Sozialgericht Duisburg Urteil, 23. Juni 2015 - S 48 SO 331/11
Tenor
Die Beklagte wird in Abänderung des Bescheides vom 06.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2011 dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab April 2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Gestalt einer Pflegebeihilfe i.H.v. 60 % des jeweils geltenden Pflegegeldes der Pflegestufe I zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen notwendigen Kosten des Klägers.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) für den Zeitraum ab dem 01.04.2011.
3Der am 12.11.19xx geborene Kläger bewohnt eine Wohnung in der Z.-straße in E. und bezieht seit Jahren Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII von der Beklagten. Er ist schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Weiterhin sind die Merkzeichen "G", "aG" sowie "B" zuerkannt.
4Mit E-Mail vom 31.08.2009 beantragte der Kläger Pflegegeld bei der Beklagten. Eine hierauf durch das Gesundheitsamt erfolgte Untersuchung des Klägers ergab, dass ein Zeitaufwand für die Grundpflege i.H.v. 33 Minuten pro Tag bestand. Mit Schreiben vom 11.12.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Zeitbedarf an Grundpflege für die Gewährung eines Pflegegeldes nach der Pflegestufe I nicht ausreiche, jedoch bei der Pflegestufe 0 die Möglichkeit einer weitergehenden Leistungsgewährung bestehe. Soweit die Leistungen durch eine nicht anerkannte Pflegekraft erfolgen sollten, betrage die Vergütung einschließlich Fahrtkosten 8,20 EUR pro Stunde. Bei einem Pflegebedarf von täglich 33 Minuten ergebe das einen Betrag in Höhe von monatlich 135,30 EUR. Für die Gewährung dieser Hilfe sei eine Bescheinigung der Pflegeperson, die die Tätigkeiten ausführe, erforderlich. Ebenfalls sei eine Anmeldung bei der Minijobzentrale nötig.
5In der Folge teilte der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 08.02.2010 mit, dass der Zeuge B. die Pflege des Klägers übernehme. Hierauf bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 16.02.2010 Leistungen für eine nicht anerkannte Pflegekraft i.H.v. 135,30 EUR monatlich ab dem 01.09.2009 sowie einen Betrag i.H.v. 64,16 EUR monatlich für eine Haushalshilfe.
6Mit E-Mail vom 15.11.2010 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er mit dem Zeugen B., wohnhaft in der D.-Straße in E., am 12.11.2010 eine Lebenspartnerschaft angemeldet habe, sich dadurch jedoch nichts ändere, da beide nicht zusammen ziehen würden, sondern jeder in seiner Wohnung wohnen bliebe.
7Mit Schreiben vom 19.11.2010 nahm die Beklagte Bezug auf die Mitteilung des Klägers, dass er mit dem Zeugen B. eine Lebenspartnerschaft führe, und teilte mit, dass die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege zum 30.11.2010 entfalle, da der Lebenspartner des Klägers im Rahmen der gegenseitigen Beistandspflichten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) dazu verpflichtet sei, die Hilfe kostenfrei zu erbringen.
8Hierauf teilte der Kläger mit E-Mail vom 23.11.2010 mit, dass der Zeuge B. seit August 2010 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sei, die Pflege des Klägers durchzuführen. In der Folgezeit reichte der Kläger eine Bestätigung der Frau H. D. ein, wonach diese die Pflege und die Haushaltshilfe des Klägers ab dem 01.12.2010 durchführe. Die Beklagte gewährte der Folgezeit jedoch weiterhin Leistungen der Hilfe zur Pflege. So wurden mit Bescheid vom 06.01.2011 Kosten für eine Haushaltshilfe übernommen. In dem Bescheid wird ausgeführt:
9"Dieser Bescheid regelt das Leistungsverhältnis nur für den vorgenannten Bewilligungszeitraum. Ergibt sich in den wesentlichen Verhältnissen keine Veränderung, bleibt vorbehalten, die Leistungen für nachfolgende Zeiträume stillschweigend durch Überweisung des zu zahlenden Betrages zu bewilligen. In einem solchen Fall können Sie davon ausgehen, dass die Begründung sowie die Berechnung und Festsetzung der Einzelansprüche denen des vorliegenden Bescheides entsprechen. Sofern nicht ausdrücklich abweichend geregelt, gilt als Bewilligungszeitraum der Kalendermonat, für den die Leistung erbracht wird."
10Mit Bescheid vom 06.04.2011 lehnte die Beklagte Leistungen der Hilfe zur Pflege ab dem 01.04.2011 ab. Zur Begründung führte sie an, dass eine Vergütung bei Verwandten des ersten Grades regelmäßig nicht in Betracht komme. Der Kläger habe angegeben, dass sein Lebenspartner aufgrund seiner Erkrankung die Hilfe nicht mehr leisten könne. Aus einem von dem Kläger eingereichten Entlassungsbericht der Ruhrlandklinik habe sich ergeben, dass es sich bei der Erkrankung um eine Lungenentzündung gehandelt habe. Es sei davon auszugehen, dass die Erkrankung schon länger abgeklungen sei und der Lebenspartner des Klägers die Hilfe leisten könne.
11Mit E-Mail vom 08.04.2011 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass es sich bei der Erkrankung des Zeugen B. nicht um eine einfache Lungenentzündung gehandelt habe. Der Zeuge B. leide auch an einer schweren Augenkrankheit, die unheilbar sei. Er sei körperlich auch nicht in der Lage, dem Kläger zu helfen. Mit Schreiben vom 12.08.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er den Widerspruch per E-Mail und damit nicht formwirksam erhoben habe, ihm jedoch die Möglichkeit eingeräumt werde, das Formerfordernis bis zum 02.09.2011 nachzuholen. Hierauf erhob der Kläger mit Schreiben vom 24.08.2011, bei der Beklagten eingegangen am 26.08.2011, Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.04.2011.
12Mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.04.2011 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie an, dass der Ablehnungsbescheid vom 06.04.2011 in einen Aufhebungsbescheid umgedeutet werde, da mit dem Bescheid vom 06.01.2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2011 bewilligt worden seien. Der Vortrag des Klägers, sein Lebenspartner sei gesundheitlich nicht in der Lage, die Pflege auszuüben, sei überprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, dass die Lungenentzündung ausgeheilt sei und neuere Erkrankungen offensichtlich nicht vorlägen. Hindernisse, die gegen eine weitere unentgeltliche Hilfe sprächen, seien nicht nachgewiesen worden.
13In den internen Verwaltungsvorschriften der Beklagten ist bezüglich der Bewilligung von Pflegebeihilfen unter anderm folgendes ausgeführt (vgl. Blatt 281 der Gerichtsakte):
14" Nach folgenden Regelungen ist eine Pflegebeihilfe zu gewähren:
1511.1 Nahe stehende Personen Nahe stehende Personen sind Verwandte ersten Grades, Schwiegerkinder und Personen in Haushaltsgemeinschaft.
1611.2 Keine Pflegebeihilfe Eine Pflegebeihilfe scheidet aus, wenn die Pflege - durch den Ehegatten oder den Partner einer eheähnlichen/gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft erbracht wird und - sie nach Art und Umfang der Tätigkeit erwartet werden kann (keine außergewöhnliche Pflege). ".
17Der Kläger hat am 16.09.2011 Klage erhoben. Er führt an, dass der Zeuge B. gesundheitlich nicht in der Lage sei, seine Pflege sicherzustellen. Seitdem die Beklagte die Leistungen eingestellt habe, werde die Pflege von Frau D. trotzdem weiter durchgeführt. Der Kläger schulde Frau D. bislang ca. 2.000,00 EUR. Nachdem die Pflegebeihilfe von der Beklagten nicht weitergezahlt worden sei, habe der Kläger Frau D. bei der Minijobzentrale abgemeldet. Man habe ihm mitgeteilt, dass keine weiteren Meldungen erforderlich seien. Für den Fall, dass die Pflegebeihilfe wieder gezahlt werde, könne eine rückwirkende Anmeldung erfolgen.
18Der Kläger beantragt,
19die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 06.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2011 zu verurteilen, ab April 2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII in Gestalt einer Pflegebeihilfe zu bewilligen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie ist der Ansicht, dass durch den Zeugen B. eine unentgeltliche Pflege des Klägers sicherzustellen sei. Gesundheitliche Beeinträchtigungen bestünden nicht. Weiterhin spreche der Umstand, dass der Zeuge B.Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) beziehe und damit erwerbsfähig sei, dafür, dass er die Pflege des Klägers sicherstellen könne.
23Das Gericht hat hinsichtlich des Pflegebedarfs des Klägers und hinsichtlich der gesundheitlichen Einschränkungen des Zeugen B.ein sozialmedizinisches sowie ein augenärztliches Gutachten eingeholt. Auf den Inhalt und die Ergebnisse dieser Gutachten vom 10.12.2014 bzw. 29.12.2014 wird Bezug genommen. Weiterhin hat das Gericht am 26.05.2015 einen Erörterungstermin durchgeführt und die Zeugin D. zu den von ihr für den Kläger erbrachten Hilfen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 273 ff. der Gerichtsakte) wird insoweit Bezug genommen. Bezüglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte, auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Leistungs- und Schwerbehindertenakte der Beklagten sowie der beigezogenen Leistungs- und Schwerbehindertenakte des Zeugen B., die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
24Entscheidungsgründe:
25I. Gegenstand des Klageverfahrens im Sinne des § 95 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist der Bescheid vom 06.04.2011, mit welchem die Beklagte Leistungen der Hilfe zur Pflege ab dem 01.04.2011 ablehnte, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2011. Da die Beklagte Leistungen der Hilfe zur Pflege mit Bescheid vom 06.04.2011 ohne zeitliche Beschränkung ablehnte, war über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu entscheiden (vgl. Coseriu, Das "neue" Sozialhilferecht, S. 250, in: Bender/Eicher (Hrsg.), Sozialrecht, eine Terra incognita, Saarbrücken (2009) unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b SO 12/06 R). Da die Beklagte Leistungen der Hilfe zur Pflege jeweils für einen Kalendermonat bewilligte (vgl. etwa den Bescheid vom 06.01.2011), wurde mit dem Bescheid vom 06.04.2011 nicht in einen etwaigen bestehenden Bewilligungszeitraum eingegriffen, sondern es wurden künftige Leistungen nicht bewilligt. Einer Umdeutung des Bescheides vom 06.04.2011 in einen Aufhebungsbescheid, wie von der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 13.09.2011 angenommen, bedurfte es damit nicht.
26II. Die gegen den Bescheid vom 06.04.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2011 gerichtete Klage auf Gewährung von Leistungen der Hilfe zur Pflege ab dem 01.04.2011 ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG).
27III. Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide beschweren den Kläger, da sie rechtswidrig sind (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen in Gestalt einer Pflegebeihilfe in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, der aus § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 61 ff. SGB XII folgt.
281. Die Beklagte ist als kreisfreie Stadt örtlicher Träger der Sozialhilfe und damit für die Gewährung der Pflegebeihilfe sachlich zuständig (vgl. § 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Ausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen (AG SGB XII NRW)).
292. Weiterhin sind die Anspruchsvoraussetzungen des § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. den §§ 61 Abs. 1 Satz 2, 65 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. SGB XII erfüllt. Gem. § 19 Abs. 3 SGB XII wird Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.
30a) Der Kläger ist zwar nicht pflegebedürftig gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wonach Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten ist. Denn die Regelung des § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII lehnt sich mit ihrer Formulierung an § 14 Abs. 1 SGB XI an und stellt damit klar, dass der Pflegebedarf ein Ausmaß erreicht haben muss, welches einem der drei in § 15 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) definierten Pflegestufen entspricht (vgl. Meßling, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. (2014), § 61 SGB XII, Rn. 75). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Denn sowohl nach der Untersuchung des Gesundheitsamtes der Beklagten, bei der ein grundpflegerischer Bedarf des Klägers von täglich 33 Minuten festgestellt wurde, als auch nach dem Ergebnis des Gutachtens des Herrn Dr. med. R. vom 29.12.2014, der einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von durchschnittlich 37 Minuten täglich sowie einen Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung von durchschnittlich 45 Minuten täglich ermittelte, wird der gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI geforderte Zeitaufwand von mehr als 45 Minuten im Bereich der Grundpflege nicht erreicht. Mit dem vorgenannten, im Bereich der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung bestehenden Bedarf erfüllt der Kläger jedoch die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, wonach Hilfe zur Pflege auch Kranken und behinderten Menschen zu leisten ist, die einen geringeren Bedarf als nach Satz 1 der Vorschrift haben.
31b) Ein Anspruch des Klägers folgt aus § 65 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB XII. Reicht im Fall des § 61 Abs. 1 SGB XII häusliche Pflege aus, soll der Träger der Sozialhilfe nach § 63 Satz 1 SGB XII darauf hinwirken, dass die Pflege einschließlich der hauswirtschaftlichen Versorgung durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen wird. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII können "in diesem Fall (der kostenlosen Pflege)" (vgl. BSG, Urteil vom 26.08.2008, B 8/9b SO 18/07 R, Rn. 17) auch angemessene Beihilfen geleistet sowie Beiträge der Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung übernommen werden, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. § 63 SGB XII konkretisiert eine Beratungspflicht des Sozialhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 2 SGB XII (vgl. nur Holthaus, in: Jung (Stand: April 2014), § 63 SGB XII, Rn. 4, m.w.N.). Mit der Regelung des § 63 SGB XII wird an die persönliche Solidarität der genannten Personenkreise appelliert, ohne dass dem Sozialhilfeträger jedoch das Recht eingeräumt würde, Hilfebedürftige auf unentgeltliche Hilfeleistungen einer nahestehenden Person oder der Nachbarschaftshilfe zu verweisen (vgl. BSG, Urteil vom. 26.08.2008, a.a.O., Rn. 19; Grube, in: Grube/Wahrendorf, 5. Aufl. (2014), § 63 SGB XII, Rn. 5; vgl. auch H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 18. Aufl. (2010), § 63 SGB XII, Rn. 7, welcher anführt, dass Familienangehörige nicht verpflichtet werden können, Pflege- und Betreuungsleistungen wahrzunehmen). Auch führt die Regelung des § 63 SGB XII nicht dazu, dass der Sozialhilfeträger eine pflegerische Bedarfsdeckung durch etwaige Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft vermuten darf; vielmehr muss er sie im Einzelfall positiv feststellen und ist für diesen Umstand beweisbelastet (vgl. Holthaus, a.a.O.). Die Pflegebeihilfe wird pauschaliert gewährt und soll ein Anreiz für Pflegepersonen sein, ehrenamtlich tätig zu werden (vgl. Meßling, a.a.O., Rn. 23).
32Für die von der Beklagten in ihren verwaltungsinternen Richtlinien unter Ziffer. 11.1 vorgenommene einschränkende Auslegung des Begriffs der "nahe stehenden Person" im Sinne des § 63 Satz 1 SGB XII dahingehend, dass unter diese Vorschrift nur Verwandte ersten Grades, Schwiegerkinder und Personen in Haushaltsgemeinschaft fallen sollen, ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Vielmehr werden anerkanntermaßen unter den Begriff der "nahe stehenden Person" auch Ehegatten und eingetragene Lebenspartner gefasst (vgl. nur Meßling, a.a.O., § 63 SGB XII, Rn. 19).
33Weiterhin irrt die Beklagte in der Annahme, sie sei berechtigt, dem Kläger eine Pflegebeihilfe unter Hinweis darauf zu verweigern, dass der Zeuge B. gegenüber dem Kläger aufgrund zivilrechtlicher Vorschriften verpflichtet sei, die Pflegeleistungen kostenfrei zu erbringen. Zunächst hat die Beklagte die Entscheidung des Zeugen B., die Pflege für den Kläger nicht durchführen zu können sowie den Umstand, dass die Pflegeleistungen von Frau D., der Schwester des Zeugen B., vorgenommen werden, nach dem Vorstehenden hinzunehmen. Auch kann sie einem Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Pflegebeihilfe eine behauptete Verpflichtung des Zeugen B. nicht allein unter dem Aspekt des in § 2 SGB XII normierten Nachranggrundsatzes entgegengehalten. Denn der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe stellt keine eigenständige Ausschlussnorm dar. Eine Bedürftigkeit lässt sich lediglich im Zusammenhang mit ergänzenden bzw. konkretisierenden Vorschriften verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.2010, B 8 SO 21/08 R, Rn. 13; vgl. zur Notwendigkeit einer normativen Grundlage bei der Heranziehung von Strukturprinzipien ferner Coseriu, a.a.O., S. 254). Als solche konkrete Ausschlussnorm für die von dem Antragsgegner behaupteten Ansprüche käme lediglich die Regelung des § 94 SGB XII in Betracht. Eine familienrechtliche Verpflichtung zur tatsächlichen Übernahme von Pflege– und Betreuungsaufgaben für Angehörige kennt das deutsche Recht aber nicht (vgl. Klie, in: Hauck/Noftz, 29. Egl. (2012), § 63 SGB XII, Rn. 4). Auch schließt der Umstand, dass ein Verwandtschaftsverhältnis sowie eine etwaige (allgemeine) Unterhaltsverpflichtung zwischen der Pflegeperson und der pflegebedürftigen Person besteht, den Anspruch auf eine Pflegebeihilfe anerkanntermaßen nicht aus (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28.01.1998, 4 L 935/96, Rn. 2, wobei der Senat darauf hinweist, dass Pflegeleistungen unterhaltsrechtlich nicht erzwungen werden können; OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.03.1998, 12 L 2952/97, Rn. 7; Lachwitz, in: Fichtner/Wenzel, 4. Aufl. (2009), § 65 SGB XII, Rn. 10; Klie, a.a.O., § 65 SGB XII, Rn. 5; Grube, a.a.O., § 65 SGB XII, Rn. 10; Krahmer/Sommer, in: Bieritz/Harder/Conradis/Thie, 9. Aufl. (2012), § 65 SGB XII, Rn. 5; Meßling, a.a.O., § 65 SGB XII, Rn. 27). Das Vorliegen einer (allgemeinen) gesetzlichen Unterhaltspflicht kann daher von dem Sozialhilfeträger einem Anspruch auf Gewährung einer Pflegebeihilfe nicht entgegengehalten werden; denkbar ist allenfalls eine Berücksichtigung im Rahmen der Ermessensausübung (vgl. Holthaus, a.a.O., § 65 SGB XII, Rn. 5, die darauf hinweist, dass das Bestehen einer Unterhaltspflicht den Beihilfeanspruch gegebenenfalls der Höhe nach mindern könne). Soweit die verwaltungsinternen Richtlinien der Beklagten zum SGB XII vorsehen, dass eine Pflegebeihilfe ausscheide, wenn die Pflege durch den Ehegatten oder den Partner einer eheähnlichen/gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft erbracht werde, ist diese pauschale und vollständige Versagung einer Pflegebeihilfe nach dem Vorstehenden ermessensfehlerhaft. Denn unabhängig davon, dass die interne Verwaltungsvorschrift im Bereich der Ehegatten und Lebenspartner – abgesehen von Art und Umfang der Pflege - eine generelle Regelung trifft und damit keine Möglichkeit vorsieht, den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen (vgl. etwa Hohm, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O., § 17 SGB XII, Rn. 14, der anführt, dass Verwaltungsvorschriften nicht die Ausübung eines die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigenden Ermessens beseitigen dürfen), besteht keine Rechtsgrundlage, aus welcher der Sozialhilfeträger von Angehörigen eine Verpflichtung zur tatsächlichen Übernahme von Pflege– und Betreuungsaufgaben der Hilfebedürftigen herleiten könnte.
34Unbeschadet der Rechtswidrigkeit der verwaltungsinternen Richtlinie in den vorgenannten Punkten bestand für die Beklagte aufgrund der Erkrankungen des Zeugen B., der schwerbehindert bei einem GdB von 100 ist und bei dem die Merkzeichen "G", "B" und "RF" zuerkannt sind, auch im Rahmen der Ermessensausübung im konkreten Einzelfall kein Spielraum, eine Pflegbeihilfe zu kürzen oder gar vollständig zu verweigern. Denn nach den Feststellungen des Herrn Dr. med. K. in dem augenärztlichen Gutachten vom 10.12.2014 bestehen bei dem Zeugen B. aufgrund der erheblichen Herabsetzung der Sehschärfe mit zentralen Gesichtsfeldsdefekten und fehlendem räumlichen Sehen, Einschränkungen bei allen Tätigkeiten, die erhöhte Ansprüche an die optische Orientierung stellen. Eine Orientierung im Straßenverkehr bestehe nur ansatzweise. Eine Verrichtung von Einkäufen und eine Unterstützung des Partners seien nur eingeschränkt möglich. Sämtliche Verrichtungen der Körperpflege und Ernährung seien jedoch nicht eingeschränkt und könnten als Hilfeleistungen erbracht werden. Diese Feststellungen des Gutachters decken sich mit den Angaben des Zeugen B. in dem Verhandlungstermin am 23.06.2015, wonach Tätigkeiten im Bereich der Körperpflege, etwa das Waschen des Klägers oder die Reinigung des Gebisses von ihm übernommen werden können. Der Zeuge hat jedoch glaubhaft dargelegt, dass es ihm nicht möglich ist, dem Kläger aus dem Bett oder der Wanne zu helfen bzw. ins Bett oder in die Wanne zu setzen. Weiterhin hat die Zeugin D. in ihrer Vernehmung im Erörterungstermin am 26.05.2015 glaubhaft angegeben, dass sie die Einkäufe für den Kläger und den Zeugen B. erledige, da weder der Kläger noch der Zeuge B. dazu körperlich alleine in der Lage seien. Diese Einschränkungen führen dazu, dass kein Ermessen der Beklagten im Hinblick auf eine Kürzung einer Pflegbeihilfe besteht.
35c) Der Kläger hat einen Anspruch auf die Gewährung einer Pflegehilfe i.H.v. 60 % des jeweils geltenden Pflegegeldes der Pflegestufe I ab April 2011. Gem. § 65 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 SGB XII steht die Gewährung einer Pflegebeihilfe im Ermessen des Leistungsträgers. Anerkanntermaßen können Pauschalen abhängig von dem Pflegeaufwand gewährt werden (vgl. etwa Krahmer/Sommer, a.a.O., § 65 SGB XII, Rn. 6). Ausweislich ihrer verwaltungsinternen Richtlinien nimmt die Beklagte bei der Bewilligung der Pflegebeihilfe eine Pauschalierung in Gestalt von Abstufungen vom kleinsten Pflegegeld nach dem entsprechenden Zeitaufwand vor. Nach dieser Richtlinie gewährt die Beklagte Hilfebedürftigen mit einer Pflegedauer von 31-37 Minuten täglich 60 % des Pflegegeldes der Pflegestufe I (vgl. Bl. 181 der Gerichtsakte).
36Da sowohl der grundpflegerische Bedarf als auch die hauswirtschaftliche Versorgung des Klägers von diesem selber nicht sichergestellt werden konnte und der Zeuge B. als Pflegeperson nicht zur Verfügung stand, war die Sicherstellung der häuslichen Pflege des Klägers einzig durch die Inanspruchnahme der Frau D. sowie der Zeugin D. möglich. Der Bedarf des Klägers beschränkte sich nicht auf einfache Hilfeleistungen im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung. Vielmehr konnte sowohl der grundpflegerische Bedarf als auch die hauswirtschaftliche Versorgung nur durch den Einsatz der Frau D. sowie der Zeugen D.gedeckt werden. So besteht bei dem Kläger, unter Zugrundelegung des Ergebnisses der Untersuchung durch den Sachverständigen Herrn Dr. med. R., im Bereich der Körperpflege (§ 61 Abs. 5 Nr. 1 SGB XII) ein täglicher Hilfebedarf von 22 Minuten (Waschen/Baden/Darm–Blasenentleerung) sowie im Bereich der Mobilität (§ 61 Abs. 5 Nr. 3 SGB XII) von 15 Minuten (An– und Auskleiden, Stehen/Transfer). Im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung besteht ein Bedarf von 45 Minuten pro Tag. Vor diesem Hintergrund bestand für die Beklagte mit Blick auf ihre sich aus § 63 SGB XII ergebende Verpflichtung zur Förderung von Maßnahmen der ambulanten Pflege keine andere Möglichkeit als die Bewilligung der Pflegebeihilfe. Sind alle denkbaren Ergebnisse bis auf eines ausgeschlossen, liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor (vgl. Ruffert, in: Knack/Henneke, 10. Aufl. (2014), § 40 VwVfG, Rn. 46, m.w.N.; vgl. ferner BSG, Urteil vom 26.08.2008, a.a.O., Rn. 19). Unter Zugrundelegung der im Hinblick auf die bei der Bewilligung der Pflegebeihilfe von der Beklagten vorgenommenen Pauschalierung nicht zu beanstandenden internen Verwaltungsrichtlinie besteht bei einem grundpflegerischen Bedarf von 37 Minuten täglich ein Anspruch des Klägers auf Bewilligung einer Pflegebeihilfe i.H.v. 60 % des jeweils geltenden Pflegegeldes der Pflegestufe I.
373. Das Gericht konnte die Beklagte vorliegend gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG dem Grunde nach verurteilen. Nach dieser Regelung kann dann, wenn gem. § 54 Abs. 4 oder 5 SGG eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Infolge dessen, dass das Ermessen der Beklagten zur Gewährung der Pflegebeihilfe auf Null reduziert war (vgl. oben unter III., 2., c) der Gründe) besteht ein Rechtsanspruch des Klägers auf eine Leistung in Geld.
38IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.
(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.
(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.
(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für
- 1.
(weggefallen) - 2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66, - 3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69, - 4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.
(5) (weggefallen)
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.
(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen.
(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:
- 1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen; - 2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch; - 3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen; - 4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen; - 5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: - a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel, - b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, - c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie - d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
- 6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.
(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.
(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.
(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:
- 1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und - 5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
- 1.
Mobilität mit 10 Prozent, - 2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, - 3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent, - 4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent, - 5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.
(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:
- 1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.
(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.
(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.
(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:
Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen.
(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5
- 1.
häusliche Pflege in Form von - a)
Pflegegeld (§ 64a), - b)
häuslicher Pflegehilfe (§ 64b), - c)
Verhinderungspflege (§ 64c), - d)
Pflegehilfsmitteln (§ 64d), - e)
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - f)
anderen Leistungen (§ 64f), - g)
digitalen Pflegeanwendungen (§ 64j), - h)
ergänzender Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k),
- 2.
teilstationäre Pflege (§ 64g), - 3.
Kurzzeitpflege (§ 64h), - 4.
einen Entlastungsbetrag (§ 64i) und - 5.
stationäre Pflege (§ 65).
(2) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1
- 1.
Pflegehilfsmittel (§ 64d), - 2.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - 3.
digitale Pflegeanwendungen (§ 64j), - 4.
ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k) und - 5.
einen Entlastungsbetrag (§ 66).
(3) Die Leistungen der Hilfe zur Pflege werden auf Antrag auch als Teil eines Persönlichen Budgets ausgeführt. § 29 des Neunten Buches ist insoweit anzuwenden.
(1) Die Leistungen werden erbracht in Form von
(2) Zur Dienstleistung gehören insbesondere die Beratung in Fragen der Sozialhilfe und die Beratung und Unterstützung in sonstigen sozialen Angelegenheiten.
(3) Geldleistungen haben Vorrang vor Gutscheinen oder Sachleistungen, soweit dieses Buch nicht etwas anderes bestimmt oder mit Gutscheinen oder Sachleistungen das Ziel der Sozialhilfe erheblich besser oder wirtschaftlicher erreicht werden kann oder die Leistungsberechtigten es wünschen.
(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5
- 1.
häusliche Pflege in Form von - a)
Pflegegeld (§ 64a), - b)
häuslicher Pflegehilfe (§ 64b), - c)
Verhinderungspflege (§ 64c), - d)
Pflegehilfsmitteln (§ 64d), - e)
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - f)
anderen Leistungen (§ 64f), - g)
digitalen Pflegeanwendungen (§ 64j), - h)
ergänzender Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k),
- 2.
teilstationäre Pflege (§ 64g), - 3.
Kurzzeitpflege (§ 64h), - 4.
einen Entlastungsbetrag (§ 64i) und - 5.
stationäre Pflege (§ 65).
(2) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1
- 1.
Pflegehilfsmittel (§ 64d), - 2.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - 3.
digitale Pflegeanwendungen (§ 64j), - 4.
ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k) und - 5.
einen Entlastungsbetrag (§ 66).
(3) Die Leistungen der Hilfe zur Pflege werden auf Antrag auch als Teil eines Persönlichen Budgets ausgeführt. § 29 des Neunten Buches ist insoweit anzuwenden.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
Tatbestand
- 1
-
Im Streit ist die Zahlung von Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt) für die Zeit ab 1.7.2003.
- 2
-
Der Beklagte lehnte zunächst den im Juni 2003 gestellten Antrag des im Jahre 1927 geborenen Klägers auf Bewilligung von Leistungen nach dem Gesetz über die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ( GSiG) für die Zeit ab 1.6.2003 ab (Bescheid vom 30.6.2003; Widerspruchsbescheid vom 21.11.2003); die Klage hiergegen ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Verwaltungsgerichts
Köln vom 15.7.2005 für die Zeit bis 30.11.2009; Beschluss des Oberverwaltungsgerichts . Den späteren ausdrücklichen Antrag des Klägers vom 16.7.2003 auf (hilfsweise) Gewährung von Sozialhilfe für die Zeit ab 1.7.2003 lehnte der Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 15.3.2004; Widerspruchsbescheid vom 31.1.2005).vom 17.3.2006)
- 3
-
Die Klage hiergegen ist vor dem Sozialgericht (SG) Köln und dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen ohne Erfolg geblieben ( Urteil des SG vom 1.9.2006; Urteil des LSG vom 13.9.2007) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, ein Leistungsanspruch bestehe wegen des Nachrangs der Sozialhilfe nicht. Der Kläger habe einen Schenkungsrückforderungsanspruch wegen Verarmung (§ 528 Bürgerliches Gesetzbuch
) gegenüber seinem Sohn in Höhe von mindestens in Euro umzurechnenden 21.000 DM. Diesen Betrag habe er seinem Sohn 1998 schenkungsweise zur Tilgung von Darlehensverbindlichkeiten zugewandt. Der Rückforderungsanspruch sei auch nicht wegen Gefährdung des standesgemäßen Unterhalts des Sohnes nach § 529 Abs 2 BGB ausgeschlossen; der Kläger erhalte ständig Sachzuwendungen vom Sohn; dieser dokumentiere damit seine Leistungsbereitschaft und -fähigkeit. Soweit der Kläger beantragt habe, seinen Sohn und seine Schwiegertochter zur finanziellen Situation des Sohnes als Zeugen zu vernehmen, handele es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.
- 4
-
Mit der Revision rügt der Kläger als Verfahrensfehler, das LSG habe zu Unrecht seinem Beweisantrag nicht stattgegeben, seinen Sohn und die Schwiegertochter dazu zu hören, dass sein Sohn nicht ohne Gefährdung seines eigenen standesgemäßen Unterhalts imstande sei, den angeblich gegen ihn bestehenden Schenkungsrückforderungsanspruch zu erfüllen. Das LSG wäre bei einer Zeugenvernehmung zur Überzeugung gelangt, dass etwaige Ansprüche zumindest nicht in angemessener Zeit gegen seinen Sohn hätten durchgesetzt werden können.
- 5
-
Der Kläger beantragt,
-
das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
- 8
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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
). Der Kläger hat zu Recht gerügt, dass das LSG seinem Beweisantrag auf Vernehmung seines Sohnes und seiner Schwiegertochter nicht gefolgt ist, und damit seine Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 SGG) verletzt hat. Die Sache war deshalb schon allein wegen des entsprechenden Antrags des Klägers an das LSG zurückzuverweisen; nichts anderes würde indes gelten, wenn der Kläger bereits eine Verurteilung des Beklagten durch den Senat beantragt hätte.
- 9
-
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 15.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.3.2005 (§ 95 SGG) , mit dem Leistungen ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt worden sind. Damit ist über den geltend gemachten Anspruch für die gesamte bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden (vgl nur BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8 mwN) . Sollten allerdings zwischenzeitlich neue Bescheide ergangen sein, hätten diese den Ablehnungsbescheid für die von ihnen betroffenen Zeiträume erledigt (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -
) ; die neuen Bescheide wären nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden (vgl BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8) .
- 10
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In der Sache hat der Kläger zwar ausdrücklich lediglich Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 11 ff, 21 ff Bundessozialhilfegesetz
bzw ab 1.1.2005 gemäß §§ 19 Abs 1, 27 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - beantragt; zu beachten ist jedoch, dass der Kläger für die Zeit ab 1.6.2003 die vorrangige (vgl für die Zeit ab 1.1.2005 § 19 Abs 2 Satz 3 SGB XII) Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem GSiG beantragt hatte, wobei die Leistung rechtskräftig für die Zeit bis Ende November 2003 abgelehnt worden ist. Ggf wird das LSG zu klären bzw zu prüfen haben, ob der Kläger für die Folgezeit nicht - ausdrücklich oder konkludent - Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (erneut) beantragt hat, über die der Beklagte zumindest konkludent in dem angefochtenen Bescheid mitbefunden hat ( vgl zum Antragserfordernis bei Grundsicherungsleistungen das Senatsurteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 13/08 R) , sodass ggf der Klageantrag vorrangig auf Leistungen der Grundsicherung nach dem GSiG bzw ab 1.1.2005 nach §§ 41 ff SGB XII zu verstehen wäre (vgl zum sog Meistbegünstigungsgrundsatz: BSG SozR 4-1500 § 95 Nr 1 RdNr 6; SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22) .)
- 11
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Im Einverständnis mit den Beteiligten war das Rubrum dahin zu berichtigen, dass nicht die Stadt K., sondern der Bürgermeister dieser Stadt Beteiligter ist (§ 70 Nr 3 SGG), der im Rahmen eines auftragsähnlichen Verhältnisses (vgl Senatsurteil vom 19.5.2009 - B 8 SO 7/08 R - RdNr 13) funktional als Behörde des für die Hilfe zum Lebensunterhalt zuständigen R.-Kreises gehandelt hat und handelt (vgl dazu die Senatsurteile vom 19.5.2009 - B 8 SO 4/08 R -, RdNr 9, und - B 8 SO 7/08 R -, RdNr 13) . Der gemäß § 9, § 97 Abs 1, § 96 Abs 1, § 99 BSHG bzw ab 1.1.2005 gemäß § 3 Abs 2 SGB XII in Verbindung mit §§ 97, 98 SGB XII zuständige Kreis hat nämlich zur Durchführung der ihm als Sozialhilfeträger obliegenden Aufgaben die Stadt K. durch Satzung herangezogen, die in eigenem Namen entscheidet (§ 96 BSHG iVm § 3 des Gesetzes zur Ausführung des BSHG für das Land NRW vom 15.6.1999 - Gesetz- und Verordnungsblatt
NRW 393 - und der Satzung vom 23.4.1985 in der Fassung vom 25.10.2001 über die Heranziehung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden zur Durchführung von Sozialhilfeaufgaben nach dem BSHG bzw ab 1.1.2005 gemäß § 99 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 1 des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das SGB XII vom 16.12.2004 - GVBl NRW 816 - und der Satzung über die Heranziehung der kreisangehörigen Städte und Gemeinden zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB XII - Sozialhilfe - vom 29.12.2004) . Der Kläger hat insoweit kein Wahlrecht, ob er die Behörde oder die juristische Person verklagt (BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - RdNr 14) . Vor diesem rechtlichen Hintergrund, dessen landesrechtliche Grundlagen der Senat mangels eigener Feststellungen des LSG selbst beurteilen durfte, war die Beiladung des Landrates des R.-Kreises als beteiligtenfähiger Behörde (§ 70 Nr 3 SGG) nicht erforderlich, weil dieser nicht Dritter iS des § 75 Abs 2 1. Alt SGG ist. Der Beklagte nimmt vielmehr gerade die Aufgaben des Landkreises wahr, der durch das Urteil auf diese Weise verpflichtet und berechtigt wird.
- 12
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Mit seiner Entscheidung über die Rubrumskorrektur widerspricht der Senat zwar einer Entscheidung des 9. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.4.2009 (B 9 SB 3/08 R - RdNr 21) ; allerdings liegt keine Abweichung iS des § 41 SGG vor, der zu einer Anfrage beim 9. Senat bzw der Durchführung eines Verfahrens beim Großen Senat des BSG zwingen würde. Die Rubrumsberichtigung hat - wie oben ausgeführt - keine Auswirkungen auf das Ergebnis des Verfahrens und ist deshalb nicht wesentlich für die Entscheidung (so schon BSGE 102, 10, 21 RdNr 12 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2). Die Bezeichnung des richtigen Beklagten ist, soweit es um die Beteiligtenfähigkeit der Behörde geht, lediglich formaler Natur und hat keine materiellrechtlichen Konsequenzen.
- 13
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Das LSG hat den Leistungsanspruch des Klägers, gestützt auf den sog Nachranggrundsatz (§ 2 BSHG, § 2 SGB XII) , verneint, weil der Kläger gegen seinen Sohn einen Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 Abs 1 BGB habe. Bereits mit Urteil vom 29.9.2009 (B 8 SO 23/08 R - RdNr 20) hat der Senat indes - unter Hinweis auf ein früheres Urteil (Senatsurteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R - RdNr 15) - entschieden, dass die bezeichneten Vorschriften über den Nachrang der Sozialhilfe regelmäßig keine eigenständigen Ausschlussnormen darstellen, sondern lediglich im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden Vorschriften des BSHG bzw SGB XII die Bedürftigkeit verneinen lassen. Insoweit kann vorliegend dahinstehen, ob der Schenkungsrückforderungsanspruch überhaupt als Vermögen iS des § 88 Abs 1 BSHG bzw ab 1.1.2005 des § 90 Abs 1 SGB XII zu verstehen ist, oder ob nicht erst bei Zufluss entsprechender Leistungen diese als Einkommen zu berücksichtigen wären. Für die Zurückverweisung der Sache genügt es, dass das LSG bei seiner Entscheidung verfahrensfehlerhaft gehandelt hat und, ausgehend von der Rechtsansicht des LSG, eine andere Entscheidung des LSG möglich gewesen wäre (Leitherer in Meyer-Ladewig ua, SGG, 9. Aufl 2008, § 162 RdNr 9; Lüdtke in SGG, 3. Aufl 2009, § 162 RdNr 14; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2008, § 162 RdNr 23 ), wie dies hier der Fall ist.
- 14
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Das LSG ist davon ausgegangen, dass der Kläger als Schenker gemäß § 528 Abs 1 BGB die Herausgabe des Geschenkes (Befreiung von Verbindlichkeiten) nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 818 Abs 2 BGB) zurückfordern kann. Selbst wenn dies so wäre, wäre der Anspruch gemäß § 529 Abs 2 BGB wegen Gefährdung des standesgemäßen Unterhalts des Beschenkten ausgeschlossen, wenn der Sohn des Klägers eine entsprechende Einrede erheben könnte und würde (zum Einredecharakter des § 529 BGB vgl nur Koch in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl 2008, § 529 RdNr 6 mwN) . Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ausgeschlossen, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass ein standesgemäßer Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.
- 15
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Es ist nicht entscheidungserheblich, ob das LSG nicht ohnedies im Rahmen seiner Sachaufklärung (§ 103 SGG) von Amts wegen, also ohne Antrag bzw Anregung durch den Kläger, verpflichtet gewesen wäre, zumindest den Sohn des Klägers zur Frage der Gefährdung des standesgemäßen Unterhalts bei Rückgewährung der Schenkung hätte vernehmen müssen. Jedenfalls hätte es dies auf den formellen Beweisantrag des Klägers in jedem Falle tun müssen. Seine Argumentation, der Sohn des Klägers sei im Hinblick auf die von ihm geleisteten Sachzuwendungen leistungsfähig und leistungsbereit und würde sich einem Anspruch nach § 528 Abs 1 BGB nicht widersetzen, stellt eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar (vgl dazu nur: Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 128 RdNr 15 und Leitherer in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 103 RdNr 86, jeweils mwN) .
- 16
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Zum einen hat der Kläger eine Erklärung seines Sohnes vorgelegt, wonach Kost und Pflege in Gestalt von Naturalleistungen ohne Anerkennung einer Verpflichtung und nur unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens bis zur rückwirkenden Bewilligung von Leistungen anstelle des säumigen Sozialhilfeträgers erbracht würden. Zum anderen fehlt es an tatsächlichen Feststellungen des LSG sowohl zur Höhe des Bedarfs des Klägers als auch zur Höhe der vom Sohn des Klägers erbrachten Sachleistungen. Der Anspruch auf Rückgewährung des Geschenkten ist (hier) ohnedies auf Geld gerichtet und beschränkt sich (zumindest) auf wiederkehrende Leistungen des Beschenkten in einer dem angemessenen Unterhaltsbedarf entsprechenden Höhe, bis der Wert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist (BGHZ 146, 228, 231; BGH, Urteil vom 17.9.2002 - X ZR 196/01 -, NJW-RR 2003, 53 f) ; damit ist der Schluss von der Bereitschaft, Sachleistungen zu erbringen, zur Bereitschaft, Geldleistungen zu erbringen, nicht ohne Zeugenvernehmung gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr für den Schluss darauf, dass der standesgemäße Unterhalt des Sohnes durch entsprechende Geldleistungen nicht gefährdet wird, weil nicht bekannt ist, ob die Naturalleistungen des Sohnes bedarfsdeckend waren.
- 17
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Zu Unrecht hat das LSG seine Weigerung, die beantragten Zeugen (Sohn und Schwiegertochter) zu vernehmen, darauf gestützt, deren Vernehmung beinhalte einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Ob bzw inwieweit das im zivilprozessualen Verfahren unter Geltung des Dispositionsgrundsatzes entwickelte und nur sehr vorsichtig zu gebrauchende Rechtsinstitut überhaupt im Rahmen des von der Amtsermittlung geprägten Sozialgerichtsverfahrens Geltung beanspruchen kann, bedarf keiner weiteren Untersuchung. Ein Ausforschungsantrag, mit dem unter lediglich formalem Beweisantritt Behauptungen aufgestellt werden, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (vgl BVerwG, Beschluss vom 5.10.1990 - 4 B 249/89 -, NVwZ-RR 1991, 118, 123) , bzw, die willkürlich aus der Luft gegriffen sind und für die tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen (vgl: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl 2010, Einf § 284 RdNr 27; vgl auch BVerfG, Beschluss vom 18.6.1993 - 2 BvR 1815/92 -, DVBl 1993, 1002, 1003), ist vorliegend jedenfalls ganz offensichtlich nach dem oben Gesagten nicht anzunehmen.
- 18
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Die Entscheidung des LSG ist auch nicht trotz des Verfahrensfehlers gemäß § 170 Abs 1 Satz 2 SGG aus anderen Gründen schon zum jetzigen Zeitpunkt zu bestätigen. Alle denkbaren Ausschlussgründe für einen Leistungsanspruch setzen weitere tatsächliche Feststellungen durch das LSG voraus. Im gegenläufigen Sinne könnte zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus demselben Grund, selbst wenn der Kläger nicht lediglich die Zurückverweisung der Sache an das LSG beantragt hätte, ebenso wenig endgültig über einen Leistungsanspruch entschieden werden.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.
(2) Der Anspruch einer volljährigen unterhaltsberechtigten Person, die in der Eingliederungshilfe leistungsberechtigt im Sinne des § 99 Absatz 1 bis 3 des Neunten Buches oder pflegebedürftig im Sinne von § 61a ist, gegenüber ihren Eltern wegen Leistungen nach dem Siebten Kapitel geht nur in Höhe von bis zu 26 Euro, wegen Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel nur in Höhe von bis zu 20 Euro monatlich über. Es wird vermutet, dass der Anspruch in Höhe der genannten Beträge übergeht und mehrere Unterhaltspflichtige zu gleichen Teilen haften; die Vermutung kann widerlegt werden. Die in Satz 1 genannten Beträge verändern sich zum gleichen Zeitpunkt und um denselben Vomhundertsatz, um den sich das Kindergeld verändert.
(3) Ansprüche nach Absatz 1 und 2 gehen nicht über, soweit
- 1.
die unterhaltspflichtige Person Leistungsberechtigte nach dem Dritten und Vierten Kapitel ist oder bei Erfüllung des Anspruchs würde oder - 2.
der Übergang des Anspruchs eine unbillige Härte bedeuten würde.
(4) Für die Vergangenheit kann der Träger der Sozialhilfe den übergegangenen Unterhalt außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an fordern, zu welcher er dem Unterhaltspflichtigen die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt hat. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, kann der Träger der Sozialhilfe bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.
(5) Der Träger der Sozialhilfe kann den auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch im Einvernehmen mit der leistungsberechtigten Person auf diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Unterhaltsanspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die leistungsberechtigte Person dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach den Absätzen 1, 2 bis 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.
(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5
- 1.
häusliche Pflege in Form von - a)
Pflegegeld (§ 64a), - b)
häuslicher Pflegehilfe (§ 64b), - c)
Verhinderungspflege (§ 64c), - d)
Pflegehilfsmitteln (§ 64d), - e)
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - f)
anderen Leistungen (§ 64f), - g)
digitalen Pflegeanwendungen (§ 64j), - h)
ergänzender Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k),
- 2.
teilstationäre Pflege (§ 64g), - 3.
Kurzzeitpflege (§ 64h), - 4.
einen Entlastungsbetrag (§ 64i) und - 5.
stationäre Pflege (§ 65).
(2) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1
- 1.
Pflegehilfsmittel (§ 64d), - 2.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - 3.
digitale Pflegeanwendungen (§ 64j), - 4.
ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k) und - 5.
einen Entlastungsbetrag (§ 66).
(3) Die Leistungen der Hilfe zur Pflege werden auf Antrag auch als Teil eines Persönlichen Budgets ausgeführt. § 29 des Neunten Buches ist insoweit anzuwenden.
Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Der Anspruch auf stationäre Pflege umfasst auch Betreuungsmaßnahmen; § 64b Absatz 2 findet entsprechende Anwendung.
(1) Auf Sozialhilfe besteht ein Anspruch, soweit bestimmt wird, dass die Leistung zu erbringen ist. Der Anspruch kann nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden.
(2) Über Art und Maß der Leistungserbringung ist nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, soweit das Ermessen nicht ausgeschlossen wird. Werden Leistungen auf Grund von Ermessensentscheidungen erbracht, sind die Entscheidungen im Hinblick auf die sie tragenden Gründe und Ziele zu überprüfen und im Einzelfall gegebenenfalls abzuändern.
Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5 haben Anspruch auf Pflege in stationären Einrichtungen, wenn häusliche oder teilstationäre Pflege nicht möglich ist oder wegen der Besonderheit des Einzelfalls nicht in Betracht kommt. Der Anspruch auf stationäre Pflege umfasst auch Betreuungsmaßnahmen; § 64b Absatz 2 findet entsprechende Anwendung.
Personen, die pflegebedürftig im Sinne des § 61a sind, haben Anspruch auf Hilfe zur Pflege, soweit ihnen und ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern nicht zuzumuten ist, dass sie die für die Hilfe zur Pflege benötigten Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels aufbringen. Sind die Personen minderjährig und unverheiratet, so sind auch das Einkommen und das Vermögen ihrer Eltern oder eines Elternteils zu berücksichtigen.
(1) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2, 3, 4 oder 5
- 1.
häusliche Pflege in Form von - a)
Pflegegeld (§ 64a), - b)
häuslicher Pflegehilfe (§ 64b), - c)
Verhinderungspflege (§ 64c), - d)
Pflegehilfsmitteln (§ 64d), - e)
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - f)
anderen Leistungen (§ 64f), - g)
digitalen Pflegeanwendungen (§ 64j), - h)
ergänzender Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k),
- 2.
teilstationäre Pflege (§ 64g), - 3.
Kurzzeitpflege (§ 64h), - 4.
einen Entlastungsbetrag (§ 64i) und - 5.
stationäre Pflege (§ 65).
(2) Die Hilfe zur Pflege umfasst für Pflegebedürftige des Pflegegrades 1
- 1.
Pflegehilfsmittel (§ 64d), - 2.
Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes (§ 64e), - 3.
digitale Pflegeanwendungen (§ 64j), - 4.
ergänzende Unterstützung bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (§ 64k) und - 5.
einen Entlastungsbetrag (§ 66).
(3) Die Leistungen der Hilfe zur Pflege werden auf Antrag auch als Teil eines Persönlichen Budgets ausgeführt. § 29 des Neunten Buches ist insoweit anzuwenden.
(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.
(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.