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| Die Klägerin begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. |
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| Die 1952 geborene Klägerin wurde am 28. Juli 2005 in der Zentralen Notaufnahme des Klinikums ... nach einer Weichteilverletzung mit einem rostigen Nagel am Kopf gegen Tetanus geimpft. Sie erhielt dabei eine Simultanimpfung mit Td-Rix und Tetagam i. m.. |
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| Am 11. August 2005 wurde die Klägerin im Wege der Notfallmedizin im Kreiskrankenhaus ... behandelt. Dabei gab sie an, seit zwei bis drei Tagen an atemabhängigen Schmerzen linksthorakal zu leiden. Eine im Kreiskrankenhaus ... durchgeführte Thoraxaufnahme in zwei Ebenen förderte folgenden Befund zu Tage: Zwerchfell glatt begrenzt, Herz nicht vergrößert, keine Zeichen für Lungenstauungen, keine Ergüsse oder pneumonische Infiltrate, keinen Anhalt für einen Pneumothorax, geringe Aortenelongation im Bereich des Aortenbogens, oberes Mediastinum nicht verbreitert, Trachea mittelständig, Spondylose der Brustwirbelsäule. |
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| Im Folgenden stellte sich die Klägerin am 9. und 16. Dezember 2005 sowie am 20. Januar 2006 im R.-B.-Krankenhaus ..., ..., vor. Prof. Dr. … diagnostizierte einen Verdacht auf stattgehabte Pleuritis im Juli 2005 bei Mitralinsuffizienz I. Hinweise auf einen Perikarderguss hätten sich nicht ergeben. In der retrospektiven Zusammenschau der Befunde, insbesondere aufgrund der EKG-Veränderungen vom 1. Juli 2005 sei am ehesten an eine Myokarditis zu denken, die nun im Abklingen sei. |
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| Am 31. Januar 2006 stellte sich die Klägerin ambulant im Universitätsklinikum ..., Abteilung Innere Medizin VI, vor. Im Behandlungsbericht vom 17. Februar 2006 stellte Prof. Dr. … folgende Diagnosen: Verdacht auf beginnenden systemischen Lupus erythematodes (Wolfsröte) sowie Verdacht auf rheumatoide Reaktion nach Tetanol/Tetagam-Impfung am 28. Juli 2005. Bei der Klägerin sei es nach einer Tetanol/Tetagam-Impfung zu Arthralgien und einer Pleuropericarditis gekommen. Letztere habe rezidiviert. Nach weiterer ambulanter Untersuchung der Klägerin am 9. März 2006 führte Prof. Dr. …, Universitätsklinikum ..., unter dem 13. April 2006 aus, die Klägerin leide an einer rezidivierenden Pleuropericarditis bei Verdacht auf beginnenden systemischen Lupus erythematodes bei Zustand nach rheumatoider Reaktion auf Tetanol/Tetagam-Impfung am 28. Juli 2005. |
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| Am 24. April 2006 beantragte die Klägerin beim Beklagten, ihr Versorgung wegen Impfschäden nach dem Infektionsschutzgesetz zu gewähren. Daraufhin veranlasste der Beklagte eine versorgungsärztliche Stellungnahme, die Dr. P. unter dem 24. Oktober 2006 erstattete. Darin führte Dr. P. aus, die zeitliche Zuordnung der Arthralgien sei wenig glaubhaft. Die Arthralgien seien überhaupt erst fünf Monate nach der Impfung anamnestisch und retrospektiv erwähnt worden. Außerdem habe es blutchemisch keine Hinweise für ein rheumatisches Geschehen gegeben. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Impfung am 28. Juli 2005 und dem beginnenden SLE sei nach allgemein-medizinischem Wissenstand nicht bekannt. Die bei der Klägerin zur Diskussion stehende linksthorakale Symptomatik, die 14 Tage nach der Impfung aufgetreten und im weiteren Verlauf zur Diagnose einer (fraglichen) Pleuropericarditis geführt habe, gehöre nach der Liste des Paul-Ehrlich-Instituts zu den selteneren Impfreaktionen. Das seltene Vorkommen dieser Impfreaktion lasse einen ursächlichen Zusammenhang fraglich erscheinen. Weiter spreche gegen einen Impfschaden, dass die Pleuropericarditis wahrscheinlich eines von drei Kriterien eines noch nicht ausdiagnostizieren systemischen Lupus erythematodes sei. Dementsprechend sei ein Impfschaden nach IfSG nicht zu befürworten. |
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| Im Folgenden zog der Beklagte die Schwerbehindertenakte über die Klägerin bei. In der vom Landratsamt ... geführten Akte fand sich ein weiterer Behandlungsbericht des Universitätsklinikums ... vom 24. Juli 2006, in dem Prof. Dr. … bei der Klägerin eine weiter rezidivierende Pleuropericarditis bei Verdacht auf beginnendem SLE mit jetzt vier ACR-Kriterien diagnostizierte: Arthralgien, ANA, Pleuropericarditis und Sonnenempfindlichkeit. Mit dem jetzt aufgetretenen Sonnenexanthem erfülle die Klägerin vier ACR-Kriterien für die Diagnose eines SLE. Das Landratsamt ... stellte daraufhin mit Abhilfebescheid vom 12. September 2006 den GdB der Klägerin für die Zeit ab dem 28. Juli 2006 mit 50 fest. Dem legte es folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde: Kollagenose und systemischer Lupus erythematodes. |
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| Mit weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30. Januar 2007 führte Dr. P. sodann aus, der dokumentierte Krankheitsverlauf zeige nunmehr weitere Symptome, die zu einer zunehmenden Manifestation des Lupus erythematodes führten. Retrospektiv sei davon auszugehen, dass die Krankheitserscheinungen wie Pleuropericarditis, Arthralgien, Sonnenempfindlichkeit und entzündliche Blutbildveränderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Krankheitsbild Lupus erythematodes zuzuordnen seien und nicht der stattgehabten Tetanusschutzimpfung. Dass die Symptome des SLE die in kurzem zeitlichen Abstand nach der Tetanusimpfung aufgetreten seien, sei rein zufällig. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vorgenannten Symptomen und der Tetanusimpfung könne nach allgemeinen medizinisch und wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht hergestellt werden. |
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| Mit Bescheid vom 26. Juni 2007 lehnte das Landratsamt ... den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem IfSG ab. Zur Begründung hieß es unter Berücksichtigung des dokumentierten Krankheitsverlaufs sei davon auszugehen, dass die Krankheitserscheinungen wie Pleuropericarditis, Arthralgien, Sonnenempfindlichkeit und entzündliche Blutbildveränderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Krankheitsbild eines systemischen Lupus erythematodes zuzuordnen seien und nicht der stattgehabten Tetanusschutzimpfung. |
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| Den dagegen am 9. Juli 2007 erhobenen Widerspruch wies das Regierungspräsidium ... - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2007 als unbegründet zurück. |
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| Am 17. Dezember 2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erheben lassen. |
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| Die Klägerin ist weiter der Auffassung in der Folge einer am 28. Juli 2005 im Klinikum ... erfolgten Tetanusimpfung an entschädigungspflichtigen Gesundheitsstörungen zu leiden. Am 11. August 2005 habe sie sich wegen damals seit zwei bis drei Tagen bestehender linksseitiger atemabhängiger Schmerzen in die notfallmäßige stationäre Behandlung ins Kreiskrankenhaus ... begeben müssen. Der Sachverhalt sei weiter aufzuklären. |
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| den Bescheid des Landratsamts ... vom 26. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums ... - Landesversorgungsamt - vom 22. November 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr Beschädigtenversorgung nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (IfSG) aufgrund einer am 28. Juli 2005 erfolgten Tetanusschutzimpfung in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu gewähren. |
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| Das Gericht hat zunächst die die Klägerin behandelnden Ärzte im Wege schriftlicher sachverständiger Aussagen vernommen. |
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| Der Internist und Rheumatologe Prof. Dr. L., ..., hat dem Gericht unter dem 9. Mai 2008 mitgeteilt, die Klägerin habe sich bei ihm erstmals auf Veranlassung des Amtsärztlichen Dienstes ... am 13. September 2007 vorgestellt. Am 19. Februar 2008 habe eine Kontrolluntersuchung stattgefunden. Nach den medizinischen Unterlagen habe sich bei der Klägerin im Anschluss an eine Tetanusimpfung ein schwerwiegendes Krankheitsbild mit starker Lymphknotenschwellung, Schmerzhaftigkeit in großen und kleinen Gelenken und Schmerzen in der linken unteren Thoraxregion entwickelt. Die daraufhin von Prof. Dr. P., Uniklinikum ... gestellte Diagnose eines systemischen Lupus erythematodes könne er sich nicht anschließen. Diese Erkrankung gehe, insbesondere bei derartig aktiver Verlaufsform, mit klassisch immunologischen Werten hochtitrigen Autoantikörpern und einem Verbrauch der Komplement-Kaskade einher. Die erhobenen laborchemischen Untersuchungen hätten aber keine Auffälligkeiten im Bereich dieser serologischen Parameter ergeben. Dementsprechend sei ein SLE nicht nachweisbar. Bei der Klägerin bestehe vielmehr eine rheumatologisch-immunologische Erkrankung, die zumindest für den Zeitraum zwischen Juli 2005 und Sommer 2007 als sehr schwer einzuordnen sei. Diese rheumatologisch-immunologische Erkrankung stehe nach seiner Überzeugung in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Tetanusimpfung im Juli 2005. |
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| Der Internist und Hausarzt Dr. St., ..., hat dem Gericht unter dem 19. Mai 2008 berichtet, die Klägerin seit Dezember 2000 hausärztlich zu betreuen. Sie sei im Zeitraum seit Juli 2005 zunächst im Krankenhaus ... und sodann im Krankenhaus ... behandelt worden. Er selbst habe sie ab dem 12. August 2005 aufgrund von Brustbeschwerden und Stenokardien behandelt. Im weiteren Verlauf sei eine Pleuritis mit Pleuraerguss sowie eine Pericarditis und eine Myocarditis diagnostiziert worden. Aufgrund von zusätzlich bestehenden Arthralgien und Sonnenempfindlichkeit bestehe bei laborchemisch nachgewiesenen antinuklären Antikörpern vier der sogenannten ACR-Kriterien für einen systemischen Lupus erythematodes. Anamnestisch bestehe ein eindeutiger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Tetanusimpfung und der Erkrankung der Patientin, die zuvor niemals über ähnliche Beschwerden geklagt habe. Bei der Tetanusimpfung sei auch keine reine Tetanusauffrischung mit einem Tetanusadsorbatimpfstoff, sondern simultan zusätzlich zu dieser Adsorbatimpfung die Injektion von Tetagam durchgeführt worden, das menschliche Eiweiße aus einem großen Pool von Blut- und Plasmaspendern enthalte. Der aktuelle Bericht über die Behandlung der Klägerin im Universitätsklinikum ... vom 4. April 2007 (Prof. Dr. P.) werde beigefügt. |
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| Im Folgenden hat die Klägerin das von dem Chirurgen Dr. S. für die Bayerische Beamtenversicherung erstattete freie unfallchirurgisch/orthopädische Gutenachten vom 29. März 2007 vorgelegt. Darin hat Dr. S. einen Zusammenhang zwischen der stattgehabten Tetanusimpfung und dem Krankheitsbild der Klägerin auf internistisch-rheumatologischem Fachgebiet aus chirurgisch/orthopädischer Sicht verneint. Gleichzeitig hat Dr. S. aber darauf hingewiesen, eine internistisch-rheumatologische Begutachtung für erforderlich zu halten. |
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| Der Beklagte hat mit versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. G. vom 26. August 2008 Stellung genommen. Darin verneint Dr. G. abermals einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den Erkrankungen der Klägerin und der Tetanusschutzimpfung. |
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| Im Weiteren Verlauf ist die Klägerin auf Veranlassung der Bayerischen Versicherung durch den sie (mit-)behandelnden Internisten und Rheumatologen Prof. Dr. L., ..., ambulant gutachtlich untersucht worden (Gutachten vom 26. November 2008). Darin führt Prof. Dr. L. aus, das schwere, teils lebensbedrohliche Krankheitsbild der Klägerin entspreche nach dem klinischen Bild durchaus einem akuten Schub eines systemischen Lupus erythematodes. Der schlussendliche Beleg dieser Erkrankung sei jedoch zu keinem Zeitpunkt der langjährigen Verlaufsbeobachtung gelungen. Insbesondere seien Antikörper gegen ds-DNA nachzuweisen gewesen. Aus seiner Sicht handele es sich deshalb bei der Klägerin nicht um einen systemischen Lupus erythematodes. Die Klägerin, bei der seit 1993 eine nachgewiesene Allergie gegenüber Wespen- und Hornissenstichen bekannt sei, leide vielmehr an einem rheumatologisch immunologischen Krankheitsbild, das auf die klinisch notwendige Tetanusimpfung vom 28. Juli 2005 zurückzuführen sei. Bei der Klägerin habe sich eine latente Virusinfektion durch die Aktivierung des Immunsystems in ihrer immunologischen Reaktivität „vitalisiert“. Aufgrund der allgemeinen Aktivierung des Immunsystems durch den Impfvorgang sei es dann zu einer Überreaktion gekommen. Dafür sei insbesondere die Kombinationsimpfung verantwortlich zu machen, die bei der Klägerin durchgeführt worden sei. |
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| Im Folgenden hat die Klägerin einen weiteren Befundbericht des behandelnden Hausarztes Dr. St. vom 11. Mai 2009 vorgelegt. |
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| Daraufhin hat sich der Beklagte abermals mit versorgungsärztlicher Stellungnahme von Dr. G. vom 19. Juni 2009 geäußert. Dr. G. hält weiter die diagnostische Einschätzung der Universitätsklinik ... für viel wahrscheinlicher als die Annahmen von Prof. Dr. L.. Hinsichtlich der Einschätzung von Prof. Dr. L., es sei zu einer viralen Erkrankung gekommen, sei nach Aktenlage darauf hinzuweisen, dass eine klinisch relevante Immunsuppression durch die Impfung nicht belegt sei. |
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| Nunmehr hat das Gericht die ambulante gutachtliche Untersuchung der Klägerin durch PD Dr. J., Universitätsklinikum ..., ..., veranlasst. Im am 13. Juli 2010 bei Gericht eingegangenen Gutachten führt PD Dr. J. aus, die Diagnose einer rheumatischen/autoimmunen Erkrankung oder eines SLE sei nicht stellbar. Insbesondere die Tatsache, dass es unter Absetzen jeglicher immunsuppressiver Therapie zu einer kontinuierlichen Besserung der Beschwerden gekommen sei, die auch gegenwärtig noch anhalte, spreche gegen eine Autoimmunerkrankung. Die sogenannten „Schübe“ ließen sich keinem autoimmunen und auch keinem infektiösem Krankheitsbild zuordnen, sondern seien am ehesten in den reaktiv psychosomatischen Beschwerdekreis einzuordnen. Die Klägerin bestätige, dass durch die lange Phase der erfolglosen Diagnosefindung und eine intensive Beschäftigung mit dem Krankheitsbild des systemischen Lupus erythematodes starke Ängste und Befürchtungen bei ihr ausgelöst worden seien, die bei leichten körperlichen Beschwerden wieder voll reaktiviert würden. Insbesondere die Schilderung der Symptomatik mit starken Angstgefühlen ließe eine psychosomatische Ursache der momentan noch bestehenden Beschwerden wahrscheinlich erscheinen. Eine anhaltende gesundheitliche Folgeschädigung, ausgelöst durch die Tetanusimpfung liege aller Wahrscheinlichkeit nicht vor. Zwar könnte die geschilderte Schwellung des Armes nach der Impfung als Impfreaktion diskutiert werden. Eine solche lokale Reaktion auf eine Tetanusimpfung (Rötung, Schwellung, Lymphknotenschwellung) sei aber lediglich als Impfreaktion zu bewerten. Diese habe keinen Krankheitswert und sei nicht als Impfkomplikation oder Impffolgeschaden zu bewerten. Da nach hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Impf- oder Impffolgeschaden vorliege, könne auch kein GdS vorgeschlagen werden. Die Theorie einer Reaktivierung oder Chronifizierung einer Virusinfektion durch die Tetanusimpfung als Ursache der Erkrankung, die Prof. Dr. L. diskutiere, sei weder theoretisch noch im Hinblick auf klinische Erfahrungen oder mit wissenschaftlichen Studien nachzuvollziehen. |
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| Die Klägerin hat daraufhin eine wahlärztliche ambulante gutachtliche Untersuchung durch den sie behandelnden Arzt Prof. Dr. L., ..., angeregt und beantragt. Gleichzeitig hat sie sich unter Vorlage einer Stellungnahme zum Gutachten von PD Dr. J. durch ihren Hausarzt Dr. St. vom 8. Oktober 2010 geäußert. Hierauf wird Bezug genommen. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die dem Gericht vorliegenden Behördenakten (Schwerbehindertenakte und Versorgungsakte) sowie die Prozessakte (S 4 VJ 6010/07) Bezug genommen. |
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