Sozialgericht München Gerichtsbescheid, 28. Aug. 2015 - S 12 P 228/14

bei uns veröffentlicht am28.08.2015

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung unter Zugrundelegung der Pflegestufe III. Der 1944 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegeversichert. Seit 1. Dezember 2009 bezieht er Leistungen der Pflegestufe II.

Aufgrund eines Antrags auf Höherstufung wurde mit Gutachten vom 21. Mai 2013 an pflegebegründenden Diagnosen dilatative Kardiomyopathie, Angst und depressive Störung gemischt, Störung des Ganges und der Mobilität, Diabetes mellitus Typ II insulinpflichtig, inkomplette Harninkontinenz, gelegentliche Stuhlinkontinenz, Z. n. Schrittmacherimplantation 2002, hochgradige Innenohrschwerhörigkeit, Trommelfelldefekt links, Osteochondrose der Wirbelsäule, chronische Instabilität des Kniegelenks sowie chronische Bronchitis festgestellt. Es wurde ein Hilfebedarf bei der Körperpflege in Höhe von 73 min, bei der Ernährung in Höhe von 48 min sowie bei der Mobilität in Höhe von 35 min ermittelt. Ein Zeitaufwand für die Hauswirtschaft wurde in Höhe von 60 min pro Tag festgestellt.

Daraufhin wurde mit Bescheid vom 27. Mai 2013 die begehrte Höherstufung abgelehnt. Es liege lediglich Pflegebedürftigkeit gemäß der Pflegestufe II vor.

Hiergegen legte die Ehefrau des Klägers mit Schreiben vom 3. Juli 2013 Widerspruch ein und beantragte erneut die Höherstufung. Mit Gutachten des MDK vom 13. September 2013 wurde das zuvor gefundene Ergebnis bestätigt und darüber hinaus festgestellt, dass die Alltagskompetenz des Klägers im Sinne der § 45 a SGB XI erheblich eingeschränkt sei. Daraufhin wurden dem Kläger mit Bescheid vom 24. September 2013 zusätzliche Betreuungsleistungen bis zu 100.-Euro pro Monat ab dem 1. September 2013 bewilligt. Eine Höherstufung wurde abgelehnt. Am 11. November 2013 wurde Widerspruch ohne Benennung eines konkreten Bescheides erhoben und Leistungen der Pflegestufe III ab März 2013 begehrt. Daraufhin wurde nach Überwindung von Terminschwierigkeiten am 9. Juli 2014 nochmals eine Begutachtung durch den MDK durchgeführt und festgestellt, dass Hilfebedarf bei der Körperpflege in Höhe von 74 min, bei der Ernährung in Höhe von 30 min sowie bei der Mobilität in Höhe von 33 min bestehe. Pflegeerschwerende oder erleichternde Faktoren bestünden nicht. Insgesamt ergebe sich ein Zeitaufwand bei der Grundpflege von 137 min pro Tag, sowie ein Zeitaufwand für die Hauswirtschaft von 60 min pro Tag. Dies ergebe die Pflegestufe II.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2014 wurde die begehrte Höherstufung in Pflegestufe III nochmals abgelehnt.

Hiergegen erhob der Kläger durch seine Ehefrau am 21. August 2014 Klage und gleichzeitig Widerspruch. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 27. Mai 2013 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 12. März 2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers

1. Der Bescheid vom 27. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Pflegestufe III zu gewähren.

Der Zeitaufwand für die Grundpflege betrage mindestens 4 h.

Der gerichtlich beauftragte Sachverständige Dr. C. stellte mit Gutachten vom 11. April 2015 unter Zuhilfenahme einer Dolmetscherin fest, dass eine körperliche und psychopathologische Testung aufgrund der mangelnden Mitarbeit des Kläger nicht durchgeführt werden haben können. An Gesundheitsstörungen liege vor ein dringender Verdacht auf Schizophrenie, Depression mit beginnenden schizophrenen Zügen, Anpassungsstörung, Verhaltensstörung, partielle Harn- und Stuhlinkontinenz, Gehbehinderung unklarer Genese, sehr schlecht eingestellter insulinpflichtiger Diabetes mellitus, Osteochondrose der Wirbelsäule, chronische Bronchitis, Instabilität der Kniegelenke, Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, dilatative Cardiomyopathie, Herzschrittmacher 2002 und eine koronare Herzerkrankung.

Ermittelt wurde ein Hilfebedarf bei der Körperpflege von 84 min pro Tag, bei der Ernährung von 58 min pro Tag sowie der Mobilität von 49 min pro Tag, somit insgesamt 191 min pro Tag an Hilfebedarf bei der Grundpflege. Ein anrechenbarer hauswirtschaftlicher Bedarf wurde mit 60 min pro Tag ermittelt.

Die Befunderhebung vor Ort sei schwierig gewesen, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, bei der Untersuchung mitzuarbeiten und die Ehefrau die gestellten Fragen oft ausweichend und nicht plausibel beantwortet habe. Im Vordergrund stehe beim Kläger eine psychische Erkrankung, die nicht hinreichend abgeklärt sei. Es sei jedoch in der Zusammenschau der Befunde davon auszugehen, dass im streitgegenständlichen Zeitraum lediglich die Voraussetzungen zur Zuerkennung der Pflegestufe II vorgelegen hätten. Wesentliche pflegeerschwerende oder pflegeerleichternde Faktoren seien nicht gegeben.

Es läge jedoch eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz im Sinne der § 45 SGB XI vor.

Die Ehefrau des Klägers teilte am 23. April 2015 telefonisch mit, dass das Gutachten falsch sei. Konkrete Kritikpunkte wurden nicht geäußert, auch den im Folgenden eingereichten, umfangreichen handschriftlichen Schriftsätzen, die z. T. sehr schwer leserlich waren, konnte konkrete Kritik an einzelnen Feststellungen nicht entnommen werden.

Die Beklagte teilte mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 mit, dass eine in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz ab April 2013 angenommen werde. Die mit Bescheid vom 24. September 2013 genehmigten zusätzlichen Betreuungsleistungen seien bislang nicht in Anspruch genommen worden.

Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2015 wurde von der Beklagten Klageabweisung beantragt.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2015 wurden ab dem 1. April 2013 zusätzliche Betreuungsleistungen bis zu 200.-Euro monatlich bewilligt. Der Bescheid vom 24. September 2013 wurde insoweit aufgehoben.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakte des Gerichts, insbesondere auf das Gutachten von Herrn Dr. C. sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, hierbei insbesondere auf die drei Gutachten des MDK verwiesen.

Gründe

Das Gericht hat den Rechtsstreit gem. § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu gehört.

Für die Entscheidung über die Klage war das Sozialgericht München örtlich (§ 57 SGG) und sachlich (§ 8 SGG) zuständig. Die Klage wurde nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 5. November 2014 zulässig.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Streitgegenständlich sind die Bescheide vom 27. Mai 2013, 24. Juli 2013 sowie 16. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2014. Die beiden letzteren Bescheide wurden gem. § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens. Inhaltlich sind streitgegenständlich Leistungen der Pflegestufe III ab Erstbeantragung höherer Leistungen am 9. April 2013.

Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von weiteren Leistungen aus der Pflegeversicherung unter Zugrundelegung einer höheren Pflegestufe abgelehnt.

Nach § 14 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 11. Buch (SGB XI) sind pflegebedürftig im Sinne des SGB XI solche Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, zumindest in erheblichem Maße der Hilfe bedürfen. Hilfe in diesem Sinne besteht in der Unterstützung, in der teilweisen oder vollständigen Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens oder in Beaufsichtigung oder Anleitung mit dem Ziel der eigenständigen Übernahme dieser Verrichtungen (§ 14 Abs. 3 SGB XI). Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließlich der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen, die Abs. 4 der Vorschrift in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie in den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt.

Gemäß § 15 Abs. 1 Ziffer 1 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe III zuzuordnen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Für Leistungen nach der Pflegestufe III ist es erforderlich, dass der wöchentliche Zeitaufwand, den eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für alle für die Versorgung des Pflegebedürftigen nach Art und Schwere seiner Pflegebedürftigkeit erforderlichen Leistungen in der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, im Tagesdurchschnitt mindestens fünf Stunden beträgt, wobei der grundpflegerische Aufwand mit mindestens vier Stunden gegenüber dem hauswirtschaftlichen Aufwand im Vordergrund stehen muss.

Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme besteht beim Kläger kein Hilfebedarf bei der Grundpflege von mindestens vier Stunden täglich.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. C. hat in seinem Gutachten vom 11. April 2015 einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 191 Minuten festgestellt und damit das Ergebnis der MDK-Gutachten vollinhaltlich bestätigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird darüber hinaus auf die Darstellung des Hilfebedarfs des Klägers bei den einzelnen Verrichtungen der Grundpflege durch Herrn Dr. C. Bezug genommen.

Die Einwände der Ehefrau des Klägers sind allgemein gegen das Gutachten gerichtet. Konkrete Feststellungen werden nicht kritisiert. Das Gericht hat keinen Anlass, an den Ausführungen des Sachverständigen zu zweifeln und schließt sich seiner Einschätzung des Hilfebedarfs der Klägerin an. Der Sachverständige hat den Kläger soweit möglich begutachtet sowie alle vorliegenden Befunde und die Angaben der anwesenden pflegenden Ehefrau in die Bewertung des Hilfebedarfs mit einbezogen. Der Sachverständige verfügt insbesondere im Bereich der Pflegeversicherung über spezialisierte Kenntnisse, welche ihn im besonderen Maße befähigen, die entsprechenden Einstufungen unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und der Begutachtungsrichtlinien zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit sachgerecht vorzunehmen. Weiterhin ist festzustellen, dass vier nach persönlicher Befunderhebung erstellte Gutachten zum gleichlautenden Ergebnis kommen und einen Hilfebedarf weit unter den für die Pflegestufe III erforderlichen vier Stunden annehmen. Daher ist selbst bei etwaigen Unschärfen der Gutachten aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten vom Vorliegen der Pflegestufe II auszugehen.

Dies schließt nicht aus, dass sich der Hilfebedarf der Klägerin unter häuslichen Bedingungen zuweilen höher darstellen mag, als in dem von Amts wegen eingeholten Gutachten zum Ausdruck kommt. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass dem Kläger in seinem häuslichen Umfeld aufgrund persönlicher Verbundenheit und Fürsorge mehr an Hilfe und Betreuung zuteil wird, als nach den strengen Kriterien des Pflegeversicherungsgesetzes an Pflegezeit anrechenbar ist. Unter Berücksichtigung der Maßgaben des SGB XI hat es jedoch für die Entscheidung des Gerichts bei den von dem Sachverständigen getroffenen Feststellungen zur Pflegezeit zu verbleiben.

Der gutachtlich festgestellten in erhöhtem Maße eingeschränkte Alltagskompetenz wurde durch Bewilligung von zusätzlichen Betreuungsleistungen von bis zu 200.- € monatlich ab 1. April 2013 vollumfänglich Rechnung getragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

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Sozialgericht München Gerichtsbescheid, 28. Aug. 2015 - S 12 P 228/14 zitiert 8 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86


Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 14 Begriff der Pflegebedürftigkeit


(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 57


(1) Örtlich zuständig ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem fü

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 45 Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen


(1) Die Pflegekassen haben für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen unentgeltlich Schulungskurse durchzuführen, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betre

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 8


Die Sozialgerichte entscheiden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, im ersten Rechtszug über alle Streitigkeiten, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offensteht.

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(1) Die Pflegekassen haben für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen unentgeltlich Schulungskurse durchzuführen, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern und ihrer Entstehung vorzubeugen. Die Kurse sollen Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege vermitteln. Auf Wunsch der Pflegeperson und der pflegebedürftigen Person findet die Schulung auch in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen statt. § 114a Absatz 3a gilt entsprechend. Die Pflegekassen sollen auch digitale Pflegekurse anbieten; die Pflicht der Pflegekassen zur Durchführung von Schulungskursen nach Satz 1 vor Ort bleibt unberührt.

(2) Die Pflegekasse kann die Kurse entweder selbst oder gemeinsam mit anderen Pflegekassen durchführen oder geeignete andere Einrichtungen mit der Durchführung beauftragen.

(3) Über die einheitliche Durchführung sowie über die inhaltliche Ausgestaltung der Kurse können die Landesverbände der Pflegekassen Rahmenvereinbarungen mit den Trägern der Einrichtungen schließen, die die Pflegekurse durchführen.

(1) Örtlich zuständig ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen. Klagt eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ein Unternehmen der privaten Pflegeversicherung oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts oder des Schwerbehindertenrechts ein Land, so ist der Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten maßgebend, wenn dieser eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist.

(2) Ist die erstmalige Bewilligung einer Hinterbliebenenrente streitig, so ist der Wohnsitz oder in Ermangelung dessen der Aufenthaltsort der Witwe oder des Witwers maßgebend. Ist eine Witwe oder ein Witwer nicht vorhanden, so ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die jüngste Waise im Inland ihren Wohnsitz oder in Ermangelung dessen ihren Aufenthaltsort hat; sind nur Eltern oder Großeltern vorhanden, so ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Eltern oder Großeltern ihren Wohnsitz oder in Ermangelung dessen ihren Aufenthaltsort haben. Bei verschiedenem Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Eltern- oder Großelternteile gilt der im Inland gelegene Wohnsitz oder Aufenthaltsort des anspruchsberechtigten Ehemanns oder geschiedenen Mannes.

(3) Hat der Kläger seinen Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort im Ausland, so ist örtlich zuständig das Sozialgericht, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat.

(4) In Angelegenheiten des § 51 Abs. 1 Nr. 2, die auf Bundesebene festgesetzte Festbeträge betreffen, ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat, in Angelegenheiten, die auf Landesebene festgesetzte Festbeträge betreffen, das Sozialgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat.

(5) In Angelegenheiten nach § 130a Absatz 4 und 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die zur Entscheidung berufene Behörde ihren Sitz hat.

(6) Für Antragsverfahren nach § 55a ist das Landessozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Körperschaft, die die Rechtsvorschrift erlassen hat, ihren Sitz hat.

(7) In Angelegenheiten nach § 7a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Auftraggeber seinen Sitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat dieser seinen Sitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz im Ausland, ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Auftragnehmer seinen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat.

Die Sozialgerichte entscheiden, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, im ersten Rechtszug über alle Streitigkeiten, für die der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit offensteht.

Wird während des Vorverfahrens der Verwaltungsakt abgeändert, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Vorverfahrens; er ist der Stelle, die über den Widerspruch entscheidet, unverzüglich mitzuteilen.

(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.

(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:

1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen;
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch;
3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen;
4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen;
5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen:
a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel,
b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung,
c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie
d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.

(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.