Sozialgericht Detmold Urteil, 25. März 2014 - S 2 SB 565/12
Tenor
Der Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2012 wird aufgehoben, soweit der GdB von 100 und die Merkzeichen B und H aberkannt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Herabsetzung ihrer Schwerbehinderung und die Aberkennung der Merkzeichen H und B und G.
3Die am 00.00.2001 geborene, derzeit 12jährige Klägerin, lebt mit einem Spenderherz unter Immunsuppression. Das Spenderherz wurde im März 2009 transplantiert. Im Mai 2009 kam es zu einer Abstoßungsreaktion. Die Behandlung erfolgte mit der Gabe von Prednisolon, einem Immunsuppressivum, in hoher Dosis. Bei der Klägerin besteht ein erhöhtes Abstoßungsrisiko. Aufgrund der erhöhten Abstoßungsgefahr muss die Klägerin bei dem Auftreten der ersten Infektanzeichen die Herzklinik aufsuchen, da eine erneute Abstoßungsreaktion vorliegen kann. Bei der Klägerin besteht eine eingeschränkte Lungenfunktion. Die Klägerin ist in altersgerechten körperlichen Aktivitäten eingeschränkt.
4Mit Bescheiden vom 17.11.2009 und vom 24.02.2010 hatte die Beklagte bei der Klägerin zunächst einen GdB von 100 und die Merkzeichen G, B und H festgestellt. Mit Anhörungsschreiben vom 07.11.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie eine Herab-setzung des GdB von 100 auf 70 und die Aberkennung der Merkzeichen G, B und H für angemessen erachte. Die Klägerin wies in ihrer Antwort darauf hin, dass das Risiko eines Rückfalls zwei Jahre nach der Transplantation auf keinen Fall erheblich reduziert sei. Die Eltern der am 00.00.2001 geborenen Klägerin seien dazu verpflichtet, akribisch genau darauf zu achten, was die Ernährung, Wohnumgebung, zwischenmenschliche und tierische Kontakte betrifft, damit eine Abstoßung nicht passiert. Auch die zwei- bis dreimonatigen Kontrollen im Herzzentrum dienten dazu, die Gefahr des lebensbedrohlichen Zustandes frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. In der häuslichen Umgebung müsse regelmäßig der Blutdruck, die Körpertemperatur und das Gewicht der Klägerin kontrolliert werden. Auch die pünktliche Verabreichung der Medikamente gehöre dazu. Es gehe um eine Kontrolle des Gesundheitszustandes der Klägerin im Kindesalter durch die Eltern rund um die Uhr. Die Lehrer der Schule seien über die Situation informiert, die Eltern jederzeit telefonisch erreichbar. Die Klägerin müsse trotz der risikoreichen Lage die Möglichkeit haben, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Die Voraussetzungen der Hilflosigkeit lägen bei der Klägerin vor, da sie aufgrund der bei ihr erfolgten Herztransplantation mit anschließender immunsuppressiver Behandlung an einem therapieinduzierten schweren Immundefekt leide. Der Immunmangel dauere nach wie vor an und mache eine ständige Überwachung erforderlich. Die Überwachung sei zur Meidung von Infektionsgefahren erforderlich. Daraus ergebe sich auch die Notwendigkeit ständiger Begleitung. Um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, müsse sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Als Kind sei sie dabei nicht in der Lage, die Situation abzuschätzen und den Abstand von Gefahrenquellen wie offensichtlich kranken Menschen, verschmutzten und verkeimten Griffen und Gedränge zu halten. Weiterhin bestehe die Gefahr einer Dekompensation, die in ihrem Falle ein sofortiges und gezieltes Handeln erforderlich mache, weshalb es von großer Wichtigkeit sei, um ein gefahrloses Benutzen der öffentlichen Verkehrsmittel zu gewährleisten, dass eine Begleitperson notwendig sei. Mit Bescheid vom 15.12.2011 änderte die Beklagte ihre Feststellungen dahin, dass nunmehr nur noch ein GdB von 70 bestünde und die Voraussetzungen der Merkzeichen G und B und H nicht mehr bestünden. In der zugrunde liegenden ärztlichen Stellungnahme der Ärztin des Gesundheitsamtes der Stadt C, Frau I, heißt es stichwortartig: "anhaltend gute Transplantatfunktion, seit Sommer 2010 Besuch der 3. Klasse der Grundschule, normalisierter Alltag." Gegen den Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie verwies auf ihre bisherige Stellungnahme. Der besondere Hilfebedarf ergebe sich zum einen aus einer lebensnotwendigen und zu exakten Zeiten notwendigen Verabreichung der Medikamente. Zum anderen müssten die Eltern die aufgrund der Infektanfälligkeit erforderlichen Hygiene- und Ernährungsregeln zur Vermeidung von In-fekten durchführen, beaufsichtigen und die Klägerin als Kind hierzu anleiten. Der Schulbesuch sei nur möglich, indem die Lehrer informiert seien und insoweit die besondere Aufsichtsfunktion freiwillig übernahmen und die Eltern in ständiger Rufbereitschaft stünden, wenn die Lehrer die Verantwortung für die Gesundheit nicht mehr übernehmen könnten, etwa weil ein anderes Kind krank am Unterricht teilnimmt oder F sich schlapp und unwohl fühlt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Widerspruchsbegründung vom 05.01.2012 Bezug genommen. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2012 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück. Maßgebend seien nur aktuelle Untersuchungsergebnisse ohne künftige Auswirkungen der Gesundheitsstörungen. Die Voraussetzungen der Merkzeichen G, B und H seien nicht erfüllt.
5Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter und wiederholt ihre umfangreichen bisherigen Ausführungen.
6Die Klägerin beantragt,
7den Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2012 aufzuheben.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Zur Begründung führt sie in der Stellungnahme vom 12.07.2012 aus, die zweijährige Heilungsbewährung sei abgelaufen. Der GdB von 70 habe allein wegen der Bestimmungen der Versorgungsmedizinverordnung festgestellt werden müssen und habe nichts mit einer tatsächlichen Leistungseinschränkung zu tun. Die Voraussetzungen der Merkzeichen H und B lägen daher nicht mehr vor. In der ärztlichen Stellungnahme vom 12.08.2012 heißt es, ein regelmäßiges Angewiesensein auf fremde Hilfe bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln liege nicht mehr vor. Auch ein behinderungsbedingter Fremdhilfebedarf in erheblichem Umfang für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages liege nicht mehr vor.
11Das Gericht hat einen Befundbericht des behandelnden Kinderarztes eingeholt. Auf den Inhalt dieses Befundberichts vom 30.10.2013 wird Bezug genommen. Darin heißt es ins-besondere: " Bei F handelt es sich nicht um eine Herzerkrankung, die sie nicht in ihren körperlichen Leistungen beeinträchtigt, sondern vielmehr um die Gefahr der Abstoßung des transplantierten Herzens. Eine Abstoßreaktion würde ja nicht eine Einbuße der Leistungsfähigkeit bedeuten, sondern es würde in dem Fall um das Todesrisiko gehen. Insofern ist das Kind über alle Maßen gefährdet. Bei dem kleinsten Infekt muss geschaut werden, ob sich eine eventuelle Abstoßreaktion einstellt. Das Kind und die Eltern müssen ständig in Alarmbereitschaft stehen."
12Zu diesem Bericht des behandelnden Kinderarztes schickt die Beklagte eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes durch die dortige Frau Dr. I, wonach keine Leistungsbe-einträchtigung für bis zu mittelschwere Belastungen bestehe. Es seien allgemeine Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung von Infekten erforderlich. Merkzeichen seien nicht zu gewähren.
13Entscheidungsgründe:
14Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Der Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 15.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.03.2012 in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn die genannten Bescheide sind rechtswidrig, soweit dort der GdB von 100 auf 70 herabgesetzt und die Merkzeichen B und H aberkannt wurden. Lediglich die Aberkennung des Merkzeichens G war rechtmäßig.
15Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwal-tungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX stellt der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständige Beklagte das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen gemäß § 69 Abs. 4 SGB IX die zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach Absatz 1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Bei mehreren, sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich. Für die Beurteilung des Ausmaßes der Funktionseinschränkung waren bis zum 31.12.2008 die Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht heranzuziehen. Für die Zeit ab dem 01.01.2009 ist insoweit nun die Versorgungsmedizinverordnung anzuwenden. Diese Verordnung regelt gemäß ihrem § 1 VersMedV unter anderem die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung von Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes. Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind gemäß § 2 VersMedV in der Anlage zu § 2 enthalten. Bei dieser Anlage handelt es sich dann letztlich um eine Fortentwicklung der früheren medizinischen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht.
16Zur Überzeugung der Kammer liegen bei der Klägerin weiterhin ein GdB von 100 und die Voraussetzungen der Merkzeichen B und H vor.
17Nach Ziffer 9.1.4 der Versorgungsmedizinverordnung ist nach einer Herztransplantation eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdS von 100 ohnehin anzusetzen. Danach ist der GdS selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Berücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression nicht niedriger als 70 zu bewerten. Ausweislich Abschnitt A1 Vorbemerkung 2c der Versorgungsmedizinverordnung setzten GdB und GdS stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu be-achten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB und GdS nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d.h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind.
18Hiervon ausgehend ist zwar rein zeitlich eine Heilungsbewährung eingetreten, doch auch nach Ablauf der Heilungsbewährung ist der Grad der Behinderung im Lichte des Teenageralters der Klägerin mit 100 zu bewerten. Denn bei der Bestimmung des Grades der Behinderung ist das Ausmaß der Abweichung der Funktionseinschränkung von der Gesundheit eines gesunden, gleichaltrigen Menschen zu beachten. Daher sind Regelwidrigkeiten bei Kindern und Jugendlichen grundsätzlich höher zu bewerten, da Kinder und Jugendliche regelmäßig noch in voller Gesundheit stehen und noch keinen physiologischen Veränderungen im Sinne von nicht einmal ersten Alterserscheinungen unterliegen.
19Die Beklagte nimmt mit dem GdB von 70 bei dem durch Ziffer 9.1.4 formulierten Beurtei-lungsraum den bestmöglichen Zustand an. Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil die junge Klägerin sich noch im Wachstum befindet und das transplantierte Organ im Körper der Klägerin sogar noch mitwachsen muss. Die Immunsuppression ist für einen sich noch entwickelnden Organismus eine zusätzliche Belastung. Die Notwendigkeit einer Herztransplantation im Kindesalter ist ohnehin ganz offensichtlich eine besonders starke Abweichung vom Regelzustand eines gesunden Kindes oder Jugendlichen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erachtet das Gericht hier einen GdB von 100 für die Herzerkrankung bei Totalverlust des eigenen Herzens und Transplantation eines Spenderherzens für angemessen. Gerade bei einem sehr jungen Menschen weicht eine existentielle Erkrankung besonders stark vom altersentsprechenden Gesundheitszustand ab. Und die gebotene Umsicht im Hinblick auf die existentielle Erkrankung und deren Risiken schränkt die Klägerin besonders stark in ihren Verhaltensmöglichkeiten im Vergleich zu gesunden Gleichaltrigen, sprich im Vergleich zu anderen Teenagern, ein. Dass sich die Klägerin dabei in dem Dilemma befindet, einerseits im Hinblick auf die Immunsuppression am besten allen Infektquellen, etwa auch nur erkälteten Menschen oder Toben und Schwitzen im Freien, aus dem Weg zu gehen und andererseits natürlich nicht sich von der Außenwelt abkapseln zu dürfen und insbesondere zur Schule gehen zu müssen, um sich in ihrem sozialen Umfeld menschlich-intellektuell entwickeln zu können und dies dann tut, reduziert nicht das Ausmaß der Funktionseinschränkungen der Klägerin. Es erhöht vielmehr die Schutzbedürftigkeit der Klägerin.
20Die Versorgungsmedizinverordnung geht bei der Beurteilung des Ausmaßes von Behinderungen von einem bio-psycho-sozialen Modell der Bewertung von Funktionseinschränkungen aus, wie sich aus der amtlichen Einleitung der Versorgungsmedizinverordnung ergibt. Es kommt also darauf an, wie der Betroffene durch die Behinderung im Alltag, sprich in einem abstrahierten sozialen Alltagsumfeld, beeinträchtigt wird. Diese Betrachtung ist weitergehend, als eine rein technische Betrachtungsweise, hier etwa die Beurteilung der aktuellen Pumpleistungsfunktion des Spenderherzens und der abgeheilten Eröffnung des knöchernen Brustkorbbereichs zur Erlangung des Zugangs zum Herzens bei der Transplantation. Diese biosoziale Betrachtungsweise mit der Berücksichtigung schon jetzt gegenwärtig vorhandener ganz konkreter Risiken, die jetzt schon gegenwärtig einschränkende Verhaltensweisen gebieten, ist nicht zu verwechseln mit der Erkenntnis, dass es keinen "GdB" auf Vorrat im Hinblick auf typische, künftige Verschlechterungen der Gesundheit, die aber noch nicht eingetreten sind, gibt. Hier liegt bereits jetzt und gegenwärtig gegenüber anderen gleichaltrigen Personen ein deutlich erhöhtes Infektrisiko mit konsekutiv lebensbedrohlicher Situation vor. Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens H sind weiterhin erfüllt. Bei der Beurteilung der Hilfslosigkeit bei Kindern und Jugendlichen sind gemäß Teil A Ziffer 5 Buchstabe a der VersMedV nicht nur die bei der Hilflosigkeit genannten Verrichtungen zu beachten. Auch die Anleitungen zu diesen Verrichtungen ( ) sowie die notwendige Überwachung gehören zu diesen Hilfeleistungen, die für die Frage der Hilflosigkeit von Bedeutung sind. Nach Buchstabe c der genannten Norm führen die Besonderheiten des Kindesalters dazu, dass zwischen dem Ausmaß der Behinderung und dem Umfang der wegen der Behinderung erforderlichen Hilfeleistungen nicht immer eine Korrelation besteht, so dass - anders als bei Erwachsenen - auch schon bei niedrigerem GdS bzw. GdB Hilflosigkeit vorliegen kann. Nach Buchstabe d der Norm, dort Buchstabe nn, ist bei angeborenen, erworbenen oder therapieinduzierten schweren Immundefekten Hilflosigkeit für die Dauer des Immunmangels, der eine ständige Überwachung wegen der Infektionsgefahr erforderlich macht, anzunehmen. Insoweit ist hier die Notwendigkeit der Immunsuppression zu beachten, die zum Ziel hat, dass das Spenderherz nicht abgestoßen wird, als Nebenfolge aber andererseits eine deutlich erhöhte Infektgefahr für die Klägerin herbeiführt. Die erhöhte Infektgefahr stellt dabei für die Klägerin mit dem Spenderherz dann nochmals ein besonders hohes Risiko dar. Dies formulieren die vom Gericht schriftlich befragten Kinder- und Jugendärztinnen van I und H deutlich, indem es im Befundbericht heißt: "Bei F handelt es sich nicht um eine Herzerkrankung, die sie in ihren körperlichen Leistungen beeinträchtigt, sondern vielmehr um die Gefahr der Abstoßung des transplanierten Herzens. ( ) Eine Abstoßreaktion würde ja nicht eine Einbuße der Leistungsfähigkeit bedeuten, sondern es würde in dem Fall um das Todesrisiko gehen. Insofern ist das Kind über alle Maßen gefährdet." In der Vorläufernorm der Anhaltspunkte AHP war unter Ziffer 22 Abschnitt 4 Buchstabe o sogar der Zustand nach Organtransplantation noch als Beispiel genannt. Die neue VersMedV hat zwar auf viele Fallbeispiele oder Vergleichsbeispiele, etwa auch bei der Beschreibung des Schwerbehindertenstatus (ab GdB 50) verzichtet, weil dies manchmal den sprichwörtlichen Vergleich von "Äpfel mit Birnen" provoziert, eine inhaltliche Änderung ist mit dieser redak-tionellen Änderung jedoch nicht verbunden. Die Transplantation bleibt also der typische Fall eines die Hilflosigkeit im Kindesalter auslösenden Immunmangels, der im Rahmen der Therapie notwendig gewollt herbeigeführt werden muss. Gerade Kinder und Jugendliche wollen toben, spielen, Sport machen, klettern, im Freien spielen, mit Tieren spielen etc. Hiermit sind Verletzungs- und Erkrankungsrisiken verbunden, die bei einem gesunden Menschen als eher gering einzustufen sind, sich aber bei einem Zustand nach Herztrans-plantation bei bestehender Immunsuppression als erhöhte Risiken zeigen. Auch hier ist zu beachten, dass gerade bei einem sehr jungen Menschen eine existentielle Erkrankung besonders stark vom altersentsprechenden Gesundheitszustand abweicht und der verantwortliche Umgang und das Bewusstsein, vieles nicht tun zu dürfen, was die anderen Gleichaltrigen machen, und die Fähigkeit, die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen, erst erlernt werden muss. Insoweit kommt der Beaufsichtigung der Klägerin durch ihre Eltern eine besondere Bedeutung zu.
21Auch die Voraussetzungen des Merkzeichens B sind weiterhin erfüllt. Zum Merkzeichen B ist zu beachten, dass ständige Begleitung bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G oder H vorliegen) notwendig ist, die infolge ihrer Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Hier ist die Notwendigkeit der Begleitung schon aus dem oben dargelegten Aspekt der Beaufsichtigung im Hinblick auf das erhöhte Infektrisiko gegeben. Und gerade bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist es erforderlich, Gefahren- und Notfallsituationen richtig einzuschätzen. Als Gefahrenquelle für die Klägerin stellt sich dabei bereits ein Mensch mit einem Infekt, etwa einer Erkältung, dar. Und rein praktisch herrscht im öffentlichen Nahverkehr teils auch grober Umgang mit überfüllten Bussen, Gedrängel und insbesondere unter Schülern in Schulbussen mit Raufereien, Schubsen und Drängeln. Auch insoweit fällt die Klägerin unter den Schutzbereich des Merkzeichens H, nicht weil sie nicht in der Lage wäre, in den richtigen Bus einzusteigen, sondern weil sie bei der Einschätzung der Gesamtsituation im Hinblick auf die anderen Fahrgäste schutzbedürftig ist. Auch hierbei besteht natürlich das Dilemma, ihr zunehmend auch Eigenverantwortung im Hinblick auf ihre individuellen gesundheitlichen Risiken zu vermitteln und sie doch vor Fehlentscheidungen und Infekten bewahren zu wollen, und ihr dies doch vermitteln zu müssen, damit sie im Sinne der Teilhabe behinderter Menschen in der Gemeinschaft integriert werden kann. Gerade deshalb ist sie aber besonders schutzbedürftig.
22Wenn die Beklagte hierzu in ihrer ärztlichen Meinungsäußerung durch das eigene Gesundheitsamt ausführt, nach Übergang in die dauerhafte Immunsuppression mit regulärem Schulbesuch seien allgemeine Vorkehrungen zur Vermeidung von Infektionen aus-reichend und nach knöcherner Abheilung der Operationsfolgen seien besondere Vor-sichtsmaßnahmen bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht erkennbar erforderlich, so liegen diese Ausführungen zur Überzeugung der Kammer neben der Sache. Die Klägerin muss weitaus mehr als andere Jugendliche aufpassen, dass sie sich keinen Infekt zuzieht.
23Die Voraussetzungen des Merkzeichens G, das die rein tatsächliche Gehfähigkeit schützt, sind hingegen nicht mehr erfüllt.
24Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das Gericht hat dabei berücksichtigt, dass in der rechtlichen Argumentation das Merkzeichen G schriftsätzlich nicht weiter geltend gemacht wurde, sondern lediglich aus Gründen der Einfachheit die Aufhebung des gesamten Änderungsbescheides bei Formulierung des Antrags in der mündlichen Verhandlung durch den dort anwaltlich nicht begleiteten Vater der Klägerin beantragt wurde.
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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Diese Verordnung regelt die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes, für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung.
(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.
(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann, - 2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder - 3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.
(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.
(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.
(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.
(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen
- 1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert, - 2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem
- 1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird, - 2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres, - 3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und - 4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.
(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.
(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.
(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.
(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.
(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:
- a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, - b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist, - c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte, - d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden, - e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.
(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.
(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.
(1) Wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung.
(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 stehen Schädigungen gleich, die herbeigeführt worden sind durch
- a)
eine unmittelbare Kriegseinwirkung, - b)
eine Kriegsgefangenschaft, - c)
eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit, - d)
eine mit militärischem oder militärähnlichem Dienst oder mit den allgemeinen Auflösungserscheinungen zusammenhängende Straf- oder Zwangsmaßnahme, wenn sie den Umständen nach als offensichtliches Unrecht anzusehen ist, - e)
einen Unfall, den der Beschädigte auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 durchzuführen oder um auf Verlangen eines zuständigen Leistungsträgers oder eines Gerichts wegen der Schädigung persönlich zu erscheinen, - f)
einen Unfall, den der Beschädigte bei der Durchführung einer der unter Buchstabe e aufgeführten Maßnahmen erleidet.
(3) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewißheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.
(4) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes.
(5) Ist der Beschädigte an den Folgen der Schädigung gestorben, so erhalten seine Hinterbliebenen auf Antrag Versorgung. Absatz 3 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.