Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 17. Sept. 2007 - 3 B 394/07

17.09.2007

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 28. August 2007 – 1 L 1076/07 – wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde, mit der die Antragstellerin ihr vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 28.8.2007 zurückgewiesenes Anordnungsbegehren weiter verfolgt,

„die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, die Antragstellerin zum praktischen Jahr (PJ) im Wintersemester 2007/2008 (ab 20.8.2007) zuzulassen“,

bleibt ohne Erfolg. Zu der von der Antragstellerin angeregten Beiladung des Ministeriums für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales sah der Senat keine Veranlassung.

Dem Verwaltungsgericht ist im Ergebnis darin beizupflichten, dass der von der Antragstellerin erhobene Anordnungsanspruch nicht glaubhaft im Sinne von überwiegend wahrscheinlich ist.

Nach dem Ergebnis der im vorliegenden Eilrechtschutzverfahren nur möglichen summarischen, gleichwohl aber bereits vertieften Überprüfung der Sach- und Rechtslage spricht nichts dafür, dass die Antragstellerin einen Anspruch darauf hat, ungeachtet von in den einschlägigen Bestimmungen der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) vorgeschriebenen Mindeststudienzeiten zu dem praktischen Jahr zugelassen zu werden, das in der zweiten Hälfte des Monats August 2007 (20.8.2007) begonnen hat.

Für das vorliegende Verfahren ist zunächst davon auszugehen, dass der Beurteilung ihres Begehrens gemäß den Übergangsregelungen der §§ 42, 43 ÄAppO (in der Fassung vom 27.6.2002 – BGBl. I, S. 2405 -, zum Teil geändert durch Art. 3 Nr. 10 a des Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze vom 21.7.2004 – BGBl. I S. 1776, 1787, in Verbindung mit Art. 10 des letztgenannten Gesetzes die das praktische Jahr betreffende Bestimmung des § 3 ÄAppO in der seit dem 27.7.2004 geltenden Fassung des letztgenannten Gesetzes (im folgenden: § 3 ÄAppO 2004) zugrunde zulegen ist. Die Antragstellerin hat wie aus der nunmehr mit Schriftsatz vom 14.9.2007 erstmals vorgelegten Aufstellung über den Verlauf ihres Studiums hervorgeht, ihr „Physikum“ im Frühjahr 2005 erfolgreich abgelegt. Demnach dürfte für sie die Übergangsregelung des § 43 Abs. 1 ÄAppO 2002 einschlägig sein, die Studierende nach § 42 ÄAppO betrifft, die am 1.10.2003, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Approbationsordnung für Ärzte in der Fassung vom 27.6.2002 (a.a.O), die Ärztliche Vorprüfung noch nicht bestanden hatten. Diese Studierenden legten die Ärztliche Vorprüfung bis zum 30.4.2006 nach der Approbationsordnung für Ärzte in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.7.1997 (BGBl. I S. 1593), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 27.4.2002 (BGBl. I S. 1467) a.a.O. ab. Für das weitere Studium dieser Studierenden sind gemäß der Übergangsregelung des § 43 Abs. 1 Satz 2 ÄAppO 2002 die Vorschriften der Approbationsordnung für Ärzte in der Fassung vom 27.6.2002 maßgeblich. Allerdings ist die die Ableistung des Praktischen Jahres betreffende Regelung des § 3 ÄAppO 2002 durch Art. 3 Nr. 2 des bereits mehrfach erwähnten Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze vom 21.7.2004, a.a.O., erneut geändert worden: Während § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2002 bestimmte, dass das Praktische Jahr im letzten Jahr des Medizinstudiums stattfindet, beginnt es nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 „nicht vor Ablauf von zwei Jahren und zehn Monaten nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung“. Diese Änderung trat gemäß Art. 11 des Gesetzes vom 21.7.2004 am Tag nach ihrer Verkündung, am 27.7.2004, in Kraft.

Nach Darlegung des Studienverlaufs der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.9.07 steht auch fest, dass die Antragstellerin nicht unter eine der Übergangsregelungen des Art. 10 des Gesetzes vom 21.7.2004 fällt, dessen Abs. 1 Studierende betrifft, die vor dem 1.10.2004 ihr Medizinstudium mit Bestehen des – früheren – Dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung absolviert hatten, und dessen Abs. 2 Studierende erfasst, die entsprechend § 43 ÄAppO 2002 den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach der Approbationsordnung für Ärzte in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.7.1987 (a.a.O), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 27.4.2002 (a.a.O), vor dem praktischen Jahr ablegen. Daher ist nach dem derzeitigen Erkenntnisstand anzunehmen, dass für die Beurteilung des Begehrens der Antragstellerin § 3 ÄAppO in der am 27.7.2004 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze vom 21.7.2004 (BGBl. I 1776) einschlägig ist. Diese Bestimmung schreibt wie bereits angesprochen ausdrücklich vor, dass das Praktische Jahr nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄAppO nicht vor Ablauf von zwei Jahren und zehn Monaten nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung beziehungsweise der Ärztlichen Vorprüfung beginnt. Der eindeutige Wortlaut dieser Bestimmung schließt eine von ihm abweichende Auslegung etwa dahin aus, dass mit dem Praktischen Jahr bereits dann begonnen werden darf, wenn nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung beziehungsweise – in den Anwendungsfällen des § 43 Abs. 1 ÄAppO 2002 – der Ärztlichen Vorprüfung sämtliche Leistungsnachweise des so genannten klinischen Teils des Medizinstudiums (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÄAppO) vorliegen. Hätte der Normgeber dies ermöglichen wollen, hätte er sich auf die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 ÄAppO 2004 beschränken können. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass auch § 3 Abs. 1 ÄAppO 2002 ersichtlich die Vorstellung des Normgebers zugrunde lag, dass das Praktische Jahr am Ende – „im letzten Jahr“ – des Medizinstudiums zu absolvieren ist, wobei hierunter unter Heranziehung der Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÄAppO das vierte Jahr des nach Bestehen des ersten Prüfungsabschnitts zu absolvierenden Studiums zu verstehen ist. Dem entspricht es, dass mit der Neuregelung von § 3 Abs. 1 ÄAppO durch das bereits mehrfach erwähnte Gesetz vom 21.7.2004 gegenüber der vorangehenden Fassung eine Vorverlagerung des Beginns des Praktischen Jahres lediglich mit dem Ziel erfolgt ist, den Studierenden einen Zeitraum von zwei Monaten zur Prüfungsvorbereitung zur Verfügung zu stellen

vgl. auch § 3 Abs. 1 Satz 5 ÄAppO 2004; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze, BT-Drucksache 15/2350, S. 31, zu Art. 3 Nr. 2 Buchstabe A des Gesetzesentwurfs.

Die demnach gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 beachtliche Zeitspanne von zwei Jahren und zehn Monaten zwischen dem Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung beziehungsweise der Ärztlichen Vorprüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres war im Falle der Antragstellerin im Zeitpunkt des Beginns des hier in Rede stehenden Praktischen Jahres in der zweiten Augusthälfte 2007 (20.8.2007) unstreitig noch nicht verstrichen.

Spricht danach derzeit alles dafür, dass dem von der Antragstellerin erhobenen Anspruch, zu dem ab dem 20.8.2007 laufenden Praktischen Jahr zugelassen zu werden, die ausdrückliche Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 entgegensteht, so sieht der Senat ferner nach dem Ergebnis der Prüfung im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren keinen Anlass zu der Annahme, dass diese Bestimmung ihrerseits Art. 12 GG oder Gemeinschaftsrecht zuwiderläuft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

Urteil vom 11.7.1985 – 7 C 88/84 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 213, zitiert nach Juris, zur insoweit vergleichbaren Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 1 ÄAppO 1979 betreffend die Mindeststudienzeit bis zur Ablegung der Ärztlichen Vorprüfung,

wird das Grundrecht der Berufsfreiheit in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt, wenn neben dem Nachweis bestimmter Studienleistungen noch die Absolvierung bestimmter Mindeststudienzeiten verlangt wird. Der Normgeber muss nicht unterstellen, dass allein durch den Nachweis bestimmter Studienleistungen das Erreichen der erforderlichern Qualifikation bewiesen wird. Er darf vielmehr davon ausgehen, dass eine vorgeschriebene Studienzeit auch zum Studium genutzt wird, dass ein Student oder eine Studentin also, der beziehungsweise die die Leistungsnachweise bereits vor dem Ende der Mindeststudienzeit erbracht hat, die restliche Zeit nicht ungenutzt lässt – „mit Däumchendrehen verbringt“ -, dass eine vorgeschriebene Mindeststudienzeit mithin die Qualifikation des oder der Studierenden fördert. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Festlegung einer Mindeststudienzeit bis zur Ablegung der Ärztlichen Vorprüfung demnach keine Hürde gesehen, die das Erreichen des angestrebten Berufszieles unverhältnismäßig erschwert oder grundlos verzögert.

Diese Erwägungen lassen sich nach Ansicht des Senats auch für die durch § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 vorgegebene Zeitspanne von zwei Jahren und zehn Monaten zwischen Ablegung des Ersten Abschnittes der Ärztlichen Prüfung (beziehungsweise Ärztlichen Vorprüfung) und Beginn des Praktischen Jahres anführen. In diesem Zusammenhang ist zum einen auf die normative Vorgabe eines Medizinstudiums von (insgesamt) sechs Jahren (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄAppO), davon vier Jahre einschließlich des Praktischen Jahres nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÄAppO 2004), das heißt die Festschreibung von Mindeststudienzeiten hinzuweisen und zum anderen auf das unter dem Gesichtspunkt der vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Erwägungen nicht zu beanstandende Anliegen des Normgebers, abgesehen von einem nunmehr zur Verfügung gestellten Zeitraum von zwei Monaten zur Prüfungsvorbereitung das Praktische Jahr erst dann beginnen zu lassen, wenn das „eigentliche“ Studium abgeschlossen und die zu diesem Zeitpunkt auch durch Absolvieren der in § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 zu erwartenden Qualifikation erreicht ist, die dann während des Praktischen Jahres vertieft und erweitert werden soll (§ 3 Abs. 4 ÄAppO 2004). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass das Bundesverfassungsgericht im Hinblick darauf, dass die Ausübung von Heilberufen das Schutzgut der Volksgesundheit und damit ein besonders wichtiges „absolutes“ Gemeinschaftsgut berührt, dem Normgeber sogar einen gewissen „Überschuss“ an Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen zubilligt

BVerfG, Beschluss vom 25.2.1969 – 1 BvR 224/67 – E 25, 236, 248; im Übrigen auch BVerwG, Urteil vom 15.12.1993 – 6 C 20/92 – E 94, 352, 359.

Dass sich die zweckentsprechende Nutzung der Studienzeit, soweit nicht förmliche Leistungsnachweise zu erbringen sind, nicht verlässlich kontrollieren lässt, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Der Gesetzgeber darf insoweit eine „ordnungsgemäße“ Gestaltung des Studiums zugrunde legen, in der der oder die Studierende die geforderte Mindeststudienzeit entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung zum Erwerb der für die spätere Berufsausübung erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nutzt. Demgegenüber würde gerade bei einem Verzicht auf die Ableistung einer Mindeststudienzeit ein Anreiz für die Studierenden gesetzt oder zumindest verstärkt, sich bei ihrem Studium mehr oder weniger auf diejenigen Lehrveranstaltungen zu beschränken, in denen förmliche Leistungsnachweise erbracht werden müssen.

Gerade im Hinblick auf die in Rede stehenden Schutzgüter ist das mit § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 verfolgte Ziel, dass die Studierenden der Medizin nach Ablegung des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (beziehungsweise Ärztlichen Vorprüfung) 2 Jahre und 10 Monate Medizin „studieren“ und nicht lediglich Leistungsnachweise „erjagen“, deshalb nicht zu beanstanden, sondern zu sichern.

Im Übrigen und das leitet über zur Frage der Gemeinschaftsrechtkonformität der hier in Rede stehenden Regelungen der Approbationsordnung für Ärzte enthält die einschlägige Richtlinie 16/93 des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 5.4.1993 (Amtsblatt L 165, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 19/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 14.5.2001 (Amtsblatt L 206, S. 1) in Art. 23 Abs. 2 für das Medizinstudium ebenfalls die Vorgabe einer Mindeststudienzeit von sechs Jahren oder 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität beziehungsweise unter Aufsicht einer Universität. Nichts anderes gilt gemäß Art. 24 der Richtlinie 36/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 7.9.2005 (Amtsblatt L 255, S. 22), die offenbar die vorgenannten Richtlinien aufhebt und mit anderen Richtlinien zusammenfasst. Da die genannten Regelungen „lediglich“ Mindeststandards vorgeben, besteht nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kein Grund zu der Annahme, dass die Bestimmungen der §§ 1, 3 ÄAppO 2004, soweit sie ebenfalls eine Mindeststudienzeit von sechs Jahren vorgeben und diese weiter gliedern, in dem sie Mindeststudienzeiten bis zum Ersten Abschnitt und bis zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und bis zum Beginn des Praktischen Jahres festlegen, gemeinschaftswidrig sein könnten. Soweit die genannten Richtlinien – nach ihrem Wortlaut alternativ zur Mindeststudiendauer – einen Ausbildungsumfang von mindestens 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts an einer Universität oder unter Aufsicht einer Universität fordern, zwingt das die Mitgliedstaaten nicht dazu, das Medizinstudium so zu regeln, dass beim Nachweis von 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts ein Abschluss auch dann ermöglicht werden muss, wenn die Mindeststudienzeit von sechs Jahren noch nicht absolviert ist. Eine andere Frage ist, ob bei Vorgabe einer Mindeststudienzeit von sechs Jahren kumulativ ein Ausbildungsumfang von 5500 Stunden theoretischen und praktischen Unterrichts gewährleistet sein muss

vgl. hierzu bejahend Haage, Kommentar zur Approbationsordnung für Ärzte 2002, Das deutsche Bundesrecht I K10, S. 47, der im Übrigen auch eine Studienzeitreduzierung bei Erfüllen der Vorgabe von 5500 Unterrichtsstunden ausschließt.

Ist danach für das vorliegende Eilrechtsschutzverfahren von der Gültigkeit von § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004 auszugehen und steht diese Regelung dem von der Antragstellerin erhobenen Anspruch auf Zulassung zum Praktischen Jahr ab August 2007 entgegen, so besteht auch sonst kein Grund, ihrem Anordnungsbegehren mit Blick auf die nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht mit letzter Sicherheit auszuschließende, gleichwohl allenfalls wenig wahrscheinliche Möglichkeit zu entsprechen, dass sie in einem etwaigen Hauptsacheverfahren unter Umständen doch Erfolg haben könnte.

Allerdings ist in der Rechtsprechung

vgl. zum Beispiel BVerfG, Beschluss vom 25.7.1996 – 1 BvR 638/96 – NVwZ 1997, 479,

anerkannt, dass es einem Auszubildenden, der die Teilnahme an einer im Rahmen seiner Ausbildung vorgesehenen Prüfung erstreiten will, mit Blick auf die Bedeutung des in diesem Fall im Raum stehenden Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG und unter dem Gesichtspunkt des Erfordernisses effektiver Rechtschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG) häufig, wenn nicht sogar in der Regel nicht zuzumuten ist, den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten, in dem er sein Zulassungsbegehren verfolgt. Maßgeblich für diese Zumutbarkeitsbeurteilung ist, dass die Ablehnung der Zulassung zu einer berufsbezogenen Prüfung in aller Regel einen Eingriff in die Freiheit der Berufswahl gemäß Art. 12 GG darstellt, weil dem Auszubildenden, beziehungsweise dem Studierenden verwehrt wird, die berufliche Ausbildung fortzusetzen oder abzuschließen und den gewählten Beruf zu ergreifen. Hiervon ausgehend ergeben sich in aller Regel besondere Anforderungen an die Effektivität des Rechtschutzes bei Ablehnung der Zulassung zu einer Prüfung jedenfalls dann, wenn die Versagung vorläufigen Rechtschutzes zu einer erheblichen Ausbildungsverzögerung führt. In diesem Falle verzögert sich nicht nur der Zugang zum gewählten Beruf, sondern der oder die Betroffene ist außerdem gezwungen, die prüfungsrelevanten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem aktuellen Stand zu halten, obwohl der weitere Werdegang bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ungewiss ist

BVerfG, Beschluss vom 25.7.1996, a.a.O.

Von diesem Regelfall unterscheidet sich die vorliegende Verfahrenskonstellation erheblich: Weder kann angenommen werden, dass die Ablehnung der erstrebten einstweiligen Anordnung zu einer erheblichen Ausbildungsverzögerung für die Antragstellerin führt, da sie jedenfalls ein sechsjähriges Medizinstudium absolvieren muss (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄAppO 2004) und den zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung erst nach einem Studium der Medizin von vier Jahren (einschließlich des Praktischen Jahres) nach Bestehen des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung (beziehungsweise der Ärztlichen Vorprüfung) ablegen kann (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÄAppO 2004). Noch wird sie durch die Ablehnung des vorläufigen Rechtschutzes nicht gezwungen, prüfungsrelevante Kenntnisse und Fertigkeiten auf dem aktuellen Stand zu halten.

Auf der anderen Seite würde die Antragsgegnerin bei Erlass der erstrebten Anordnung gezwungen, einen Studienablauf entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO 2004, eventuell nicht nur im Falle der Antragstellerin, sondern in entsprechenden „Berufungsfällen“ hinzunehmen, was nicht nur eine erhebliche Rechtsunsicherheit auch hinsichtlich der Anwendbarkeit anderer Mindeststudienzeitregelungen, sondern auch für den Fall eines nach dem derzeitigen Erkenntnisstand überwiegend wahrscheinlichen Unterliegens der Antragstellerin in einem etwaigen Hauptsacheverfahren mit sich brächte. Im letztgenannten Fall würde sich nämlich die Frage der Anerkennung des „vorzeitig“ absolvierten Praktischen Jahres beziehungsweise des Fehlens von nach der normativen Regelung vor dem Praktischen Jahr zu absolvierender Studienzeit stellen. In dieser Konstellation hält der Senat die Ablehnung von vorläufigem Rechtschutz bei – wie dargelegt – hier nicht glaubhaft im Sinne von überwiegend wahrscheinlichen Anordnungsanspruch nicht für unzumutbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Gesetz zur Änderung der Bundesärzteordnung und anderer Gesetze


Dieses Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. EG Nr. L 206 S. 1).

Referenzen

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.