Sozialgericht Koblenz Beschluss, 26. Juni 2013 - S 8 KR 352/13 ER
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
- 1
Die Mutter als gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Antragstellerin begehrt mit dem vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren, die Antragsgegnerin sinngemäß zu verpflichten, der Antragstellerin einen Zuschuss für den im Zeitraum vom 29.06.2013 bis zum 13.07.2013 im Kinderhospiz in T. geplanten stationären Hospizaufenthalt zu gewähren.
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Die im … 2000 geborene Antragstellerin leidet unter einer unheilbar und progredient verlaufenden infantilen Cerebralparese mit Tetraspastik, einer Epilepsie sowie einer multifokalen rekurrierenden Osteomyelitis (also einer Knochenmarksentzündung) bei daneben bestehender Windeldermatitis.
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Die Antragstellerin hatte durch ihre Mutter bereits im April 2012 einen Antrag auf Kostenbewilligung für einen stationären Hospizaufenthalt bei der Antragsgegnerin gestellt (vgl. Blatt (Bl.) 7 + 1 d. Verwaltungsakte (VwA)). Ungeachtet der Tatsache, dass eine Entscheidung durch die Antragsgegnerin nicht rechtzeitig vorlag, trat die Antragstellerin dennoch Ende Juni 2012 den stationären Aufenthalt im Kinder- und Jugendhospiz in T. an (vgl. Bl. 3 d. VwA). Die Stiftung Kinderhospiz … e.V., die Trägerin des genannten Kinderhospizes ist, wandte sich daraufhin im Juli 2012 an die Antragsgegnerin mit der Bitte den Zuschuss zu den Kosten des stationären Hospizaufenthaltes der Antragstellerin zu übernehmen (vgl. Bl. 3 d. VwA). Die Antragsgegnerin schaltete daraufhin den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser legte eine Stellungnahme des Herrn Dr. D. vom 04.07.2012 vor (vgl. Bl. 5 f. d. VwA). Hierin gab der genannte Arzt an, dass im konkreten Fall der Antragstellerin eine verminderte Lebenserwartung "nur" bedeuten würde, dass es bei ihr aufgrund der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen immer wieder zu Komplikationen kommen könne, wie z.B. einer Pneumonie, die im Einzelfall auch zum Tode führen könne, nur insoweit sei die Lebenserwartung gegenüber einem gleichartigen gesunden Kollektiv verkürzt. Es bedeute jedoch nicht, dass konkret ein Krankheitsstadium vorliege, das zwangsläufig in absehbarer Zeit zum Tode führe. Da eine Heilung nicht möglich sei, verbleibe zwar nur eine palliative, symptomorientierte Behandlung als Option, jedoch sei bisher 2012 keine richtungweisende Verschlechterung eingetreten.
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Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 12.10.2012 (Bl. 7 d. VwA) eine Übernahme der Hospizkosten unter Hinweis darauf ab, dass eine Hospizpflege eine Finalpflege darstelle. Der Aufenthalt der Antragstellerin würde im konkreten Fall zudem vorrangig der Entlastung der Pflegepersonen dienen und stelle insoweit einen Anspruch auf Leistungen gegenüber der Pflegeversicherung (und nicht der Krankenversicherung) dar.
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Hiergegen erhob die Mutter der Antragstellerin mit der Begründung Widerspruch, dass es für Kinder Sonderregelungen im Rahmen der Hospizversorgung gebe, denen die Antragsgegnerin nicht hinreichend Rechnung getragen habe (Bl. 8 d. VwA). Aus der Verwaltungsakte wird nicht ersichtlich, ob über diesen Widerspruch schon im Wege eines Widerspruchbescheides entschieden worden ist.
- 6
Aus der Verwaltungsakte ergibt sich jedoch, dass die Antragstellerin bzw. ihre gesetzliche Vertreterin - also ihre Mutter - durch die Vorlage einer „Verordnung von häuslicher Krankenpflege(?)“ durch die Internisten Herren Dres. J. und K. aus N. vom 29.11.2012 erneut einen Anlauf starteten, eine Kostenbewilligung für einen stationären Kinderhospizaufenthalt im Zeitraum von Dezember 2012 bis Januar 2013 zu erhalten(Bl. 12 ff. d. VwA). Im Rahmen dieses von der Stiftung Kinderhospiz Mitteldeutschland Nordhausen e.V. mit initiierten Antrags (vgl. Bl. 16 d. VwA) gaben die soeben erwähnten behandelnden Ärzte auf einem Vordruck der „Bescheinigung eines Arztes über die Notwendigkeit der stationären Hospizpflege“ (Bl. 15 ff. d. VwA) an, dass die Antragstellerin unter Krampfanfällen und einer Schmerzsymptomatik bei chronischer Knochenhautentzündung in der LWS und chronischer Verstopfung bei Spastik leide. Es bestünde eine dringende Notwendigkeit der Entlastung der Pflegepersonen, da diese ansonsten ausfallen könnten und die häusliche Krankenpflege nicht mehr gesichert wäre. Zudem sei die Schmerzsymptomatik der Antragstellerin sehr belastend (Bl. 13 d. VwA).
- 7
Die Antragsgegnerin schaltete daraufhin erneut den MDK ein. In der daraufhin vom MDK vorgelegten Stellungnahme durch Herrn Dr. L. vom 17.12.2012 (Bl. 23 ff d. VwA) bleib der MDK weitgehend bei seiner schon bisher dargelegten Auffassung. Jedoch wies er darauf hin, dass bei einem symptomatischen Anfallsleiden – wie bei der Antragstellerin – Aspirationen oft unumgänglich seien und daher wegen des erhöhten Überwachungsaufwandes in diesem Einzelfall eine Entlastungsversorgung in einem Kinderhospiz sozialmedizinisch vertretbar erscheine, sofern sich keine Kinderkurzzeitpflege von der Pflegeversicherung erlangen ließe. Generell sei eine Hospizpflege aber auch bei Kindern als eine finale Pflege gedacht.
- 8
Da eine Entscheidung der Antragsgegnerin nicht erfolgte, nahm die Antragstellerin dennoch die Hospizpflege im Zeitraum vom 20.12.2012 bis zum 04.01.2013 im Kinder- und Jugendhospiz in T. in Anspruch. Das genannte Hospiz stellte der Antragsgegnerin daraufhin im Januar 2013 einen Betrag für die 15 Tage des stationären Aufenthaltes in Höhe von 3.804,90 Euro in Rechnung (Bl. 28 d. VwA).
- 9
Mit einem Bescheid vom 27.03.2013 (Bl. 29 d. VwA) lehnte die Beklagte auch diesen Antrag unter Hinweis auf die fehlenden Voraussetzungen des § 39a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) ab.
- 10
Auch hiergegen erhob die Mutter der Antragstellerin fristgerecht Widerspruch (Bl. 30, 31 und 32 d. VwA), ohne dass aus der Verwaltungsakte erkennbar ist, das über diesen bisher entschieden worden ist.
- 11
Mit einem am 05.06.2013 bei dem Sozialgericht (SG) Koblenz eingegangenen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz begehrt die Antragstellerin – wie bereits dargelegt - die Antragsgegnerin zur Gewährung eines im Zeitraum vom 29.06.2013 bis zum 13.07.2013 im Kinder- und Jugendhospiz in T. geplanten stationären Hospizaufenthalt zu verpflichten. Hierfür haben die Rechtsanwälte der Antragstellerin einen von dem behandelnden Internisten Herrn Dr. K. am 10.05.2013 gestellten Antrag vorgelegt (Bl. 9 ff d. Gerichtsakte (GA)), in dem nunmehr an weiteren Diagnosen noch starke Kopfschmerzen der Antragstellerin sowie eine Optikusatrophie beidseits (also eine Rückbildung des Sehnervs) angegeben wurde sowie einen Hinweis darauf, dass die Epilepsie schwer einstellbar sei und eine schwere Verstopfung bestehe.
- 12
Die Rechtsanwälte der Antragstellerin sind der Ansicht, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund bestünde. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus § 39 a Abs. 1 Satz 1 SGB V in Verbindung mit der „Rahmenvereinbarung nach § 39 a Abs. 1 Satz 4 SGB V über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung“ in der Fassung vom 14.04.2010. Anspruchsberechtigt seien nach § 2 Abs. 1 a der genannten Rahmenvereinbarung Versicherte, die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung hätten, die sich bei Kindern jedoch auch ausdrücklich auf Jahre erstrecken könne. Insoweit sei es rechtsfehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin die Leistung mit der Begründung ablehne, dass ein Hospiz eine Einrichtung darstelle, in der lediglich unheilbare Kranke in der letzten Lebensphase im Sinne einer menschenwürdigen Sterbebegleitung eine entsprechende Versorgung erfahren könnten, da diese Sichtweise nicht den Kinderhospizeinrichtungen gerecht würde. Diese Kinderhospize seien auf die besonderen Bedürfnissen und Wünschen von Kindern mit lebenslimitierenden Erkrankungen und ihren Familien eingerichtet. Davon, dass eine Inanspruchnahme eines Kinderhospizes nur eingeschränkt, und zwar in der letzten Lebensphase, zur Verfügung stehen solle, käme in der Rahmenvereinbarung gerade nicht zum Ausdruck. Vielmehr sei dort in § 2 Abs. 1 c ausdrücklich geregelt, dass bei erkrankten Kindern der Entlastung des Familiensystems bereits ab Diagnosestellung eine besondere Bedeutung zukomme. Dies bedeute, dass durch die jährlich vierwöchige Versorgung in einem Kinderhospiz sowohl dem betroffenen Kind als auch seiner Familie die entsprechend in dieser Einrichtung gewährte Unterstützung zu Gute kommen solle (Bl. 1 ff + 68 ff d. GA). Es bestehe auch ein Anordnungsgrund, da die Maßnahme schon in zeitlich kurzer Nähe ab dem 06.07.2013 durch Reservierung in der entsprechenden Einrichtung in Anspruch genommen werden solle und die Antragsgegnerin bereits seit geraumer Zeit nicht über die entsprechenden Anträge der Antragstellerin entschieden habe. Die Antragstellerin selber sei aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage, die anfallenden Kosten in Höhe von 3.000,00 – 4.000,00 Euro aus eigenen Mitteln vorzulegen.
- 13
Die Antragsgegnerin hat zunächst mitgeteilt, dass ihr der Antrag von Mai 2013 bisher noch gar nicht vorgelegen habe (Bl. 52 ff d. GA). Sie ist der Auffassung, dass der Antrag abzulehnen sei. Ein Kostenzuschuss aus Leistungen der Pflegeversicherung habe im konkreten Fall auszuscheiden, da diese Leistungen (also eine Kurzzeitpflege/Verhinderungspflege) weitgehend aufgebraucht seien. Ein Anspruch auf einen Zuschuss zur palliativ- medizinischen oder palliativ-pflegerischen Versorgung nach § 39 a SGB V für einen stationären Hospizaufenthalt habe auszuscheiden, da dieser nur dann in Betracht kommen könne, wenn eine bedarfsgerechte Palliativversorgung im Haushalt oder der Familien der Versicherten nicht mehr erbracht werden könne, was im konkreten Fall nicht ersichtlich sei. Nach den vorliegenden Unterlagen handele es sich nicht um eine Finalpflege, sondern um eine Familienentlastung., weshalb eine Hospizversorgung auszuscheiden habe.
II.
- 14
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
- 15
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Rahmen der zur Feststellung dieser Voraussetzungen zu treffenden Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine entscheidende Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung letztlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt, wie dies im konkreten Fall gegeben ist. Der Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung ist zwar wegen des Gebots zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG)) nicht von vornherein ausgeschlossen, muss jedoch die Ausnahme bleiben. Grundsätzlich kann der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur dann zum Erfolg führen, wenn der geltend gemachte Anspruch (das heißt der Anordnungsanspruch) bei einer summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage als hinreichend wahrscheinlich begründet angesehen werden kann (vgl. Keller im Kommentar zum SGG von Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Aufl., § 86 b Rz. 29) und zum anderen auch ein Anordnungsgrund besteht, das heißt, dem Betroffenen ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache im Klageweg nicht zumutbar ist, bzw. - sofern ein Fall der Vorwegnahme der Hauptsache vorliegt – durch ein Unterbleiben der begehrten Anordnung für den Betroffenen Nachteile drohen, die schlechthin unzumutbar sind. Hierbei hat das Gericht bei einer Entscheidung, durch die das Grundrecht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit betroffen wird – also Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) tangiert wird – wie dies vorliegend der Fall ist – bei der Prüfung der Erfolgsaussichten einen höheren Sorgfaltsmaßstab anzulegen, weil auch eine Folgenabwägung zu erfolgen hat (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02 -, zit. in NJW 2003, Seite 1236 sowie Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Schleswig-Holstein vom 24.09.2007 - L 5 KR 504/07 KR ER – und des LSG Berlin-Brandenburg vom 01.012.2005 - L 1 B 1039/05 KR ER -).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Eilantrag der Antragstellerin vorliegend im Ergebnis abzulehnen.
- 17
Zunächst ist der Antrag der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass nicht die Gewährung eines stationären Aufenthaltes in einem Kinderhospiz begehrt wird, sondern - wie es das Gesetz alleine in § 39 a Abs. 1 Satz 1 SGB V vorsieht - ein Zuschuss zu einer Hospizversorgung begehrt wird. Unter Berücksichtigung einer analogen Anwendung des § 123 SGG, in dem geregelt ist, dass das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche entscheidet, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, ist das Gericht auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gehalten, Anträge so auszulegen, dass sie die Betroffen zu ihrem Ziel führt (vgl. Keller im Kommentar zum SGG von Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl., § 123 Rz. 3).
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Die Gewährung des mithin begehrten Zuschusses zum stationären Hospizaufenthaltes im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung stellt eine klassische Vorwegnahme der Hauptsache dar. Die Antragstellerin würde nämlich im einstweiligen Rechtsschutz bereits dasjenige erreichen, was eigentlich erst nach einer Klärung der Rechts- und Sachlage im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens (also eines Klageverfahrens) erlangt werden könnte. Eine solche Vorwegnahme der Hauptsache im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann jedoch - wie soeben erwähnt - nur unter engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben, da die Gewährung des Zuschusses für einen stationären Kinderhospizaufenthalt im Falle der Antragstellerin als derzeit überwiegend unwahrscheinlich anzusehen ist und sich auch aus der Folgenabwägungen keine Hinweise darauf erkennen lassen, dass im Falle der Nichtgewährung der begehrten Leistung ein irreversibler, die Grundrechte tangierender Schaden eintreten würde.
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Anspruchsgrundlage für die von der Antragstellerin begehrte Gewährung eines Zuschusses zu einem stationären Kinderhospizaufenthaltes ist § 39 a Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hiernach haben Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, im Rahmen der Verträge nach Satz 4 (des § 39 a Abs. 1 SGB V) einen Anspruch auf einen Zuschuss zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann.
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Wie sich auch schon aus dem Wortlaut des Gesetzestextes in § 39 a Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt, der in der Normhierarchie über den „Rahmenvereinbarung nach § 39 a Abs. 1 Satz 4 SGB V über Art und Umfang sowie Sicherung der Qualität der stationären Hospizversorgung“ in der Fassung vom 14.04.2010 (folgend nur noch als „Rahmenvereinbarung“ bezeichnet) steht, kommt ein entsprechender Zuschuss zu einer stationären Versorgung in einem Hospiz erst dann in Betracht, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht mehr erbracht werden kann.
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Unabhängig von der vorliegend geführten Diskussion, ob ein stationärer Hospizaufenthalt immer erst in einer letzten Lebensphase gewährt werden kann, also im Ergebnis eine Sterbebegleitung darstellt, wofür im Ergebnis die gesetzliche Regelung in § 39 a Abs. 2 SGB V spricht, in dem die einer stationären Hospizversorgung vorrangig zu gewährende ambulante Hospizversorgung geregelt ist und in dem stets davon ausgegangen wird, dass es sich bei einer Hospizversorgung letztlich um eine Sterbebegleitung handelt, ist ein Anspruch auf Gewährung zu einem Zuschuss zu einer stationären Hospizversorgung nach dem klaren Gesetzeswortlaut erst dann möglich, wenn aus medizinischen Gründen, die die Person des Versicherten und dessen Zustand betreffen, eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten (also der Antragstellerin) nicht mehr erbracht werden kann.
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Im vorliegenden Fall ist der Antragsgegnerin zuzustimmen, dass sich in den Unterlagen keinerlei Hinweise darauf finden lassen, dass die ansonsten unbestritten üblicherweise erfolgende ambulante Versorgung der Antragstellerin im Haushalt ihrer Familie aus medizinischen Gründen (zum Beispiel durch eine sich krisenhaft verschlimmernde Erkrankungssituation der Antragstellerin) plötzlich dort nicht mehr möglich war bzw. ist.
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Eine entsprechende Verschlimmerung der Krankheitssituation - die nach hier vertretender Auffassung sogar den Charakter einer sich dem Lebensende annähernden Situation aufweisen müsste - wird weder von den Ärzten noch den Eltern der Antragstellerin oder ihren Rechtsanwälten vorgetragen. Diese gehen vielmehr sogar ausdrücklich davon aus, dass der Antragstellerin als einem unheilbar kranken Versicherten mit einer begrenzten Lebenserwartung jährlich ein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu einem vierwöchigen stationären Kinderhospizaufenthalt zustehe und zwar praktisch ungeachtet der aktuellen gesundheitlichen Situation, der unzweifelhaft schwersterkrankten Antragstellerin. Ein solcher Anspruch lässt sich dem Gesetz in § 39 a Abs. 1 Satz 1 SGB V hingegen nicht entnehmen (vgl. insoweit auch Beyer in juriPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 39a SGB V, Rz. 60, der ausdrücklich darlegt, dass auch bei Kindern eine stationäre Behandlung nur bei Krisensituationen in Betracht kommt.).
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Zwar ist den Rechtsanwälten der Antragstellerin grundsätzlich darin zuzustimmen, dass bei Kindern von einer begrenzten Lebenserwartung auch dann auszugehen ist, wenn diese ggf. noch eine Lebenswartung von mehreren Jahren und nicht wie bei Erwachsenen nur von Tagen, Wochen oder wenigen Monaten aufweisen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass nach dem Gesetz für die Gewährung eines Zuschusses zu einer stationären Hospizbehandlung bzw. Kinderhospizbehandlung es stets erforderlich ist, dass eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie nicht mehr möglich ist. Eine solche nicht mehr mögliche ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie vermag das Gericht im konkreten Fall nicht zu erkennen.
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Entgegen den Angaben der Rechtsanwälte der Antragstellerin lässt sich eine solche Unmöglichkeit der ambulanten Versorgung im Haushalt oder Familie – so nachvollziehbar dies auch menschlich sein mag – nicht mit der Dauerbelastung der Eltern eines derart schwer beeinträchtigten Kindes begründen. Selbst wenn - wie sich aus der „Rahmenvereinbarung“ unter § 2 Abs. 1 c entnehmen lässt - bei der Frage, ob eine ambulante Versorgung im Haushalt oder in der Familie nicht ausreicht, bei erkrankten Kindern der Entlastung des Familiensystems bereits ab Diagnosestellung eine besondere Bedeutung zukommt, kann dies nicht dazu führen, dass, anders als in der gesetzlichen Regelung vorgesehen, der Grundsatz des Vorrangs der ambulanten vor einer stationären Versorgung sich nicht mehr an dem Zustand des Versicherten, sondern an der Belastung der Familie orientiert. Hiermit würde die „Rahmenvereinbarung“, sollte sie dergestalt ausgelegt werden, ihren erst durch das Gesetz geschaffenen Regelungsrahmen überschreiten. Einer solchen Auslegung vermag das Gericht daher nicht zu folgen. Vielmehr sind die Ausführungen unter § 2 Abs. 1 c der "Rahmenvereinbarung" zur Überzeugung dergestalt zu verstehen, dass bei der Frage, ob eine ambulante Versorgung im Haushalt oder in der Familie nicht ausreicht die Entlastung des Familiensystems gerade insoweit bereits ab Diagnosestellung mit zu berücksichtigen ist, als es oft die plötzlich niederschmetternde Diagnose einer unheilbar tödlichen Erkrankung eines Kindes ist, die das Kind und seine Familie im Zeitpunkt der Diagnosestellung überfordert und einer besonders "beginnenden" Sterbebegleitung bedarf. Zur Wahrung der gesetzlichen Regelung in § 39 a Abs. 1 Satz 1 SGB V ist aber auch in diesen Fällen, die Entlastung des Familiensystems stets nur mit zu berücksichtigen und kann das Erfordernis einer Zuspitzung der gesundheitlichen Situation - auch wenn diese nur psychischen Ursprungs ist - wie dies in der erwähnten Konstellation meist der Fall sein dürfte - des (sterbenden bzw. todgeweihten) Versicherten, der diese stationäre Aufnahme erforderlich macht, nicht ersetzen.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen Zuschuss zu einer stationären Hospizversorgung im Sinne des § 39 a SGB V vermag das Gericht derzeit bei der Antragstellerin mangels einer solchen krisenhaften Zuspitzung nicht zu erkennen.
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Ein Antrag auf Gewährung einer Mutter- bzw. Vater-Kind-Maßnahme im Sinne des § 41 SGB V ist nicht gestellt worden und die beantragte Gewährung des Zuschusses zu einer stationären Hospizversorgung lässt sich auch nicht ohne Weiteres in einen solchen Antrag umdeuten oder auslegen, so dass das Gericht über die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs nicht zu entscheiden braucht.
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Da ein Anordnungsanspruch daher rein rechtlich als eher nicht gegeben erachtet werden kann, hat der Antrag im einstweiligen Rechtsschutz keinen Erfolg.
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Annotations
(1) Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen, haben im Rahmen der Verträge nach Satz 4 Anspruch auf einen Zuschuß zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in Hospizen, in denen palliativ-medizinische Behandlung erbracht wird, wenn eine ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht erbracht werden kann. Die Krankenkasse trägt die zuschussfähigen Kosten nach Satz 1 unter Anrechnung der Leistungen nach dem Elften Buch zu 95 Prozent. Der Zuschuss darf kalendertäglich 9 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches nicht unterschreiten und unter Anrechnung der Leistungen anderer Sozialleistungsträger die tatsächlichen kalendertäglichen Kosten nach Satz 1 nicht überschreiten. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart mit den für die Wahrnehmung der Interessen der stationären Hospize maßgeblichen Spitzenorganisationen das Nähere über Art und Umfang der Versorgung nach Satz 1. Dabei ist den besonderen Belangen der Versorgung in Kinderhospizen und in Erwachsenenhospizen durch jeweils gesonderte Vereinbarungen nach Satz 4 ausreichend Rechnung zu tragen. In den Vereinbarungen nach Satz 4 sind bundesweit geltende Standards zum Leistungsumfang und zur Qualität der zuschussfähigen Leistungen festzulegen. Der besondere Verwaltungsaufwand stationärer Hospize ist dabei zu berücksichtigen. Die Vereinbarungen nach Satz 4 sind mindestens alle vier Jahre zu überprüfen und an aktuelle Versorgungs- und Kostenentwicklungen anzupassen. In den Vereinbarungen ist auch zu regeln, in welchen Fällen Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung in ein stationäres Hospiz wechseln können; dabei sind die berechtigten Wünsche der Bewohner zu berücksichtigen. Der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In den über die Einzelheiten der Versorgung nach Satz 1 zwischen Krankenkassen und Hospizen abzuschließenden Verträgen ist zu regeln, dass im Falle von Nichteinigung eine von den Parteien zu bestimmende unabhängige Schiedsperson den Vertragsinhalt festlegt. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen.
(2) Die Krankenkasse hat ambulante Hospizdienste zu fördern, die für Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung und keiner stationären oder teilstationären Versorgung in einem Hospiz bedürfen, qualifizierte ehrenamtliche Sterbebegleitung in deren Haushalt, in der Familie, in stationären Pflegeeinrichtungen, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder der Kinder- und Jugendhilfe erbringen. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ambulante Hospizdienste für Versicherte in Krankenhäusern Sterbebegleitung im Auftrag des jeweiligen Krankenhausträgers erbringen. Voraussetzung der Förderung ist außerdem, dass der ambulante Hospizdienst
- 1.
mit palliativ-medizinisch erfahrenen Pflegediensten und Ärzten zusammenarbeitet sowie - 2.
unter der fachlichen Verantwortung einer Krankenschwester, eines Krankenpflegers oder einer anderen fachlich qualifizierten Person steht, die über mehrjährige Erfahrung in der palliativ-medizinischen Pflege oder über eine entsprechende Weiterbildung verfügt und eine Weiterbildung als verantwortliche Pflegefachkraft oder in Leitungsfunktionen nachweisen kann.
Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
(1) Versicherte haben unter den in § 27 Abs. 1 genannten Voraussetzungen Anspruch auf aus medizinischen Gründen erforderliche Rehabilitationsleistungen in einer Einrichtung des Müttergenesungswerks oder einer gleichartigen Einrichtung; die Leistung kann in Form einer Mutter-Kind-Maßnahme erbracht werden. Satz 1 gilt auch für Vater-Kind-Maßnahmen in dafür geeigneten Einrichtungen. Rehabilitationsleistungen nach den Sätzen 1 und 2 werden in Einrichtungen erbracht, mit denen ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht. § 40 Absatz 2 Satz 1 und 4 gilt nicht; § 40 Absatz 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.
(2) § 40 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben und eine Leistung nach Absatz 1 in Anspruch nehmen, zahlen je Kalendertag den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag an die Einrichtung. Die Zahlungen sind an die Krankenkasse weiterzuleiten.
(4) (weggefallen)