Sozialgericht München Urteil, 24. Okt. 2014 - S 28 KA 222/12
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom
II.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
III.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Zuweisung des Regelleistungsvolumens (RLV) im Quartal streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf Erhöhung des RLV (mit Bezug zur Fallzahl) wegen im Aufbau befindlicher Praxis (Jungpraxis) hat.
Der Kläger ist Radiologe und seit 1991 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er war vom
Mit Bescheid vom
Mit Bescheid vom
Mit Bescheid vom
Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom
Mit Honorarbescheid 4/2010 vom
Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom
Der Kläger hat am 01.03.2012 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er ist u. a. der Auffassung, dass die Jungpraxisregelung Anwendung findet und er sich zudem auf Vertrauensschutz berufen kann.
Die Beklagte hat mit Ersetzungsbescheid vom
Der Kläger beantragt: 1. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom
Die Beklagte beantragt, die Klageabweisung.
Die Beklagte hat u. a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht vorliegen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger hat die ursprünglich erhobene Anfechtungsklage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG umgestellt. Die diesbezüglichen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.
Insbesondere ist von einer Erledigung des streitgegenständlichen Bescheids in prozessrechtlicher Hinsicht auszugehen. Zwar hat die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass sich der Bescheid vom
Auch das Feststellungsinteresse des Klägers ist vorhanden, da im Quartal 2/2009 ein gleich gelagerter Sachverhalt existiert, der eine – von Klägerseite bestrittene - Honorarrückforderung der Beklagten i. H. v. 26.590 EUR zum Gegenstand hat. Diesbezüglich ist ein Widerspruchsverfahren noch anhängig.
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom
Das Gericht kann vorliegend die Rechtsfrage, ob bei Austritt aus einer Gemeinschaftspraxis und Gründung einer Einzelpraxis die Jungpraxisregelung anzuwenden ist, offen lassen. Denn selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der ursprüngliche Bescheid vom 21.04.2009 mangels Anwendbarkeit der Jungpraxisregelung rechtswidrig war, lagen die Voraussetzungen zur Aufhebung dieses Bescheids nicht vor.
Rechtsgrundlagen des streitgegenständlichen Aufhebungsbescheids sind § 45 Abs. 2 Satz 1 BMV-Ä sowie § 34 Abs. 4 EKV-Ä. Nach der Rechtsprechung des BSG sind die bundesmantelvertraglichen Honorarberichtigungsvorschriften auch auf Degressionsbescheide aus dem vertragszahnärztlichen Bereich anwendbar (BSG, Urteil vom 30.06.2004, Az. B 6 KA 34/03 R, Rn. 20). Die Honorarminderung aufgrund Punktwertdegression im vertragszahnärztlichen Bereich ist mit der abgestaffelten Vergütung von der das Regelleistungsvolumen überschreitenden Leistungsmenge im vertragsärztlichen Bereich vergleichbar. Nach Auffassung der Kammer findet die genannte BSG-Rechtsprechung daher auch auf Bescheide zur Zuweisung des RLV Anwendung.
Die Beklagte hat im Bescheid vom 17.01.2011 darauf hingewiesen, dass bei ihr zum Zeitpunkt der Prüfung des Antrages im April 2009 das Datum der Erstniederlassung des Klägers in den maßgeblichen Unterlagen nicht korrekt hinterlegt gewesen sei. Es würde sich somit, unterstellt man die Nichtanwendbarkeit der Jungpraxisregelung, um einen Fall der individuell fehlerhaften Rechtsanwendung der Beklagten bei Erlass des Bescheides zur Erhöhung der RLV-Fallzahl handeln. In dieser Konstellation wären nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des Berichtigungsverfahrens die speziellen Vertrauenstatbestände des § 45 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 SGB X entsprechend heranzuziehen (BSG, ebenda, Rn. 30).
Da vorliegend die Beklagte den Bescheid vom
Die Voraussetzungen der § 45 Abs. 2 Satz 3 und § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X waren zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht gegeben. Insbesondere beruht der Bescheid vom
Schließlich kann die Beklagte die Aufhebung auch nicht auf dem allgemeinen Vorbehalt im Bescheid vom
Folglich lagen die Voraussetzungen zur Aufhebung des Bescheides vom
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Vorverfahren war für notwendig zu erklären, § 197 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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(1) Wird ein Verwaltungsakt oder ein Widerspruchsbescheid, der bereits vollzogen ist, aufgehoben, so kann das Gericht aussprechen, daß und in welcher Weise die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen ist. Dies ist nur zulässig, wenn die Verwaltungsstelle rechtlich dazu in der Lage und diese Frage ohne weiteres in jeder Beziehung spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Hält das Gericht die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsakts für begründet und diese Frage in jeder Beziehung für spruchreif, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den beantragten Verwaltungsakt zu erlassen. Im Übrigen gilt Absatz 3 entsprechend.
(3) Hält das Gericht die Unterlassung eines Verwaltungsakts für rechtswidrig, so ist im Urteil die Verpflichtung auszusprechen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(4) Hält das Gericht eine Wahl im Sinne des § 57b oder eine Wahl zu den Selbstverwaltungsorganen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ganz oder teilweise oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für ungültig, so spricht es dies im Urteil aus und bestimmt die Folgerungen, die sich aus der Ungültigkeit ergeben.
(5) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt auch bei Klagen auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsakts und bei Klagen nach § 54 Abs. 4; Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.
(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.
(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.