Sozialgericht München Urteil, 22. Jan. 2016 - S 28 KA 212/13

bei uns veröffentlicht am22.01.2016
nachgehend
Bayerisches Landessozialgericht, L 12 KA 24/16, 18.07.2018

Gericht

Sozialgericht München

Gründe

I.Der Bescheid vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2013 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die von der Klägerin für das Quartal abgerechneten Behandlungsfälle (Krankenhaus B.) nach Prüfung auf rechnerische und sachliche Richtigkeit nachzuvergüten.

II.Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten ist die Vergütung nachträglich abgerechneter Behandlungsfälle (ambulante Notfälle) eines Klinikums der Klägerin im Quartal streitig. Die Klägerin ist ein öffentlich-rechtlicher Krankenhausträger, der u.a. die C. Klinik Bad C-Stadt betreibt. Die C. Klinik Bad C-Stadt ist ein im Krankenhausplan des Freistaates Bayern ausgewiesenes Plankrankenhaus der ersten Versorgungsstufe.

Die C. Klinik Bad C-Stadt reichte am 22.11.2012 die Abrechnung der Behandlungsfälle (ambulante Notfälle) aus dem Quartal i.H.v. 30.565,11 € bei der Beklagten ein.

Mit Bescheid vom 10.12.2012 teilte die Beklagte der C. Klinik Bad C-Stadt mit, dass die Behandlungsfälle nicht mehr vergütet werden könnten. Sie verwies auf die Abrechnungsbestimmungen aus dem Honorarvertrag vom 01.01.2009, wonach die Abrechnung von Behandlungsfällen nach Ablauf von neun Monaten nach Ende des Quartals ausgeschlossen sei.

Hiergegen legte die Klinik am 12.12.2012 Widerspruch ein. Sie verwies darauf, dass die Mitarbeiterin, die für die Abrechnung der KV-Notfälle zuständig sei, in den Jahren 2011 und 2012 häufiger erkrankt gewesen sei, insgesamt länger als ein halbes Jahr. Aus diesem Grund habe man sich vor längerer Zeit telefonisch bei der Beklagten erkundigt. Aussage einer Sachbearbeiterin sei gewesen, dass es kein Problem sei, wenn die Abrechnung nicht zeitgerecht eingereicht würde, es bestünde dann lediglich kein Anspruch auf zeitgerechte Auszahlung. Von einer Ausschlussfrist von neun Monaten sei der Klinik nichts bekannt gewesen. Der Honorarvertrag liege der Klinik nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.02.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Beklagte verwies auf die im Honorarvertrag geregelte neunmonatige Ausschlussfrist. Die amtliche Veröffentlichung des Vertrages sei in Ausgabe 3 der Bayerischen Staatszeitung vom 16.01.2009 erfolgt.

Die Klägerin hat am 07.03.2013 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den Vergütungsanspruch aufgrund der Ausschlussfrist zu versagen. Die Ausschlussfrist sei ihr nicht bekannt gewesen. Für eine derartige Ausschlussfrist fehle es gegenüber Krankenhäusern an einer gesetzlichen Grundlage. Auch sei die Ausschlussfrist unangemessen kurz und verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der – vollständige - Abrechnungsausschluss sei unverhältnismäßig. Die ambulante Notfallbehandlung mache im Vergleich zu stationären Versorgung nicht einmal 1% der Entgelte der Klinik aus. Im Gegensatz zur Abrechnung der stationären Leistungen stelle die Klägerin bei der Abrechnung der ambulanten Notfallbehandlung lediglich sicher, dass die Abrechnungskräfte der Klägerin die Grundbestimmungen kennen und in der Lage seien, die quartalsweise Abrechnung durchzuführen.

Die Klägerin beantragt:

Der Bescheid vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.02.2013 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die von der Klägerin für das Quartal abgerechneten Behandlungsfälle (Krankenhaus Bad C-Stadt) nach Prüfung auf rechnerische und sachliche Richtigkeit nachzuvergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist u.a. auf Abschnitt 2.1 Teil A Nr. 2 Abs. 2 des Honorarvertrages vom 01.01.2011, wonach die Bestimmungen des Vertrags u.a. auch Anwendung finden auf die Abrechnung von Notfall-Leistungen, die von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbracht werden. Der Honorarvertrag sei am 18.02.2011 in der Nr. 7 des Bayerischen Staatsanzeigers veröffentlicht worden. Gem. § 1 Abs. 2 der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten fänden diese auch Anwendung auf die Abrechnung von Notfall-Leistungen, die von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbracht werden. Nach der BSG-Rechtsprechung seien Regelungen hinsichtlich Abrechnungsfristen grundsätzlich rechtmäßig. Die Abrechnungsbestimmungen könnten schon immer über die Homepage der Beklagten eingesehen werden. Auch handele es sich vorliegend um ein Organisationsverschulden, dass sich die Klägerin zurechnen lassen müsse. Denn die Klägerin hätte dafür Sorge tragen müssen, dass Fehlzeiten der für die Abrechnung der ambulanten Notfälle allein zuständigen Mitarbeiterin entsprechend aufgefangen werden.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine Vergütung der von ihr nachträglich abgerechneten ambulanten Notfälle aus dem Quartal .

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen allesamt vor.

Die Klage ist auch begründet. Vorliegend würde die Anwendung der grundsätzlich einschlägigen Ausschlussfrist einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechtsposition der Klägerin bewirken.

§ 3 Abs. 4 der Abrechnungsbestimmungen der Beklagten (mit Wirkung ab 01.07.2011) lautet: „Die Abrechnung von Behandlungsfällen ist nach Ablauf der im Abschnitt 2.1 A – Allgemeine Bestimmungen des Honorarvertrages festgelegten Ausschlussfrist ausgeschlossen.“

In Abschnitt 2.1 A Nr. 3. Abs. 6 der Vereinbarung zwischen den Krankenkassen und der Beklagten über die Vergütung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2011 (im Folgenden: „Honorarvertrag 2011“) ist geregelt: „Die Abrechnung von Behandlungsfällen ist nach Ablauf von neun Monaten, vom Ende des Quartals an gerechnet, in dem die Leistungen erbracht worden sind, ausgeschlossen.“

Diese im vertragsärztlichen Bereich geregelte Ausschlussfrist bezüglich verspätet eingereichter Abrechnungen gilt grundsätzlich auch für die Klägerin als Krankenhausträgerin.

Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 2 Abrechnungsbestimmungen der Beklagten sowie aus Abschnitt 2.1 A Nr. 2. Abs. 2 Honorarvertrag 2011, wonach die Bestimmungen dieser Regelungswerke u.a. auch auf die Abrechnung von Notfall-Leistungen, die von Nichtvertragsärzten oder Krankenhäusern erbracht werden, Anwendung finden (so im Ergebnis auch BayLSG, Urteil vom 23.07.2013, Az. L 12 KA 1/13, S. 9 ff.).

Die Klägerin ist, sofern sie bzw. eines ihrer Krankenhäuser an der vertragsärztlichen Versorgung im Rahmen von Notfallbehandlungen teilnimmt, verpflichtet, sich über die hierfür maßgeblichen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften zu informieren (BayLSG, Urteil vom 23.07.2013, Az. L 12 KA 1/13, S. 11). Die Beklagte hat im Übrigen darauf verwiesen, dass die Abrechnungsbestimmungen über die Serviceseiten auf ihrer Homepage abrufbar sind. Der Honorarvertrag vom 01.01.2011 wurde im Bayerischen Staatsanzeiger vom 18.02.2011 veröffentlicht.

Es bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit solcher Ausschlussregelungen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2005, Az. B 6 KA 19/04 R und BSG, Urteil vom 29.08.2007, Az. B 6 KA 29/06 R).

Nach der Rechtsprechung des BSG darf die Anwendung der Ausschlussregelung jedoch keinen Eingriff bewirken, der so schwer wiegt, dass er außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck steht (BSG, Urteil vom 29.08.2007, Az. B 6 KA 29/06 R, Rn. 13) In Anlehnung an diese Rechtsprechung geht das BayLSG von einer Unverhältnismäßigkeit des Abrechnungsausschlusses bei einer Kürzung des Gesamthonorars von 50% aus (BayLSG, Urteil vom 04.12.2013, Az. L 12 KA 139/12, Rn. 25 ff.; BayLSG, Urteil vom 25.03.2015, Az. L 12 KA 37/13, Rn. 17).

Im streitgegenständlichen Fall würde die Anwendung der Ausschlussfrist zu einem vollständigen Abrechnungsausschluss der C. Klinik Bad C-Stadt im Quartal führen.

Auch wenn die Klägerin mehrere Krankenhäuser betreibt, die im Rahmen von Notfallbehandlungen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, ist bei der Frage der Verhältnismäßigkeit auf das einzelne Krankenhaus abzustellen (vgl. auch Abschnitt 2.1 A Nr. 2. Abs. 2 Satz 2 Honorarvertrag 2011, wonach ambulante Notfall-Leistungen, die in Krankenhäusern erbracht werden, nur durch das jeweilige Krankenhaus abrechnungsfähig sind). Im Übrigen kommt es nur auf das Verhältnis des Kürzungsvolumens zum vertragsärztlichen Gesamthonorar der Klinik an und nicht darauf, dass die Krankenhäuser ihre überwiegenden Einkünfte aus stationären Entgelten beziehen.

Ein vollständiger Ausschluss ist nach Auffassung der Kammer unverhältnismäßig.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Nichteinreichung der Abrechnung der C. Klinik Bad C-Stadt für das Quartal einen offensichtlichen Fehler darstellte, der für die Beklagte erkennbar war. Bei der C. Klinik Bad C-Stadt handelt es sich um ein öffentlich-rechtliches Plankrankenhaus, das der Grundversorgung dient und regelmäßig ein vertragsärztliches Gesamthonorar von ca. 30.000 €/Quartal für die Behandlung ambulanter Notfälle erzielt. Es erscheint undenkbar, dass diese Klinik in einem ganzen Quartal keine ambulanten Notfälle behandelt und infolgedessen keine Abrechnung einreicht. Der Beklagten hätte die Nichtabrechnung der C. Klinik Bad C-Stadt folglich auffallen müssen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass es auf die Frage der Verhältnismäßigkeit des Abrechnungsausschlusses nicht ankommen soll, da der Klägerin ein Organisationsverschulden vorzuwerfen ist. Nach ihrer Ansicht hätte die Klägerin dafür Sorge tragen müssen, dass Fehlzeiten der für die Abrechnung der ambulanten Notfälle allein zuständigen Mitarbeiterin entsprechend aufgefangen werden. Ein Vertreter dieser Mitarbeiterin hätte dann die Abrechnung fristgemäß erstellen können.

Die Kammer teilt die Einschätzung der Beklagten, dass für die verspätet eingereichte Abrechnung ein - vermeidbarer - Organisationsfehler der Klägerin bzw. der C. Klinik Bad C-Stadt ursächlich ist. Derartige, schuldhafte Fehler sind jedoch geradezu typisch für Fallkonstellationen der verspäteten Einreichung der Abrechnung oder der nachträglichen Berichtigung oder Ergänzung der Abrechnung (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 22.06.2005, Az. B 6 KA 19/04 R, Rn. 28). Das BSG hat darauf verwiesen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen die Möglichkeit haben, Regelungen zu schaffen, um die Nichteinhaltung von sachgerecht festgesetzten Vorlagefristen für die vertragsärztliche Abrechnung zu sanktionieren. So könnten sie prozentuale Abschläge von dem vertragsärztlichen Honorar bei verspätet eingereichten Abrechnungen regeln. Dabei sind sie auch berechtigt, „hinsichtlich der Reaktion auf eine Versäumung des Einsendetermins danach zu differenzieren, ob ein Arzt einmalig, etwa infolge einer technischen Panne, verspätet abrechnet, oder regelmäßig den Termin schuldhaft versäumt“ (BSG, ebenda, Rn. 27; vgl. auch BSG, Urteil vom 29.08.2007, Az. B 6 KA 29/06 R, Rn. 15 zur Möglichkeit der Regelung des gestaffelten Honorarabzugs).

Vorliegend sind jedoch weder in den Abrechnungsbestimmungen der Beklagten noch im geltenden Honorarvertrag derartige gestaffelte Honorarabzüge geregelt. Nach Auffassung der Kammer kommt es, wenn derartige Regelungen nicht bestehen, auf die Frage eines etwaigen Verschuldensvorwurfs im Fall eines vollständigen Vergütungsausschlusses bei offensichtlicher Nichtabrechnung nicht an.

Die Kammer verkennt nicht, dass die in der Rechtsform einer GmbH organisierte Klägerin kommunal beherrscht ist und sich daher grundsätzlich nicht auf Grundrechtsschutz berufen kann. Das BSG differenziert jedoch nicht dahingehend und hat den Grundsatz aufgestellt, dass der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte für Notfallbehandlungen gegenüber dem Vergütungsniveau der Vertragsärzte nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden darf, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Auch eine mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung hat das BSG nicht gebilligt (BSG, Urteil vom 12.12.12, Az. B 6 KA 3/12 R, Rn. 28 m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung geht die Kammer davon aus, dass die zur Frage der Rechtmäßigkeit von (vollständigen) Abrechnungsausschlüssen aufgestellten Grundsätze auch auf die Klägerin übertragbar sind.

Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass die nachträgliche Bearbeitung der Abrechnung der Klinik für die Beklagte keinen allzu hohen Verwaltungsaufwand bedeuten dürfte.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. März 2015 - L 12 KA 37/13

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Tenor I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. März 2013, Az.: S 38 KA 387/12 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als das SG der Klage stattgegeben hat. II. Die Klägerin trägt

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bei uns veröffentlicht am 12.12.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. November 2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Vergütung der von der Klägerin im Quartal

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Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. März 2013, Az.: S 38 KA 387/12 abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen, als das SG der Klage stattgegeben hat.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Umsetzung der diabetologischen Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 97272, 97350A, 97360A und 97360B (entsprechend der bis zum 31.12.2010 gültigen Diabetes-Vereinbarung) in die entsprechenden GOP nach der ab dem Quartal 1/2011 maßgeblichen Diabetes-Vereinbarung im Quartal 1/2011 streitig.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in A-Stadt mit im streitgegenständlichen Quartal insgesamt fünf Ärzten, davon drei Fachärzte für Innere Medizin, ein Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und ein Facharzt für Allgemeinmedizin. Die Klägerin erbringt unter anderem diabetologische Leistungen, die bis zum Quartal 4/10 unter den GOP 97272, 97350A, 97360A und 97360B angesetzt wurden. Ab dem Quartal 1/11 traten neue Diabetesvereinbarungen in Kraft, durch die es unter anderem zu Neuerungen in den Abrechnungsnummern und in der Vergütung kam.

Mit Richtigstellungsbescheid vom 17.08.2011 wurden die GOP 97272, 97350A, 97360A und 97360B abgesetzt unter Hinweis darauf, dass diese Gebührenordnungsziffern zum 31.12.2010 beendet seien. Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 15.09.2011 eine Korrektur dieser Gebührenordnungsziffern in die seit dem 1. Januar 2011 geltenden neuen Gebührenordnungsziffern und fügte eine Liste mit den entsprechenden Patienten bei. Zur Begründung für die Umsetzung gab die Klägerin an, die alten GOP seien versehentlich eingetragen worden, da die Änderungsmitteilung seitens der Klägerin vermutlich im Zuge der vielfachen Änderungen nicht berücksichtigt worden sei. Die Beklagte wertete dies als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2012 zurück. Nach den für das Quartal 1/11 geltenden Abrechnungsbestimmungen sei die nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung von fehlerhaft oder unvollständig durchgeführten Leistungen für bereits zur Abrechnung eingereichte Behandlungsfälle durch den Arzt ausgeschlossen (A, Allgemeine Bestimmungen, 3. Abrechnungsfähige Leistungen, VII). Nach Einreichung eines Behandlungsfalles zur Abrechnung bei der KVB sei eine Ergänzung dieser Abrechnung um noch nicht angesetzte Leistungspositionen oder ein Austausch angesetzter Leistungspositionen durch den Vertragsarzt ausgeschlossen. Im Übrigen könne auf die zum 2. April 2011 geänderten Abrechnungsbestimmungen nicht abgestellt werden, da diese Änderungen nicht das Quartal 1/11 umfassten. Die Beklagte verwies zudem auf ein Urteil des Senats vom 06.12.2006, L 12 KA 272/05, wonach eine nachträgliche Änderung einzelner Leistungen nicht möglich sei.

In ihrer dagegen zum Sozialgericht München eingelegten Klage macht die Klägerin geltend, es seien sämtliche Leistungen der genannten Diabetes-Ziffern mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 10.925 € von der Honoraranforderung für das Quartal 1/11 abgesetzt worden. Die Klägerin sei auch erst kurzfristig und nur unzureichend über den Wegfall der bisherigen Leistungsziffern informiert worden, so dass die Software bis zum 01.01.2011 nicht habe umgestellt werden können. Bereits aus Vertrauensschutzgesichtspunkten sei die Beklagte daher zur Umsetzung der genannten Ziffern, auch im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitgliedern, verpflichtet. Zudem würden nicht alle Gesellschafter der Klägerin diabetologische Leistungen erbringen, so dass es unzulässig sei, die abgesetzten Leistungen ins Verhältnis zur Gesamthonoraranforderung (305.196,45 €) zu setzen. Zudem sei die Umsetzung umgehend nach Zugang des Honorarbescheides beantragt worden. Die Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin mit Rundschreiben bzw. KVB-Info Anfang Dezember 2010 über die Änderung der Diabetesvereinbarung informiert worden sei. Es sei dann Aufgabe der Ärzte, rechtzeitig ein sogenanntes Software-Update durchzuführen.

Das SG gab der Klage mit Urteil vom 12. März 2013 statt und verpflichtete den Beklagten bei Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide, die abgesetzten GOP 97272, 97350A, 97360A und 97360B in die ab dem 01.01.2011 geltenden neuen Gebührenordnungspositionen umzusetzen mit der Maßgabe, dass die Klägerin aufgrund der Namensliste vom 15.09.2011 in jedem Einzelfall der fälschlich angesetzten GOP die aufgrund der Diabetesvereinbarung neuen Abrechnungsziffern mit Angabe der Diagnosen zuordne. Zwar sei nach § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen a.F. eine nachträgliche Abrechnung von einzelnen Leistungspositionen nach Einreichung eines Behandlungsfalls ausgeschlossen. Im Hinblick auf den Anspruch des Vertragsarztes auf Honorierung seiner Leistungen als Ausfluss von Art. 12 GG sei aber eine verfassungskonforme Auslegung von Ausschlussfristen insbesondere unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit geboten (BSG, Urteil vom 10.12.2008, B 6 KA 45/07 R). Da für die Beklagte ersichtlich gewesen sei, dass die Klägerin die nach der alten Diabetesvereinbarung gültigen alten GOP angesetzt hätte, handle sich um einen offensichtlichen Fehler. Eine Korrektur der Klägerin sei auch umgehend erfolgt, nämlich am 15.09.2011, nachdem der Honorarbescheid, datierend vom 17.08.2011, versandt wurde. Gemessen am Honorar für das Quartal 1/11 in Höhe von 305.196,- € Euro habe der Kürzungsbetrag in Höhe von 10.925,- € zwar lediglich einen Anteil von 3,5 %. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass nicht alle Ärzte der internistischen Gemeinschaftspraxis die strittigen Leistungen erbracht hätten und sämtliche Leistungen der strittigen Gebührenordnungspositionen gestrichen worden seien. Vor diesem Hintergrund wäre es unverhältnismäßig und nicht mit Art. 12 GG zu vereinbaren, die Umsetzung, sowie begehrt, nicht vorzunehmen. Allerdings sei es nicht möglich und könne von der Beklagten auch nicht erwartet werden, dass sie die Umsetzung ohne vorausgehende Zuordnung durch die Klägerin vornehme. Aus diesem Grunde sei die Verpflichtung der Beklagten mit der Maßgabe auszusprechen, dass die Klägerin aufgrund der bereits eingereichten Namensliste in jedem Einzelfall den fälschlich angesetzten GOP die neuen Abrechnungsziffern mit Angaben der Diagnosen zuordne.

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung sachliche Gründe für die Aufnahme von Abrechnungsfristen festgestellt. Danach sollten die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge nach jedem Quartal möglichst schnell und zeitnah ausgekehrt werden. Eine Umsetzung und Änderung jeglicher Abrechnungsdaten nach Ablauf der Abrechnungsfristen würde immer zulasten der Ärzte gehen, da dies mit erheblichem zusätzlichen Personal- und Zeitaufwand sowie letztlich mit erhöhten Verwaltungskosten für die Ärzte verbunden sei. Der Umsetzung würden die im 1. Quartal 2011 geltenden Abrechnungsbestimmungen, § 3 Abs. 3, entgegenstehen, die eine gebundene Entscheidung darstellten, ohne dass der Beklagten ein Ermessensspielraum zustünde. Es läge auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Von einem offensichtlichen Fehler in der Honoraranforderung könne keine Rede sein, da die Klägerin neben den hier streitgegenständlichen Ziffern eine erhebliche Anzahl der Gebührenordnungspositionen entsprechend der im streitgegenständlichen Quartal maßgeblichen ("neuen") Diabetesvereinbarung zutreffend abgerechnet habe. Damit stehe unzweifelhaft fest, dass der Klägerin einerseits diese Vereinbarung bekannt gewesen sein musste und andererseits damit gerade kein offensichtlicher Fehler vorgelegen habe. Wegen der Pflicht der Vertragsärzte zur peinlich genauen Leistungsabrechnung würden die Angaben der Leistungserbringer grundsätzlich als zutreffend zu Grunde gelegt. Auch sei der Umfang der nicht umgesetzten Honorare nicht so groß, dass eine Unvereinbarkeit mit Art. 12 GG vorläge. Da die Klägerin eine BAG sei, seien alle Handlungen eines Vertragsarztes, der seine Tätigkeiten in einer BAG ausübe, Handlungen im Rechtssinne der BAG. Daher müsse das Gesamthonorar der BAG in Relation zu den abgesetzten Leistungen gesetzt werden. Die Streichung belaufe sich dann auf 3,58 % und stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff dar.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.03.2013, S 38 KA 387/12 insoweit aufzuheben, als der Klage stattgegeben wurde und die Klage auch insoweit abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin hält das Urteil des SG für zutreffend und wiederholt ihre bereits vorgebrachten Argumente. Insbesondere sei der Abrechnungsfehler der Klägerin für die Beklagte offensichtlich gewesen. In der Vertreterversammlung der Beklagten am 02.04.2011 sei entschieden worden, dass bereits von Amts wegen die entsprechende Umsetzung von etwaigen falschen Leistungsziffern vorzunehmen sei. Dies sei allerdings erst ab dem Quartal 2/11, nicht für das streitgegenständliche Quartal geschehen. Bei der Softwareumsetzung der neuen Diabetes-Vereinbarung habe es Übergangsschwierigkeiten gegeben. Außerdem seien die Leistungen tatsächlich erbracht worden. Es gehe zudem um die Berufsausübungsfreiheit jedes einzelnen Arztes, so dass im Rahmen einer grundrechtsrelevanten Verhältnismäßigkeitsprüfung durchaus die konkreten Auswirkungen einer Kürzungsmaßnahme zu berücksichtigen seien.

Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts. Auf den Inhalt der beigezogenen Akten und Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Gründe

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und auch begründet. Das Urteil des SG ist deshalb abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin vom 15.09.2011 auf Umsetzung der abgesetzten Gebührenordnungspositionen zu Recht abgelehnt. Denn einer Umsetzung stehen die in dem streitbefangenen Quartal 1/11 geltenden Abrechnungsbestimmungen der Beklagten entgegen. Nach § 3 Abs. 1 dieser Abrechnungsbestimmungen (gültig ab dem 01.04.2005, geändert durch Beschlüsse der Vertreterversammlung vom 17.03.2007 und für die Quartale ab 2/09 geändert durch Beschluss der Vertreterversammlung vom 14.07.2009) sind die Abrechnungen unter Beachtung der dafür geltenden Regelungen innerhalb der von der KVB festgesetzten Fristen einzureichen. Die Honoraranforderung für die im Quartal 1/11 erbrachten ärztlichen Leistungen waren durch die Klägerin bis zum 11.04.2011 bei der Beklagten geltend zu machen (§ 2 der Abrechnungsbestimmungen der KVB). Eine Fristverlängerung ist vor Fristablauf in begründeten Ausnahmefällen auf Antrag möglich. Einen Antrag auf Fristverlängerung hat die Klägerin nicht gestellt. § 3 Abs. 2 der Abrechnungsbestimmungen regelt, dass ein Vertragsarzt keinen Anspruch auf Bearbeitung im laufenden Quartal hat, wenn er seine Behandlungsfälle ganz oder teilweise später als nach den von der KVB gem. Abs. 1 Satz 1 festgesetzten Einreichungsfristen zur Abrechnung einreicht. Nach § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen ist nach Einreichung eines Behandlungsfalles zur Abrechnung bei der KVB unbeschadet der Absätze 1 und 2 eine Ergänzung dieser Abrechnung um noch nicht angesetzte Leistungspositionen oder ein Austausch angesetzter Leistungspositionen durch den Vertragsarzt ausgeschlossen. Diese Abrechnungsbestimmungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. hierzu Entscheidung des Senats vom 04.12.2013, L 12 KA 139/12). Dem nachträglichen Abrechnungsausschluss unterfällt auch die nachträgliche Umsetzung einzelner Gebührenordnungspositionen in bereits abgerechneten Behandlungsfällen. Denn eine Umsetzung von Gebührenordnungspositionen ist abrechnungstechnisch nicht anders zu bewerten als die nachträgliche Geltendmachung einer Gebührenziffer nach dem EBM. Für diese gilt der Grundsatz, dass die vertragsärztlichen Leistungen von der für das jeweilige Quartal geleisteten Gesamtvergütung honoriert werden soll. Es besteht kein sachlicher Grund, die Umsetzung von Gebührenordnungspositionen gegenüber der nachträglichen Geltendmachung zu privilegieren.

Das BSG hat Abrechnungsfristen für grundsätzlich zulässig erachtet. Die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfrist ist zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet. Fristen für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dienen umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je weniger Ausnahmen sie zulassen (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2007, B 6 KA 29/06 R). Auf der anderen Seite können Ausschlussfristen erhebliche Wirkung für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes haben. Vertragsärzte, die aufgrund eines Versehenes oder einer möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil der Abrechnung nicht zu dem von der Kassenärztlichen Vereinigung gesetzten Termin vorlegen, laufen Gefahr, keinerlei Vergütungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten (vergleiche BSG, Urteil vom 22.06.2005, B 6 KA 19/04 R). Dies bedeutet, dass die Art und Weise der Anwendung des § 3 Abs. 3 der Abrechnungsbestimmungen nicht außer Verhältnis zu dem der Regelung innewohnenden Zweck stehen darf.

Hier ist zunächst schon fraglich, ob die Abrechnung der GOP nach der Diabetes-Vereinbarung a.F. einen offensichtlichen Fehler darstellt. Denn die Klägerin hat unstreitig nicht nur die abgesetzten, im streitgegenständlichen Quartal 1/11 nicht mehr gültigen GOP nach der Diabetes-Vereinbarung a.F. abgerechnet, sondern zusätzlich in nicht unerheblichem Umfang die GOP nach der neuen, ab 1/11 geltenden Diabetes-Vereinbarung. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Honorarabrechnung des Vertragsarztes unter Optimierungsgesichtspunkten zu überprüfen (Urteil des Senats vom 09.07.2014, L 12 KA 61/13). Doch selbst unterstellt, die unzutreffende Abrechnung der GOP, die es in der neuen Diabetesvereinbarung nicht mehr gab, hätte der Beklagten als mit den Umständen vertrauten, verständigen Beobachterin ohne weiteres ersichtlich sein müssen, wäre die Nichtumsetzung nicht unverhältnismäßig. Dies ist dann anzunehmen, wenn der Umfang des nicht umgesetzten Honorarvolumen zu groß ist, dass es unvereinbar mit dem nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechtes der Vertragsärzte auf Honorierung ihrer Leistungen wäre, die Leistungen von der Vergütung auszuschließen. Unzumutbarkeit hat das Bundessozialgericht bei einem vollständigen Abrechnungsausschluss sowie bei Honorarkürzungen bzw. bei nicht Geltendmachung von Honorar in Höhe von 75 % des durchschnittlichen Honorars angenommen. Der Senat nimmt Unverhältnismäßigkeit zudem bei einer Kürzung des Gesamthonorars von 50 % an, während er eine zehnprozentige Kürzung als nicht unverhältnismäßig angesehen hat (Urteil vom 25.9.2013, L 12 KA 65/11). Vorliegend beträgt das Kürzungsvolumen jedoch nur 3,5 % des Gesamthonorarvolumens der BAG. Die Beklagte hat auch zutreffend auf das Gesamthonorarvolumen der BAG abgestellt und die Relation nicht nur zu den die entsprechenden Ziffern abrechnenden Ärzten hergestellt. Handlungen eines Vertragsarztes, der seine Tätigkeiten in einer BAG ausübt, sind Handlungen im Rechtssinne der BAG. Damit sind auch alle erbrachten Leistungen nicht den einzelnen Ärzten, sondern der Gemeinschaftspraxis zuzuordnen, da diese wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit auftritt (Urteile des BSG vom 20.10.2004, B 6 KA 41/03 R und 14.12.2011, B 6 KA 31/10 R). Eine Kürzung des Honorarvolumens von 3,5 % ist daher nicht unverhältnismäßig.

Soweit die Klägerin geltend macht, die Abrechnungsbestimmungen der Beklagten ab dem Quartal 2/11 sähen eine nachträgliche Berichtigung der Abrechnung vor, bezieht sich dies auf Abrechnungsbestimmungen der Beklagten gültig ab 01.07.2011, erstmals anwendbar auf Abrechnungsfälle ab Quartal 2/11 und damit auf einen Zeitraum nach dem hier streitgegenständlichen Quartal. Mit der Änderung ihrer Abrechnungsbestimmungen zum Quartal 2/11 hatte die Beklagte die vorgenannte Rechtsprechung des BSG zu Abrechnungsausschlüssen umgesetzt. Ein Nachvergütungsanspruch der Klägerin besteht aber selbst bei Zugrundelegung der neueren, hier nicht anzuwendenden Abrechnungsbestimmungen nicht. Denn nach den für die Quartale ab 2/11 geltenden Abrechnungsbestimmungen ist nach deren § 3 Abs. 3 eine nachträgliche Änderung oder Ergänzung der Abrechnung u.a. nur dann zulässig, wenn die eingereichte Abrechnung objektiv erkennbar unzutreffend ist und die Nichtvergütung der betroffenen Leistungen einen Honorarverlust zur Folge hätte, der einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes darstellen würde. Diese Voraussetzungen liegen - wie oben ausgeführt - für das hier streitgegenständliche Quartal gerade nicht vor.

Die Entscheidung des SG ist daher abzuändern und die Klage auch im Übrigen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2. November 2011 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Vergütung der von der Klägerin im Quartal II/2008 erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen neu zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Höhe der Vergütung von ambulanten Notfallbehandlungen im Krankenhaus.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) gelegenen Krankenhauses, welches eine Notfallambulanz betreibt. Für die dort im Quartal II/2008 erbrachten Leistungen setzte die Beklagte mit Honorarbescheid vom 21.10.2008 ein Honorar in Höhe von 81 011,45 Euro fest. Dabei stellte sie die Abrechnungen der Klägerin hinsichtlich der Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) Nr 01211 (Zusatzpauschale zur Nr 01210 für die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw im organisierten Notfalldienst), Nr 01215 (Zusatzpauschale zur Nr 01214 für die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw im organisierten Notfalldienst), Nr 01217 (Zusatzpauschale zur Nr 01216 für die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw im organisierten Notfalldienst) und Nr 01219 (Zusatzpauschale zur Nr 01218 für die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw im organisierten Notfalldienst) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä 2008 - in der seit dem 1.1.2008 geltenden Fassung) richtig. Widerspruch und Klage der Klägerin sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 19.3.2009, Urteil des SG vom 2.11.2011).

3

Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Voraussetzungen für die Abrechnung der Zusatzpauschalen durch die Klägerin lägen nicht vor. Die Neugestaltung des EBM-Ä durch gesonderte Vergütung der Besuchsbereitschaft verstoße auch weder unmittelbar noch mittelbar gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 GG. Die seit der Einführung des EBM-Ä 2008 bestehende Aufspaltung der Leistungen in der Notfallversorgung - ambulante Notfallbehandlungen auf der einen und Besuchsbereitschaft auf der anderen Seite - sei nicht sachwidrig, sondern diene der Vergütungsgerechtigkeit, die insbesondere bei pauschalierenden Honorarregelungen zu beachten sei. Die Leistungsbeschreibung der Zusatzpauschalen sei neutral gehalten und treffe unmittelbar keine Unterscheidung zwischen Vertragsärzten und Nichtvertragsärzten. Grundsätzlich sei deren Abrechnung auch Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern nicht verwehrt. Allerdings setze dies eine Beteiligung am Notfalldienst voraus, weil nur in diesem Rahmen die ständige ärztliche Bereitschaft für das Aufsuchen der Patienten zur ambulanten Behandlung im häuslichen Umfeld notwendig sei. Dass Krankenhäusern die Abrechnung der Zusatzpauschale verwehrt sei, weil sie nicht am organisierten Notfalldienst teilnehmen könnten oder dürften, stelle keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gleicher Normadressaten dar, weil die Differenzierung durch sachliche Gründe gerechtfertigt sei. Eine nach § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V zulässige vertragliche Einbeziehung von Krankenhäusern in den von der Beklagten zusammen mit der Ärztekammer Sachsen-Anhalt organisierten Notfalldienst sei nicht erfolgt. Eine unmittelbare oder mittelbare Verpflichtung oder Berechtigung eines Krankenhauses zur Beteiligung am ambulanten Notfalldienst bestehe nicht.

4

Durch die dargestellte Systematik entstünden zwei Gruppen von Leistungserbringern bei Notfallbehandlungen, von denen die eine nur in einen Teil der Notfallversorgung eingebunden sei, weil sie nur von Patienten in Anspruch genommen werde, die selbstständig zur Ambulanz kämen. Die zusätzliche Verpflichtung der Notdienstärzte zur Bereithaltung für und Durchführung von Krankenbesuchen rechtfertige die isoliert auf den organisierten Notfalldienst bezogene Leistungsbeschreibung der Zusatzpauschalen. Diese Vergütung sollten nur diejenigen erhalten, die auch entsprechende Leistungen erbrächten, sich also für Hausbesuche bereithielten. Eine verfassungsrechtlich relevante Benachteiligung der Klägerin könne nicht darin liegen, dass ihr die Vergütung für eine Leistung verwehrt werde, die sie gar nicht erbringen dürfe. Der Verpflichtung, sich zur Durchführung von Hausbesuchen ständig bereit zu halten, komme eigenes Gewicht zu. Dies rechtfertige es, diese Leistung herausgelöst gesondert zu vergüten und sie bei denjenigen nicht zu berücksichtigen, die diese Bereitschaftspflicht nicht treffe. Eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung von Krankenhäusern sei auch nicht in der Ausgestaltung und Gewichtung der im EBM-Ä 2008 vorgesehenen Punktzahlen für die Vergütung der Grund- und Zusatzpauschalen zu sehen. Es falle in den weiten Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses (BewA), dass er die Vergütung für die Besuchsbereitschaft pauschal an die Inanspruchnahme durch einen Notfallpatienten und nicht an die Anzahl der tatsächlichen Hausbesuche geknüpft habe.

5

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art 3 Abs 1 GG. Die Ungleichbehandlung ergebe sich in erster Linie aus dem in den streitbefangenen GOPen genannten Merkmal der Besuchsbereitschaft als solchem. Notfallambulanzen von Krankenhäusern sei es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich, Zusatzpauschalen für Besuchsbereitschaft abzurechnen, da ihnen die Unterhaltung eines Besuchsdienstes im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt sei. Da Krankenhäuser keinen Hausbesuchsdienst unterhalten dürften, könne es auch keine Vorhaltung von Besuchsbereitschaft geben. Die für die Besuchsbereitschaft gezahlten Zusatzpauschalen führten zu erheblichen Vergütungsunterschieden zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern; letztere erhielten dadurch eine um 39 % geringere Vergütung. Das Vorhalten einer Besuchsbereitschaft rechtfertige keine derart gravierende Ungleichbehandlung.

6

Die GOP "Besuchsbereitschaft" umfasse weder den Besuch und die Behandlung während des Besuchs noch die Aufwendungen für die Besuchsfahrt, da diese Leistungen bereits gesondert abgegolten seien; Leistungsinhalt sei vielmehr allein das Sich-Bereithalten des Vertragsarztes. Auch Notfallambulanzen hielten eine Besuchsbereitschaft vor und hätten ihre Erreichbarkeit für Notfälle sicherzustellen. Damit seien zusätzliche (Personal-)Kosten und zusätzlicher Organisationsbedarf verbunden, der sich nicht wesentlich von demjenigen des organisierten ambulanten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte unterscheide. Die aktiv-aufsuchende Besuchsbereitschaft der Ärzte und die passiv-aufsuchende Besuchsbereitschaft der Notfallambulanzen seien im Wesentlichen gleich. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso der BewA der Besuchsbereitschaft für die aufsuchende Tätigkeit einen solchen Stellenwert einräume, dass er große Teile der Vergütung davon abhängig mache. Im isolierten Herausgreifen eines Elements der Leistungen von Vertragsärzten und dessen nicht zu rechtfertigender Bewertung bei der Honorierung von Notfallleistungen liege der Kern des Ungleichbehandlungsvorwurfs. Eine sachliche Rechtfertigung hierfür sei nicht gegeben. Den Kosten, die Vertragsärzten durch eine Besuchsbereitschaft entstünden, stünden vergleichbare Kosten der Krankenhäuser gegenüber. Auch die Schaffung eines Anreizes für die Teilnahme am Notfalldienst genüge nicht.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 2.11.2011 sowie den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal II/2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.3.2009 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ein höheres Honorar für das Quartal II/2008 unter Berücksichtigung der für die Leistungen nach den Nrn 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM-Ä 2008 angeforderten Vergütung neu festzusetzen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die strittigen Regelungen des EBM-Ä 2008 verstießen nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 3 Abs 1 GG, da die unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen sachlich gerechtfertigt sei. Für Vertragsärzte ergebe sich die Verpflichtung zur Durchführung von Hausbesuchen aus § 17 Abs 4 bis 7 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw § 13 Abs 12 bis 14 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen; für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser bestehe eine solche Verpflichtung hingegen nicht. Zugelassene Krankenhäuser könnten nur im Rahmen des § 116a SGB V an der allgemeinen ambulanten Behandlung teilnehmen und ansonsten nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Die Durchführung von Hausbesuchen sei mit physischen und psychischen Belastungen verbunden. Daher sei es wichtig, dass gerade die Vorhaltung der ständigen ärztlichen Besuchsbereitschaft für die aufsuchende Tätigkeit im Notfalldienst mit einer Zusatzpauschale vergütet werde, damit die KÄVen ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Aufrechterhaltung des vertragsärztlichen Notfalldienstes nachkommen könnten.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Abrechnungen der Klägerin sachlich-rechnerisch richtig zu stellen, da die für die Vergütung von Notfallleistungen maßgeblichen Bestimmungen des EBM-Ä 2008 nicht mit höherrangigem Recht in Einklang stehen. Die beklagte KÄV muss - nach einer rückwirkenden Neuregelung der Notfallvergütungen durch den BewA - erneut über die Vergütung der im Quartal II/2008 in der Krankenhausambulanz der Klägerin erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen entscheiden.

11

1. Das Verfahren vor dem SG leidet nicht unter dem von Amts wegen zu berücksichtigenden Mangel der Beiladung des BewA (s BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 3 RdNr 6)oder der ihn tragenden Institutionen (s hierzu BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 6; speziell zu Notfallambulanzen: BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 12 f). Zu Verfahren, in denen inzident über die Rechtmäßigkeit von Regelungen des EBM-Ä gestritten wird, ist der BewA nicht notwendig (iS des § 75 Abs 2 SGG)beizuladen. Allein die Unterlassung einer in diesem Sinne notwendigen Beiladung stellt einen auch im Revisionsverfahren beachtlichen Verfahrensmangel dar. Der Senat hält allerdings in Verfahren, in denen - wie hier - in der Sache über die Wirksamkeit einer alle Notfallambulanzen in Deutschland betreffenden Vergütungsregelung gestritten wird, eine einfache Beiladung der Trägerorganisationen des BewA für sachgerecht.

12

2. Die Beklagte ist aufgrund von § 106a Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnungen nötigenfalls richtigzustellen. Gegenstand der Abrechnungsprüfung ist auch die Abrechnung von Notfallbehandlungen, die durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Krankenhäuser erbracht werden, da infolge der Gleichstellung der in Notfällen tätigen Krankenhäuser mit Vertragsärzten die für die Abrechnung maßgeblichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts insoweit entsprechend gelten (BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 14). Diese Gleichstellung bewirkt nicht allein die Anwendung der für Vertragsärzte geltenden Honorarregelungen im engeren Sinne, sondern auch die entsprechende Geltung der übrigen für die Erbringung und Abrechnung von Leistungen maßgeblichen Bestimmungen des Vertragsarztrechts - einschließlich derjenigen über die Richtigstellung vertragsärztlicher Abrechnungen (BSG aaO).

13

3. Die auf dieser Grundlage vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind jedoch nicht rechtmäßig. Zwar hat die Beklagte vordergründig zu Recht die von der Klägerin abgerechneten Leistungen nach Nr 01211, Nr 01215, Nr 01217 und Nr 01219 EBM-Ä 2008 richtig gestellt - dh unvergütet gelassen -, weil die Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt werden (a). Die Regelungen des EBM-Ä 2008 über die Vergütung der Notfallbehandlungen stehen jedoch mit höherrangigem Recht nicht in Einklang, weil die in den genannten GOPen geregelte gesonderte Vergütung der Besuchsbereitschaft eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der von Vertragsärzten im organisierten Not(fall)dienst auf der einen und von Krankenhausambulanzen auf der anderen Seite erbrachten Notfallbehandlungen darstellt (b). Dies führt zur Rechtswidrigkeit der Bescheide.

14

a. Das SG hat richtig gesehen, dass die Klägerin die Voraussetzung für die Abrechnung der Zusatzpauschalen nach Nr 01210 ff EBM-Ä in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung schon deshalb nicht erfüllt, weil die KÄV bei ihr nicht die "Besuchsbereitschaft" festgestellt hat (aa.). Dabei ist unerheblich, ob der Krankenhausträger von sich aus keinen Antrag auf Feststellung dieser Bereitschaft gestellt hat, oder ob die Beklagte diese Feststellung abgelehnt hat. Eine derartige Feststellung ist nämlich bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen (bb.).

15

aa. Bei den streitgegenständlichen GOPen Nr 01211, Nr 01215, Nr 01217 und Nr 01219 EBM-Ä 2008 handelt es sich jeweils um Zusatzpauschalen zu anderen, die Versorgung im Notfall und im organisierten Notfalldienst betreffenden GOPen (Notfallpauschale und Notfallkonsultationspauschalen I bis III "im organisierten Notfalldienst und für nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser"). Diese Zusatzpauschalen werden jeweils "für die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw im organisierten Not(fall)dienst" gezahlt. Hierzu bestimmt die Nr 3 der Präambel zu Kapitel II Abschnitt 1.2 EBM-Ä 2008, dass nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser die Zusatzpauschalen nach den Nrn 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM-Ä 2008 für die Vorhaltung der Besuchsbereitschaft nur abrechnen dürfen, wenn die zuständige KÄV ihre Besuchsbereitschaft für Notfallbehandlungen bzw im Rahmen des organisierten Not(fall)dienstes festgestellt hat.

16

Der Begriff "Besuchsbereitschaft" wird im EBM-Ä 2008 nicht näher erläutert. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich jedoch, dass hiermit nicht die "passive" Besuchsbereitschaft abgegolten werden soll, also die Ermöglichung einer Inanspruchnahme durch Patienten, sondern die "aktive" Besuchsbereitschaft in dem Sinne, dass Ärzte sich bereithalten, um im Bedarfsfall Patienten zu Hause aufsuchen zu können. Dies ergibt sich aus dem Begriffsteil "Besuch", welcher in der Präambel zu Kapitel II Abschnitt 1.4 EBM-Ä 2008 unter Nr 1 Satz 1 als "ärztliche Inanspruchnahme, zu der der Arzt seine Praxis, Wohnung oder einen anderen Ort verlassen muss, um sich an eine andere Stelle zur Behandlung eines Erkrankten zu begeben", definiert ist.

17

bb. Die Durchführung von Besuchen im Notfalldienst gehört jedoch nicht zu den Aufgaben, die den Krankenhäusern im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung obliegen. Daher kann von ihnen weder der Nachweis einer Besuchsbereitschaft gefordert werden, noch können sie davon profitieren, dass sie eine solche behaupten.

18

(1) Nach dem System der gesetzlichen Krankenversicherung ist die ambulante Versorgung der Versicherten primär durch Vertragsärzte sicherzustellen; die ambulante Versorgung ist als vertragsärztliche Versorgung konzipiert (BSGE 108, 35 = SozR 4-2500 § 115b Nr 3, RdNr 21). Die Mitwirkung an der ambulanten Versorgung durch andere Leistungserbringer als Vertragsärzte bedarf entsprechender gesetzlicher Regelungen (BSG aaO). Gesetzliche Aufgabe der Krankenhäuser ist die Krankenhausbehandlung (vgl § 107 Abs 1 Nr 1 SGB V); diese umfasst gemäß § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V die vollstationäre, teilstationäre, vor- und nachstationäre sowie - im Rahmen des § 115b SGB V - die ambulante Behandlung. Über § 115b SGB V (ambulantes Operieren) hinaus sieht das Gesetz eine Beteiligung der Krankenhäuser an der ambulanten Versorgung der Versicherten - bei Außerbetrachtlassung der für Hochschulambulanzen(§ 117 SGB V) und Psychiatrische Institutsambulanzen (§ 118 SGB V) geltenden Sonderregelungen - nur in Form der vor- oder nachstationären Behandlung (§ 115a SGB V) und der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (§ 116b SGB V) vor. Darüber hinaus kommt eine Beteiligung an der ambulanten Versorgung in Ausnahmesituationen - bei Unterversorgung (§ 116a SGB V) sowie in "Notfällen" bei Nichterreichbarkeit von Vertragsärzten (§ 76 Abs 1 Satz 2 SGB V) - in Betracht.

19

Die Durchführung von Hausbesuchen ist Teil der ambulanten vertragsärztlichen Tätigkeit, sodass ihre Durchführung von vornherein auf Personen bzw Einrichtungen beschränkt ist, die an dieser Versorgung teilnehmen. Da die ambulante Versorgung grundsätzlich Aufgabe der Vertragsärzte ist, sind schon vom Grundsatz her nur diese zu Hausbesuchen berechtigt (und verpflichtet). Die anderen Personen bzw Einrichtungen durch das Gesetz eingeräumte Befugnis, an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen, führt nicht ohne Weiteres dazu, dass diese damit auch zu einer Besuchstätigkeit berechtigt wären. So bestimmt § 17 Abs 6 Satz 1 BMV-Ä, dass die Besuchsbehandlung grundsätzlich Aufgabe des behandelnden Hausarztes ist. Schon Gebietsärzte, die nicht zugleich die Funktion des Hausarztes wahrnehmen, sind nur in besonderen Fällen auch zur Besuchsbehandlung berechtigt und verpflichtet (vgl § 17 Abs 6 Satz 2 BMV-Ä). Erst recht dürfen deshalb Leistungserbringer, die lediglich im Ausnahmefall an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung beteiligt sind, Hausbesuche allenfalls dann ausführen, wenn eine eindeutige Ermächtigung hierzu vorliegt. Hieran fehlt es jedoch in Bezug auf Krankenhausambulanzen.

20

(2) Eine Berechtigung der Krankenhausambulanzen, Hausbesuche durchzuführen, besteht auch dann nicht, wenn sie nach § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Notfällen - über den Rettungsdienst ist hier nicht zu entscheiden - in Anspruch genommen werden.

21

Es ist gemäß § 75 Abs 1 Satz 1 SGB V Aufgabe der KÄVen, die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen. Gemäß § 75 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V umfasst die Sicherstellung auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst); ausdrücklich ausgenommen ist allein die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes, sofern Landesrecht nichts anderes bestimmt (§ 75 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V). Somit entspricht es der Entscheidung des Gesetzgebers, den KÄVen (bzw berufsrechtlich den Ärztekammern) und nicht den Krankenhäusern die Verpflichtung zur Gewährleistung eines Notdienstes im Rahmen der ambulanten Versorgung außerhalb der Sprechstundenzeiten zuzuweisen (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 26). Teil dieser den KÄVen übertragenen Gewährleistungspflicht ist die Ausgestaltung des Notdienstes, einschließlich der Organisation eines aufsuchenden Fahrdienstes. In diese Organisationshoheit der KÄVen würden Krankenhäuser eingreifen, wenn sie einen eigenen Hausbesuchsdienst organisieren würden.

22

Das Gesetz sieht neben der den KÄVen gemäß § 75 SGB V obliegenden Sicherstellung (auch) eines Not(fall)dienstes und dem - gemäß § 133 SGB V landesrechtlich geprägten - Rettungsdienst keine dritte Leistungsebene vor. Wäre eine reguläre Beteiligung der Krankenhäuser an der ambulanten Notfallversorgung beabsichtigt, hätte der Gesetzgeber dies unschwer regeln können. Statt dessen sieht das Gesetz eine Beteiligung der Krankenhausambulanzen (als "andere Ärzte") lediglich in einer Auffangvorschrift vor. Zwar sind Versicherte nicht verpflichtet, vorrangig den organisierten Notfalldienst der KÄVen in Anspruch zu nehmen (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 20 - unter Verweis auf BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 20). Vielmehr gewährt ihnen § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich das Recht, in der besonderen Situation eines Notfalls zur Realisierung ihres Sachleistungsanspruchs auf Behandlung auch Nichtvertragsärzte - und damit auch Krankenhäuser - für erforderliche ambulante Behandlungen zu konsultieren(BSG aaO). Das schließt jedoch nicht das Recht ein, an Stelle des vertragsärztlichen Notdienstes einen (etwaigen) Besuchsdienst einer Krankenhausambulanz in Anspruch zu nehmen.

23

Die Beteiligung von Krankenhäusern an der ambulanten Notfallversorgung ist nur passiv in dem Sinne möglich, dass im Krankenhaus Patienten behandelt werden, die sich in einem Notfall dorthin begeben haben. Zur Abwicklung solcher Behandlungen dürfen Krankenhäuser auch spezielle Ambulanzen betreiben, ohne dass sie allein wegen der entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen Teilnehmer am organisierten Not(fall)dienst sind. Für die Einrichtung von Notfallambulanzen sprechen bereits praktische Erwägungen; gäbe es keine Notfallambulanz, so müssten - unter Störung des übrigen Krankenhausbetriebs - andere Krankenhausärzte einspringen. Damit ist jedoch nicht die Berechtigung zu einem aufsuchenden Besuchsdienst verbunden. Die Durchführung von Hausbesuchen ist Teil der ärztlichen - insbesondere hausärztlichen - Versorgung; der Gesetzgeber hat die Teilnahme am Notdienst als Annex zur Niederlassung in eigener Praxis ausgestaltet (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 3 RdNr 22). Ist der Hausarzt des Patienten nicht verfügbar, so tritt in den sprechstundenfreien Zeiten der organisierte Not(fall)dienst an dessen Stelle. Den in diesem Rahmen tätigen Ärzten obliegt auch die Durchführung von Notfallbesuchen, wenn der Patient den diensthabenden Arzt im Notfall nicht selbst aufsuchen kann. Die Durchführung von Besuchen im regulären Praxisbetrieb wie im Not(fall)dienst ist ein zentrales Element der vertragsärztlichen Versorgung. Ein Besuchsdienst ist dagegen nicht mit dem "Wesen" eines Krankenhauses vereinbar. Dazu gehört es, dass das Krankenhaus von Patienten aufgesucht wird und nicht selbst Patienten aufsucht. Dieses ist zur Teilnahme am Notfalldienst gerade wegen der Vorhaltung von Ärzten und Behandlungsmöglichkeiten in den Häusern berechtigt; Patienten wenden sich dorthin, weil sie sicher sein können, dort zu jeder Zeit einen behandlungsbereiten Arzt zu finden.

24

(3) Keine abweichende Beurteilung folgt daraus, dass gemäß § 115 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB V auch "die Zusammenarbeit bei der Gestaltung und Durchführung eines ständig einsatzbereiten Notdienstes" Vertragsinhalt der dreiseitigen Verträge zwischen Krankenkassen, Krankenhäusern und Vertragsärzten ist. Ob Krankenhausambulanzen überhaupt durch Verträge nach § 115 SGB V (auch) an einem Hausbesuchsdienst beteiligt werden könnten, spielt jedoch bei der Beurteilung einer abstrakt-generellen Regelung keine Rolle, zumal weder vorgetragen noch sonst bekannt ist, dass entsprechende vertragliche Regelungen existieren.

25

b. Auf der Basis der vorstehend dargestellten Rechtslage hinsichtlich der Mitwirkung von Krankenhäusern im Notfall stellt der daraus resultierende generelle Ausschluss der Krankenhäuser von der Berechnung der Zusatzpauschalen nach Nr 01210 ff EBM-Ä 2008 eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Krankenhausambulanzen dar.

26

aa. Regelungen des EBM-Ä, bei denen es sich um untergesetzliche Rechtsnormen in der Form der Normsetzungsverträge handelt (stRspr des BSG, vgl BSGE 81, 86, 89 = SozR 3-2500 § 87 Nr 18 S 84; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 64 ff), müssen mit höherrangigem Recht im Einklang stehen; insbesondere dürfen sie weder unmittelbar noch mittelbar gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG verstoßen. Bei dieser Prüfung sind vorrangig die vom Senat für die Vergütung von Notfallbehandlungen aufgestellten Grundsätze (1), die Grenzen einer gerichtlichen Überprüfung der vom BewA getroffenen Regelungen (2) sowie die Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG (3) zu berücksichtigen.

27

(1) Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl ua BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5 f; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 14) entschieden hat, werden die in Notfällen von Nichtvertragsärzten und Krankenhäusern erbrachten Notfallleistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt und sind aus der Gesamtvergütung zu honorieren. Die Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs für Nichtvertragsärzte und Krankenhäuser ergibt sich demnach dem Grunde und der Höhe nach aus den Vorschriften des Vertragsarztrechts über die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen. Aus der Zuordnung dieser Notfallleistungen zur vertragsärztlichen Versorgung folgt nach der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 2 RdNr 5 f; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 14), dass sich die Honorierung dieser Behandlungen nach den Grundsätzen richtet, die für die Leistungen der Vertragsärzte und der zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigten Personen und Institutionen gelten. Sie sind mithin grundsätzlich so zu vergüten, als ob sie von zugelassenen Vertragsärzten erbracht worden wären (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15).

28

Der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser oder Nichtvertragsärzte für Notfallbehandlungen darf gegenüber dem Vergütungsniveau der Vertragsärzte nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 37 f; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18, 21). Auch eine mittelbare Schlechterstellung von Notfallleistungen im Krankenhaus gegenüber vergleichbaren Leistungen von Vertragsärzten durch Regelungen der Honorarverteilung hat der Senat in diesem Zusammenhang nicht gebilligt (vgl BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 4 f; s auch BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 15 und BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18), sondern lediglich eine an die gesetzliche Regelung des § 120 Abs 3 Satz 2 SGB V anknüpfende pauschale Honorarminderung in Höhe von 10 % für Notfallleistungen öffentlich geförderter Krankenhäuser akzeptiert(s die Nachweise in BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 18).

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(2) Die auf der Grundlage des § 87 SGB V von den Bewertungsausschüssen vereinbarten einheitlichen Bewertungsmaßstäbe sind wegen ihrer spezifischen Struktur und der Art ihres Zustandekommens nur beschränkt der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Durch die personelle Zusammensetzung der - paritätisch mit Vertretern der Ärzte bzw Zahnärzte und Krankenkassen besetzten - Bewertungsausschüsse und den vertraglichen Charakter der Bewertungsmaßstäbe soll gewährleistet werden, dass die unterschiedlichen Interessen der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Gruppen zum Ausgleich kommen und auf diese Weise eine sachgerechte inhaltliche Umschreibung und Bewertung der ärztlichen Leistungen erreicht wird. Das vom BewA erarbeitete System autonomer Leistungsbewertung kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grundsätzlich unterbleiben. Die gerichtliche Überprüfung ist daher im Wesentlichen darauf beschränkt, ob der Ausschuss den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgenutzt hat (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 23; BSGE 78, 98, 107 = SozR aaO Nr 12 S 43; BSGE 79, 239, 245 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 14 S 53; BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 86; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 16). Insoweit kommt auch das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG als Prüfungsmaßstab in Betracht, und zwar dann, wenn eine Regelung des EBM-Ä eine Vergütung nur einer Arztgruppe gewährt, obgleich die Leistung auch von anderen Arztgruppen erbracht wird bzw erbracht werden kann (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 5 S 23 f betr Vergütung von Anästhesieleistungen nur für Anästhesisten; BSGE 83, 218, 220 = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 109 betr Vergütung für Rheumatologen)oder wenn die gleiche Leistung zwar für verschiedene medizinische Leistungserbringer dem Grunde nach abrechenbar ist, in Abhängigkeit vom jeweiligen Behandlerstatus aber unterschiedlich bewertet wird (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 16 ff betr die unterschiedliche Bewertung von Notfallleistungen).

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(3) Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG schreibt dabei unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches dementsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl hierzu zB BVerfG Beschluss vom 2.5.2006 - 1 BvR 1275/97 - NJW 2006, 2175, 2177; BVerfGE 115, 381, 389 mwN). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, vgl hierzu zB BVerfGE 107, 133, 141 mwN; BVerfG SozR 4-1100 Art 3 Nr 33 RdNr 11 mwN).

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bb. Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen höherrangiges Recht zu bejahen. Die Regelungen des EBM-Ä 2008 über die gesonderte Vergütung der Besuchsbereitschaft führen zu einer mittelbaren Benachteiligung der Krankenhausambulanzen, die weder mit Art 3 Abs 1 GG noch mit dem Grundsatz vereinbar ist, die Leistungen der Krankenhäuser im Notdienst grundsätzlich so zu vergüten wie diejenigen der Vertragsärzte. Die strittigen Zusatzpauschalen bewirken eine Ungleichbehandlung (1), die nach der Rechtsprechung des Senats einer sachlichen Rechtfertigung bedürfte; eine solche ist jedoch nicht zu erkennen (2).

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(1) Der BewA hat in Reaktion auf das Senatsurteil vom 17.9.2008 (SozR 4-2500 § 75 Nr 8), mit dem die bisherige Regelung wegen einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Krankenhausambulanzen beanstandet worden war, die Notfallvergütungen für die Zeit ab 1.1.2008 neu geregelt. Nach neuem Recht setzt sich die Honorierung von Leistungen im Notfall und im organisierten Not(fall)dienst aus drei Teilelementen zusammen. Als Grundpauschale ist eine "Notfallpauschale" bei Vorliegen eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts abrechenbar (Nr 01210 EBM-Ä 2008, bewertet mit 445 Punkten); hinzu kommt für jeden weiteren persönlichen oder anderen Arzt-Patienten-Kontakt eine "Notfallkonsultationspauschale" - wiederum differenziert nach der Zeit der Inanspruchnahme (Nrn 01214, 01216 und 01218 EBM-Ä 2008, bewertet mit 110, 365 bzw 445 Punkten). Notfallpauschale und Notfallkonsultationspauschalen werden jeweils durch die bereits erwähnten Zusatzpauschalen für die Besuchsbereitschaft ergänzt (Nrn 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM-Ä 2008, bewertet mit 280, 55, 225 bzw 280 Punkten). Die Zusatzpauschalen führen zu einer Erhöhung der Vergütungen - je nach Grundleistung - um ca 63 %, 50 %, ca 61 % bzw ca 63 %. Im Rahmen des organisierten Not(fall)dienstes durchgeführte Hausbesuche werden gesondert vergütet ("Dringender Besuch" nach Nr 01411 EBM-Ä 2008, bewertet mit 1325 Punkten).

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Die Vergütung der Notfallleistungen ist somit zum einen davon abhängig, ob der Patient die Praxis aufsucht oder ob ein Hausbesuch durchgeführt wird - Letzteres ist bei einem Fahrdienst die Regel -, zum anderen davon, wer die Leistung erbringt. Wird der Arzt in der Praxis aufgesucht, erhält er für den Erstkontakt die Notfallpauschale von 445 Punkten sowie die Zusatzpauschale von 280 Punkten, also 725 Punkte; wird ein Hausbesuch durchgeführt, kommt die Nr 01411 EBM-Ä 2008 mit 1325 Punkten hinzu, sodass insgesamt 2050 Punkte (sowie die Wegepauschale) angesetzt werden können. Demgegenüber erhält die von einem Patienten aufgesuchte Notfallambulanz eines Krankenhauses nur die 445 Punkte der Grundpauschale.

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Diese Rechtslage hat zur Folge, dass im Not(fall)dienst tätige Vertragsärzte regelhaft auch bei identischer Leistungserbringung eine höhere Vergütung erhalten als Krankenhausambulanzen. Diese Differenzierung wird dadurch bewirkt, dass die Zusatzpauschalen für "Besuchsbereitschaft" ausschließlich Vertragsärzten gewährt wird, weil Krankenhäuser - wie dargestellt - nicht am Besuchsdienst teilnehmen (können). Die Zusatzpauschalen werden allen am Not(fall)dienst teilnehmenden Ärzten gewährt, weil sie - Kraft ihrer Verpflichtung zur Teilnahme am Notdienst - als "besuchsbereit" gelten, also auch solchen, die den Notdienst in einer vertragsärztlichen Notfallambulanz verrichten und dort ausschließlich von Patienten aufgesucht werden. Diese Ärzte erbringen letztlich identische Leistungen wie die in einer Krankenhausambulanz tätigen Ärzte, erhalten hierfür aber einen Zuschlag, der 50 % bis 63 % der Grundvergütung beträgt.

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Mit der Zusatzpauschale "Besuchsbereitschaft" wird zudem keine eigenständige ärztliche "Leistung" abgegolten. Leistungsinhalt der strittigen Zusatzpauschalen ist - wie dargestellt - die "aktive" Besuchsbereitschaft in dem Sinne, dass sich Ärzte bereithalten, um im Bedarfsfall Patienten zu Hause aufsuchen zu können. Das subjektive Moment des Vorhaltens einer Bereitschaft bzw Motivation zur Teilnahme am Notdienst stellt schon deswegen keine "Leistung" eines Vertragsarztes dar, weil er zu dieser Teilnahme ohnehin verpflichtet ist; dies folgt aus seinem Zulassungsstatus (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 11 RdNr 14).

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Allenfalls der mit der Besuchsbereitschaft verbundene zeitliche Aufwand des Arztes käme als gesondert zu vergütende "Leistung" in Betracht. Dies unterstellt allerdings zum einen, dass der den Not(fall)dienst versehende Arzt über längere Zeit nicht in Anspruch genommen wird und diese Zeit nicht anderweitig vergütet erhält. Zum anderen stellt sich damit die Situation für den Notdienst tuenden Arzt mit Besuchsbereitschaft nicht anders dar als bei einem solchen, der keine Besuche durchführt, sondern in einer Ambulanz tätig ist. "Wartezeiten" fallen auch im Rahmen einer "passiven" Besuchsbereitschaft an. Schon der Begriff des "Notfalls" verdeutlicht, dass es sich hierbei um nicht planbare, unvorhersehbare Inanspruchnahmen handelt, und deshalb die Inanspruchnahme starken Schwankungen unterliegen kann. Ob die Notfallpatienten noch in der Lage sind, eine Praxis bzw Notfallambulanz aufzusuchen, oder ob ein Hausbesuch erforderlich ist, spielt insofern keine Rolle.

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Hinzu kommt, dass die Zusatzpauschalen für "Besuchsbereitschaft" nicht an die Leistung "dringender Besuch" geknüpft sind, sondern an den Arzt-Patienten-Kontakt im Notdienst bzw Notfall. Potentiell für Besuche zur Verfügung stehende Ärzte erhalten die Zusatzpauschale mithin unabhängig davon, wie viele Hausbesuche sie durchführen bzw ob dies überhaupt der Fall ist. Auch der fehlende Zusammenhang zwischen den Zusatzpauschalen für eine "Besuchsbereitschaft" und der tatsächlichen Durchführung von Besuchen legt die Annahme nahe, dass die zusätzliche Vergütung nicht für eine Besuchsbereitschaft, sondern allein für die Teilnahme am ärztlichen Not(fall)dienst gewährt wird und damit letztlich weiterhin eine höhere Vergütung der im ärztlichen Not(fall)dienst erbrachten Leistungen der Vertragsärzte an sich beabsichtigt ist.

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(2) Ausnahmen von dem Grundsatz gleicher Vergütung von Vertragsärzten und Krankenhäusern in Notfällen bedürfen zwingender Gründe. Eine sachliche Rechtfertigung für die zusätzliche Gewährung der Zusatzpauschalen "Besuchsbereitschaft" an Vertragsärzte vermag der Senat jedoch nicht zu erkennen.

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Soweit hierzu auf einen nicht unerheblichen sächlichen und organisatorischen Aufwand für die Besuchsbereitschaft verwiesen wird, zu dem die Bereithaltung eines Fahrzeugs mit entsprechender Versicherung, eine Notfallausrüstung und ein Mobiltelefon (mit entsprechenden Kosten) gehören, trägt dies nicht. Es ist nicht erkennbar, dass mit einer bloßen "Besuchsbereitschaft" substantielle Kosten für den Arzt verbunden sind. Soweit etwaige Vorhaltekosten nicht ohnehin dadurch entfallen, dass die Tätigkeit in einer ärztlichen Notfallambulanz oder im Rahmen eines organisierten Fahrdienstes ausgeübt wird, beschränken sich diese darauf, dass der am Not(fall)dienst teilnehmende Arzt zwecks Erreichbarkeit über ein Mobiltelefon und zwecks Mobilität über ein Kraftfahrzeug verfügen muss. Es dürfte kaum Ärzte geben, die entsprechende Anschaffungen allein wegen der Besuchsbereitschaft getätigt haben. Fahrzeugkosten werden im Übrigen durch die - im Falle der Inanspruchnahme gezahlte - Wegepauschale mit abgedeckt.

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Im Übrigen sind auch mit einer "passiven" Rufbereitschaft Kosten verbunden (insbesondere mit der erweiterten Raumnutzung verbundene Heiz- und Beleuchtungskosten), die nicht gesondert vergütet werden. Dem Argument, nur die im organisierten Notfalldienst tätigen Ärzte hätten zusätzlichen Organisationsaufwand und ggf weitere Kosten, ist der Senat bereits entgegen getreten (vgl BSG SozR 3-2500 § 120 Nr 7 S 38; BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 19). Die Situation in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser unterscheidet sich insoweit nicht wesentlich von denen des organisierten Notfalldienstes der niedergelassenen Ärzte (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 19). Der Gesichtspunkt, dass nur die Vertragsärzte die Kosten für Organisation und Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes zu tragen haben, vermag eine privilegierte Vergütung von deren Notfallleistungen nicht zu rechtfertigen (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 18; bekräftigt durch BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 20; aA allerdings noch BSG Urteil vom 18.10.1995 - 6 RKa 59/94 - mwN = USK 95125).

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Dass eine Besserstellung der Vergütung von Vertragsärzten zur Stärkung des Anreizes für die Teilnahme am Notdienst kein sachgerechtes Differenzierungskriterium darstellt, hat der Senat ebenfalls bereits entschieden (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 20; bekräftigt durch BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 20). Die Steigerung der Motivation zur Erfüllung einer ohnehin bestehenden Verpflichtung ist kein sachlicher Grund für eine Vergütungsprivilegierung, zumal auch die Krankenhäuser im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zur Durchführung von Notfallbehandlungen verpflichtet sein können (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 20). Auch die gesonderte Vergütung der Besuchsbereitschaft dient letztlich dazu, einen besonderen "Anreiz" für Vertragsärzte zu schaffen, wie nicht zuletzt die Argumentation der Beklagten mit den - nur von den Ärzten zu tragenden - Beschwernissen der Hausbesuchstätigkeit verdeutlicht. Die mit Hausbesuchen verbundenen besonderen Belastungen vermögen zwar eine erhöhte Besuchsvergütung, nicht jedoch Zusatzpauschalen für eine "Besuchsbereitschaft" zu rechtfertigen. Nicht gebilligt hat das BSG schließlich das ordnungspolitische Ziel, einer Inanspruchnahme von Krankenhäusern für Notfallbehandlungen entgegenzuwirken (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 20).

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4. Die dargestellten Verstöße des EBM-Ä 2008 gegen höherrangiges Recht bei der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen in Krankenhäusern führen nicht automatisch dazu, dass die Beklagte die vorgenommenen Richtigstellungen aufzuheben und den Honoraranforderungen der Klägerin in vollem Umfang nachzukommen hätte. Vielmehr ist sie grundsätzlich an die Bestimmungen des EBM-Ä gebunden. Daher ist zunächst dem BewA als Normgeber des EBM-Ä Gelegenheit zu einer gesetzeskonformen Neuregelung zu geben (vgl BSGE 83, 218, 223 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 21 S 113 f; speziell zur Notfallvergütung: BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 4 RdNr 21-22 sowie BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 29; vgl auch BVerfG Beschluss vom 22.10.2004 - 1 BvR 550/04 ua - SozR 4-2500 § 87 Nr 6 RdNr 20). Anlass für eine entsprechende Fristsetzung sieht der Senat nicht, weil er von einer zügigen Umsetzung der Neuregelung ausgeht. Sodann hat die Beklagte erneut über die Vergütung der im Quartal II/2008 in der Krankenhausambulanz der Klägerin erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen zu entscheiden.

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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.