Sozialgericht Dortmund Beschluss, 10. Nov. 2016 - S 38 AS 4768/16 ER
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q aus I wird abgelehnt.
1
Gründe:
2Der – sinngemäß gestellte – Antrag der Antragsteller,
3den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 07.10.2016 bis 07.03.2017 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch in Höhe des Regelbedarfs – unter Anrechnung etwaigen Einkommens – zu gewähren,
4hat keinen Erfolg.
5Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, das heißt des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, das heißt die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Gemäß § 86b SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes glaubhaft zu machen.
6Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung dergestalt, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit beziehungsweise Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden insoweit ein bewegliches System (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 86b Rn. 27 u. 29 m.w.N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).
7Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erfüllt.
8Die Antragsteller haben keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie sind ihrer nach § 103 S. 1 HS. 2 SGG bestehenden Mitwirkungspflicht nicht im zur Sachaufklärung gebotenen Umfang nachgekommen, sodass das Gericht nicht von einer Eilbedürftigkeit im Sinne des Vorliegens einer existenziellen Notlage ausgeht. In Anbetracht ihres prozessualen Verhaltens haben die Antragsteller nicht erkennen lassen, dass ihnen an einer alsbaldigen Entscheidung gelegen ist. Es ist nicht glaubhaft, dass die Antragsteller gegenwärtig von schwerwiegenden und nicht wiedergutzumachenden Nachteilen betroffen sind, wenn sie zumutbare Mitwirkungshandlungen ohne ersichtlichen Grund wiederholt nicht vornehmen (vgl. nur LSG NRW, Beschl. v. 27.1.2015 – L 2 AS 2265/14 B ER). Sie haben aufgrund der fehlenden Mitwirkung darüber hinaus ihre aktuelle Einkommenssituation nicht glaubhaft gemacht, sodass sich nicht feststellen lässt, dass sich die Antragsteller in einer existentiellen Notlage befinden, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde.
9Die Antragsteller betreiben das Verfahren nur schleppend, indem sie die der Verfahrensbeschleunigung und Klärung der Anspruchsvoraussetzungen dienenden gerichtlichen Verfügungen nicht erledigen beziehungsweise sogar ignorieren. Mit Verfügung vom 10.10.2016 forderte das Gericht unter anderem Kontoauszüge für alle Konten der Antragsteller für den Zeitraum 01.07.2016 bis 10.10.2016 an. An die Erledigung der Verfügung vom 10.10.2016 wurde mit Verfügung vom 24.10.2016 erinnert. Es wurde mit dieser Verfügung des Weiteren um Klarstellung gebeten, ob die zum Prozesskostenhilfeantrag genommenen Kontoauszüge für die Zeit vom 01.07.2016 bis 04.10.2016 zum Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung genommen werden dürfen. Im Übrigen wurden nunmehr auch die Kontoauszüge für die Zeit vom 11.10.2016 bis 24.10.2016 angefordert und nach dem Zeitpunkt der Auszahlung des September-Gehalts der Antragstellerin zu 1) gefragt sowie um Mitteilung gebeten, wann mit der Auszahlung des Gehalts für den Monat Oktober 2016 zu rechnen sei. Mit weiterer Verfügung vom 02.11.2016 wurden die Antragsteller an die Erledigung der Verfügungen vom 10.10.2016 und 24.10.2016 erinnert und um Übersendung der Kontoauszüge für die Zeit vom 25.10.2016 bis 01.11.2016 gebeten. Eine Antwort der Antragsteller liegt bis heute nicht vor. Die vom Gericht zuletzt zur Erledigung der Verfügungen vom 10.10.2016 und 24.10.2016 gesetzte Frist bis zum 09.11.2016 ist fruchtlos verstrichen. Die Antragsteller haben sich seit dem 18.10.2016 – und damit seit mehr als drei Wochen – nicht mehr zum Verfahren geäußert. Die Nachfragen und angeforderten Unterlagen sollten der Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes sowie des Anordnungsanspruchs dienen. Ohne die Mitwirkung der Antragsteller kann eine Beurteilung ihrer derzeitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, und damit eine Beurteilung der Eil- und Hilfebedürftigkeit, nicht erfolgen.
10Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
11Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Q aus I ist unbegründet.
12Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 114 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet eine Rechtsverfolgung dann, wenn ein solcher Erfolg bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zwar nicht gewiss ist, doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. An einer solchen hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt es hier aus den vorgenannten Gründen.
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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.
(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.
(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.
(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.