Sozialgericht Koblenz Beschluss, 07. Juni 2011 - S 6 AS 725/11 ER

ECLI:ECLI:DE:SGKOBLE:2011:0607.S6AS725.11ER.0A
07.06.2011

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind dem Antragsteller nicht zu erstatten.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die vollständigen Reisekosten für die Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit seinem in den USA lebenden Sohn in der Zeit vom 09.06. bis 19.06.2011 zu übernehmen, hat keinen Erfolg.

2

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Rahmen der zur Feststellung dieser Voraussetzungen zu treffenden Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache insbesondere dann entscheidende Bedeutung zu, wenn der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung letztlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt. Der Erlass einer die Hauptsache vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung ist zwar wegen des Gebotes zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz) nicht von vornherein ausgeschlossen, muss jedoch die Ausnahme bleiben. Ein solches Begehren kann in der Regel nur dann zum Erfolg führen, wenn der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) bei der im einstweiligen Anordnungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichend wahrscheinlich ist und die für den Fall des Unterbleibens der Leistung drohenden Nachteile für den hiervon Betroffenen schlechthin unzumutbar sind (Anordnungsgrund). Dabei hat das Gericht die Sach- und Rechtslage grundsätzlich abschließend zu prüfen. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzubeziehen sind (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05).

3

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht aufgrund einer hinreichenden Tatsachenbasis durch Glaubhaftmachung und/oder im Wege der Amtsermittlung einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Dabei bedeutet die Möglichkeit der Glaubhaftmachung von Tatsachen zunächst nur, dass sich das Gericht nicht die volle Überzeugung vom Vorliegen der beweiserheblichen Tatsachen machen muss, sondern ein geringerer Grad der Überzeugung genügt.

4

Der Anordnungsgrund liegt vor, wenn es für den Antragsteller unzumutbar erscheint, auf den (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden, wobei auf die Beachtung der Folgen für den Fall des Nichterlasses der begehrten einstweiligen Anordnung abzustellen ist. Im Interesse der Effektivität des Rechtschutzes kann es dabei ausnahmsweise auch erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst Rechtschutz nicht erreichbar ist und ein Abwarten für den Beschwerdeführer unzumutbar wäre (vgl. Mayer-Ladewig, SGG, Komm., 9. Auflage, § 86b Rd.-Nr. 31).

5

Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind umso niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Beschluss LSG Baden-Württemberg v. 03.08.2010 - L 13 AS 3318/10 ER-B in juris).

6

Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.

7

Unabhängig davon, ob ein Anordnungsgrund vorliegt, fehlt es jedenfalls an dem Vorliegen eines Anordnungsanspruches.

8

Als Anspruchsgrundlage für die vom Antragsteller am 01.06.2011 geltend gemachten Reisekosten im Rahmen des Umgangsrechtes mit seinem in den USA lebenden Sohn kommt alleine § 21 Abs. 6 SGB II in der ab dem 03.06.2010 geltenden Fassung in Betracht. Gründend auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - wurde durch das Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze vom 27.05.2010 (Bundesgesetzblatt I, 671, Art. 3a und Art. 4 Abs. 2), die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes mit der Einführung der Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II umgesetzt. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

9

Vorliegend kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei den vom Antragsteller geltend gemachten Reisekosten bezüglich seines Umgangsrechtes mit seinem Sohn in den USA - bezogen auf den Leistungsbewilligungszeitraum - überhaupt um einen laufenden Bedarf handeln kann. Auch wenn die Kosten des Umgangsrechtes in der dem Antragsteller gewährten Regelleistung nicht enthalten sind (vgl. BSG in BSGE 97, 242), bewegen sich jedenfalls die vorliegend vom Antragsteller geltend gemachten Kosten bezüglich der Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit dem in den USA lebenden Sohn in einem unangemessenen hohen Bereich. Aufgrund der Entfernung zum aktuellen Wohnort des Sohnes und den dabei bezüglich der Reisewege anfallenden Flugkosten ist nach Überzeugung des Gerichtes trotz der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2010 - L 1 SO 133/10B ER eine Rechtfertigungskontrolle anhand des Maßstabes der Sozialüblichkeit angezeigt. Gerade in den Fällen, in den die Ausübung des Umgangsrechtes durch eine große Entfernung erschwert wird, ist nach dieser Sozialüblichkeit zu fragen. Insofern ist zu prüfen, wie oft ein im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit bei einer solchen Entfernung sein Umgangsrecht ausüben würde (vgl. Beschluss des Thüringer LSG vom 12.11.2007 - L 8 SO 90/07 ER). Gerade in Kenntnis der Entfernung und der bislang angefallenen und der für den vom Antragsteller aktuell geplanten Flug in die USA anfallenden Kosten in Höhe von 769,90 € ist das Gericht davon überzeugt, dass ein im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil allenfalls einmal pro Jahr unter normalen Umständen sein Umgangsrecht wahrnehmen würde. Entgegen der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2010 ist das Gericht gerade davon überzeugt, dass ein solcher im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit bei einer solchen Entfernung gerade nicht viermal im Jahr die entsprechenden Kosten für Flüge in die USA aufbringen würde. Trotz des grundrechtlich geschützten Umgangsrechtes ist in Kenntnis der Prüfung der Sozialüblichkeit insofern davon auszugehen, dass aufgrund des vom Antragsteller in der Zeit vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 durchgeführten Besuchs seines Sohnes in den USA infolge der hierbei nicht unerheblich anfallenden Kosten ein vollschichtig Erwerbstätiger unter Berücksichtigung der Sozialüblichkeit in der Regel im selben Kalenderjahr 2011 keinen weiteren Umgang mit dem Sohn wahrnehmen würde.

10

Insofern vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass der Antragsteller durch die Entscheidung im Widerspruchsbescheid vom 27.05.2011 beschwert ist. Diesbezüglich ist für das Gericht auch von Bedeutung, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller in zutreffender Anwendung der Erreichbarkeitsanordnung auf weitere Gesichtspunkte hingewiesen hat. Ausgehend von der Tatsache, dass der Antragsteller sich im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 08.01.2011 - genehmigt - in Paraguay bei seinen Eltern aufgehalten und sich in der Zeit vom 25.02.2011 bis 05.03.2011 bei seinem Sohn in den USA aufgehalten hat, war er mithin insgesamt bereits im Jahr 2011 17 Tage ortsabwesend. Zutreffend hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass in Kenntnis des § 7 Abs. 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Erreichbarkeitsanordnung die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Verfügbarkeit während eines Urlaubes nur dann gewährleistet sind, wenn der Urlaub drei Wochen pro Kalenderjahr nicht übersteigt. Da es insofern entgegen der Auffassung des Antragstellers sehr wohl auf das Kalenderjahr ankommt und im übrigen auch - ausgehend vom Wortlaut des § 3 der Erreichbarkeitsanordnung - sehr wohl jeder Wochentag für die Berechnung der drei Wochen heranzuziehen ist, war der Antragsteller im Jahr 2011 bereits - genehmigt - 17 Tage ortsabwesend. Ausgehend von der Entscheidung durch den Widerspruchsbescheid vom 27.05.2011 ist jedenfalls nach Ablauf des 12.06.2011 und somit von 4 weiteren Tagen die Obergrenze von 21 Tagen Ortsabwesenheit erreicht. Da im Übrigen in Übereinstimmung mit der Auffassung der Antragsgegnerin nicht zu erkennen ist, dass ein wichtiger Grund im Sinne von § 3 Abs. 3 der Erreichbarkeitsanordnung gegeben ist, müssten insofern ab dem 13.06.2011 die Leistungen eingestellt werden, so dass dem Begehren des Antragstellers auf Übernahme der vollständigen Reisekosten für die Wahrnehmung seines Umgangsrechtes in der Zeit vom 09.06. bis 19.06.2011 infolge des Wegfalls einer generellen Leistungsberechtigung im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II nicht entsprochen werden konnte.

11

Mithin ist jedenfalls kein höherer Anspruch auf Kostenerstattung als im Widerspruchsbescheid vom 27.05.2011 geschehen, gegeben, so dass der Antrag abzulehnen ist.

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 21 Mehrbedarfe


(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind. (2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrb

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Tenor

Die Beschwerden des Antragstellers gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Juni 2010 werden zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
Die Beschwerde ist statthaft (§ 172 SGG), frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 SGG) und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die Antragsgegnerin war nicht vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller bis zur Entscheidung in der Hauptsache 200,80 EUR für die Wahrnehmung des Umgangsrechts alle 2 Wochen zu bewilligen, denn der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Prozessuale Grundlage des im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruchs ist § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann auch bei Leistungen nach dem SGB II in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2005 - L 13 AS 4106/05 ER-B). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, also für die Zeit vor Rechtshängigkeit des Eilverfahrens, ist, von einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage abgesehen, nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern des Hauptsacheverfahrens (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - veröffentlicht in Juris). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] in NJW 2003, 1236 f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. auch dazu Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 a.a.O. m.w.N.). Hierbei ist zu beachten, dass ein Anordnungsgrund erst ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung in Betracht kommt.
Als Anspruchsgrundlage für die am 1. Juni 2010 gerichtlich geltend gemachten Fahrtkosten im Rahmen des Umgangsrechts kommt bis 2. Juni 2010 Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz (s. Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) sowie ab 3. Juni 2010 der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene § 21 Abs. 6 SGB II (s. Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weitere Gesetze vom 27. Mai 2010, BGBl I, 671, Artikel 3a und Artikel 4 Abs. 2) in Betracht. Nach dem o.g. Urteil des BVerfG ist für die Zeit ab Verkündung des Urteils bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel ein Anspruch für einen unabweisbaren, laufenden und nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf aus Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz i.V.m. Artikel 20 Abs. 1 Grundgesetz abzuleiten. Der Gesetzgeber hat dieser Vorgabe des BVerfG entsprochen und mit der Vorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II inhaltlich umgesetzt. Als Anspruchsgrundlage scheidet somit § 73 SGB XII anders als in dem vom BSG entschieden Fall somit aus (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R, veröffentlicht in juris). Nach § 21 Abs. 6 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Der vom Antragsteller geltend gemachte Bedarf ist im Sinne beider Anspruchsgrundlagen nicht unabweisbar. Eine Definition des Begriffs der „Unabweisbarkeit“ eines Bedarfs hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 (a.a.O.) einen solchen Sonderbedarf auf die Deckung eines menschenwürdigen Existenzminimums bezogen. Danach hat sich auch die Auslegung des Begriffs „unabweisbar“ zu richten. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BR-Drs.17/1465 S. 8 f.) soll der Anspruch auf Deckung des besonderen Bedarfes unter den Aspekten des nicht erfassten atypischen Bedarfs sowie eines ausnahmsweise höheren, überdurchschnittlichen Bedarfs angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein (so auch das dem Gesetz zu Grunde liegende Urteil des BVerfG a.a.O.). Unabweisbar ist ein (Sonder-)Bedarf nach Ansicht des Senats deshalb auch dann nicht, wenn er ohne nachvollziehbaren, tragfähigen Grund geschaffen worden ist und ein Bemittelter ihn vermieden hätte.
Zwar können Fahrtkosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts grundsätzlich einen zu berücksichtigenden Bedarf im o.g. Sinne darstellen. Doch müssen sich diese in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 14/06 R a.a.O.).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Antragsteller keinen unabweisbaren Bedarf für die Übernahme der Fahrtkosten, denn es liegen keine Gründe vor, die den Umzug des Antragstellers von BKr nach Li. (Od) als nachvollziehbar erscheinen lassen, was die damit einhergehenden hohen Fahrtkosten erst verursacht. Die geltend gemachte Wohnsituation bei den Schwiegereltern begründet gegebenenfalls einen Auszug, aber ebenso wenig einen Umzug in den weit entfernten Od wie die Tatsache, dass seine Eltern im Großraum Stuttgart leben. Die vom Antragsteller bewusst gewählte große räumliche Distanz ist auch nicht damit zu erklären, dass Ruhe in die Beziehung zur getrennt lebenden Ehefrau gebracht werden sollte, denn mit dieser hat der Antragsteller sowieso nur per SMS verkehrt (s. zu alledem Bl. 219 der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin). Dass der Antragsteller vor Jahren bereits schon einmal im Od gelebt und es ihm dort gut gefallen hat, erscheint als Grund für den Umzug dorthin nur vorgeschoben; denn er ist nicht alleine dorthin gezogen, sondern hat die Kinder mitgenommen. Der Umzug des Antragstellers mit den Kindern ohne Zustimmung der ebenfalls sorgeberechtigten Ehefrau und ohne dementsprechende gerichtliche Entscheidung diente auch nicht dem Kindeswohl der gemeinsamen Kinder T. (geb. 1997) und S. (geb. 1999), die aus dem bisherigen Umfeld (Schulen) herausgenommen wurden. Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 22. Januar 2010, 46 F 16/10, wegen des Umzuges sogar das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder auf die Ehefrau übertragen, die sodann zu ihr gezogen sind. Der Antragsteller hätte voraussehen müssen, dass die Kinder nicht auf Dauer bei ihm wohnen würden, nachdem er zuvor vom Jugendamt darauf hingewiesen worden war, dass ein Wechsel des Lebensmittelpunktes der Kinder nur erfolgen könne, wenn beide sorgeberechtigten Elternteile sich darüber einig seien oder eine Entscheidung des Familiengerichts herbeigeführt werde (s. Beschluss des Amtsgerichts). Auch hat der Antragsteller keine Zusicherung des Grundsicherungsträgers gem. § 22 Abs. 2 SGB II eingeholt. Die vom Antragsteller dennoch gewählte Entfernung zum Lebensmittelpunkt der Kinder stellt hiernach keinen unabweisbaren Bedarf dar. Ein nicht Hilfebedürftiger hätte bei gleichem Sachverhalt die mit dem Umzug nach Li. verbundenen hohen Fahrtkosten (pro Monat werden ca. 430,00 EUR geltend gemacht) vermieden. Einen unabweisbaren Bedarf kann der Senat nach alledem nicht anerkennen.
Damit besteht weder ein Anordnungsanspruch noch eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, da das Verfahren ohne Erfolg geblieben ist und die Antragsgegnerin keinen berechtigten Anlass zu dessen Einleitung gegeben hat (§ 193 SGG analog).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.

(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche bis zum Ende des Monats, in welchen die Entbindung fällt, ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.

(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten mit Behinderungen, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 112 des Neunten Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.

(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.

(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf besteht; bei einmaligen Bedarfen ist weitere Voraussetzung, dass ein Darlehen nach § 24 Absatz 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.

(6a) Soweit eine Schülerin oder ein Schüler aufgrund der jeweiligen schulrechtlichen Bestimmungen oder schulischen Vorgaben Aufwendungen zur Anschaffung oder Ausleihe von Schulbüchern oder gleichstehenden Arbeitsheften hat, sind sie als Mehrbedarf anzuerkennen.

(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres.
Höhere Aufwendungen sind abweichend von Satz 2 nur zu berücksichtigen, soweit sie durch eine separate Messeinrichtung nachgewiesen werden.

(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.