Sozialgericht Karlsruhe Urteil, 31. Okt. 2012 - S 16 R 4791/11

bei uns veröffentlicht am31.10.2012

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten um die Beginn des Anspruchs des Klägers auf Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger begehrt eine rückwirkende Gewährung der ab dem 01.08.2010 zuerkannten Rente ab dem 01.09.2007.
Der am … 1956 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger und lebt in der Schweiz. Er hat neben schweizerischen Versicherungszeiten von 1972 bis 1988 Versicherungszeiten in Österreich und von 1978 bis 1987 Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt.
Am 01.02.2002 beantragte der Kläger infolge eines Verkehrsunfalls mit HWS-Distorsion bei Schweizerischen Ausgleichskasse Leistungen aus der schweizerischen Invalidenversicherung. Die Schweizerische Ausgleichskasse leitete den Antrag am 11.04.2004 zur Entscheidung über den Rentenanspruch nach deutschem Recht an die damalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg weiter. Vom schweizerischen Versicherungsträger erhielt der Kläger mit Verfügung vom 16.07.2004 eine Invalidenrente in Höhe von drei Vierteln ab dem 01.02.2004. Hiergegen wandte er sich mit einem am 28.09.2005 gestellten Antrag auf Revision und Zuerkennung einer vollen Invalidenrente.
Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Stellungnahmen ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahmen vom 21.11.2005 und vom 14.02.2006) bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28.02.2006 ab dem 01.02.2002 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Hinblick auf dessen letzte Tätigkeit als Vortriebspolier im Tunnelbau. Die Bewilligung erfolgte in Form einer vorläufigen Leistung im Sinne von Art. 45 Verordnung (EWG) Nr. 574/72. In dem mit „Mitteilung über die vorläufige Leistung“ überschriebenen Bescheid heißt es außerdem, ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bestehe nicht.
Nach Übersendung aktueller Bescheinigungen über die Versicherungsverläufe in der Schweiz und in Österreich stellte die Beklagte die bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit Bescheid vom 24.01.2008 endgültig fest. Darin heißt es, unter Berücksichtigung der ausländischen Zeiten vermindere sich die bisher vorläufig festgestellte Rente. Der Bescheid vom 28.02.2006 werde insoweit nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben.
Mit Schreiben vom 01.08.2010, der Beklagten zugegangen 09.08.2010, teilte der Kläger mit, durch einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 11.12.2009 sei rückwirkend ab dem 01.12.2007 nunmehr eine volle Invalidenrente zuerkannt worden. Er bitte, die ihm von der Beklagten gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung entsprechend anzupassen und ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen und erneuter Einschaltung ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Stellungnahme vom 08.11.2010) gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.12.2010, ausgehend von einem am 06.09.2007 eingetretenen Leistungsfall, beginnend ab dem 01.08.2010 eine bis zum 31.07.2013 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Zahlbetrag von 580,88 Euro. Zur Begründung des Rentenbeginns heißt es darin, die Rente könne erst ab dem Antragsmonat geleistet werden, weil der Antrag erst nach Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien, gestellt worden sei.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 21.12.2010 und trug vor, der am 28.09.2005 gestellten Antrag auf Gewährung einer vollen schweizerischen Invalidenrente sei nach den einschlägigen europarechtlichen Vorschriften auch als Antrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht anzusehen. Daher könne er bereits ab dem 01.12.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung beanspruchen.
Mit Bescheid vom 05.10.2011 stellte die Beklagte die bislang gewährte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit neu fest und zahlte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2006 bis zum 31.07.2010 einen Betrag von 51,71 Euro nach.
10 
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, der am 28.09.2005 gestellte Revisionsantrag, der nach deutschen Rechtsvorschriften am ehesten als Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X anzusehen sei, sei einem deutschen Rentenantrag nicht gleichzustellen. Der Revisionsantrag sei ganz speziell auf die Änderung eines konkreten schweizerischen Bescheids gerichtet gewesen, die Voraussetzungen des § 44 SGB X zur analogen Überprüfung eines deutschen Verwaltungsaktes seien mangels Erteilung eines solchen zum damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht erfüllt gewesen und es sei schließlich zudem bereits ein Verwaltungsverfahren, welches auf die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente abgezielt habe, anhängig gewesen. Durch die Ablehnung des Anspruchs auf volle Erwerbsminderungsrente mit den bindenden Bescheid vom 28.02.2006 sei das Verwaltungsverfahren abgeschlossen gewesen. Eine erneute Einleitung habe nur von Amts wegen oder durch einen neuen Antrag erfolgen können. Ein solcher sei erst am 09.08.2010 zugegangen.
11 
Am 21.11.2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Er trägt vor, der Revisionsantrag vom 28.09.2005 sei nicht als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X, sondern als Neuantrag auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht im laufenden Verwaltungsverfahren im Hinblick auf eine mittlerweile eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes anzusehen. Hierüber habe die Beklagte mit dem Bescheid vom 28.06.2006 nicht entschieden. Als Antrag nach § 44 SGB X auf Änderung der Rentenbescheide vom 28.02.2006 und 24.01.2008 sei sein Schreiben vom 01.08.2010 anzusehen.
12 
Mit Bescheid vom 15.11.2011 hat die Beklagte die gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.12.2011 neu festgestellt den monatlichen Zahlbetrag auf 529,36 Euro korrigiert.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 09.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2011 und des Änderungsbescheids vom 15.11.2011 zu verurteilen, ihm bereits ab dem 01.09.2007 die bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
15 
Der Beklagte beantragt,
16 
die Klage abzuweisen.
17 
Sie verweist auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
18 
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Bewilligungsentscheidung verletzt keine Rechte des Klägers. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.09.2007.
20 
a) Der Kläger war nach den – zwischen den Beteiligten unstreitigen – medizinischen Feststellungen der Beklagten zwar bereits seit dem 06.09.2007 voll erwerbsgemindert und erfüllte ab diesem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. § 43 Abs. 2 SGB VI). Er hat einen – erneuten – Rentenantrag jedoch erst mit dem am 09.08.2010 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 01.08.2010 gestellt. Eine Rente aus eigener Versicherung wie die gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung wird indes nur dann von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind (hier: 01.10.2007), geleistet, wenn sie bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Da der Kläger seinen Umstellungsantrag nicht innerhalb der bis zum 31.12.2007 laufenden Dreimonatsfrist gestellt hat, wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung wie von der Beklagten bewilligt erst ab August 2010, dem Antragsmonat, geleistet (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
21 
Zum Zeitpunkt der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers lag auch nicht etwa noch ein Rentenantrag des Klägers vor, über den die Beklagte bis dahin noch nicht entschieden hat. Unabhängig davon, ob der im Hinblick auf die Entscheidung des schweizerischen Versicherungsträgers gestellte Revisionsantrag vom 28.09.2005 wie der Kläger vorträgt grundsätzlich geeignet ist, Rechtswirkungen im Verhältnis zur Beklagten zu entfalten, wäre hierüber jedenfalls mit dem Bescheid vom 28.02.2006 entschieden worden. Irrelevant ist insoweit, dass die Beklagte in diesem Bescheid, mit dem sie einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint, nur den Rentenantrag vom 01.02.2002 ausdrücklich nennt. Denn in Fällen, in denen wie hier während eines noch nicht abgeschlossenen Rentenantragsverfahrens ein schlechterer Gesundheitszustand geltend gemacht wird, ist der entsprechende Verschlechterungs- bzw. Überprüfungsantrag nach ausländischem Recht allenfalls als Sachvortrag im laufenden Verfahren zu werten. Ein laufendes Verwaltungsverfahren entfaltet Sperrwirkung für die Einleitung weiterer Verfahren zum selben Gegenstand. Ein Verbescheidungsinteresse für parallele gesonderte Entscheidungen in derselben Sache besteht nicht (vgl. Mutschler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. Ergl. 2012, § 18 SGB X, Rdnr. 4 m.w.N.). Der beim schweizerischen Träger am 01.02.2002 eingereichte Antrag auf Invalidenrente galt auch als umfassender Antrag auf Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht (vgl. Art. 32a des zum Antragszeitpunkt noch anwendbaren Deutsch-Schweizerisches Sozialversicherungsabkommens).
22 
b) Der Kläger kann eine rückwirkende Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auch nicht im Wege des Zugunstenverfahrens gemäß § 44 SGB X verlangen. Denn hierfür wäre Voraussetzung, dass die Beklagte bereits bei Ablehnung des Antrags hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung das Recht unrichtig angewendet hätte oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt demgegenüber rechtmäßig und tritt Rechtswidrigkeit bzw. eine Änderung in den ihm zugrunde liegenden Verhältnissen erst nach seiner Bekanntgabe ein, kann eine spätere Korrektur allenfalls unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X erfolgen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25.01.2011 – B 5 R 46/10 R, Rdnr. 9; Urteil vom 15.06.2010 – B 2 U 22/09 R, Rdnr. 18; Urteil vom 07.09.2006 – B 4 RA 43/05 R, Rdnr. 54 ; Mertens, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand Dez. 2011, § 44 Rdnr. 23; Waschull, in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl. 2011, § 4 Rdnr. 28). Bei ihrer Bekanntgabe mit Bescheid vom 28.02.2006 war die Ablehnungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung indes rechtmäßig. Eine Verschlechterung der Gesundheitssituation, welche auch das Obergericht des Kantons Uri in dem vom Kläger eingesandten Gerichtsbeschluss vom 11.12.2009 beschreibt, ist erst im September 2007 eingetreten. Bei der Ablehnungsentscheidung vom 28.02.2006 handelte es sich auch nicht etwa um eine vorläufige Regelung. Der mit „Mitteilung über die vorläufige Leistung“ überschriebene Bescheid enthält vielmehr mehrere selbständige Verwaltungsakte, nämlich die Entscheidungen über Rentenart (Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser und Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung), Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011 – B 5 R 8/10 R, Rdnr. 13 m.w.N. ). Vorläufig war insoweit – worauf die Beklagte im Bescheid vom 28.02.2006 auch ausdrücklich hingewiesen hat – allein die Regelung zur Rentenhöhe. Nur insoweit hat die Beklagte erst im Bescheid vom 24.01.2008 eine endgültige Festsetzung getroffen; eine weitergehende Regelung enthält dieser Bescheid nicht. Bei der Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung handelte es sich demgegenüber um eine verfahrensabschließende Regelung, die nach Ablauf der Widerspruchsfrist in Bestandskraft erwachsen und damit bindend geworden ist (§ 77 Sozialgerichtsgesetz). Hiermit wurde die Beklagte erst wieder im August 2010 durch den Umstellungsantrag des Klägers befasst.
23 
c) Schließlich kommt auch eine rückwirkende Aufhebung der Ablehnungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X zugunsten des Klägers wegen der eingetretenen Änderung in den ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen nicht in Betracht. Denn diese Regelung gilt nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Die Ablehnung des Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung im Bescheid vom 28.02.2006 hat jedoch keine Dauerwirkung. Mit der Ablehnung eines Rentenantrages wird die Rechtslage im Verhältnis zwischen Antragsteller und Leistungsträger vielmehr einmalig gestaltet und das Bestehen eines Leistungsrechtsverhältnisses mit sich daraus zumindest für eine gewisse Dauer ergebenden rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen gerade verneint. Mit Eintritt der Bestandskraft steht zwar auch für die Folgezeit zwischen den Beteiligten fest, dass dem Antragsteller die begehrte Leistung nicht zusteht. Das ist jedoch allein das Ergebnis der Bindungswirkung des ablehnenden Bescheides und vermag keine davon zu unterscheidende Dauerwirkung zu begründen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.1985 – 1 RJ 2/84, Rdnr. 16; Urteil vom 06.05.2010 – B 13 RJ 44/09 R, Rdnr. 19 ). Dauerwirkung kam allein der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Hierbei handelt es sich jedoch um einen im Vergleich zu der nunmehr bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung um einen eigenständigen Anspruch (vgl. § 89 SGB VI). Insoweit sind Änderungen auch nicht eingetreten.
24 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe

 
19 
1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtene Bewilligungsentscheidung verletzt keine Rechte des Klägers. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung bereits ab dem 01.09.2007.
20 
a) Der Kläger war nach den – zwischen den Beteiligten unstreitigen – medizinischen Feststellungen der Beklagten zwar bereits seit dem 06.09.2007 voll erwerbsgemindert und erfüllte ab diesem Zeitpunkt die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (vgl. § 43 Abs. 2 SGB VI). Er hat einen – erneuten – Rentenantrag jedoch erst mit dem am 09.08.2010 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 01.08.2010 gestellt. Eine Rente aus eigener Versicherung wie die gewährte Rente wegen voller Erwerbsminderung wird indes nur dann von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind (hier: 01.10.2007), geleistet, wenn sie bis zum Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Da der Kläger seinen Umstellungsantrag nicht innerhalb der bis zum 31.12.2007 laufenden Dreimonatsfrist gestellt hat, wird die Rente wegen voller Erwerbsminderung wie von der Beklagten bewilligt erst ab August 2010, dem Antragsmonat, geleistet (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
21 
Zum Zeitpunkt der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Klägers lag auch nicht etwa noch ein Rentenantrag des Klägers vor, über den die Beklagte bis dahin noch nicht entschieden hat. Unabhängig davon, ob der im Hinblick auf die Entscheidung des schweizerischen Versicherungsträgers gestellte Revisionsantrag vom 28.09.2005 wie der Kläger vorträgt grundsätzlich geeignet ist, Rechtswirkungen im Verhältnis zur Beklagten zu entfalten, wäre hierüber jedenfalls mit dem Bescheid vom 28.02.2006 entschieden worden. Irrelevant ist insoweit, dass die Beklagte in diesem Bescheid, mit dem sie einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung verneint, nur den Rentenantrag vom 01.02.2002 ausdrücklich nennt. Denn in Fällen, in denen wie hier während eines noch nicht abgeschlossenen Rentenantragsverfahrens ein schlechterer Gesundheitszustand geltend gemacht wird, ist der entsprechende Verschlechterungs- bzw. Überprüfungsantrag nach ausländischem Recht allenfalls als Sachvortrag im laufenden Verfahren zu werten. Ein laufendes Verwaltungsverfahren entfaltet Sperrwirkung für die Einleitung weiterer Verfahren zum selben Gegenstand. Ein Verbescheidungsinteresse für parallele gesonderte Entscheidungen in derselben Sache besteht nicht (vgl. Mutschler, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 74. Ergl. 2012, § 18 SGB X, Rdnr. 4 m.w.N.). Der beim schweizerischen Träger am 01.02.2002 eingereichte Antrag auf Invalidenrente galt auch als umfassender Antrag auf Erwerbsminderungsrente nach deutschem Recht (vgl. Art. 32a des zum Antragszeitpunkt noch anwendbaren Deutsch-Schweizerisches Sozialversicherungsabkommens).
22 
b) Der Kläger kann eine rückwirkende Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auch nicht im Wege des Zugunstenverfahrens gemäß § 44 SGB X verlangen. Denn hierfür wäre Voraussetzung, dass die Beklagte bereits bei Ablehnung des Antrags hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung das Recht unrichtig angewendet hätte oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt im Erlasszeitpunkt demgegenüber rechtmäßig und tritt Rechtswidrigkeit bzw. eine Änderung in den ihm zugrunde liegenden Verhältnissen erst nach seiner Bekanntgabe ein, kann eine spätere Korrektur allenfalls unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X erfolgen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25.01.2011 – B 5 R 46/10 R, Rdnr. 9; Urteil vom 15.06.2010 – B 2 U 22/09 R, Rdnr. 18; Urteil vom 07.09.2006 – B 4 RA 43/05 R, Rdnr. 54 ; Mertens, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand Dez. 2011, § 44 Rdnr. 23; Waschull, in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Aufl. 2011, § 4 Rdnr. 28). Bei ihrer Bekanntgabe mit Bescheid vom 28.02.2006 war die Ablehnungsentscheidung der Beklagten hinsichtlich der Rente wegen voller Erwerbsminderung indes rechtmäßig. Eine Verschlechterung der Gesundheitssituation, welche auch das Obergericht des Kantons Uri in dem vom Kläger eingesandten Gerichtsbeschluss vom 11.12.2009 beschreibt, ist erst im September 2007 eingetreten. Bei der Ablehnungsentscheidung vom 28.02.2006 handelte es sich auch nicht etwa um eine vorläufige Regelung. Der mit „Mitteilung über die vorläufige Leistung“ überschriebene Bescheid enthält vielmehr mehrere selbständige Verwaltungsakte, nämlich die Entscheidungen über Rentenart (Zuerkennung einer Rente wegen teilweiser und Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung), Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011 – B 5 R 8/10 R, Rdnr. 13 m.w.N. ). Vorläufig war insoweit – worauf die Beklagte im Bescheid vom 28.02.2006 auch ausdrücklich hingewiesen hat – allein die Regelung zur Rentenhöhe. Nur insoweit hat die Beklagte erst im Bescheid vom 24.01.2008 eine endgültige Festsetzung getroffen; eine weitergehende Regelung enthält dieser Bescheid nicht. Bei der Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung handelte es sich demgegenüber um eine verfahrensabschließende Regelung, die nach Ablauf der Widerspruchsfrist in Bestandskraft erwachsen und damit bindend geworden ist (§ 77 Sozialgerichtsgesetz). Hiermit wurde die Beklagte erst wieder im August 2010 durch den Umstellungsantrag des Klägers befasst.
23 
c) Schließlich kommt auch eine rückwirkende Aufhebung der Ablehnungsentscheidung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB X zugunsten des Klägers wegen der eingetretenen Änderung in den ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen nicht in Betracht. Denn diese Regelung gilt nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung. Die Ablehnung des Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung im Bescheid vom 28.02.2006 hat jedoch keine Dauerwirkung. Mit der Ablehnung eines Rentenantrages wird die Rechtslage im Verhältnis zwischen Antragsteller und Leistungsträger vielmehr einmalig gestaltet und das Bestehen eines Leistungsrechtsverhältnisses mit sich daraus zumindest für eine gewisse Dauer ergebenden rechtlichen oder tatsächlichen Wirkungen gerade verneint. Mit Eintritt der Bestandskraft steht zwar auch für die Folgezeit zwischen den Beteiligten fest, dass dem Antragsteller die begehrte Leistung nicht zusteht. Das ist jedoch allein das Ergebnis der Bindungswirkung des ablehnenden Bescheides und vermag keine davon zu unterscheidende Dauerwirkung zu begründen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 30.01.1985 – 1 RJ 2/84, Rdnr. 16; Urteil vom 06.05.2010 – B 13 RJ 44/09 R, Rdnr. 19 ). Dauerwirkung kam allein der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Hierbei handelt es sich jedoch um einen im Vergleich zu der nunmehr bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung um einen eigenständigen Anspruch (vgl. § 89 SGB VI). Insoweit sind Änderungen auch nicht eingetreten.
24 
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

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(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

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(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, i

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 89 Mehrere Rentenansprüche


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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. April 2009 wird als unzulässig verworfen, soweit er die Aufhebung auch nach § 48 SGB X begehrt.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften

1.
von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss,
2.
nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2005 und des Sozialgerichts Koblenz vom 9. März 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob die Beklagte der Klägerin ab dem 23.7.2000 große Witwenrente zahlen muss.

2

Die Klägerin ist Witwe des 1991 in der UdSSR verstorbenen Versicherten, lebt seit dem 23.7.2000 in der Bundesrepublik Deutschland und ist als Spätaussiedlerin anerkannt. Seit dem Tag ihrer Einreise bezieht sie Regelaltersrente aus eigener Versicherung nach dem FRG, wobei die Beklagte die ermittelten Entgeltpunkte (EP) auf den Höchstwert von 25 begrenzte (Bescheid vom 8.3.2001). Mit Bescheid vom 14.3.2001 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente dem Grunde nach an, lehnte aber gleichzeitig eine Zahlung ab, weil der Höchstwert von 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG bereits vorrangig in der Regelaltersrente berücksichtigt worden sei.

3

Im Februar 2002 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 14.3.2001 bezüglich der Anwendung des § 22b FRG zu überprüfen. Die Beklagte lehnte es ab, die große Witwenrente neu festzustellen (Bescheid vom 18.6.2003 und Widerspruchsbescheid vom 17.9.2003).

4

Das SG Koblenz hat die Bescheide vom 14.3.2001 und 18.6.2003 sowie den Widerspruchsbescheid vom 17.9.2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin große Witwenrente ohne Begrenzung auf 25 EP zu zahlen (Urteil vom 9.3.2005). Die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz zurückgewiesen (Urteil vom 24.10.2005): Die Beklagte sei bei Erlass des Witwenrentenbescheids vom 14.3.2001 nicht befugt gewesen, die ermittelten EP auf Null zu kürzen. Auf § 22b Abs 1 Satz 1 FRG(idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.1996, BGBl I 1461; im Folgenden: aF) habe sie sich nicht stützen können, weil diese Norm das Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten nicht erfasse. Dass § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791; im Folgenden: nF) rückwirkend seit dem 7.5.1996 eine entsprechende Kürzung vorsehe, sei unerheblich. Denn nach § 300 Abs 3 SGB VI bleibe altes Recht, das bei der Rentenerstfeststellung gegolten habe, auch dann maßgeblich, wenn die Rente später neu festzustellen sei und sich das Rentenrecht zwischenzeitlich geändert habe.

5

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X): Der Klägerin seien Rentenleistungen nicht zu Unrecht vorenthalten worden. Denn § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF bestimme ausdrücklich, dass für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde zu legen seien. Dass der Gesetzgeber diese Vorschrift erst im Juli 2004 verkündet und rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft gesetzt habe, sei verfassungsgemäß, wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 2530/05 ua - SozR 4-5050 § 22b Nr 9) entschieden habe. Keinesfalls schließe § 300 SGB VI die Anwendbarkeit des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF aus. Denn der Witwenrentenanspruch der Klägerin sei erst mit ihrem Zuzug im Juli 2000 und damit nicht iS von § 300 Abs 1 SGB VI vor Inkrafttreten des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF am 7.5.1996 entstanden und er habe mithin auch nicht iS des § 300 Abs 2 SGB VI vor der Aufhebung der früheren Gesetzesfassung bestanden. Die Verkündung des RVNG erst im Juli 2004 ändere daran nichts. Im Verhältnis von § 300 Abs 1 zu Abs 2 SGB VI bezeichne der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs 2 SGB VI nicht den tatsächlichen Akt der Aufhebung im Sinne der Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts.

6

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2005 und des Sozialgerichts Koblenz vom 9. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Bescheid vom 18.6.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.9.2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihren bestandskräftigen Rentenbescheid vom 14.3.2001 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückzunehmen und der Klägerin große Witwenrente zu zahlen.

9

Der geltend gemachte Rücknahmeanspruch richtet sich nach § 44 SGB X. Nach dessen Abs 1 Satz 1 ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 14.3.2001 sind hinsichtlich der Rentenhöhe nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte bei Erlass (Bekanntgabe iS von § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X) dieses Bescheids das Recht richtig angewendet hat. Denn sie hat jedenfalls die große Witwenrente zu Recht nicht ausgezahlt (dazu 1.), ohne damit Bundesrecht (dazu 2.) oder Verfassungsrecht (dazu 3.) verletzt zu haben.

10

1. Selbst wenn die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 14.3.2001 das Recht fehlerhaft angewandt hätte, würde dies keinen Rücknahmeanspruch begründen. Denn es fehlt die weitere Voraussetzung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, dass wegen der unrichtigen Rechtsanwendung Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Ob diese (weitere) Voraussetzung erfüllt ist, richtet sich nach der materiellen Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung besteht (vgl Senatsurteile vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 14 und vom 13.9.1994 - 5 RJ 30/93 - HVBG-INFO 1995, 424 sowie BSG Urteil vom 25.10.1984 - 11 RAz 3/83 - BSGE 57, 209, 210 = SozR 1300 § 44 Nr 13 S 21 f mwN zum Fall nachträglicher Änderung der Rechtsprechung). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits geändert, so ist das neue Recht auch im Revisionsverfahren zu beachten, wenn es das streitige Rechtsverhältnis nach seinem zeitlichen Geltungswillen erfasst (stRspr, vgl BSG Urteil vom 14.7.1993 - 6 RKa 71/91 - BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26; Vorlagebeschluss vom 28.5.1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 27 f; Urteile vom 2.7.1997 - 9 RVs 9/96 - Juris und vom 26.2.2003 - B 8 KN 11/02 R - SozR 4-2600 § 93 Nr 4 RdNr 7; Beschluss vom 18.8.2004 - B 8 KN 18/03 B - Juris).

11

Dieser Fall ist hier gegeben. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ist während des anhängigen Verfahrens zunächst mit Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG rückwirkend zum 7.5.1996 durch eine Neufassung (§ 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF) ersetzt worden, wonach für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt werden. Sodann sind mit Wirkung zum 1.1.2005 die Worte "Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten" durch die Worte "allgemeine Rentenversicherung" ersetzt worden (Art 45 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242). Schließlich sind nach § 22b Abs 3 FRG, der nachträglich durch Art 12 Nr 2 RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) mit (Rück-)Wirkung zum 7.5.1996 (Art 33 Abs 7 RRG 1999) angefügt wurde, EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen. Hieran gemessen hat die Klägerin kein Recht auf eine der Höhe nach bestimmte Rente. EP aus ihrer Regelaltersrente sind gemäß § 22b Abs 3 FRG vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Rentenartfaktor für persönliche EP bei dieser Rentenart (§ 33 Abs 2 SGB VI) ist mit 1,0 höher (§ 67 Nr 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren bei großen Witwenrenten nach Ablauf des sog Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen Rentenversicherung gemäß § 67 Nr 6 SGB VI in Höhe von 0,6 (ab 1.1.2002: 0,55) und in der knappschaftlichen Rentenversicherung gemäß § 82 Nr 7 SGB VI in Höhe von 0,8 (ab 1.1.2002: 0,7333). Da bei der Regelaltersrente der Klägerin bereits 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit schon die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Folglich war für die große Witwenrente kein "Monatsbetrag der Rente" (§ 64 SGB VI) festzustellen. Im Ergebnis ist die Klägerin damit lediglich Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf den Wert ihrer eigenen Rente und die hieraus monatlich erwachsenden Einzelansprüche beschränkt.

12

2. Übergangsrechtlich schließen weder § 300 SGB VI, der gemäß § 14 FRG auch für Änderungen des FRG gilt(vgl BSG Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 13 = SozR 4-5050, § 22b Nr 3), noch Art 6 § 4 Abs 4a des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25.2.1960 (BGBl I 93) idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) die Anwendbarkeit des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF aus(vgl Senatsurteil vom 5.10.2005 - B 5 RJ 39/04 R - Juris RdNr 13 f sowie BSG Urteile vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; - B 8 KN 9/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 5; - B 8 KN 7/04 R - Juris RdNr 14 f). Nach dem Grundsatz des § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuchs von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme von diesem Grundsatz schreibt § 300 Abs 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.

13

Die Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG am 7.5.1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der - wie die Biographie des Versicherten - bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene Altfassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 7.5.1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch (§ 194 Abs 1 BGB) auf Witwenrente (vgl zum Begriff des Anspruchs: BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1). Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im Juli 2000 entstanden. Dass das RVNG erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs 2 SGB VI bezeichnet nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes auf Grund seiner Verkündung(Art 82 Abs 1 Satz 1 GG), sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen (Art 82 Abs 2 GG) Änderungsgesetzes ergibt (Senatsurteil vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 16 und BSG Urteile vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; - B 8 KN 9/04 R - SozR 4-1300 § 4 Nr 5; - B 8 KN 7/04 R - Juris RdNr 15 sowie vom 19.5.2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 19).

14

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 300 Abs 3 SGB VI nichts anderes. Danach gilt Folgendes: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln, sind die Vorschriften maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren. Diese allgemeine Übergangsnorm wird durch den spezielleren Art 6 § 4 Abs 4a FANG verdrängt(vgl dazu auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Stand: Oktober 2001 Band 3, § 300 RdNr 33e), der seit dem 1.1.2001 in Kraft ist und speziell für das FRG - im Wesentlichen wortgleich - das Folgende regelt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln, sind die Vorschriften des FRG maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit § 317 Abs 2a SGB VI nichts anderes bestimmt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser vorrangigen Spezialnorm sind offensichtlich nicht erfüllt. Am 7.5.1996 hatte die Klägerin bereits dem Grunde nach kein Recht auf eine große Witwenrente. Erst recht wurde eine derartige Rente daher vor Inkrafttreten des anzuwendenden Rechts weder geleistet noch waren aus diesem Grund EP "neu" zu ermitteln.

15

3. Art 15 Abs 3 RVNG, der § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft setzte, verletzt keine verfassungsmäßigen Rechte der Klägerin, wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 2530/05 ua - SozR 4-5050 § 22b Nr 9) entschieden hat.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. April 2009 wird als unzulässig verworfen, soweit er die Aufhebung auch nach § 48 SGB X begehrt. Im Übrigen wird sie zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Verletztenrente.

2

Der am 1965 geborene Kläger erlitt am 29.3.1973 als achtjähriger Schüler einen Arbeitsunfall. Der Beklagte stellte als Unfallfolgen eine motorische Behinderung in Gestalt einer Gangstörung und eingeschränkten Feinbeweglichkeit der Hände, ein psychoorganisches Syndrom in Form einer Verlangsamung des Wahrnehmungs- und Reaktionstempos sowie des Sprachablaufs, eine mangelnde psychische Belastbarkeit, eine Bewegungseinschränkung der Schultern, Ellenbogen und Hüften, Knick-Senk-Füße beiderseits, bei intendierten Bewegungen eine spastische Spitzfußhaltung links, eine Coxa valga und Genua valga beiderseits sowie einen Zustand nach gedecktem Schädelhirntrauma mit linksbetonter spastischer Tetraparese und für die Zeit ab 1.4.1975 das Recht auf Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH fest (Bescheid vom 5.5.1976). Auf der Grundlage eines vor dem Sozialgericht Stade (SG) am 13.10.1988 abgeschlossenen Vergleichs wurde die Verletztenrente mit Wirkung ab Vollendung des 25. Lebensjahres am 2.2.1990 nach einem Jahresarbeitsverdienst (JAV) in Höhe des einem 25-jährigen Bauingenieur nach der Vergütungsgruppe V a des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) zustehenden Bruttoverdienstes von 39.503,84 DM neu bemessen (Bescheid vom 14.11.1990).

3

Nach dem Besuch einer Behindertenschule und dem Erwerb des Hauptschulabschlusses absolvierte der Kläger eine Ausbildung zur Bürofachkraft. Vom 1.4.1994 bis zum 31.10.1997 war er als Büroangestellter im Bauunternehmen seines Bruders beschäftigt. Diese Tätigkeit endete wegen der Betriebsaufgabe. Anschließende Arbeitsversuche bei anderen Firmen blieben erfolglos.

4

Den im November 1999 gestellten Antrag des Klägers, der Rentenbemessung einen ab 2.8.1990 durch die Vergütungsgruppe BAT IV b und ab August 1997 durch die Vergütungsgruppe BAT IV a bestimmten JAV zu Grunde zu legen, lehnte der Beklagte bestandskräftig im Bescheid vom 18.7.2001 ab. Mit Schreiben vom 1.3.2002 und 2.9.2002 machte der Kläger "die Überprüfung des dortigen Bescheides vom 18.07.2001 gemäss § 44 SGB X" geltend. Obwohl er aufgrund der Unfallfolgen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, sei eine Feststellung des JAV nach § 573 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) oder § 90 Abs 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) unterblieben. Der Beklagte lehnte eine Rücknahme seines Bescheides vom 18.7.2001 ab (Bescheid vom 5.2.2003; Widerspruchsbescheid vom 11.4.2005).

5

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13.11.2006). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.4.2009). Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger bei Erlass des Bescheides am 18.7.2001 keiner Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können. Das der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu Grunde liegende Leistungsvermögen von nur noch unter drei Stunden bestehe nach einer Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. Sch. vom 3.1.2004 seit 10.12.2001. Ausweislich eines für das Arbeitsamt Verden erstellten Gutachtens des Dipl-Psych J. vom 13.5.2002 sei der Kläger den Belastungen eines halben Bürotages gewachsen gewesen. In dem Gutachten des Arbeitsamtarztes Dr. L. vom 18.4.2002 sei sogar eine vollschichtige Einsetzfähigkeit im erlernten Beruf angenommen worden. Abgesehen davon sei der Arbeitsunfall nicht kausal für die Unmöglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Erst die unabhängig vom Arbeitsunfall entstandene und im November 2002 diagnostizierte Multiple Sklerose habe zur Erwerbsunfähigkeit geführt.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 573 Abs 3 RVO sowie eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung. Dass der Versicherungsfall die zeitlich letzte Ursache für das unzureichende Leistungsvermögen sein müsse, finde weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Theorie der wesentlichen Bedingung eine Stütze. Es könne nicht auf die zufällige Reihenfolge des Eintritts unfallbedingter und unfallunabhängiger Erkrankungen ankommen. Ursachen, die bereits vor Eintritt der Unmöglichkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, zu einer nicht ganz unerheblichen Erwerbsminderung geführt hätten, würden wesentlich zur nachfolgend eingetretenen Erwerbsunfähigkeit beitragen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Unfallfolgen zumindest zur Hälfte die Unmöglichkeit der Erwerbsfähigkeit bedingten. Während vorliegend die Unfallfolgen zu einer MdE von 80 vH führten, sei für die Multiple Sklerose eine MdE von 50 vH angenommen worden. Von einer wesentlich kausalen Mitwirkung sei spätestens ab 10.12.2001 auszugehen. Die gutachtlichen Feststellungen von Dr. L. und des Dipl-Psych J. ständen aber auch für die Zeit davor einem die Erwerbstätigkeit ausschließenden Leistungsvermögen nicht entgegen. Das LSG habe diese ungeprüft übernommen anstatt selbst die Leistungsfähigkeit zu klären.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landesozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. April 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 13. November 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 18. Juli 2001 für die Zeit ab 1. Januar 1998 eine höhere Verletztenrente zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger sei vor der Erkrankung an Multipler Sklerose in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Damit scheide der Arbeitsunfall als rechtlich wesentliche Teilursache aus.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang unzulässig, im Übrigen zwar zulässig, aber unbegründet.

11

Die Revision des Klägers ist mangels (formeller) Beschwer als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Sozialgerichtsgesetz), soweit er die Feststellung einer höheren Verletztenrente unter Aufhebung des Bescheids vom 18.7.2001 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geltend macht. Darüber hat das LSG nicht entschieden. Der Kläger hat eine solche Entscheidung auch nicht beantragt. Sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren sowie mit der Revision hat er nur die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 begehrt. Darin hatte der Beklagte lediglich einen auf § 44 SGB X gestützten Anspruch auf Rücknahme seines Verwaltungsaktes im Bescheid vom 18.7.2001 abgelehnt, mit dem eine günstigere "Rentenberechnung" abgelehnt worden war. Damit hatte das LSG nicht darüber zu urteilen, ob eine für den Kläger günstige wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten war. Dass sich der Kläger vor dem SG oder LSG auf § 48 SGB X gestützt hätte, obwohl ein Verwaltungsakt hierüber nicht ergangen war, und dass das Klagebegehren rechtsmissbräuchlich beschränkt worden wäre, ist weder behauptet worden noch ersichtlich.

12

Aufgrund zulässiger Revision hat das BSG nur zu prüfen, ob das LSG die zulässige Berufung des Klägers gegen den die Klagen abweisenden Gerichtsbescheid des SG zutreffend zurückgewiesen hat, soweit es um die zulässige Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Rücknahme des Verwaltungsakts vom 18.7.2001, um die Verpflichtung des Beklagten zu dieser Rücknahme sowie um die Zahlung höherer Verletztenrente aufgrund dieser Rücknahme geht. Die Ablehnungsentscheidung des Beklagten im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts vom 18.7.2001.

13

Nach § 44 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, stets auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist weder geltend gemacht worden noch erkennbar, dass der Beklagte bei der Überprüfung des JAV von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich (nachträglich) als unrichtig erweist. Er hat das Recht nicht unrichtig angewandt. Seine Entscheidung im Bescheid vom 18.7.2001, die Feststellung der Höhe der Verletztenrente im Bescheid vom 14.11.1990 mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht aufzuheben, entsprach der damaligen Sach- und Rechtslage.

14

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Die Höhe der dem Kläger ab 2.2.1990 zustehenden Verletztenrente wurde zuletzt durch den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom 14.11.1990 festgestellt. Es sind also die Verhältnisse bei der Feststellung der Höhe der Verletztenrente für die Zeit ab 2.2.1990 durch Bescheid vom 14.11.1990 mit denjenigen bei Erlass der Ablehnungsentscheidung vom 18.7.2001 zu vergleichen (vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47 S 102 f ). In diesen Verhältnissen ist keine Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art eingetreten.

15

Bei der Prüfung der erforderlichen Änderung kommt es auf den Verfügungssatz des früheren Verwaltungsaktes an. Im Bescheid vom 14.11.1990 hat der Beklagte in Befolgung eines gerichtlichen Vergleichs nur geregelt, dass wegen eines durch die Vergütungsgruppe BAT V a bestimmten JAV ein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente besteht. Bezogen darauf ist eine Änderung nicht eingetreten und auch nicht geltend gemacht worden.

16

Eine Änderung ist auch dann nicht darin zu erblicken, dass der Kläger bei Erlass des Ablehnungsbescheids vom 18.7.2001 gehindert gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob aufgrund der Übergangsregelungen der §§ 212 und 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII der Gesetzestext der RVO oder der des SGB VII gilt. Sowohl § 573 Abs 3 RVO als auch § 90 Abs 3 SGB VII setzen für die Neufestsetzung der Verletztenrente voraus, dass der Verletzte außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit zu verrichten. Das war bei dem Kläger nach den Feststellungen des LSG jedenfalls bei Erlass des Ablehnungsbescheids vom 18.7.2001 nicht der Fall.

17

Das LSG hat ein zu diesem Zeitpunkt bestehendes Unvermögen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verneint. Es hat festgestellt, dass erst durch das Hinzutreten der unabhängig vom Arbeitsunfall entstandenen Multiplen Sklerose eine Erwerbstätigkeit ausgeschlossen wurde, diese Erkrankung bei Erlass des Bescheids vom 18.7.2001 aber noch nicht ausgebrochen war. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen sind. Der Kläger hat die geltend gemachte Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG)weder innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 Satz 1 SGG) noch in der gebotenen Form (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) gerügt. Er hat nicht aufgezeigt, weshalb sich das LSG auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsansicht zu bestimmten weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 21). Der Kläger hat nur dargelegt, weshalb es aus seiner Sicht einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurft hätte.

18

Dass der Kläger erst nach dem Erlass des Verwaltungsaktes vom 18.7.2001 im November 2002 die Fähigkeit verloren hat, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist im Rahmen der hier zu beurteilenden Voraussetzungen für dessen Rücknahme nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ohne Bedeutung. Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss im Zeitpunkt seines Erlasses, also von Anfang an rechtswidrig sein. Wird er hingegen erst nachträglich rechtswidrig, kann er nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X aufgehoben werden. Im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 hat der Beklagte indes nur den mit Schreiben des Klägers vom 1.3.2002 und 2.9.2002 ausdrücklich gestellten Antrag auf "Überprüfung … gemäss § 44 SGB X" abgelehnt, also - wie bereits ausgeführt wurde - nur festgestellt, dass der Kläger keinen Rücknahmeanspruch hat.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 Fremdrentengesetz ungekürzt auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2008 hinsichtlich der Ruhensanordnung aufgehoben werden.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung einer fiktiven rumänischen Rente ruhend zu stellen.

2

Der 1945 in Rumänien geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber des Vertriebenenausweises A. In Rumänien war er von 1962 bis 1975 unterbrochen von Ausbildungszeiten erwerbstätig. Im August 1975 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland.

3

Im Februar 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Mit Schreiben vom 7.3.2008 beantragte er gemäß Art 44 VO (EWG) 1408/71 die Verschiebung der Antragsgleichstellung. Die Beklagte teilte ihm darauf mit Schreiben vom 18.3.2008 mit, dass beabsichtigt sei, die ihm aus Rumänien zustehende Rente in deren voraussichtlicher Höhe anzurechnen, auch wenn er diese tatsächlich nicht beziehen sollte. Eine derartige Anrechnung rechtfertige sich aus § 2 FRG iVm § 31 FRG. Der Anrechnungsbetrag sei auf Basis eines rumänischen Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners ermittelt worden und entspreche umgerechnet 33,92 Euro Monatsrente für deckungsgleiche deutsche und rumänische Zeiten nach Art 107 VO (EWG) 574/72.

4

Mit dem als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierten Bescheid vom 28.4.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1.4.2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Unter Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) des Klägers, des Rentenartfaktors bei Altersrenten und des aktuellen Rentenwerts setzte die Beklagte die Höhe der Rente auf monatlich 474,41 Euro fest (Anlage 1). Gleichzeitig stellte sie fest, dass die Rente ab 1.5.2008 in Höhe des Bruttobetrags der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung ruhe (Anlage 7). Die Rente mindere sich daher um den zu berücksichtigenden Betrag von 33,92 Euro. Den Widerspruch des Klägers, der sich gegen den Einbehalt dieses Betrags richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.2008 zurück.

5

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 24.3.2009 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 18.11.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Rechtsnorm biete keine tragfähige Rechtsgrundlage für die sog Fiktivanrechnung. Aus dem Wortlaut der Norm ergebe sich eindeutig, dass das Ruhen eines Teils der deutschen Rente nur für den Fall der tatsächlichen Auszahlung einer ausländischen Leistung angeordnet werde. Dem Kläger werde eine rumänische Rente aber ersichtlich nicht gezahlt. Eine analoge Anwendung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auf den Fall der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung scheide aus. Eine planwidrige Regelungslücke sei insoweit nicht zu erkennen. Einziger Zweck des § 31 FRG sei es, Doppelleistungen für ein und dieselbe rentenrechtliche Versicherungszeit zu vermeiden. Mehr oder etwas anderes habe der Gesetzgeber nicht erreichen wollen. Ebenso spreche eine Betrachtung der Vorgängerregelung gegen das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Nach § 1 Abs 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7.8.1953 (BGBl I 848 ) sei ein Leistungsanspruch nach § 1 Abs 1 erloschen, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets oder des Landes Berlin eine Leistung "gewährt wird oder auf Antrag gewährt würde". Damals habe das Gesetz eine Fiktivanrechnung ausdrücklich vorgesehen. Dies zeige, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit des Bestehens von Leistungsansprüchen gegen einen ausländischen Versicherungsträger oder eine ausländische andere Stelle bei einer entsprechenden Antragstellung durchaus bewusst gewesen sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber nach der Ablösung des FAG durch das FRG jederzeit und vielfach die Möglichkeit gehabt, § 31 Abs 1 Satz 1 FRG zu modifizieren. Dies habe er gleichwohl nicht getan. Hieran seien die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Leistungsträger und die Gerichte gebunden. Ebenso wenig könne ein Fiktivabzug einer ausländischen Rente auf § 46 Abs 2 SGB I gestützt werden. Auch könne dem Kläger ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden, da er mit der Aufschiebung der rumänischen Rente ein ihm ausdrücklich eingeräumtes Gestaltungsrecht ausgeübt habe.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass im Rahmen der Rechtsfortbildung eine analoge Anwendung des § 31 FRG zulässig und geboten sei. Eine planwidrige Regelungslücke liege vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6.8.1986 - 5a RKn 22/85 - BSGE 60, 176 = SozR 2600 § 57 Nr 3) sei eine solche ua dann gegeben, wenn das Schweigen des Gesetzes darauf zurückzuführen sei, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben habe. Dies sei hier der Fall. § 31 FRG müsse im Zusammenhang mit seiner Entstehung und den damaligen Verhältnissen gesehen werden. Zum Zeitpunkt der Schaffung der Norm habe es keine über- bzw zwischenstaatlichen Regelungen gegeben, die den FRG-Berechtigten Ansprüche auf eine ausländische Rente für die im Vertreibungsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten verschafft hätten. Hätten solche Regelungen existiert, hätten sie nach der damaligen Fassung des § 2 FRG zum Verlust der FRG-Zeiten und der darauf beruhenden deutschen Rentenansprüche geführt. Angesichts der damaligen Verhältnisse in den FRG-Herkunftsländern (Abgrenzung gegenüber westlichen Staaten, Diskriminierung von Aus- und Übersiedlern, fehlende Konvertierbarkeit der dortigen Währungen) habe es für die FRG-Berechtigten auch praktisch kaum Möglichkeiten gegeben, ausländische Rentenleistungen zu erhalten. Vor diesem Hintergrund sei es konsequent gewesen, in Ablösung des zuvor geltenden § 1 Abs 5 FAG in § 31 FRG auf "ausgezahlte" Geldleistungen abzustellen. Regelungen für nicht in Anspruch genommene Rentenleistungen seien überflüssig gewesen. Die ursprüngliche Rechtslage habe durch die Ergänzung des § 2 FRG um einen Satz 2 durch das Gesetz vom 18.6.1991 (BGBl II 741) eine wesentliche Änderung erfahren. Danach sei auch bei Anwendung über- bzw zwischenstaatlichen Rechts die Weitergeltung des FRG möglich, wenn die Abkommen entsprechende ausdrückliche Regelungen enthielten. Dies stelle eine Abschwächung der Ausschlussregelung dar, die der Gesetzgeber angesichts des häufig noch deutlich niedrigeren Rentenniveaus in den Herkunftsländern und damit aus Vertrauensschutzgründen getroffen habe. Der Gesetzgeber habe den Vertrauensschutz in Erwartung entsprechender ausländischer Rentenleistungen und der daraus folgenden Anwendung des § 31 FRG eingeräumt. Wenn die Berechtigten weiterhin die Rechtsvorteile des FRG in Anspruch nehmen könnten, sollten die vorrangigen ausländischen Renten angerechnet werden. Die weitere Anwendung des FRG sei insoweit auf den verbleibenden Differenzbetrag beschränkt unabhängig davon, ob die ausländische Rente gezahlt werde oder nicht. Diese Regelungsabsicht komme in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/470) deutlich zum Ausdruck. Die Änderung des § 2 FRG habe Auswirkungen auf § 31 FRG. Die Vorschrift betreffe jetzt und insbesondere Fälle des über- und zwischenstaatlichen Rechts. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten - im vorliegenden Fall Rumänien - hätten sich die früher allenfalls theoretischen, aber nicht durchsetzbaren Rentenansprüche nunmehr in rechtlich gesicherte und von den Berechtigten zumutbar realisierbare Ansprüche auf Rentenzahlungen gewandelt. Für den Gesetzgeber sei weder zum Zeitpunkt der Änderung des § 2 FRG noch anlässlich der später abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen absehbar gewesen, dass die FRG-Berechtigten die ihnen zustehenden ausländischen Rentenansprüche nicht in Anspruch nehmen würden. Es habe daher keine Veranlassung bestanden, für solche Fälle eine gesetzliche Regelung zu schaffen.

7

Das Verhalten der FRG-Berechtigten, ihre ausländischen Rentenansprüche ohne sachgerechte Gründe nicht zu realisieren, sei rechtsmissbräuchlich. Das europäische Gemeinschaftsrecht stehe einer Kürzung von Rentenansprüchen nach § 31 FRG bei einem praktisch unbegrenzten Aufschub der Rentenansprüche eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu Lasten eines anderen Mitgliedstaates nicht entgegen. Generell löse ein Rentenantrag im Rahmen des Gemeinschaftsrechts nach Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 in allen Mitgliedstaaten die Feststellung der Rentenansprüche aus. Als Ausnahme von diesem Grundsatz eröffne Satz 2 der Regelung das vom Kläger genutzte Dispositionsrecht, die Feststellung von Ansprüchen bei Leistungen wegen Alters in anderen Mitgliedstaaten aufzuschieben. Entsprechende Bestimmungen enthalte Art 22 Abs 3 des mit Rumänien abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommens vom 8.4.2005. Dem Sinn und Zweck nach sollten mit diesen Regelungen lediglich Nachteile vermieden werden, die durch unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zur Altersrente in einzelnen Mitgliedstaaten entstehen könnten. Nachteile der genannten Art seien im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Ein sachlicher Grund für den Aufschub der rumänischen Rentenleistung sei nicht erkennbar. Er diene allein dazu, die Anwendung des § 31 FRG zu umgehen. Damit erweise sich die Inanspruchnahme des Dispositionsrechts als rechtsmissbräuchlich. Durch diese rechtsmissbräuchliche Verhaltensweise sei eine planwidrige Regelungslücke entstanden, die für den Gesetzgeber nicht vorhersehbar gewesen sei und die folglich im Wege der Analogie geschlossen werden könne.

8

Die Fiktivanrechnung stehe auch im Einklang mit den Grundsätzen des Fremdrentenrechts, das vom Prinzip der Subsidiarität geprägt sei. Aus den Regelungen der §§ 2 und 31 FRG werde deutlich, dass die originären ausländischen Rentenansprüche, die durch über- und zwischenstaatliches Recht auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage beruhten, Vorrang vor den versicherungsfremden Leistungen des FRG hätten. Auch das BSG habe im Urteil vom 17.10.2006 (B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27) ausgeführt, dass unabhängig davon, ob man den Entschädigungs- oder den Eingliederungscharakter des Fremdrentenrechts betone, es immer noch das Grundanliegen des Fremdrentenrechts sei, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten sei.

9

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 zurückzuweisen.

11

Er hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass Rumänien jahrelang nach Schaffung des Abkommens bzw Anwendung der VO (EWG) 1408/71 und insbesondere bei Erlass des angefochtenen Bescheids keinerlei Zahlungen nach Deutschland erbracht habe.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte auf die Leistungsklage des Klägers zur Auszahlung der ungekürzten Rente verurteilt worden ist. Soweit sich die Revision gegen die teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide richtet, ist sie hingegen unbegründet.

13

Der als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierte Bescheid vom 28.4.2008 enthält mehrere Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X, die jeweils selbstständig angefochten werden bzw in Bindung erwachsen können; dies sind die Entscheidungen über Rentenart, Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26) sowie die Anordnung, dass der monatliche Zahlbetrag der Rente in Höhe des Bruttobetrages der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung ab 1.5.2008 ruht. Hiermit hat die Beklagte die Regelung getroffen, dass die Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht in der festgestellten Höhe von monatlich 474,41 Euro, sondern um die ausländische Leistung gemindert zu zahlen ist. Der Kläger hat den Bescheid vom 28.4.2008 angegriffen, soweit mit diesem eine fiktive rumänische Rente von monatlich 33,92 Euro angerechnet wird. Die Anfechtung des Klägers beschränkt sich damit auf die ihn belastende Ruhensanordnung.

14

Die Anfechtungsklage im dargelegten Umfang ist zulässig.

15

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 entgegen, nach dem der zur Zahlung der Leistung verpflichtete Träger den Antragsteller darauf aufmerksam macht, dass die Leistung vorläufiger Art ist und nicht angefochten werden kann.

16

Zum einen ist die VO (EWG) 574/72 durch Art 96 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 987/2009 mit Wirkung vom 1.5.2010 aufgehoben worden und deren durch Art 96 Abs 1 Satz 2 VO (EG) 987/2009 angeordnete partielle Weitergeltung für bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Zwecke (Buchst a bis c) hier nicht einschlägig. Damit kann sich die VO (EWG) 574/72 auf die Prozessvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008 vor § 51 RdNr 20), ohnehin nicht mehr auswirken. Abgesehen davon ist Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 nicht dahin zu verstehen, dass er den gerichtlichen Rechtsschutz einschränkt, soweit eine Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts auf seine Vereinbarkeit mit nationalem Recht begehrt wird (vgl EuGH Urteil vom 14.2.1980 - C 53/79). Im vorliegenden Fall geht es aber ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nach § 31 FRG.

17

Die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung der ungekürzten Altersrente neben der Anfechtung der Bescheide ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen vom Begehren des Klägers (§ 123 SGG) nicht mitumfasst. Denn bereits bei Aufhebung der Ruhensanordnung entfällt die Rechtsgrundlage dafür, dem monatlichen Rentenanspruch des Klägers einen Minderungsbetrag von 33,92 Euro entgegenzuhalten und die bestandskräftig festgestellte Rente in Höhe von monatlich 474,41 Euro insoweit nur gekürzt zu zahlen.

18

Die Anfechtungsklage ist begründet. Die Ruhensanordnung im Bescheid vom 28.4.2008 ist rechtswidrig.

19

§ 31 Abs 1 Satz 1 FRG rechtfertigt weder unmittelbar noch im Wege zulässiger Rechtsfortbildung ein teilweises Ruhen der dem Kläger gewährten Rente. Ebenso wenig sind sonstige Rechtsgrundlagen ersichtlich, nach denen sich die Kürzung des monatlichen Rentenzahlbetrags um eine fiktive rumänische Rente als rechtmäßig erweist.

20

Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 FRG die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.

21

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für das Ruhen der deutschen Rente, dass der Versicherte von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eine Rente oder andere Leistung erhält. Der Begriff "ausgezahlt" stellt zweifelsfrei auf die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente ab (so auch Hoernigk/Jahn/Wickenhagen/Aulmann, Kommentar zum FRG, Juli 1988, § 31 RdNr 6). Diesem Verständnis entsprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese dienen der Vermeidung von Doppelleistungen (BT-Drucks 3/1109 Begründung zu §§ 11, 31, FRG; BSGE 43, 274, 277; BSG Breithaupt 1977, 476, 478). Eine Doppelleistung liegt aber schon nach allgemeinem Sprachverständnis nur vor, wenn der Betroffene die Leistung tatsächlich zweifach erhält. Dieses Auslegungsergebnis wird entstehungsgeschichtlich durch die Vorgängerregelung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG bestätigt. Nach § 1 Abs 5 FAG erlosch der Leistungsanspruch nach Abs 1, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin eine Leistung gewährt wird oder "auf Antrag gewährt würde". Dass § 31 Abs 1 Satz 1 FRG diese Fallkonstellation nicht als zweiten Ruhenstatbestand aufführt, spricht dafür, dass die Vorschrift nur auf wirklich erbrachte Leistungen abstellt.

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung auf den Fall anwendbar, dass eine ausländische Rente auf Antrag gewährt würde. Eine bewusste oder unbewusste Gesetzeslücke ist insoweit nicht feststellbar.

23

Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3 mwN) ist der Richter zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke dort berufen, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat. Die analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte ist dann geboten, wenn auch der nicht geregelte Fall nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage hätte einbezogen werden müssen.

24

Ein absichtliches oder versehentliches Schweigen des Gesetzgebers ist angesichts der beschriebenen Entstehungsgeschichte des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG sowie dessen Sinn und Zweck auszuschließen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst ein Ruhen der deutschen Rente an die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente geknüpft, da er Doppelleistungen verhindern wollte. Angesichts dessen war es folgerichtig, die fiktive Leistung einer ausländischen Rente nicht als zweiten Ruhenstatbestand aus der Vorgängerregelung zu übernehmen.

25

Ebenso wenig ist nachträglich auf Grund einer Veränderung des nationalen Rechts oder der politischen und rechtlichen Verhältnisse in Europa eine planwidrige Gesetzeslücke entstanden. Dabei kann dahinstehen, ob heute im Unterschied zu früheren Zeiten Renten aus den ehemaligen Ostblockstaaten problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Selbst wenn dies zuträfe, ist nicht erkennbar, dass nach der gesetzgeberischen Absicht in diesem Fall eine Anrechnung solcher Auslandsrenten gewollt ist, die nach ausländischem Recht "auf Antrag gewährt würden".

26

Die Entstehung einer entsprechenden Regelungslücke in § 31 Abs 1 FRG infolge der Einfügung des Satzes 2 in § 2 FRG durch das Gesetz zu dem Abkommen vom 8.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 18.6.1991 (BGBl 1991 II 741) ist nicht feststellbar. Zwar ist mit dieser Bestimmung die Anwendung des FRG und damit die Gewährung von FRG-Renten auch bei Vorhandensein zwischenstaatlicher Abkommen ermöglicht worden, soweit diese entsprechende Regelungen enthalten. Hieraus lässt sich jedoch eine versehentlich unterbliebene Neugestaltung des § 31 FRG nicht ableiten.

27

In der Begründung zum Entwurf des Vertragsgesetzes vom 18.6.1991 wird darauf hingewiesen, dass die Ergänzung für Aussiedler die Gewährung einer Rente nach dem FRG ermöglicht, auf die allerdings eine polnische Exportrente anzurechnen ist. Im Ergebnis werde die polnische Rentenleistung auf das Niveau des FRG aufgestockt (BT-Drucks 12/470 und BR-Drucks 162/91 beide S 7 Erl zu Art 5). Anders als die Beklagte versteht der erkennende Senat diese Erläuterung als Bekräftigung dafür, dass weiterhin nur tatsächlich nach Deutschland gezahlte Renten auf die deutsche Rente anzurechnen sind. Denn Ausführungen zu nunmehr möglich gewordenen Exportrenten und dadurch veränderten Bedingungen der Anrechenbarkeit enthält die Begründung nicht. Vielmehr weist diese im Weiteren darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Anpassung des Fremdrentenrechts an die sich verändernden Verhältnisse zwischen Ost und West hiervon unberührt bleibt. Diese Erklärungen machen ein vorhandenes Bewusstsein um die Notwendigkeit gesetzlicher Neuregelungen wegen der geänderten Lage in Europa deutlich. Dass gleichwohl eine Änderung des § 31 Abs 1 FRG nicht erfolgt ist, zeigt, dass insoweit kein Handlungsbedarf gesehen wurde.

28

Ein solcher ist auch im Kontext europarechtlicher Vorschriften und zwischenstaatlicher Abkommen nicht erkennbar. Dass Versicherte in mehreren Staaten Ansprüche auf gleiche oder vergleichbare Leistungen haben können, die von einem Antrag abhängig sind, hat das europäische bzw zwischenstaatliche Recht gesehen und im Sinne einer Vereinheitlichung der Antragstellung geregelt.

29

Bereits Art 44 Abs 2 Satz 1 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen VO (EWG) 1408/71 bestimmt, dass der Rentenantrag in einem Mitgliedstaat grundsätzlich das Leistungsfeststellungsverfahren in allen Mitgliedstaaten auslöst, in denen Versicherungszeiten zurückgelegt sind. Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 durchbricht diesen Grundsatz, indem er auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen das Aufschieben der Feststellung von Ansprüchen auf Leistungen bei Alter in einem Mitgliedstaat zulässt. Entsprechende Regelungen enthält Art 50 Abs 1 der am 1.5.2010 in Kraft getretenen VO (EG) 883/2004. Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 und Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 begründen damit grundsätzlich die europaweite Wirkung der Antragstellung in einem Mitgliedstaat. Abgesehen von der Ausnahmeregelung für Leistungen bei Alter gilt der Grundsatz der europaweiten Wirkung der Rentenantragsstellung auch für den Berechtigten zwingend (Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 44 VO 1408/71 RdNr 6; Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 5. Aufl 2010, Art 50 VO 883/2004 RdNr 6). Im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Rumänien finden sich vergleichbare Regelungen in Art 22 Abs 3 des Abkommens dieser Staaten über Soziale Sicherheit vom 8.4.2005 (BGBl 2006 II 164).

30

Angesichts dieser Bestimmungen kann ein Versicherter durch eine unterlassene Antragstellung eine Rentenleistung aus Rumänien bzw einem anderen Mitgliedstaat der EU grundsätzlich nicht verhindern. Eine fiktive Rente, die auf Antrag geleistet würde, kann es insoweit nicht geben. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Anrechnungsvorschrift für eine fiktive Rente und ist eine entsprechende Regelungslücke in § 31 FRG nicht ersichtlich. Dies gilt auch hinsichtlich der Altersrenten. Zwar kann der Versicherte hier die Antragswirkung begrenzen, dies allerdings kraft ausdrücklicher gesetzlicher Erlaubnis. Ist dem Versicherten aber ausdrücklich gestattet, die bilaterale bzw europaweite Wirkung des Rentenantrags einzuschränken und damit eine bestimmte Rentenleistung aus Rumänien oder einem anderen Mitgliedstaat der EU nicht in Anspruch zu nehmen, wäre es im Kontext des zwischenstaatlichen bzw europäischen Rechts widersprüchlich, ihn bei Bezug der deutschen Rente zu seinem Nachteil doch so zu stellen, als würde er die ausländische Rente erhalten.

31

Eine Gesetzeslücke kann schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des in Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 bzw Art 50 Abs 1 Halbs 2 VO (EG) 883/2004 eingeräumten Dispositionsrechts entstehen. Die Möglichkeit des Missbrauchs im Einzelfall kann den Regelungsgehalt einer abstrakten Rechtsnorm nicht bestimmen. Einem Missbrauch im Einzelfall ist vielmehr dadurch zu begegnen, dass geprüft wird, ob die begehrte Leistung nach dem auch im Sozialrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ganz oder teilweise zu versagen ist(vgl BSG SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 26 mwN).

32

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass bei dem hier vertretenen Verständnis zum Anwendungsbereich des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG dem auch vom Senat betonten Grundanliegen des Fremdrentenrechts, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten ist(Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27),nicht Rechnung getragen wird, wenn unterstellt wird, dass Renten aus Rumänien mittlerweile problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Dies vermag das gefundene Ergebnis jedoch nicht in Frage zu stellen. Denn dieses Grundanliegen ist in § 31 Abs 1 Satz 1 FRG insbesondere vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorschriften nicht umgesetzt worden.

33

Sonstige Rechtsgrundlagen, die eine Ruhendstellung der deutschen Rente und damit eine Minderung des monatlichen Rentenzahlbetrages rechtfertigen, bestehen ebenfalls nicht.

34

Der Anwendungsbereich des § 46 SGB I ist nicht eröffnet.

35

Nach § 46 Abs 2 SGB I ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Der Anspruch des Klägers auf eine rumänische Altersrente ist kein Anspruch auf eine Sozialleistung iS des § 46 SGB I. Diese Vorschrift bezieht sich auf Sozialleistungen iS von § 11 Abs 1 SGB I(BSG SozR 4-1200 § 46 Nr 1 RdNr 10), zu denen im SGB vorgesehene Dienst-, Sach- und Geldleistungen gehören. Auf Ansprüche aus Sicherungssystemen, die außerhalb dieses Gesetzbuches existieren, ist § 46 SGB I nicht anwendbar.

36

Die Kürzung des Rentenanspruchs des Klägers um eine fiktive rumänische Rente erweist sich schließlich ebenfalls nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als rechtmäßig.

37

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung für den Bereich des Sozialrechts entschieden, dass sich auch hier die Ausübung einer an sich gegebenen Rechtsmacht als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn sie nicht mehr im Rahmen der rechtsethischen und sozialen Funktion des Rechts liegt (BSG SozR 2200 § 315a Nr 7 S 18 mwN).

38

Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger den Antrag auf Aufschiebung der Feststellung seines in Rumänien erworbenen Anspruchs auf Altersrente rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Von einem Rechtsmissbrauch könnte nur dann gesprochen werden, wenn der Kläger von dem ihm gesetzlich eingeräumten Aufschubrecht bewusst einen ausschließlich funktionswidrigen Gebrauch gemacht hätte (BSG aaO). Dies wiederum setzt voraus, dass die Ausübung des Aufschubrechts gesetzlich bestimmten Einschränkungen unterliegt bzw das Recht nur zu bestimmten Zwecken ausgeübt werden darf. Weder Art 22 Abs 3 des Abkommens vom 8.4.2005 noch Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 oder Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 führen die dem Aufschubrecht von der Beklagten beigemessene oder eine andere Zweckbindung auf und enthalten hierfür auch keine ausreichenden Anhaltspunkte.

39

Dass die Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig ist, wird zudem durch die fehlende Existenz einer Rechtsgrundlage für die Berechnung einer fiktiven Rente bestätigt.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird nur die höchste Rente geleistet. Bei gleich hohen Renten ist folgende Rangfolge maßgebend:

1.
Regelaltersrente,
2.
Altersrente für langjährig Versicherte,
3.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen,
3a.
Altersrente für besonders langjährig Versicherte,
4.
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Fünftes Kapitel),
5.
Altersrente für Frauen (Fünftes Kapitel),
6.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute,
7.
Rente wegen voller Erwerbsminderung,
8.
(weggefallen)
9.
Erziehungsrente,
10.
(weggefallen)
11.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
12.
Rente für Bergleute.
Ist eine Rente gezahlt worden und wird für denselben Zeitraum eine höhere oder ranghöhere Rente bewilligt, ist der Bescheid über die niedrigere oder rangniedrigere Rente vom Beginn der laufenden Zahlung der höheren oder ranghöheren Rente an aufzuheben. Nicht anzuwenden sind die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 des Zehnten Buches), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 des Zehnten Buches) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 des Zehnten Buches). Für den Zeitraum des Zusammentreffens der Rentenansprüche bis zum Beginn der laufenden Zahlung nach Satz 3 gilt der Anspruch auf die höhere oder ranghöhere Rente nach Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger bis zur Höhe der gezahlten niedrigeren oder rangniedrigeren Rente als erfüllt. Ein unter Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger verbleibender Nachzahlungsbetrag aus der höheren oder ranghöheren Rente ist nur auszuzahlen, soweit er die niedrigere oder rangniedrigere Rente übersteigt. Übersteigen die vom Rentenversicherungsträger anderen Leistungsträgern zu erstattenden Beträge zusammen mit der niedrigeren oder rangniedrigeren Rente den Betrag der höheren oder ranghöheren Rente, wird der übersteigende Betrag nicht von den Versicherten zurückgefordert.

(2) Für den Zeitraum, für den Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht, wird eine kleine Witwenrente oder eine kleine Witwerrente nicht geleistet. Absatz 1 Satz 3 bis 7 gilt entsprechend.

(3) Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Waisenrenten, wird nur die höchste Waisenrente geleistet. Bei gleich hohen Waisenrenten wird nur die zuerst beantragte Rente geleistet. Absatz 1 Satz 3 bis 7 gilt entsprechend.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.

(2) Eine Hinterbliebenenrente wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind. Sie wird bereits vom Todestag an geleistet, wenn an den Versicherten eine Rente im Sterbemonat nicht zu leisten ist. Eine Hinterbliebenenrente wird nicht für mehr als zwölf Kalendermonate vor dem Monat, in dem die Rente beantragt wird, geleistet.

Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob und wann sie ein Verwaltungsverfahren durchführt. Dies gilt nicht, wenn die Behörde auf Grund von Rechtsvorschriften

1.
von Amts wegen oder auf Antrag tätig werden muss,
2.
nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2005 und des Sozialgerichts Koblenz vom 9. März 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren darüber, ob die Beklagte der Klägerin ab dem 23.7.2000 große Witwenrente zahlen muss.

2

Die Klägerin ist Witwe des 1991 in der UdSSR verstorbenen Versicherten, lebt seit dem 23.7.2000 in der Bundesrepublik Deutschland und ist als Spätaussiedlerin anerkannt. Seit dem Tag ihrer Einreise bezieht sie Regelaltersrente aus eigener Versicherung nach dem FRG, wobei die Beklagte die ermittelten Entgeltpunkte (EP) auf den Höchstwert von 25 begrenzte (Bescheid vom 8.3.2001). Mit Bescheid vom 14.3.2001 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf große Witwenrente dem Grunde nach an, lehnte aber gleichzeitig eine Zahlung ab, weil der Höchstwert von 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG bereits vorrangig in der Regelaltersrente berücksichtigt worden sei.

3

Im Februar 2002 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 14.3.2001 bezüglich der Anwendung des § 22b FRG zu überprüfen. Die Beklagte lehnte es ab, die große Witwenrente neu festzustellen (Bescheid vom 18.6.2003 und Widerspruchsbescheid vom 17.9.2003).

4

Das SG Koblenz hat die Bescheide vom 14.3.2001 und 18.6.2003 sowie den Widerspruchsbescheid vom 17.9.2003 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin große Witwenrente ohne Begrenzung auf 25 EP zu zahlen (Urteil vom 9.3.2005). Die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz zurückgewiesen (Urteil vom 24.10.2005): Die Beklagte sei bei Erlass des Witwenrentenbescheids vom 14.3.2001 nicht befugt gewesen, die ermittelten EP auf Null zu kürzen. Auf § 22b Abs 1 Satz 1 FRG(idF des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.9.1996, BGBl I 1461; im Folgenden: aF) habe sie sich nicht stützen können, weil diese Norm das Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung mit Hinterbliebenenrenten nicht erfasse. Dass § 22b Abs 1 Satz 1 FRG idF des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791; im Folgenden: nF) rückwirkend seit dem 7.5.1996 eine entsprechende Kürzung vorsehe, sei unerheblich. Denn nach § 300 Abs 3 SGB VI bleibe altes Recht, das bei der Rentenerstfeststellung gegolten habe, auch dann maßgeblich, wenn die Rente später neu festzustellen sei und sich das Rentenrecht zwischenzeitlich geändert habe.

5

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X): Der Klägerin seien Rentenleistungen nicht zu Unrecht vorenthalten worden. Denn § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF bestimme ausdrücklich, dass für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde zu legen seien. Dass der Gesetzgeber diese Vorschrift erst im Juli 2004 verkündet und rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft gesetzt habe, sei verfassungsgemäß, wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 2530/05 ua - SozR 4-5050 § 22b Nr 9) entschieden habe. Keinesfalls schließe § 300 SGB VI die Anwendbarkeit des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF aus. Denn der Witwenrentenanspruch der Klägerin sei erst mit ihrem Zuzug im Juli 2000 und damit nicht iS von § 300 Abs 1 SGB VI vor Inkrafttreten des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF am 7.5.1996 entstanden und er habe mithin auch nicht iS des § 300 Abs 2 SGB VI vor der Aufhebung der früheren Gesetzesfassung bestanden. Die Verkündung des RVNG erst im Juli 2004 ändere daran nichts. Im Verhältnis von § 300 Abs 1 zu Abs 2 SGB VI bezeichne der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs 2 SGB VI nicht den tatsächlichen Akt der Aufhebung im Sinne der Verkündung des Änderungsgesetzes, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts.

6

           

Die Beklagte beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Oktober 2005 und des Sozialgerichts Koblenz vom 9. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Bescheid vom 18.6.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.9.2003 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihren bestandskräftigen Rentenbescheid vom 14.3.2001 hinsichtlich der Rentenhöhe zurückzunehmen und der Klägerin große Witwenrente zu zahlen.

9

Der geltend gemachte Rücknahmeanspruch richtet sich nach § 44 SGB X. Nach dessen Abs 1 Satz 1 ist ein bindend gewordener Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Diese Voraussetzungen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 14.3.2001 sind hinsichtlich der Rentenhöhe nicht erfüllt. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte bei Erlass (Bekanntgabe iS von § 39 Abs 1 Satz 1 SGB X) dieses Bescheids das Recht richtig angewendet hat. Denn sie hat jedenfalls die große Witwenrente zu Recht nicht ausgezahlt (dazu 1.), ohne damit Bundesrecht (dazu 2.) oder Verfassungsrecht (dazu 3.) verletzt zu haben.

10

1. Selbst wenn die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 14.3.2001 das Recht fehlerhaft angewandt hätte, würde dies keinen Rücknahmeanspruch begründen. Denn es fehlt die weitere Voraussetzung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X, dass wegen der unrichtigen Rechtsanwendung Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden sind. Ob diese (weitere) Voraussetzung erfüllt ist, richtet sich nach der materiellen Rechtslage, die im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überprüfungsentscheidung besteht (vgl Senatsurteile vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 14 und vom 13.9.1994 - 5 RJ 30/93 - HVBG-INFO 1995, 424 sowie BSG Urteil vom 25.10.1984 - 11 RAz 3/83 - BSGE 57, 209, 210 = SozR 1300 § 44 Nr 13 S 21 f mwN zum Fall nachträglicher Änderung der Rechtsprechung). Maßgeblicher Zeitpunkt ist daher grundsätzlich die letzte mündliche Verhandlung. Hat sich das Recht während des anhängigen Rechtsstreits geändert, so ist das neue Recht auch im Revisionsverfahren zu beachten, wenn es das streitige Rechtsverhältnis nach seinem zeitlichen Geltungswillen erfasst (stRspr, vgl BSG Urteil vom 14.7.1993 - 6 RKa 71/91 - BSGE 73, 25, 27 = SozR 3-2500 § 116 Nr 4 S 26; Vorlagebeschluss vom 28.5.1997 - 8 RKn 27/95 - SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 27 f; Urteile vom 2.7.1997 - 9 RVs 9/96 - Juris und vom 26.2.2003 - B 8 KN 11/02 R - SozR 4-2600 § 93 Nr 4 RdNr 7; Beschluss vom 18.8.2004 - B 8 KN 18/03 B - Juris).

11

Dieser Fall ist hier gegeben. § 22b Abs 1 Satz 1 FRG aF ist während des anhängigen Verfahrens zunächst mit Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG rückwirkend zum 7.5.1996 durch eine Neufassung (§ 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF) ersetzt worden, wonach für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 EP der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten zu Grunde gelegt werden. Sodann sind mit Wirkung zum 1.1.2005 die Worte "Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten" durch die Worte "allgemeine Rentenversicherung" ersetzt worden (Art 45 Nr 2 des Gesetzes zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242). Schließlich sind nach § 22b Abs 3 FRG, der nachträglich durch Art 12 Nr 2 RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl I 2998) mit (Rück-)Wirkung zum 7.5.1996 (Art 33 Abs 7 RRG 1999) angefügt wurde, EP aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor vorrangig zu berücksichtigen. Hieran gemessen hat die Klägerin kein Recht auf eine der Höhe nach bestimmte Rente. EP aus ihrer Regelaltersrente sind gemäß § 22b Abs 3 FRG vorrangig zu berücksichtigen. Denn der Rentenartfaktor für persönliche EP bei dieser Rentenart (§ 33 Abs 2 SGB VI) ist mit 1,0 höher (§ 67 Nr 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren bei großen Witwenrenten nach Ablauf des sog Sterbevierteljahres für persönliche EP in der allgemeinen Rentenversicherung gemäß § 67 Nr 6 SGB VI in Höhe von 0,6 (ab 1.1.2002: 0,55) und in der knappschaftlichen Rentenversicherung gemäß § 82 Nr 7 SGB VI in Höhe von 0,8 (ab 1.1.2002: 0,7333). Da bei der Regelaltersrente der Klägerin bereits 25 EP für anrechenbare Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit schon die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF für ein Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Folglich war für die große Witwenrente kein "Monatsbetrag der Rente" (§ 64 SGB VI) festzustellen. Im Ergebnis ist die Klägerin damit lediglich Inhaberin eines "leeren Rechts" auf Witwenrente und bleibt auf den Wert ihrer eigenen Rente und die hieraus monatlich erwachsenden Einzelansprüche beschränkt.

12

2. Übergangsrechtlich schließen weder § 300 SGB VI, der gemäß § 14 FRG auch für Änderungen des FRG gilt(vgl BSG Urteil vom 19.5.2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 13 = SozR 4-5050, § 22b Nr 3), noch Art 6 § 4 Abs 4a des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25.2.1960 (BGBl I 93) idF des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) die Anwendbarkeit des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF aus(vgl Senatsurteil vom 5.10.2005 - B 5 RJ 39/04 R - Juris RdNr 13 f sowie BSG Urteile vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; - B 8 KN 9/04 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 5; - B 8 KN 7/04 R - Juris RdNr 14 f). Nach dem Grundsatz des § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzbuchs von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme von diesem Grundsatz schreibt § 300 Abs 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuchs und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird.

13

Die Neufassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG ist gemäß Art 9 Nr 2 iVm Art 15 Abs 3 RVNG am 7.5.1996 in Kraft getreten und nach der Grundregel des § 300 Abs 1 SGB VI auch auf einen Sachverhalt anzuwenden, der - wie die Biographie des Versicherten - bereits vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen war. Die gleichzeitig aufgehobene Altfassung des § 22b Abs 1 Satz 1 FRG gilt nicht nach § 300 Abs 2 SGB VI ausnahmsweise fort. Denn die Klägerin hatte am 7.5.1996 (noch) keinen durchsetzbaren Anspruch (§ 194 Abs 1 BGB) auf Witwenrente (vgl zum Begriff des Anspruchs: BSG SozR 3-2600 § 301 Nr 1). Ihr Witwenrentenanspruch ist nämlich erst mit ihrem Zuzug im Juli 2000 entstanden. Dass das RVNG erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs 2 SGB VI bezeichnet nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes auf Grund seiner Verkündung(Art 82 Abs 1 Satz 1 GG), sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen (Art 82 Abs 2 GG) Änderungsgesetzes ergibt (Senatsurteil vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R - Juris RdNr 16 und BSG Urteile vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R - BSGE 95, 29 = SozR 4-5050 § 22b Nr 4; - B 8 KN 9/04 R - SozR 4-1300 § 4 Nr 5; - B 8 KN 7/04 R - Juris RdNr 15 sowie vom 19.5.2004 - B 13 RJ 46/03 R - BSGE 93, 15 RdNr 19).

14

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 300 Abs 3 SGB VI nichts anderes. Danach gilt Folgendes: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln, sind die Vorschriften maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren. Diese allgemeine Übergangsnorm wird durch den spezielleren Art 6 § 4 Abs 4a FANG verdrängt(vgl dazu auch Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, Stand: Oktober 2001 Band 3, § 300 RdNr 33e), der seit dem 1.1.2001 in Kraft ist und speziell für das FRG - im Wesentlichen wortgleich - das Folgende regelt: Ist eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und sind dabei die persönlichen EP neu zu ermitteln, sind die Vorschriften des FRG maßgebend, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden waren, soweit § 317 Abs 2a SGB VI nichts anderes bestimmt. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser vorrangigen Spezialnorm sind offensichtlich nicht erfüllt. Am 7.5.1996 hatte die Klägerin bereits dem Grunde nach kein Recht auf eine große Witwenrente. Erst recht wurde eine derartige Rente daher vor Inkrafttreten des anzuwendenden Rechts weder geleistet noch waren aus diesem Grund EP "neu" zu ermitteln.

15

3. Art 15 Abs 3 RVNG, der § 22b Abs 1 Satz 1 FRG nF rückwirkend zum 7.5.1996 in Kraft setzte, verletzt keine verfassungsmäßigen Rechte der Klägerin, wie das BVerfG mit Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 2530/05 ua - SozR 4-5050 § 22b Nr 9) entschieden hat.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. April 2009 wird als unzulässig verworfen, soweit er die Aufhebung auch nach § 48 SGB X begehrt. Im Übrigen wird sie zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe einer Verletztenrente.

2

Der am 1965 geborene Kläger erlitt am 29.3.1973 als achtjähriger Schüler einen Arbeitsunfall. Der Beklagte stellte als Unfallfolgen eine motorische Behinderung in Gestalt einer Gangstörung und eingeschränkten Feinbeweglichkeit der Hände, ein psychoorganisches Syndrom in Form einer Verlangsamung des Wahrnehmungs- und Reaktionstempos sowie des Sprachablaufs, eine mangelnde psychische Belastbarkeit, eine Bewegungseinschränkung der Schultern, Ellenbogen und Hüften, Knick-Senk-Füße beiderseits, bei intendierten Bewegungen eine spastische Spitzfußhaltung links, eine Coxa valga und Genua valga beiderseits sowie einen Zustand nach gedecktem Schädelhirntrauma mit linksbetonter spastischer Tetraparese und für die Zeit ab 1.4.1975 das Recht auf Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH fest (Bescheid vom 5.5.1976). Auf der Grundlage eines vor dem Sozialgericht Stade (SG) am 13.10.1988 abgeschlossenen Vergleichs wurde die Verletztenrente mit Wirkung ab Vollendung des 25. Lebensjahres am 2.2.1990 nach einem Jahresarbeitsverdienst (JAV) in Höhe des einem 25-jährigen Bauingenieur nach der Vergütungsgruppe V a des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) zustehenden Bruttoverdienstes von 39.503,84 DM neu bemessen (Bescheid vom 14.11.1990).

3

Nach dem Besuch einer Behindertenschule und dem Erwerb des Hauptschulabschlusses absolvierte der Kläger eine Ausbildung zur Bürofachkraft. Vom 1.4.1994 bis zum 31.10.1997 war er als Büroangestellter im Bauunternehmen seines Bruders beschäftigt. Diese Tätigkeit endete wegen der Betriebsaufgabe. Anschließende Arbeitsversuche bei anderen Firmen blieben erfolglos.

4

Den im November 1999 gestellten Antrag des Klägers, der Rentenbemessung einen ab 2.8.1990 durch die Vergütungsgruppe BAT IV b und ab August 1997 durch die Vergütungsgruppe BAT IV a bestimmten JAV zu Grunde zu legen, lehnte der Beklagte bestandskräftig im Bescheid vom 18.7.2001 ab. Mit Schreiben vom 1.3.2002 und 2.9.2002 machte der Kläger "die Überprüfung des dortigen Bescheides vom 18.07.2001 gemäss § 44 SGB X" geltend. Obwohl er aufgrund der Unfallfolgen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne, sei eine Feststellung des JAV nach § 573 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) oder § 90 Abs 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) unterblieben. Der Beklagte lehnte eine Rücknahme seines Bescheides vom 18.7.2001 ab (Bescheid vom 5.2.2003; Widerspruchsbescheid vom 11.4.2005).

5

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13.11.2006). Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 23.4.2009). Es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger bei Erlass des Bescheides am 18.7.2001 keiner Erwerbstätigkeit hätte nachgehen können. Das der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zu Grunde liegende Leistungsvermögen von nur noch unter drei Stunden bestehe nach einer Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. Sch. vom 3.1.2004 seit 10.12.2001. Ausweislich eines für das Arbeitsamt Verden erstellten Gutachtens des Dipl-Psych J. vom 13.5.2002 sei der Kläger den Belastungen eines halben Bürotages gewachsen gewesen. In dem Gutachten des Arbeitsamtarztes Dr. L. vom 18.4.2002 sei sogar eine vollschichtige Einsetzfähigkeit im erlernten Beruf angenommen worden. Abgesehen davon sei der Arbeitsunfall nicht kausal für die Unmöglichkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Erst die unabhängig vom Arbeitsunfall entstandene und im November 2002 diagnostizierte Multiple Sklerose habe zur Erwerbsunfähigkeit geführt.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 573 Abs 3 RVO sowie eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung. Dass der Versicherungsfall die zeitlich letzte Ursache für das unzureichende Leistungsvermögen sein müsse, finde weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Theorie der wesentlichen Bedingung eine Stütze. Es könne nicht auf die zufällige Reihenfolge des Eintritts unfallbedingter und unfallunabhängiger Erkrankungen ankommen. Ursachen, die bereits vor Eintritt der Unmöglichkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, zu einer nicht ganz unerheblichen Erwerbsminderung geführt hätten, würden wesentlich zur nachfolgend eingetretenen Erwerbsunfähigkeit beitragen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die Unfallfolgen zumindest zur Hälfte die Unmöglichkeit der Erwerbsfähigkeit bedingten. Während vorliegend die Unfallfolgen zu einer MdE von 80 vH führten, sei für die Multiple Sklerose eine MdE von 50 vH angenommen worden. Von einer wesentlich kausalen Mitwirkung sei spätestens ab 10.12.2001 auszugehen. Die gutachtlichen Feststellungen von Dr. L. und des Dipl-Psych J. ständen aber auch für die Zeit davor einem die Erwerbstätigkeit ausschließenden Leistungsvermögen nicht entgegen. Das LSG habe diese ungeprüft übernommen anstatt selbst die Leistungsfähigkeit zu klären.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landesozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 23. April 2009 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 13. November 2006 sowie den Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 18. Juli 2001 für die Zeit ab 1. Januar 1998 eine höhere Verletztenrente zu zahlen.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Der Kläger sei vor der Erkrankung an Multipler Sklerose in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Damit scheide der Arbeitsunfall als rechtlich wesentliche Teilursache aus.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist in dem im Urteilsausspruch genannten Umfang unzulässig, im Übrigen zwar zulässig, aber unbegründet.

11

Die Revision des Klägers ist mangels (formeller) Beschwer als unzulässig zu verwerfen (§ 169 Sozialgerichtsgesetz), soweit er die Feststellung einer höheren Verletztenrente unter Aufhebung des Bescheids vom 18.7.2001 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geltend macht. Darüber hat das LSG nicht entschieden. Der Kläger hat eine solche Entscheidung auch nicht beantragt. Sowohl im Klage- als auch im Berufungsverfahren sowie mit der Revision hat er nur die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 begehrt. Darin hatte der Beklagte lediglich einen auf § 44 SGB X gestützten Anspruch auf Rücknahme seines Verwaltungsaktes im Bescheid vom 18.7.2001 abgelehnt, mit dem eine günstigere "Rentenberechnung" abgelehnt worden war. Damit hatte das LSG nicht darüber zu urteilen, ob eine für den Kläger günstige wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten war. Dass sich der Kläger vor dem SG oder LSG auf § 48 SGB X gestützt hätte, obwohl ein Verwaltungsakt hierüber nicht ergangen war, und dass das Klagebegehren rechtsmissbräuchlich beschränkt worden wäre, ist weder behauptet worden noch ersichtlich.

12

Aufgrund zulässiger Revision hat das BSG nur zu prüfen, ob das LSG die zulässige Berufung des Klägers gegen den die Klagen abweisenden Gerichtsbescheid des SG zutreffend zurückgewiesen hat, soweit es um die zulässige Anfechtungsklage gegen die Ablehnung eines Anspruchs auf Rücknahme des Verwaltungsakts vom 18.7.2001, um die Verpflichtung des Beklagten zu dieser Rücknahme sowie um die Zahlung höherer Verletztenrente aufgrund dieser Rücknahme geht. Die Ablehnungsentscheidung des Beklagten im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts vom 18.7.2001.

13

Nach § 44 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, stets auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Es ist weder geltend gemacht worden noch erkennbar, dass der Beklagte bei der Überprüfung des JAV von einem Sachverhalt ausgegangen sein könnte, der sich (nachträglich) als unrichtig erweist. Er hat das Recht nicht unrichtig angewandt. Seine Entscheidung im Bescheid vom 18.7.2001, die Feststellung der Höhe der Verletztenrente im Bescheid vom 14.11.1990 mangels einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nicht aufzuheben, entsprach der damaligen Sach- und Rechtslage.

14

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Die Höhe der dem Kläger ab 2.2.1990 zustehenden Verletztenrente wurde zuletzt durch den Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom 14.11.1990 festgestellt. Es sind also die Verhältnisse bei der Feststellung der Höhe der Verletztenrente für die Zeit ab 2.2.1990 durch Bescheid vom 14.11.1990 mit denjenigen bei Erlass der Ablehnungsentscheidung vom 18.7.2001 zu vergleichen (vgl BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 47 S 102 f ). In diesen Verhältnissen ist keine Änderung tatsächlicher oder rechtlicher Art eingetreten.

15

Bei der Prüfung der erforderlichen Änderung kommt es auf den Verfügungssatz des früheren Verwaltungsaktes an. Im Bescheid vom 14.11.1990 hat der Beklagte in Befolgung eines gerichtlichen Vergleichs nur geregelt, dass wegen eines durch die Vergütungsgruppe BAT V a bestimmten JAV ein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente besteht. Bezogen darauf ist eine Änderung nicht eingetreten und auch nicht geltend gemacht worden.

16

Eine Änderung ist auch dann nicht darin zu erblicken, dass der Kläger bei Erlass des Ablehnungsbescheids vom 18.7.2001 gehindert gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob aufgrund der Übergangsregelungen der §§ 212 und 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII der Gesetzestext der RVO oder der des SGB VII gilt. Sowohl § 573 Abs 3 RVO als auch § 90 Abs 3 SGB VII setzen für die Neufestsetzung der Verletztenrente voraus, dass der Verletzte außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit zu verrichten. Das war bei dem Kläger nach den Feststellungen des LSG jedenfalls bei Erlass des Ablehnungsbescheids vom 18.7.2001 nicht der Fall.

17

Das LSG hat ein zu diesem Zeitpunkt bestehendes Unvermögen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verneint. Es hat festgestellt, dass erst durch das Hinzutreten der unabhängig vom Arbeitsunfall entstandenen Multiplen Sklerose eine Erwerbstätigkeit ausgeschlossen wurde, diese Erkrankung bei Erlass des Bescheids vom 18.7.2001 aber noch nicht ausgebrochen war. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (§ 163 SGG), da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen sind. Der Kläger hat die geltend gemachte Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG)weder innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 164 Abs 2 Satz 1 SGG) noch in der gebotenen Form (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) gerügt. Er hat nicht aufgezeigt, weshalb sich das LSG auf der Grundlage seiner eigenen Rechtsansicht zu bestimmten weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt fühlen müssen (vgl BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 21). Der Kläger hat nur dargelegt, weshalb es aus seiner Sicht einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurft hätte.

18

Dass der Kläger erst nach dem Erlass des Verwaltungsaktes vom 18.7.2001 im November 2002 die Fähigkeit verloren hat, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist im Rahmen der hier zu beurteilenden Voraussetzungen für dessen Rücknahme nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ohne Bedeutung. Der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, muss im Zeitpunkt seines Erlasses, also von Anfang an rechtswidrig sein. Wird er hingegen erst nachträglich rechtswidrig, kann er nur unter den Voraussetzungen des § 48 SGB X aufgehoben werden. Im Bescheid vom 5.2.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2005 hat der Beklagte indes nur den mit Schreiben des Klägers vom 1.3.2002 und 2.9.2002 ausdrücklich gestellten Antrag auf "Überprüfung … gemäss § 44 SGB X" abgelehnt, also - wie bereits ausgeführt wurde - nur festgestellt, dass der Kläger keinen Rücknahmeanspruch hat.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 Fremdrentengesetz ungekürzt auszuzahlen.

Im Übrigen wird die Revision der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28. April 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2008 hinsichtlich der Ruhensanordnung aufgehoben werden.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt ist, eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung unter Berücksichtigung einer fiktiven rumänischen Rente ruhend zu stellen.

2

Der 1945 in Rumänien geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und Inhaber des Vertriebenenausweises A. In Rumänien war er von 1962 bis 1975 unterbrochen von Ausbildungszeiten erwerbstätig. Im August 1975 übersiedelte er in die Bundesrepublik Deutschland.

3

Im Februar 2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente für langjährig Versicherte wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Mit Schreiben vom 7.3.2008 beantragte er gemäß Art 44 VO (EWG) 1408/71 die Verschiebung der Antragsgleichstellung. Die Beklagte teilte ihm darauf mit Schreiben vom 18.3.2008 mit, dass beabsichtigt sei, die ihm aus Rumänien zustehende Rente in deren voraussichtlicher Höhe anzurechnen, auch wenn er diese tatsächlich nicht beziehen sollte. Eine derartige Anrechnung rechtfertige sich aus § 2 FRG iVm § 31 FRG. Der Anrechnungsbetrag sei auf Basis eines rumänischen Rentenpunktes für die Altersrente eines durchgehend beschäftigten Durchschnittsverdieners ermittelt worden und entspreche umgerechnet 33,92 Euro Monatsrente für deckungsgleiche deutsche und rumänische Zeiten nach Art 107 VO (EWG) 574/72.

4

Mit dem als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierten Bescheid vom 28.4.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1.4.2008 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Unter Berücksichtigung der persönlichen Entgeltpunkte (EP) des Klägers, des Rentenartfaktors bei Altersrenten und des aktuellen Rentenwerts setzte die Beklagte die Höhe der Rente auf monatlich 474,41 Euro fest (Anlage 1). Gleichzeitig stellte sie fest, dass die Rente ab 1.5.2008 in Höhe des Bruttobetrags der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung ruhe (Anlage 7). Die Rente mindere sich daher um den zu berücksichtigenden Betrag von 33,92 Euro. Den Widerspruch des Klägers, der sich gegen den Einbehalt dieses Betrags richtete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.2008 zurück.

5

Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Koblenz mit Urteil vom 24.3.2009 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Berufung der Beklagten hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 18.11.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger die Rente ohne Anwendung des § 31 Abs 1 FRG ungekürzt auszuzahlen. Die Rechtsnorm biete keine tragfähige Rechtsgrundlage für die sog Fiktivanrechnung. Aus dem Wortlaut der Norm ergebe sich eindeutig, dass das Ruhen eines Teils der deutschen Rente nur für den Fall der tatsächlichen Auszahlung einer ausländischen Leistung angeordnet werde. Dem Kläger werde eine rumänische Rente aber ersichtlich nicht gezahlt. Eine analoge Anwendung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auf den Fall der Nichtgewährung und Nichtauszahlung einer ausländischen Leistung scheide aus. Eine planwidrige Regelungslücke sei insoweit nicht zu erkennen. Einziger Zweck des § 31 FRG sei es, Doppelleistungen für ein und dieselbe rentenrechtliche Versicherungszeit zu vermeiden. Mehr oder etwas anderes habe der Gesetzgeber nicht erreichen wollen. Ebenso spreche eine Betrachtung der Vorgängerregelung gegen das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Nach § 1 Abs 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes vom 7.8.1953 (BGBl I 848 ) sei ein Leistungsanspruch nach § 1 Abs 1 erloschen, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets oder des Landes Berlin eine Leistung "gewährt wird oder auf Antrag gewährt würde". Damals habe das Gesetz eine Fiktivanrechnung ausdrücklich vorgesehen. Dies zeige, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit des Bestehens von Leistungsansprüchen gegen einen ausländischen Versicherungsträger oder eine ausländische andere Stelle bei einer entsprechenden Antragstellung durchaus bewusst gewesen sei. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber nach der Ablösung des FAG durch das FRG jederzeit und vielfach die Möglichkeit gehabt, § 31 Abs 1 Satz 1 FRG zu modifizieren. Dies habe er gleichwohl nicht getan. Hieran seien die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Leistungsträger und die Gerichte gebunden. Ebenso wenig könne ein Fiktivabzug einer ausländischen Rente auf § 46 Abs 2 SGB I gestützt werden. Auch könne dem Kläger ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht vorgeworfen werden, da er mit der Aufschiebung der rumänischen Rente ein ihm ausdrücklich eingeräumtes Gestaltungsrecht ausgeübt habe.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG. Das Berufungsgericht habe verkannt, dass im Rahmen der Rechtsfortbildung eine analoge Anwendung des § 31 FRG zulässig und geboten sei. Eine planwidrige Regelungslücke liege vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6.8.1986 - 5a RKn 22/85 - BSGE 60, 176 = SozR 2600 § 57 Nr 3) sei eine solche ua dann gegeben, wenn das Schweigen des Gesetzes darauf zurückzuführen sei, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben habe. Dies sei hier der Fall. § 31 FRG müsse im Zusammenhang mit seiner Entstehung und den damaligen Verhältnissen gesehen werden. Zum Zeitpunkt der Schaffung der Norm habe es keine über- bzw zwischenstaatlichen Regelungen gegeben, die den FRG-Berechtigten Ansprüche auf eine ausländische Rente für die im Vertreibungsgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten verschafft hätten. Hätten solche Regelungen existiert, hätten sie nach der damaligen Fassung des § 2 FRG zum Verlust der FRG-Zeiten und der darauf beruhenden deutschen Rentenansprüche geführt. Angesichts der damaligen Verhältnisse in den FRG-Herkunftsländern (Abgrenzung gegenüber westlichen Staaten, Diskriminierung von Aus- und Übersiedlern, fehlende Konvertierbarkeit der dortigen Währungen) habe es für die FRG-Berechtigten auch praktisch kaum Möglichkeiten gegeben, ausländische Rentenleistungen zu erhalten. Vor diesem Hintergrund sei es konsequent gewesen, in Ablösung des zuvor geltenden § 1 Abs 5 FAG in § 31 FRG auf "ausgezahlte" Geldleistungen abzustellen. Regelungen für nicht in Anspruch genommene Rentenleistungen seien überflüssig gewesen. Die ursprüngliche Rechtslage habe durch die Ergänzung des § 2 FRG um einen Satz 2 durch das Gesetz vom 18.6.1991 (BGBl II 741) eine wesentliche Änderung erfahren. Danach sei auch bei Anwendung über- bzw zwischenstaatlichen Rechts die Weitergeltung des FRG möglich, wenn die Abkommen entsprechende ausdrückliche Regelungen enthielten. Dies stelle eine Abschwächung der Ausschlussregelung dar, die der Gesetzgeber angesichts des häufig noch deutlich niedrigeren Rentenniveaus in den Herkunftsländern und damit aus Vertrauensschutzgründen getroffen habe. Der Gesetzgeber habe den Vertrauensschutz in Erwartung entsprechender ausländischer Rentenleistungen und der daraus folgenden Anwendung des § 31 FRG eingeräumt. Wenn die Berechtigten weiterhin die Rechtsvorteile des FRG in Anspruch nehmen könnten, sollten die vorrangigen ausländischen Renten angerechnet werden. Die weitere Anwendung des FRG sei insoweit auf den verbleibenden Differenzbetrag beschränkt unabhängig davon, ob die ausländische Rente gezahlt werde oder nicht. Diese Regelungsabsicht komme in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 12/470) deutlich zum Ausdruck. Die Änderung des § 2 FRG habe Auswirkungen auf § 31 FRG. Die Vorschrift betreffe jetzt und insbesondere Fälle des über- und zwischenstaatlichen Rechts. Im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten - im vorliegenden Fall Rumänien - hätten sich die früher allenfalls theoretischen, aber nicht durchsetzbaren Rentenansprüche nunmehr in rechtlich gesicherte und von den Berechtigten zumutbar realisierbare Ansprüche auf Rentenzahlungen gewandelt. Für den Gesetzgeber sei weder zum Zeitpunkt der Änderung des § 2 FRG noch anlässlich der später abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommen absehbar gewesen, dass die FRG-Berechtigten die ihnen zustehenden ausländischen Rentenansprüche nicht in Anspruch nehmen würden. Es habe daher keine Veranlassung bestanden, für solche Fälle eine gesetzliche Regelung zu schaffen.

7

Das Verhalten der FRG-Berechtigten, ihre ausländischen Rentenansprüche ohne sachgerechte Gründe nicht zu realisieren, sei rechtsmissbräuchlich. Das europäische Gemeinschaftsrecht stehe einer Kürzung von Rentenansprüchen nach § 31 FRG bei einem praktisch unbegrenzten Aufschub der Rentenansprüche eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zu Lasten eines anderen Mitgliedstaates nicht entgegen. Generell löse ein Rentenantrag im Rahmen des Gemeinschaftsrechts nach Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 in allen Mitgliedstaaten die Feststellung der Rentenansprüche aus. Als Ausnahme von diesem Grundsatz eröffne Satz 2 der Regelung das vom Kläger genutzte Dispositionsrecht, die Feststellung von Ansprüchen bei Leistungen wegen Alters in anderen Mitgliedstaaten aufzuschieben. Entsprechende Bestimmungen enthalte Art 22 Abs 3 des mit Rumänien abgeschlossenen Sozialversicherungsabkommens vom 8.4.2005. Dem Sinn und Zweck nach sollten mit diesen Regelungen lediglich Nachteile vermieden werden, die durch unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zur Altersrente in einzelnen Mitgliedstaaten entstehen könnten. Nachteile der genannten Art seien im vorliegenden Fall weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden. Ein sachlicher Grund für den Aufschub der rumänischen Rentenleistung sei nicht erkennbar. Er diene allein dazu, die Anwendung des § 31 FRG zu umgehen. Damit erweise sich die Inanspruchnahme des Dispositionsrechts als rechtsmissbräuchlich. Durch diese rechtsmissbräuchliche Verhaltensweise sei eine planwidrige Regelungslücke entstanden, die für den Gesetzgeber nicht vorhersehbar gewesen sei und die folglich im Wege der Analogie geschlossen werden könne.

8

Die Fiktivanrechnung stehe auch im Einklang mit den Grundsätzen des Fremdrentenrechts, das vom Prinzip der Subsidiarität geprägt sei. Aus den Regelungen der §§ 2 und 31 FRG werde deutlich, dass die originären ausländischen Rentenansprüche, die durch über- und zwischenstaatliches Recht auf einer gesicherten rechtlichen Grundlage beruhten, Vorrang vor den versicherungsfremden Leistungen des FRG hätten. Auch das BSG habe im Urteil vom 17.10.2006 (B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27) ausgeführt, dass unabhängig davon, ob man den Entschädigungs- oder den Eingliederungscharakter des Fremdrentenrechts betone, es immer noch das Grundanliegen des Fremdrentenrechts sei, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten sei.

9

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. März 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. November 2009 zurückzuweisen.

11

Er hält die vorinstanzlichen Entscheidungen für zutreffend. Ergänzend weist der Kläger darauf hin, dass Rumänien jahrelang nach Schaffung des Abkommens bzw Anwendung der VO (EWG) 1408/71 und insbesondere bei Erlass des angefochtenen Bescheids keinerlei Zahlungen nach Deutschland erbracht habe.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist insoweit begründet, als die Beklagte auf die Leistungsklage des Klägers zur Auszahlung der ungekürzten Rente verurteilt worden ist. Soweit sich die Revision gegen die teilweise Aufhebung der angefochtenen Bescheide richtet, ist sie hingegen unbegründet.

13

Der als "Mitteilung über die vorläufige Leistung" titulierte Bescheid vom 28.4.2008 enthält mehrere Verwaltungsakte iS von § 31 SGB X, die jeweils selbstständig angefochten werden bzw in Bindung erwachsen können; dies sind die Entscheidungen über Rentenart, Rentenhöhe, Rentenbeginn und Rentendauer (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 7 S 26) sowie die Anordnung, dass der monatliche Zahlbetrag der Rente in Höhe des Bruttobetrages der Leistung aus der ausländischen Sozialversicherung ab 1.5.2008 ruht. Hiermit hat die Beklagte die Regelung getroffen, dass die Rente aus der deutschen Rentenversicherung nicht in der festgestellten Höhe von monatlich 474,41 Euro, sondern um die ausländische Leistung gemindert zu zahlen ist. Der Kläger hat den Bescheid vom 28.4.2008 angegriffen, soweit mit diesem eine fiktive rumänische Rente von monatlich 33,92 Euro angerechnet wird. Die Anfechtung des Klägers beschränkt sich damit auf die ihn belastende Ruhensanordnung.

14

Die Anfechtungsklage im dargelegten Umfang ist zulässig.

15

Der Zulässigkeit der Klage steht nicht Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 entgegen, nach dem der zur Zahlung der Leistung verpflichtete Träger den Antragsteller darauf aufmerksam macht, dass die Leistung vorläufiger Art ist und nicht angefochten werden kann.

16

Zum einen ist die VO (EWG) 574/72 durch Art 96 Abs 1 Satz 1 VO (EG) 987/2009 mit Wirkung vom 1.5.2010 aufgehoben worden und deren durch Art 96 Abs 1 Satz 2 VO (EG) 987/2009 angeordnete partielle Weitergeltung für bestimmte, im Einzelnen aufgeführte Zwecke (Buchst a bis c) hier nicht einschlägig. Damit kann sich die VO (EWG) 574/72 auf die Prozessvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen müssen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008 vor § 51 RdNr 20), ohnehin nicht mehr auswirken. Abgesehen davon ist Art 45 Abs 4 VO (EWG) 574/72 nicht dahin zu verstehen, dass er den gerichtlichen Rechtsschutz einschränkt, soweit eine Überprüfung des angefochtenen Verwaltungsakts auf seine Vereinbarkeit mit nationalem Recht begehrt wird (vgl EuGH Urteil vom 14.2.1980 - C 53/79). Im vorliegenden Fall geht es aber ausschließlich um die Rechtmäßigkeit der Ruhensanordnung nach § 31 FRG.

17

Die Geltendmachung eines Anspruchs auf Verurteilung der Beklagten zur Auszahlung der ungekürzten Altersrente neben der Anfechtung der Bescheide ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen vom Begehren des Klägers (§ 123 SGG) nicht mitumfasst. Denn bereits bei Aufhebung der Ruhensanordnung entfällt die Rechtsgrundlage dafür, dem monatlichen Rentenanspruch des Klägers einen Minderungsbetrag von 33,92 Euro entgegenzuhalten und die bestandskräftig festgestellte Rente in Höhe von monatlich 474,41 Euro insoweit nur gekürzt zu zahlen.

18

Die Anfechtungsklage ist begründet. Die Ruhensanordnung im Bescheid vom 28.4.2008 ist rechtswidrig.

19

§ 31 Abs 1 Satz 1 FRG rechtfertigt weder unmittelbar noch im Wege zulässiger Rechtsfortbildung ein teilweises Ruhen der dem Kläger gewährten Rente. Ebenso wenig sind sonstige Rechtsgrundlagen ersichtlich, nach denen sich die Kürzung des monatlichen Rentenzahlbetrags um eine fiktive rumänische Rente als rechtmäßig erweist.

20

Wird dem Berechtigten von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland für die nach Bundesrecht anzurechnenden Zeiten eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder an Stelle einer solchen eine andere Leistung gewährt, so ruht gemäß § 31 Abs 1 Satz 1 FRG die Rente in Höhe des in Euro umgerechneten Betrags, der als Leistung des Trägers der Sozialversicherung oder der anderen Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt wird.

21

Nach dieser Vorschrift ist Voraussetzung für das Ruhen der deutschen Rente, dass der Versicherte von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eine Rente oder andere Leistung erhält. Der Begriff "ausgezahlt" stellt zweifelsfrei auf die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente ab (so auch Hoernigk/Jahn/Wickenhagen/Aulmann, Kommentar zum FRG, Juli 1988, § 31 RdNr 6). Diesem Verständnis entsprechen Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese dienen der Vermeidung von Doppelleistungen (BT-Drucks 3/1109 Begründung zu §§ 11, 31, FRG; BSGE 43, 274, 277; BSG Breithaupt 1977, 476, 478). Eine Doppelleistung liegt aber schon nach allgemeinem Sprachverständnis nur vor, wenn der Betroffene die Leistung tatsächlich zweifach erhält. Dieses Auslegungsergebnis wird entstehungsgeschichtlich durch die Vorgängerregelung des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG bestätigt. Nach § 1 Abs 5 FAG erlosch der Leistungsanspruch nach Abs 1, wenn für denselben Versicherungsfall von einem Träger der Sozialversicherung oder einer anderen Stelle außerhalb des Bundesgebiets und des Landes Berlin eine Leistung gewährt wird oder "auf Antrag gewährt würde". Dass § 31 Abs 1 Satz 1 FRG diese Fallkonstellation nicht als zweiten Ruhenstatbestand aufführt, spricht dafür, dass die Vorschrift nur auf wirklich erbrachte Leistungen abstellt.

22

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 31 Abs 1 Satz 1 FRG auch nicht im Wege der Rechtsfortbildung auf den Fall anwendbar, dass eine ausländische Rente auf Antrag gewährt würde. Eine bewusste oder unbewusste Gesetzeslücke ist insoweit nicht feststellbar.

23

Nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 38 Nr 1 S 3 mwN) ist der Richter zur Ausfüllung einer Gesetzeslücke dort berufen, wo das Gesetz mit Absicht schweigt, weil es der Rechtsprechung überlassen wollte, das Recht zu finden, oder das Schweigen des Gesetzes auf einem Versehen oder darauf beruht, dass sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach Erlass des Gesetzes durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben hat. Die analoge Anwendung des Gesetzes auf gesetzlich nicht umfasste Sachverhalte ist dann geboten, wenn auch der nicht geregelte Fall nach der Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zu Grunde liegenden Interessenlage hätte einbezogen werden müssen.

24

Ein absichtliches oder versehentliches Schweigen des Gesetzgebers ist angesichts der beschriebenen Entstehungsgeschichte des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG sowie dessen Sinn und Zweck auszuschließen. Vielmehr hat der Gesetzgeber bewusst ein Ruhen der deutschen Rente an die tatsächliche Gewährung der ausländischen Rente geknüpft, da er Doppelleistungen verhindern wollte. Angesichts dessen war es folgerichtig, die fiktive Leistung einer ausländischen Rente nicht als zweiten Ruhenstatbestand aus der Vorgängerregelung zu übernehmen.

25

Ebenso wenig ist nachträglich auf Grund einer Veränderung des nationalen Rechts oder der politischen und rechtlichen Verhältnisse in Europa eine planwidrige Gesetzeslücke entstanden. Dabei kann dahinstehen, ob heute im Unterschied zu früheren Zeiten Renten aus den ehemaligen Ostblockstaaten problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Selbst wenn dies zuträfe, ist nicht erkennbar, dass nach der gesetzgeberischen Absicht in diesem Fall eine Anrechnung solcher Auslandsrenten gewollt ist, die nach ausländischem Recht "auf Antrag gewährt würden".

26

Die Entstehung einer entsprechenden Regelungslücke in § 31 Abs 1 FRG infolge der Einfügung des Satzes 2 in § 2 FRG durch das Gesetz zu dem Abkommen vom 8.12.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 18.6.1991 (BGBl 1991 II 741) ist nicht feststellbar. Zwar ist mit dieser Bestimmung die Anwendung des FRG und damit die Gewährung von FRG-Renten auch bei Vorhandensein zwischenstaatlicher Abkommen ermöglicht worden, soweit diese entsprechende Regelungen enthalten. Hieraus lässt sich jedoch eine versehentlich unterbliebene Neugestaltung des § 31 FRG nicht ableiten.

27

In der Begründung zum Entwurf des Vertragsgesetzes vom 18.6.1991 wird darauf hingewiesen, dass die Ergänzung für Aussiedler die Gewährung einer Rente nach dem FRG ermöglicht, auf die allerdings eine polnische Exportrente anzurechnen ist. Im Ergebnis werde die polnische Rentenleistung auf das Niveau des FRG aufgestockt (BT-Drucks 12/470 und BR-Drucks 162/91 beide S 7 Erl zu Art 5). Anders als die Beklagte versteht der erkennende Senat diese Erläuterung als Bekräftigung dafür, dass weiterhin nur tatsächlich nach Deutschland gezahlte Renten auf die deutsche Rente anzurechnen sind. Denn Ausführungen zu nunmehr möglich gewordenen Exportrenten und dadurch veränderten Bedingungen der Anrechenbarkeit enthält die Begründung nicht. Vielmehr weist diese im Weiteren darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Anpassung des Fremdrentenrechts an die sich verändernden Verhältnisse zwischen Ost und West hiervon unberührt bleibt. Diese Erklärungen machen ein vorhandenes Bewusstsein um die Notwendigkeit gesetzlicher Neuregelungen wegen der geänderten Lage in Europa deutlich. Dass gleichwohl eine Änderung des § 31 Abs 1 FRG nicht erfolgt ist, zeigt, dass insoweit kein Handlungsbedarf gesehen wurde.

28

Ein solcher ist auch im Kontext europarechtlicher Vorschriften und zwischenstaatlicher Abkommen nicht erkennbar. Dass Versicherte in mehreren Staaten Ansprüche auf gleiche oder vergleichbare Leistungen haben können, die von einem Antrag abhängig sind, hat das europäische bzw zwischenstaatliche Recht gesehen und im Sinne einer Vereinheitlichung der Antragstellung geregelt.

29

Bereits Art 44 Abs 2 Satz 1 der zwischenzeitlich außer Kraft getretenen VO (EWG) 1408/71 bestimmt, dass der Rentenantrag in einem Mitgliedstaat grundsätzlich das Leistungsfeststellungsverfahren in allen Mitgliedstaaten auslöst, in denen Versicherungszeiten zurückgelegt sind. Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 durchbricht diesen Grundsatz, indem er auf ausdrücklichen Antrag des Betroffenen das Aufschieben der Feststellung von Ansprüchen auf Leistungen bei Alter in einem Mitgliedstaat zulässt. Entsprechende Regelungen enthält Art 50 Abs 1 der am 1.5.2010 in Kraft getretenen VO (EG) 883/2004. Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 und Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 begründen damit grundsätzlich die europaweite Wirkung der Antragstellung in einem Mitgliedstaat. Abgesehen von der Ausnahmeregelung für Leistungen bei Alter gilt der Grundsatz der europaweiten Wirkung der Rentenantragsstellung auch für den Berechtigten zwingend (Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 44 VO 1408/71 RdNr 6; Schuler in Fuchs, Kommentar zum Europäischen Sozialrecht, 5. Aufl 2010, Art 50 VO 883/2004 RdNr 6). Im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Rumänien finden sich vergleichbare Regelungen in Art 22 Abs 3 des Abkommens dieser Staaten über Soziale Sicherheit vom 8.4.2005 (BGBl 2006 II 164).

30

Angesichts dieser Bestimmungen kann ein Versicherter durch eine unterlassene Antragstellung eine Rentenleistung aus Rumänien bzw einem anderen Mitgliedstaat der EU grundsätzlich nicht verhindern. Eine fiktive Rente, die auf Antrag geleistet würde, kann es insoweit nicht geben. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Anrechnungsvorschrift für eine fiktive Rente und ist eine entsprechende Regelungslücke in § 31 FRG nicht ersichtlich. Dies gilt auch hinsichtlich der Altersrenten. Zwar kann der Versicherte hier die Antragswirkung begrenzen, dies allerdings kraft ausdrücklicher gesetzlicher Erlaubnis. Ist dem Versicherten aber ausdrücklich gestattet, die bilaterale bzw europaweite Wirkung des Rentenantrags einzuschränken und damit eine bestimmte Rentenleistung aus Rumänien oder einem anderen Mitgliedstaat der EU nicht in Anspruch zu nehmen, wäre es im Kontext des zwischenstaatlichen bzw europäischen Rechts widersprüchlich, ihn bei Bezug der deutschen Rente zu seinem Nachteil doch so zu stellen, als würde er die ausländische Rente erhalten.

31

Eine Gesetzeslücke kann schließlich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme des in Art 44 Abs 2 Satz 2 VO (EWG) 1408/71 bzw Art 50 Abs 1 Halbs 2 VO (EG) 883/2004 eingeräumten Dispositionsrechts entstehen. Die Möglichkeit des Missbrauchs im Einzelfall kann den Regelungsgehalt einer abstrakten Rechtsnorm nicht bestimmen. Einem Missbrauch im Einzelfall ist vielmehr dadurch zu begegnen, dass geprüft wird, ob die begehrte Leistung nach dem auch im Sozialrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ganz oder teilweise zu versagen ist(vgl BSG SozR 4-2600 § 10 Nr 2 RdNr 26 mwN).

32

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass bei dem hier vertretenen Verständnis zum Anwendungsbereich des § 31 Abs 1 Satz 1 FRG dem auch vom Senat betonten Grundanliegen des Fremdrentenrechts, Nachteile in der gesetzlichen Rentenversicherung von Personen abzuwehren, denen die Realisierung ihrer in der früheren Heimat erarbeiteten Rentenanwartschaften von Deutschland aus abgeschnitten ist(Urteil vom 17.10.2006 - B 5 RJ 21/05 R - SozR 4-5050 § 15 Nr 3 RdNr 27),nicht Rechnung getragen wird, wenn unterstellt wird, dass Renten aus Rumänien mittlerweile problemlos in die Bundesrepublik Deutschland ausgezahlt werden. Dies vermag das gefundene Ergebnis jedoch nicht in Frage zu stellen. Denn dieses Grundanliegen ist in § 31 Abs 1 Satz 1 FRG insbesondere vor dem Hintergrund europarechtlicher Vorschriften nicht umgesetzt worden.

33

Sonstige Rechtsgrundlagen, die eine Ruhendstellung der deutschen Rente und damit eine Minderung des monatlichen Rentenzahlbetrages rechtfertigen, bestehen ebenfalls nicht.

34

Der Anwendungsbereich des § 46 SGB I ist nicht eröffnet.

35

Nach § 46 Abs 2 SGB I ist der Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden. Der Anspruch des Klägers auf eine rumänische Altersrente ist kein Anspruch auf eine Sozialleistung iS des § 46 SGB I. Diese Vorschrift bezieht sich auf Sozialleistungen iS von § 11 Abs 1 SGB I(BSG SozR 4-1200 § 46 Nr 1 RdNr 10), zu denen im SGB vorgesehene Dienst-, Sach- und Geldleistungen gehören. Auf Ansprüche aus Sicherungssystemen, die außerhalb dieses Gesetzbuches existieren, ist § 46 SGB I nicht anwendbar.

36

Die Kürzung des Rentenanspruchs des Klägers um eine fiktive rumänische Rente erweist sich schließlich ebenfalls nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als rechtmäßig.

37

Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung für den Bereich des Sozialrechts entschieden, dass sich auch hier die Ausübung einer an sich gegebenen Rechtsmacht als unzulässige Rechtsausübung darstellt, wenn sie nicht mehr im Rahmen der rechtsethischen und sozialen Funktion des Rechts liegt (BSG SozR 2200 § 315a Nr 7 S 18 mwN).

38

Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger den Antrag auf Aufschiebung der Feststellung seines in Rumänien erworbenen Anspruchs auf Altersrente rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Von einem Rechtsmissbrauch könnte nur dann gesprochen werden, wenn der Kläger von dem ihm gesetzlich eingeräumten Aufschubrecht bewusst einen ausschließlich funktionswidrigen Gebrauch gemacht hätte (BSG aaO). Dies wiederum setzt voraus, dass die Ausübung des Aufschubrechts gesetzlich bestimmten Einschränkungen unterliegt bzw das Recht nur zu bestimmten Zwecken ausgeübt werden darf. Weder Art 22 Abs 3 des Abkommens vom 8.4.2005 noch Art 44 Abs 2 VO (EWG) 1408/71 oder Art 50 Abs 1 VO (EG) 883/2004 führen die dem Aufschubrecht von der Beklagten beigemessene oder eine andere Zweckbindung auf und enthalten hierfür auch keine ausreichenden Anhaltspunkte.

39

Dass die Anrechnung einer fiktiven rumänischen Rente unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig ist, wird zudem durch die fehlende Existenz einer Rechtsgrundlage für die Berechnung einer fiktiven Rente bestätigt.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird nur die höchste Rente geleistet. Bei gleich hohen Renten ist folgende Rangfolge maßgebend:

1.
Regelaltersrente,
2.
Altersrente für langjährig Versicherte,
3.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen,
3a.
Altersrente für besonders langjährig Versicherte,
4.
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Fünftes Kapitel),
5.
Altersrente für Frauen (Fünftes Kapitel),
6.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute,
7.
Rente wegen voller Erwerbsminderung,
8.
(weggefallen)
9.
Erziehungsrente,
10.
(weggefallen)
11.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
12.
Rente für Bergleute.
Ist eine Rente gezahlt worden und wird für denselben Zeitraum eine höhere oder ranghöhere Rente bewilligt, ist der Bescheid über die niedrigere oder rangniedrigere Rente vom Beginn der laufenden Zahlung der höheren oder ranghöheren Rente an aufzuheben. Nicht anzuwenden sind die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 des Zehnten Buches), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 des Zehnten Buches) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 des Zehnten Buches). Für den Zeitraum des Zusammentreffens der Rentenansprüche bis zum Beginn der laufenden Zahlung nach Satz 3 gilt der Anspruch auf die höhere oder ranghöhere Rente nach Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger bis zur Höhe der gezahlten niedrigeren oder rangniedrigeren Rente als erfüllt. Ein unter Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger verbleibender Nachzahlungsbetrag aus der höheren oder ranghöheren Rente ist nur auszuzahlen, soweit er die niedrigere oder rangniedrigere Rente übersteigt. Übersteigen die vom Rentenversicherungsträger anderen Leistungsträgern zu erstattenden Beträge zusammen mit der niedrigeren oder rangniedrigeren Rente den Betrag der höheren oder ranghöheren Rente, wird der übersteigende Betrag nicht von den Versicherten zurückgefordert.

(2) Für den Zeitraum, für den Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht, wird eine kleine Witwenrente oder eine kleine Witwerrente nicht geleistet. Absatz 1 Satz 3 bis 7 gilt entsprechend.

(3) Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Waisenrenten, wird nur die höchste Waisenrente geleistet. Bei gleich hohen Waisenrenten wird nur die zuerst beantragte Rente geleistet. Absatz 1 Satz 3 bis 7 gilt entsprechend.