Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss, 16. Feb. 2011 - 4 W 104/10

ECLI:ECLI:DE:POLGZWE:2011:0216.4W104.10.0A
bei uns veröffentlicht am16.02.2011

Tenor

I. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss dahingehend abgeändert, dass über die dort festgesetzten Kosten hinaus weitere 7... € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. Mai 2010 von den Beklagten als Gesamtschuldnern an die Kläger zu erstatten sind.

II. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1

Die klagenden Rechtsanwälte nahmen die Beklagten gesamtverbindlich auf Zahlung von Honorarforderungen in Höhe von rund 1... € nebst gestaffelter Zinsen in Anspruch. Als Nebenforderung verlangten sie zusätzlich Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten (1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG in Höhe von 1... €).

2

In der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2010 vor dem Landgericht haben die Parteien in der Sache „ zur Abgeltung der Klageforderungen“ einen Vergleich in Höhe von 8... € ohne weitere Vereinbarung hinsichtlich der mit eingeklagten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren der Kläger geschlossen; von den Kosten des Rechtsstreits übernahmen die Beklagten als Gesamtschuldner 4/5 und die Kläger 1/5.

3

Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat der Rechtspfleger des Landgerichts unter Berufung auf § 15 a RVG bei der Berechnung des Erstattungsanspruchs der Kläger die von diesen geltend gemachte ungekürzte 1,3-Geschäftsgebühr lediglich mit dem hälftigen Gebührensatz von 0,65 zugrunde gelegt und die Geschäftsgebühr im Übrigen auf die im Prozess entstandene Verfahrensgebühr angerechnet. Dagegen wenden sich die Kläger mit der sofortigen Beschwerde.

II.

4

Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr der Kläger in der Kostenausgleichung liegen im Streitfall nicht vor.

5

1. Die Frage, wie nach einem im Prozess geschlossenen "Gesamtvergleich" der Parteien über die Hauptforderung und die als Nebenforderung mit eingeklagte vorprozessual entstandene anwaltliche Geschäftsgebühr die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist, war seit Inkrafttreten des (auch auf „Altfälle“ anwendbaren) § 15 a RVG in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im kostenrechtlichen Schrifttum umstritten (zum Meinungsstand vgl. Enders, JurBüro 2010, 281 ff).

6

Vereinzelt wurde die Auffassung vertreten, dass die mit eingeklagte Geschäftsgebühr in diesem Fall immer in voller Höhe nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG anzurechnen sei (OLG Saarbrücken, JurBüro 2010, 194). Demgegenüber hat die überwiegende Rechtsprechung eine Anrechnung abgelehnt, wenn sich aus der Wortfassung des Vergleichs nicht eindeutig ergab, inwieweit mit der Vergleichssumme auch die vorgerichtlichen Kosten tituliert sein sollten (OLG Karlsruhe, AGS 2010, 209, OLG Naumburg, AGS 2010, 211; OLG Stuttgart, AGS 2010, 212; OLG Köln, JurBüro 2010, 526; OLG Koblenz, Beschluss vom 23. April 2010 - 14 W 220/10).

7

Der letztgenannten Auffassung, die auch der beschließende Senat in einer Einzelrichterentscheidung vom 03. Mai 2010 (4 W Lw 45/10, RdL 2010, 249 und juris) vertreten hat, ist nunmehr der Bundesgerichtshof gefolgt.

8

In seinem Beschluss vom 07. Dezember 2010 (VI ZB 45/10, MDR 2011, 135 und juris) führt der 6. Zivilsenat des Bundesgerichtshof mit überzeugenden Erwägungen aus, dass eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nicht in Betracht kommt, wenn der Prozessvergleich keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, inwieweit die vom Kläger mit eingeklagte Geschäftsgebühr vom Gegner zu zahlen ist oder inwieweit eine solche Geschäftsgebühr in der vom Beklagten zu zahlenden Vergleichssumme enthalten sein soll.

9

2. Die Gebührenanrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG wäre dem folgend hier bei der Kostenausgleichung nur dann zu berücksichtigen, wenn eine der drei Alternativen des § 15 a Abs. 2 RVG erfüllt wäre.

10

Das ist jedoch nicht der Fall:

11

a) Die erste Alternative (Erfüllung) ist nicht gegeben. Selbst wenn ein Teil der von den Beklagten in Raten zu begleichenden Vergleichssumme in Höhe von 8... € bereits gezahlt sein sollte, stünde damit nicht fest, dass solche Zahlungen auch auf die vorgerichtlich den Klägern entstandene Geschäftsgebühr erbracht worden wären. Der Prozessvergleich vom 14. April 2010 enthält insoweit keine weitere Regelung, so dass aus ihm nicht ersichtlich ist, ob und ggf. welcher Anteil der Vergleichssumme auf die vorgerichtlich entstandenen Kosten entfallen sollte. Insbesondere kann dem Vergleichstext nicht entnommen werden, dass mit Zahlung der Vergleichssumme der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Kosten abgegolten sein sollte. Insoweit besteht nämlich auch die Möglichkeit, dass dieser Anspruch im Wege des Vergleichs von den Klägern nicht weiter verfolgt werden sollte.

12

b) Nicht anders verhält es sich mit der zweiten Alternative des § 15 a Abs. 2 RVG, wonach die Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen ist, soweit für die nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnende Geschäftsgebühr ein Vollstreckungstitel besteht. Ein Vollstreckungstitel über 8... € liegt hier zwar in Gestalt des Vergleichs vor; aus ihm ergibt sich aber gerade nicht, inwieweit in diesem Gesamtbetrag auch die mit eingeklagte vorgerichtliche Geschäftsgebühr als tituliert enthalten sein soll. Es ist zwar denkbar, dass in der Vergleichssumme die in Höhe von 1... € eingeklagten vorgerichtlichen Anwaltskosten ganz oder anteilig stecken sollen. Vorstellbar ist aber genauso, dass die Kläger im Wege des Vergleichs von dem Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten Abstand genommen haben und die 8... € lediglich die Hauptforderung (und gegebenenfalls das Zinsverlangen) betreffen sollten.

13

c) Ein Fall der dritten Alternative des § 15 a Abs. 2 RVG liegt ebenfalls nicht vor, wobei offen bleiben kann, was unter "demselben Verfahren" im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist, weil die Voraussetzungen der Anrechnung jedenfalls mangels einer betragsmäßigen Bezifferung der Geschäftsgebühr im Vergleich nicht gegeben sind (BGH MDR 2011 aaO).

14

3. Der von den Beklagten ins Feld geführte Umstand, dass sich die Kläger im Ausgangsrechtsstreit als Rechtsanwälte in eigener Sache vertreten haben, rechtfertigt mit Blick auf das vorstehend Ausgeführte keine andere Beurteilung zur Frage der Gebührenanrechnung.

15

Zwar haben auch die sich als Rechtsanwälte im Prozess selbst vertretenden Kläger bei der Geltendmachung ihres in § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO geregelten Kostenerstattungsanspruchs die Gebührenanrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV-RVG zu beachten. Ein etwa behaupteter Verstoß gegen die Anrechnungspflicht ist jedoch im streng formalisierten Kostenfestsetzungsverfahren wegen der begrenzten Prüfungsbefugnis des Rechtspflegers grundsätzlich unbeachtlich. Er wäre von den Beklagten gegebenenfalls als materiell-rechtliche Einwendung im Wege einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen. Soweit § 15 a Abs. 2 RVG ausnahmsweise den materiellen Erfüllungseinwand im Kostenfestsetzungsverfahren zulässt, sind dessen Voraussetzungen, wie oben ausgeführt, im Streitfall wegen fehlender Bezifferung des auf die Geschäftgebühr entfallenden Vergleichsbetrages nicht gegeben. Über die in § 15 a Abs. 2 RVG geregelten Fälle hinaus ist eine Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren jedoch nicht statthaft (BGH MDR 2011 a.a.O. und BGH, Beschluss vom 24. November 2010, IV ZB 22/10, NJOZ 2011, 322, jeweils m.w.N.)

16

4. Danach ist der Berechnung im Kostenfestsetzungsverfahren die von den Klägern geltend gemachte 1,3-Verfahrensgebühr ungeschmälert zugrunde zu legen. Daraus ergibt sich die aus der Beschlussformel ersichtliche Erhöhung des Erstattungsbetrages für die Kläger.

17

Die mit Blick auf die außergerichtlichen Kosten zu treffende Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO.

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen. (2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Ma

Zivilprozessordnung - ZPO | § 767 Vollstreckungsabwehrklage


(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen. (2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf

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Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Nov. 2010 - IV ZB 22/10

bei uns veröffentlicht am 24.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IV ZB 22/10 vom 24. November 2010 in dem Rechtsstreit Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf, Harsdorf-Gebhardt und den Ric

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Dez. 2010 - VI ZB 45/10

bei uns veröffentlicht am 07.12.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB 45/10 vom 7. Dezember 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja RVG § 15a Abs. 2 Zu den Voraussetzungen der Gebührenanrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren nach einem Prozes

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 45/10
vom
7. Dezember 2010
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zu den Voraussetzungen der Gebührenanrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren
nach einem Prozessvergleich.
BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2010 - VI ZB 45/10 - OLG Hamm
LG Dortmund
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Dezember 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin
Diederichsen und den Richter Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. Juli 2010 wird auf dessen Kosten zurückgewiesen. Beschwerdewert: 336,47 €

Gründe:

I.

1
Der Kläger hat den Beklagten wegen ärztlicher Behandlungsfehler auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Er beanspruchte als Nebenforderung mit der Klage vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.971,74 €. Das Landgericht schlug den Parteien eine vergleichsweise Einigung des Inhalts vor, dass der Beklagte zur Abgeltung der Ansprüche an den Kläger 30.000 € sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.999,20 € zahle. Die Parteien vereinbarten hiervon abweichend die Zahlung eines Betrags in Höhe von 32.000 € ohne weitere Vereinbarung hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren des Klägers. Von den Kosten des Rechtsstreits sollten der Kläger ¾ und der Beklagte ¼ tragen. Die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben.
2
Durch Beschluss des Landgerichts vom 6. Januar 2010 ist der Vergleich festgestellt worden. Der Berechnung im Kostenfestsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin die vom Kläger geltend gemachte ungekürzte 1,3-Verfahrensgebühr zugrunde gelegt und die vom Kläger dem Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.171,16 € nebst Zinsen festgesetzt. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde des Beklagten, mit der er die Anrechnung einer 0,75-fachen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr begehrt hat, als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter.

II.

3
1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die auf der Klägerseite nach Nr. 3100 VV-RVG angefallene 1,3-Verfahrensgebühr in voller Höhe in Ansatz zu bringen sei. Die Geschäftsgebühr sei nicht teilweise anzurechnen. Die seit dem 5. August 2009 geltende Vorschrift des § 15a RVG finde auf den Streitfall Anwendung, weil es sich dabei um eine bloße Klarstellung des wahren Willens des Gesetzgebers und nicht um eine Gesetzesänderung handle. Nach der Regelung in § 15a Abs. 1 RVG wirke sich die Anrechnung nur im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten und nicht im Verhältnis zu Dritten aus. Im Kostenfestsetzungsverfahren komme die Anrechnung nur in den Fällen des § 15a Abs. 2 RVG in Betracht. Keine der dort genannten Alternativen sei im Streitfall gegeben. Der Beklagte habe bislang die Geschäfts- oder Verfahrensgebühr nicht erstattet. Es bestehe gegen ihn auch kein Vollstreckungstitel hinsichtlich der fraglichen Gebühren in Form des Vergleichs. Der Formulierung in Ziffer 1 des Vergleichs sei nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Geschäftsgebühr bei der Festsetzung des Vergleichsbetrags Be- rücksichtigung gefunden habe. Etwaige Leistungen des Beklagten könnten daher nicht als teilweise Erfüllung der Kostenforderung angesehen werden.
4
Der Vergleich stelle keinen Vollstreckungstitel bezüglich der Geschäftsgebühr dar, der die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG rechtfertigen würde. Die vergleichsweise Regelung betreffe den auf die Hauptsache zu zahlenden Betrag und die Verteilung der Kosten. Sonstige mit der Klage geltend gemachte Forderungen würden durch den Vergleich nicht tituliert. Die Anrechnung der mit dem Vergleich abgegoltenen und deshalb nicht mehr erstattungsfähigen Geschäftsgebühr würde auch nicht dem Parteiwillen bei Abschluss des Vergleichs gerecht. Die Anrechnung vermindere nämlich regelmäßig die sich aus der Kostenregelung im Vergleich ergebende Kostenlast der beklagten Partei.
5
Ob Hauptsacheverfahren und Kostenfestsetzungsverfahren als dasselbe Verfahren im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG anzusehen seien, könne dahinstehen , da nach dem Vergleichsschluss nicht mehr feststehe, dass die Geschäftsgebühr noch geltend gemacht werde. Es könne auch ein vollständiger oder teilweiser Verzicht auf diese Nebenforderung gegeben sein.
6
2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 575 ZPO) hat keinen Erfolg.
7
a) Dass § 15a RVG auf den Streitfall Anwendung findet, wird von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt. Nach der Auffassung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 - VI ZB 26/10, juris Rn. 8 und vom 16. November 2010 - VI ZB 47/10; BGH, Beschlüsse vom 2. September 2009 - II ZB 35/07, NJW 2009, 3101 Rn. 6 ff.; vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 11 ff. m.w.N. zum Streitstand; vom 3. Februar 2010 - XII ZB 177/09, FamRZ 2010, 806 Rn. 10; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159; juris Rn. 6; vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, FamRZ 2010, 1248 Rn. 9 f. und vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, Rn. 9 juris) ist auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes (Art. 7 Abs. 4 Nr. 3 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht, zur Errichtung einer Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften vom 30. Juli 2009, BGBl. I S. 2449) davon auszugehen, dass die in Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr für die Höhe der gesetzlichen Gebühren im Verhältnis der Prozessparteien untereinander ohne Bedeutung ist und die entsprechend berechtigte Prozesspartei die Erstattung einer ungekürzten Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG beanspruchen kann.
8
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kommt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht nach den Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG in Betracht. Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat oder wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Keine dieser Alternativen ist im Streitfall gegeben.
9
aa) Im Kostenfestsetzungsverfahren haben materiell-rechtliche Einwendungen grundsätzlich unbeachtlich zu bleiben (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 29. September 2010 - 2 W 266/10, juris Rn. 30-33 m.w.N.). Sie sind gegebenenfalls im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen. Die nach § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG zulässige Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr im Fall der Erfüllung lässt ausnahmsweise eine materiell-rechtliche Einwendung zu. Im Hinblick auf die begrenzte Prüfungsbe- fugnis des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. in Prütting/ Gehrlein/K.Schmidt ZPO, 2. Aufl., § 104 Rn. 15; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. § 104 Rn. 21 "materiell-rechtliche Einwendungen") ist hierfür aber Voraussetzung , dass die Erfüllung unstreitig oder ohne weiteres feststellbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - XII ZR 285/02, NJW 2007, 1213, Rn. 10 in juris). Mit Recht hält das Beschwerdegericht im Hinblick auf die fehlende Bezifferung des auf die Geschäftsgebühr entfallenden Zahlungsbetrags im Vergleich die Voraussetzungen für eine Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren im Streitfall für nicht gegeben.
10
Der Formulierung in Ziffer 1 des Vergleichs ist nicht zu entnehmen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Geschäftsgebühr bei der Festsetzung des Vergleichsbetrags Berücksichtigung gefunden hat. Der gerichtliche Vergleichsvorschlag einer Zahlung von 30.000 € zuzüglich einer Geschäftsgebühr in Höhe von 1.999,20 € statt der eingeklagten Geschäftsgebühr in Höhe von 3.971,74 € wurde von den Parteien nicht akzeptiert. Dass in den Vergleichsbetrag von 32.000 € die Kostenforderung in Höhe von 1.999,20 € eingeflossen ist, ist möglich, jedoch nicht zwingend. Selbst im Fall vollständiger Leistung des Vergleichsbetrags kann nicht ohne weiteres festgestellt werden, inwieweit dieser Zahlung Erfüllungswirkung im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 1 RVG hinsichtlich der Geschäftsgebühr zukommen könnte. Auch aus der Abgeltungsklausel des Vergleichs folgt nicht zwingend, dass mit der Leistung der Vergleichssumme die geltend gemachten Ansprüche als in voller Höhe erfüllt gelten sollten. Sie bedeutet lediglich, dass der Kläger auf die Forderungen, die die Vergleichssumme der Höhe nach übersteigen, bei Erfüllung des Vergleichs verzichtet.
11
bb) Der Vergleich vom 6. Januar 2010 stellt auch keinen die Anrechnung gemäß § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG rechtfertigenden Vollstreckungstitel bezüglich der Geschäftsgebühr dar. Die Abgeltung der klageweise geltend gemachten Forderungen durch eine vergleichsweise vereinbarte Teilleistung kann nicht mit der Titulierung der Gesamtforderung gleichgesetzt werden. Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung vereinzelt die Auffassung vertreten (OLG Saarbrücken, AGS 2010, 60, 61 ff.), dass die Anrechnung zu erfolgen habe, weil durch den Begriff der "Abgeltung" hinreichend zum Ausdruck gebracht werde, dass die Zahlung des vereinbarten Betrags auch der Erfüllung der vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr diene. Damit sei die Geschäftsgebühr von dem durch den Vergleich titulierten Zahlungsanspruch umfasst. Jedoch lehnt die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung eine Anrechnung in diesen Fällen ab (vgl. etwa OLG München, JurBüro 2010, 23, 24; OLG Naumburg, JurBüro 2010, 299, 300; OLG Celle, Beschluss vom 29. September 2010 - 2 W 266/10, juris Rn. 23-28; OLG Karlsruhe, AGS 2010, 209 Rn. 29-32 in juris).
12
Es kann dahinstehen, ob von einer Titulierung durch den Vergleich dann ausgegangen werden könnte, wenn der Vergleich eine unmissverständliche Regelung enthielte, wonach die entsprechende Gebühr in einer bestimmten Höhe abgegolten werde. Jedenfalls für den Fall, dass der Vergleich eine solche ausdrückliche Regelung nicht enthält, stellt er keinen Vollstreckungstitel für die Geschäftsgebühr gegen den Dritten dar. Dies folgt schon daraus, dass nur dann, wenn der Vergleich die Geschäftsgebühr als eigenen bezifferten Gegenstand ausweist, konkret festgestellt werden kann, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr auf die entstandene Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Auch der Wortlaut des § 15a Abs. 2 Fall 2 RVG macht das Erfordernis einer betragsmäßigen Bezifferung des Anspruchs deutlich. Danach kann sich ein Dritter auf die Anrechnung nur berufen, "soweit wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht …".
13
Im vorliegenden Vergleich ist nur die Verteilung der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs zwischen den Parteien tituliert. In welchem Umfang die vorgerichtlichen Kosten mit dem Vergleichsschluss erledigt werden sollten bzw. in der Vergleichssumme, die an den Kläger zu zahlen ist, eingeschlossen sind, lässt sich daraus nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann zur Bestimmung des Inhalts des Vergleichs auch nicht auf die Prozessakten und die im Rechtsstreit vor Vergleichsschluss gestellten Anträge zurückgegriffen werden. Da es sich um einen Vollstreckungstitel handelt, ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs maßgebend (vgl. Zöller/Stöber, aaO, § 794 Rn. 14a und § 704 Rn. 5).
14
cc) Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr kann auch nicht nach § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG erfolgen. Der Rechtsbeschwerde ist zuzugeben, dass der Vorschrift nicht eindeutig entnommen werden kann, was unter demselben Verfahren im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG zu verstehen ist. Im Streitfall bedarf diese Frage deshalb keiner Klärung, weil die Voraussetzungen der Anrechnung jedenfalls mangels einer betragsmäßigen Bezifferung der Geschäftsgebühr im Vergleich nicht gegeben sind.
15
Wäre "das selbe Verfahren" im Sinne des § 15a Abs. 2 Fall 3 RVG umfassend als Hauptsache- und Kostenfestsetzungsverfahren zu verstehen, ist nach Sinn und Zweck der Regelungen in § 15a Abs. 2 RVG die Anrechnung jedenfalls daran gebunden, dass die Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren erfolgreich geltend gemacht worden ist. Nur dann kann die Geschäftsgebühr vom Rechtspfleger betragsmäßig im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren zur Anrechnung auf die Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht werden. Die Parteien haben aber auf eine betragsmäßige Festlegung der Geschäftsgebühr im Vergleich verzichtet. Auch im Übrigen lässt sich dem Vergleich nicht entnehmen , ob die Geschäftsgebühr davon umfasst ist. Kommt die Berufung auf die Anrechnung hingegen nur dann in Frage, wenn beide Gebühren im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht worden sind (BGH, Beschluss vom 29. September 2009 - X ZB 1/09, NJW 2010, 76, Rn. 25), fehlt im vorliegenden Fall die Geltendmachung der Geschäftsgebühr durch den Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren. Kommt mithin eine Anrechnung nicht in Betracht, ist die Verfahrensgebühr - wie geschehen - ungeschmälert festzusetzen.
16
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr

Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 23.03.2010 - 4 O 88/08 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 20.07.2010 - I-25 W 298/10 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Einwendungen, die den durch das Urteil festgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges geltend zu machen.

(2) Sie sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung, in der Einwendungen nach den Vorschriften dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können.

(3) Der Schuldner muss in der von ihm zu erhebenden Klage alle Einwendungen geltend machen, die er zur Zeit der Erhebung der Klage geltend zu machen imstande war.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 22/10
vom
24. November 2010
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Wendt, die Richterinnen Dr. Kessal-Wulf,
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski
am 24. November 2010

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Kammergerichts vom 6. August 2010 aufgehoben.
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 8. April 2009 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
Beschwerdewert: 540,85 €

Gründe:


1
I. Die Kläger begehren im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Beklagte den Ansatz einer ungeminderten Verfahrensgebühr.
2
Nach einem am 5. März 2009 vor dem Landgericht in erster Instanz geschlossenen Vergleich sind die Kosten des Rechtsstreits von der Beklagten zu tragen. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. April 2009 hat die Rechtspflegerin beim Landgericht die von der Beklagten den Klägern zu erstattenden Kosten auf 2.764,13 € nebst Zinsen festgesetzt. In diesem Betrag ist unter anderem eine von den Klägern für ihren Prozessbevollmächtigten geltend gemachte und gemäß Nr. 1008 VV RVG erhöhte 1,6-Verfahrensgebühr nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG aus einem Streitwert von 16.100 € in voller Höhe berücksichtigt. Eine Anrechnung der aufgrund einer außergerichtlichen Tätigkeit entstandenen Geschäftsgebühr erfolgte nicht.
3
Der von der Beklagten gegen diesen Beschluss eingelegten sofortigen Beschwerde hat das Landgericht nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht hat den Beschluss des Landgerichts jedoch abgeändert und die zu erstattenden Kosten auf 2.223,28 € nebst Zinsen festgesetzt und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser erstreben die Kläger die uneingeschränkte Berücksichtigung der geltend gemachten Verfahrensgebühr.
4
Das II. Beschwerdegericht meint, die Anrechnungsvorschrift der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei vom Landgericht zu Unrecht nicht angewandt worden. Hiernach verringere sich die erst später nach Nr. 3100 VV RVG angefallene Verfahrensgebühr, während die bereits zuvor entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG von der Anrechnung unangetastet bleibe. § 15a Abs. 2 RVG sei gemäß dem in § 60 Abs. 1 RVG bestimmten Grundsatz auf Altfälle nicht anzuwenden. Anderes lasse sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber durch § 15a RVG lediglich habe "klarstellen" wollen, was nach seiner Auffassung schon immer Regelungsgehalt der Anrechnungsvorschrift gewesen sei. Zum einen habe schon kein dahingehender Regelungswille des Gesetzgebers bestanden, zum anderen sei eine Korrektur der von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung einer Norm immer auch eine Änderung des Gesetzes, nicht nur eine lediglich klarstellende Korrektur.
5
Das III. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
6
Die 1. nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, die durch die Tätigkeit des Anwalts im Rechtsstreit entstanden ist, ist im Verfahren der Kostenfestsetzung in voller Höhe in Ansatz zu bringen und nicht auf Grund der Vorschrift in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG über die hälftige Anrechnung der wegen desselben Gegenstands entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen.
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Diese Regelung zur Anrechnung der Geschäftsgebühr betrifft lediglich das Innenverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten und wirkt sich daher im Verhältnis zu Dritten - also insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren - grundsätzlich nicht aus (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 38/10, AGS 2010, 263 f.; vom 11. März 2010 - IX ZB 82/08, AGS 2010, 159 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 175/07, NJW 2010, 1375 Rn. 16). Eine Anrechnung findet im Rahmen der Kostenfestsetzung allein in den Fällen statt, die nunmehr in § 15a Abs. 2 RVG gesetzlich geregelt sind.
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§ 15a RVG stellt nur eine bloße Klarstellung der bestehenden Gesetzeslage dar und findet somit auch dann Anwendung, wenn die Auftragserteilung des Erstattungsberechtigten an seinen Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten vor dem 5. August 2009 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift - erfolgte. Dies hat der XII. Zivilsenat im Beschluss vom 9. Dezember 2009 (aaO Rn. 15 ff.) im Einzelnen dargelegt; dem tritt der erkennende Senat bei (Senatsbeschlüsse vom 13. September 2010 - IV ZB 42/09, Rn. 8 und vom 15. September 2010 - IV ZB 5/10, IV ZIV ZB 41/09, IV ZIV ZB 3/08, jeweils Rn. 8 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10, Rn. 8 f.; vom 14. September 2010 - VIII ZB 36/10, Rn. 8 f. und VIII ZB 33/10, Rn. 7 f. sowie vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, Rn. 8 f.).
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Der Senat hält an seiner vor Erlass des § 15a RVG zum Verständnis der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vertretenen Auffassung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. September 2008 - IV ZB 26/07 Rn. 6, 9; vom 25. Juli 2008 - IV ZB 16/08, VersR 2008, 1666 Rn. 8 und vom 16. Juli 2008 - IV ZB 24/07, VersR 2009, 236 Rn. 7) nicht mehr fest. Ein Vorgehen nach § 132 GVG ist nicht geboten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. September 2010 - XI ZB 7/10, Rn. 10 und vom 10. August 2010 - VIII ZB 15/10, Rn. 10).
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2. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, hat der Senat gemäß § 577 Abs. 5 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
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Nachdem keiner der Ausnahmefälle des § 15a Abs. 2 RVG ersichtlich ist, kann sich die Beklagte auf die Anrechnungsvorschrift in Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nicht berufen. Die Rechtspflegerin beim Landgericht hat die nach Nr. 1008 VV RVG erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zu Recht in voller Höhe festgesetzt. Der die landgerichtliche Entscheidung ändernde Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben.
Terno Wendt Dr. Kessal-Wulf
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.04.2009 - 7 O 365/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.08.2010 - 2 W 119/09 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Besteht der unterliegende Teil aus mehreren Personen, so haften sie für die Kostenerstattung nach Kopfteilen.

(2) Bei einer erheblichen Verschiedenheit der Beteiligung am Rechtsstreit kann nach dem Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(3) Hat ein Streitgenosse ein besonderes Angriffs- oder Verteidigungsmittel geltend gemacht, so haften die übrigen Streitgenossen nicht für die dadurch veranlassten Kosten.

(4) Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 3, als Gesamtschuldner. Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, nach denen sich diese Haftung auf die im Absatz 3 bezeichneten Kosten erstreckt, bleiben unberührt.