, dass in § 2a Abs 1 Alg II-V in der ab 1.10.2005 geltenden Fassung ein allgemeiner Rechtsgedanke Ausdruck gefunden hätte dergestalt, dass für die Einkommensermittlung bei Selbstständigen jeweils das Einkommensteuerrecht maßgeblich sein solle (BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 44/07 R). Vielmehr hat der Verordnungsgeber zunächst in Abkehr von den differenzierten Verweisungen auf das Einkommensteuerrecht gem § 4 Abs 1 der VO zu § 76 BSHG(siehe Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, § 76 RdNr 19) in den §§ 2, 3 Alg II-VO 2004 eine andere Konzeption verfolgt.

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Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst zwar nicht vor. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl auch Urteil des Senats vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R -; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546) dargelegt hat, ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II jedoch grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(ebenso schon BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Durch den Verweis in § 2a Alg II-V auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften wurde im Zeitraum ab dem 1.10.2005 normativ bestimmt, dass die aufgelöste oder aufzulösende Ansparrücklage, obwohl sie vor der Antragstellung gebildet wurde (s zum Sparguthaben BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16) als Einkommen bei Zufluss im jeweiligen Steuerjahr zu berücksichtigen ist (vgl Entscheidung des Senat vom selben Tag - B 4 AS 21/10 R). Da diese Regelung, wie zuvor dargelegt, hier jedoch nicht anzuwenden ist und die Ansparrücklage in jedem Fall bereits vor der Antragstellung gebildet wurde, ist sie - soweit sie im hier streitigen Zeitraum noch vorhanden war - Vermögen und ist unter den Bedingungen des § 12 SGB II zur Lebensunterhaltssicherung zu verwerten.

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Der Senat führt insoweit seine bisherige Rechtsprechung fort. Im Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R (SozR 4-4200 § 11 Nr 16)ist klargestellt worden, dass ein Sparguthaben eines Leistungsberechtigten, das vor der Antragstellung gebildet wurde, durchgehend Vermögen ist, auch wenn es nach der Antragstellung fällig wird und zufließt. Dieses gilt insbesondere in Fällen, in denen mit bereits erlangten Einkünften angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen. Denn anderenfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen. Dementsprechend bleibt ein auf längere Zeit angelegtes Sparguthaben auch bei seiner Auszahlung Vermögen (vgl BVerwG Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 f = juris RdNr 16, und - 5 C 14/98 - NJW 1999, 3137 f = juris RdNr 15). Dieses gilt auch für die Ansparrücklage. Die Ansparrücklage entstammt Jahren zuvor - hier wohl 2003 - erwirtschaftetem Gewinn, war also zum damaligen Zeitpunkt Einkommen. Sie fließt bei ihrer Auflösung in den Betrieb/das Unternehmen als Investition zurück. Sie hat damit zwar steuerrechtlich lediglich "Stundungseffekt" (vgl Kratzsch in EStG, Praxiskommentar, Stand III/2008, § 7g RdNr 63c; s hierzu auch Entscheidung des erkennenden Senats vom selben Tag zum Aktenzeichen - B 4 AS 21/10 R), tatsächlich handelt es sich jedoch um die Freisetzung von angespartem Einkommen, also Vermögen. Hieraus folgt jedoch kein umfassender Schutz des Klägers davor, die Mittel zur Lebensunterhaltssicherung verwenden zu müssen. Soweit es sich um verwertbares Vermögen handelt, ist es zur Existenzsicherung einzusetzen (vgl Senatsurteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R). Vor dem Hintergrund des lediglich steuerrechtlichen Zwecks der Ansparrücklage, einen Anreiz für Investitionen zu setzen, unterliegt die bei Antragstellung oder im Bewilligungszeitraum noch vorhandene Ansparrücklage einem Verwertungsschutz daher wohl nur in den Grenzen des § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II(in der Fassung des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19.12.2004, BGBl I 2902).

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Dementsprechend wird das SG sowohl zu prüfen haben, ob die Ansparrücklage in dem hier streitigen Zeitraum noch vorhanden war, als auch, welche sonstigen Betriebseinnahmen der Kläger im Zeitraum 31.3.2005 bis 30.9.2005 hatte und ob davon auszugehen war, dass diese ab dem 31.3.2005 regelmäßig zufließen würden bzw absehbar waren. Die vom Kläger selbst erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertungen können hierzu Anhaltspunkte liefern. Der Kläger wird mittels seiner Buchführung seine tatsächlichen Betriebseinnahmen offenzulegen bzw Kontoauszüge vorzulegen haben (vgl zu Ermittlungsmöglichkeiten Knoblauch/Hübner, NDV 2006, 375, 376).

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Festzustellen sein werden auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Betriebsausgaben. Des Weiteren fehlen Feststellungen zum sonstigen Vermögen des Klägers, obwohl hierzu nach dem eigenen Vorbringen des Klägers Anlass bestanden hätte. Der Kläger hat selbst vorgebracht, der "hohe Gewinn des Jahres 2003" aus seinem Gewerbebetrieb sei "in die Folgejahre verschoben" worden und er habe auf dieses Geld auch tatsächlich Zugriff gehabt und es verbraucht. Daher hätte Anlass zur Prüfung bestanden, wie hoch die Gewinne der letzten Jahre waren, wie viel davon in die Bildung von Ansparrücklagen geflossen ist und wie hoch das sonstige Vermögen des Klägers bei Antragstellung am 31.3.2005 war.

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4. Sollte § 45 SGB X Anwendung finden, wäre der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid auf § 48 SGB X gestützt hat, alleine - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - nicht klagebegründend(Senatsurteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R -; vgl auch BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2). Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSGE 87, 8, 12 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9; BSG Urteil vom 18.9.1997 - 11 RAr 9/97 - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R - juris RdNr 16 f). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig(BSG Urteil vom 25.4.2002, aaO).

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Wäre der rechtliche Maßstab für die Aufhebungsentscheidung vorliegend § 45 SGB X, so kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung jedoch nur dann unbeachtet bleiben, wenn es einer Ermessensentscheidung nicht bedurfte, denn eine Ermessensentscheidung wurde hier von dem Beklagten nicht getroffen. § 40 Abs 1 Nr 1 SGB II verweist auf § 330 Abs 2 SGB III; dieser ordnet an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes diese - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Das SG hat bisher noch keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Das SG wird - sollte es zur Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X gelangen - auch zu prüfen haben, ob der Beklagte eine Anhörung zu den tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorgenommen hat und die Frage zu klären haben, ob eine ggf fehlende Anhörung hierzu auch nach einer Zurückverweisung durch das BSG im weiteren Verfahren wirksam iS des § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X durchgeführt werden kann.

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Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.