Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 10. Juni 2006 - 1 Q 80/05

bei uns veröffentlicht am10.06.2006

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes -3 K 234/04- wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren und unter Abänderung der im Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2005 -3 K 234/04- vorgenommenen Festsetzung auch für das erstinstanzliche Verfahren auf 1.091,58 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit diesem Urteil wurde das Begehren der Erhöhung des dem Kläger regelmäßig zukommenden Bemessungssatzes der Beihilfe von 50 % auf 70 % für die 20 Sitzungen übersteigenden Aufwendungen seiner psychotherapeutischen Behandlung zurückgewiesen. Zur Begründung ist in dem Urteil dargelegt, die Beihilfeverordnung des Saarlandes genüge zwar nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, doch könnten Beihilfen für einen überschaubaren Zeitraum weiter nach deren einheitlichem Handlungsprogramm erbracht werden. Des Weiteren habe die Begrenzung der Kostenerstattung durch die private Krankenversicherung zwar dazu geführt, dass dem Kläger durch Beihilfe und private Krankenversicherung nicht gedeckte Kosten von EUR 1.364,47 infolge psychotherapeutischer Behandlungen im Jahr 2004 verblieben seien. Indes hätten im Falle des Klägers lediglich Umstände im privaten Bereich im Zusammenhang mit der Finanzierung von Wohnraum zu einem gewissen, aber eindeutig vorübergehenden finanziellen Engpass geführt. Damit liege ein besonderer Ausnahmefall im Sinne des § 15 Abs. 7 BhVO, in dem zur Beseitigung offensichtlicher Härten eine Ausnahmeregelung zwingend geboten erscheine, nicht vor. Der Dienstherr sei nicht verpflichtet, ein Beihilfesystem zur Verfügung zu stellen, das gewissermaßen lückenlos zu den Möglichkeiten ergänzender privater Eigenvorsorge des Beamten passe.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen im Schriftsatz des Klägers vom 27.12.2005 und in der der Erläuterung oder Verdeutlichung der fristgerecht vorgebrachten Zulassungsgründe dienenden Ergänzung vom 3.5.2006 gibt keine Veranlassung, das genannte Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen.

Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Sie hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

a. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Anwendbarkeit der landesrechtlichen Beihilfevorschriften und der vom Kläger geforderten Aussetzung des Verfahrens bis zum Erlass neuer, den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügender Bestimmungen, da der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach dem bisherigen Recht zu beurteilen ist.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sind die in Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ergangenen saarländischen Beihilfevorschriften (§ 98 SBG in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen –BhVO – in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.3.1987 (Amtsbl. S. 329) unter Berücksichtigung der Änderungen bis einschließlich der Verordnung vom 4.12.2003 (Amtsbl. S. 2995, 2996) sowie der dazu ergangenen Erlasse und allgemeinen Verwaltungsvorschriften.

Zwar genügen – wovon bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – die Beihilfevorschriften des Saarlandes nicht den Anforderungen des aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratiegebot resultierenden verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts. Zu dieser Auffassung gelangt der Senat aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. Urteile vom 17.6.2004 – 2 0/02 -, BVerwGE 121, 103 = NVwZ 2005, 713, und vom 28.10.2004 – 2 C 34/03 –, NVwZ 2005, 710 = ZBR 2005, 169,

mit der das Bundesverwaltungsgericht seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat. In der erstgenannten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht zu den Beihilfevorschriften des Bundes u. a. ausgeführt:

Ob und welche Leistungen der Dienstherr im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit erbringt, ist für den Beamten und seine Familie von herausragender Bedeutung. ... Der Umfang der Beihilfen bestimmt die Qualität der Versorgung bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit sowie den Umfang der Eigenvorsorge. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, die Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auch bei dauernder Pflegebedürftigkeit sowie die Wahrung eines amtsangemessenen Lebensunterhalts trotz laufender Aufwendungen für die Risikovorsorge oder besonderer Belastungen wegen Krankheit und Hilflosigkeit sind Schutzgüter mit Verfassungsrang. ... Der verbleibende Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Umfangs von Beihilfe und verbleibender Notwendigkeit der Eigenvorsorge bei stetig steigenden Kosten einerseits und die unmittelbare Wechselbezüglichkeit von Alimentation sowie ergänzender, von Bund und Ländern je selbst zu regelnder Beihilfe andererseits gebieten es, dass der parlamentarische Gesetzgeber selbst die Verantwortung für die teilweise erheblichen Eingriffe in den erreichten Beihilfe- und Vorsorgestandard übernimmt, wie sie in den Ländern mit unterschiedlichen „Kostendämpfungsmaßnahmen“ … und im Bund … erfolgt sind. Anderenfalls hätte es die Exekutive in der Hand, das Maß der von dem Beamten erwarteten Beteiligung an den Kosten der medizinischen und pflegerischen Versorgung festzulegen und dadurch das mit der gesetzlich festgelegten Besoldung und Versorgung erreichte Niveau unter Ausschluss des parlamentarischen Gesetzgebers in beachtlichem Umfang abzusenken. … Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratiegebot verpflichten den parlamentarischen Gesetzgeber, in grundlegenden Bereichen … alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.“

Zwar beziehen sich die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in den vorgenannten Entscheidungen auf in Form bloßer allgemeiner Verwaltungsvorschriften ergangene beihilferechtliche Regelungen, die offenkundig den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nicht genügen. Ausgehend von den vom Bundesverwaltungsgericht dargelegten Grundsätzen, denen sich der Senat anschließt, werden aber die saarländischen Beihilfevorschriften dem Gesetzesvorbehalt ebenfalls nicht in hinreichendem Umfang gerecht, auch wenn in § 98 SBG insoweit eine gesetzliche Regelung betreffend die Beihilfe vorhanden ist und auf deren Grundlage die Beihilfeverordnung in Form einer Rechtsverordnung – und nicht lediglich einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift – ergangen ist. Denn § 98 SBG regelt die dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehaltenen wesentlichen Grundsätze nicht in ausreichendem Maße und erfüllt insoweit nicht vollumfänglich die Voraussetzungen des vorliegend maßgeblichen Art. 104 SVerf an eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.

Im vorgenannten Urteil vom 17.6.2004 hat das Bundesverwaltungsgericht dazu folgende Anforderungen formuliert:

„Bei der näheren Ausgestaltung der Fürsorge im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit des Beamten und seiner Angehörigen sind aufgrund des Gesetzesvorbehaltes zumindest die tragenden Strukturprinzipien gesetzlich zu regeln. Der Gesetzgeber selbst (Hervorhebung durch den Senat) hat in der Bandbreite seiner verfassungsrechtlichen Möglichkeiten … das Leistungssystem zu bestimmen, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, festzulegen, welche „Risiken“ erfasst werden, für welche Personen Leistungen beansprucht werden können, nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemessen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben.“

Dem wird § 98 SBG nicht hinreichend gerecht. Gemäß § 98 SBG werden Beamten und Versorgungsempfängern zu den notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen, zur Gesundheitsvorsorge, zur Früherkennung von Krankheiten sowie anlässlich eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs und einer nicht rechtswidrigen Sterilisation Beihilfen gewährt. Das Nähere regelt der Minister für Inneres und Sport im Einvernehmen mit dem Minister für Finanzen und Bundesangelegenheiten durch Rechtsverordnung. In ihr sind insbesondere zu bestimmen:

1. der Personenkreis der Beihilfeberechtigten und der zu berücksichtigenden Familienangehörigen,

2. Art und Umfang der beihilfefähigen Aufwendungen,

3. die Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe,

4. die Bemessung der Beihilfe unter Berücksichtigung des Familienstandes, der Krankenversicherungen und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Ehegatten.

Aufwendungen für Wahlleistungen bei stationärer Behandlung sind nicht beihilfefähig.

Mit dieser Vorschrift hat der saarländische Gesetzgeber zwar selbst die Entscheidung getroffen, dass und in welchen Fallkonstellationen Beamten und Versorgungsempfängern Beihilfe gewährt wird und damit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Leistungssystem bestimmt, das dem Beamten und seiner Familie Schutz im Falle von Krankheit und Pflegebedürftigkeit bietet, und die erfassten „Risiken“ festgelegt. Es fehlt jedoch bereits an einer ausreichenden gesetzlichen Regelung des begünstigten Personenkreises. Zwar besagt § 98 Satz 1 SBG, dass „Beamten und Versorgungsempfängern“ Beihilfen gewährt werden; jedoch ergibt sich aus Satz 3 Nr. 1 der Vorschrift, dass die Regelung des Personenkreises der Beihilfeberechtigten und der zu berücksichtigenden Familienangehörigen und damit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Personen, für die Leistungen beansprucht werden können, letztendlich ohne nähere Vorgaben dem Verordnungsgeber überlassen wird. Auch beinhaltet § 98 SBG keine Regelung darüber, nach welchen Grundsätzen Leistungen erbracht und bemessen oder ausgeschlossen werden und welche zweckidentischen Leistungen und Berechtigungen Vorrang haben. Es bleibt allein dem Verordnungsgeber vorbehalten, darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Beihilfe geleistet wird. In diesem Bereich wird dem Verordnungsgeber die volle Gestaltungskompetenz übertragen, ohne dass insoweit Vorgaben gemacht werden.

Ausgehend von der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügen demnach auch die saarländischen Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts

so auch Tegethoff, BayVBl 2005, 458 (463); vgl. zu dieser Problematik des Weiteren Kugele, jurisPR-BVerwG: 1/2005 vom 3.1.2005.

Die abweichende Meinung von Saurer

DÖV 2005, 587 (593),

vermag dem gegenüber nicht zu überzeugen. Diese im Wesentlichen am Normtext des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG orientierte Auffassung verkennt, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.6.2004 hinsichtlich der tragenden Strukturprinzipien der Fürsorge im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit ausdrücklich von einem Parlamentsvorbehalt ausgegangen ist, mithin der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen Grundsätze in diesem Bereich selbst regeln muss. Nur Detailregelungen zur Ausfüllung der vom parlamentarischen Gesetzgeber getroffenen Grundentscheidungen können dem Verordnungsgeber überlassen bleiben.

Der Umstand, dass die Beihilfevorschriften begünstigende Regelungen sind, bietet ebenfalls keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat dies bei seiner Entscheidung berücksichtigt und trotz dieses Umstandes im Hinblick auf die herausragende Bedeutung der Beihilfevorschriften für den Beamten und seine Familie eine Regelung der oben genannten wesentlichen Grundzüge durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst als erforderlich angesehen.

Trotz des Defizits normativer Regelungen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts allerdings für eine Übergangszeit, die derzeit noch nicht abgelaufen ist, von der Weitergeltung der Beihilfevorschriften auszugehen, wodurch eine fortdauernde Leistungserbringung nach einem einheitlichen, bisher in aller Regel inhaltlich nicht zu beanstandenden Handlungsprogramm gewährleistet ist. Dem schließt sich mit Blick auf das saarländische Beihilferecht der Senat ebenso wie bereits das Verwaltungsgericht an.

Der Rechtscharakter der saarländischen Beihilfeverordnung als einer Rechtsverordnung gebietet keine andere Beurteilung. Zwar ist eine Rechtsverordnung, die auf einer dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nicht genügenden und damit verfassungsrechtlich unzulänglichen Ermächtigungsgrundlage beruht, nach rechtstheoretischen Grundsätzen in der Regel als nichtig anzusehen. Dies gilt aber in den Fällen nicht, in denen das Fehlen einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für eine Übergangszeit zur Vermeidung eines rechtlosen, die Verfassung in noch stärkerem Maße verletzenden Zustandes hingenommen werden muss, um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer rechtsförmlich einwandfreien Regelung zu geben. Das Bundesverfassungsgericht

vgl. Beschluss vom 13.12.1988 – 2 BvL 1/84 –, BVerfGE 79, 245 (250/251) m.w.N.,

hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass untergesetzliche Normen – somit auch Rechtsverordnungen -, die auf einer unzulänglichen Ermächtigungsgrundlage beruhen oder für die gesetzliche Regelungen überhaupt fehlen, nicht schon deshalb als ohne weiteres nichtig und damit unanwendbar anzusehen seien. Vielmehr ist zur Vermeidung eines rechtlosen Zustands die Notwendigkeit einer übergangsweisen Fortgeltung anerkannt worden, wenn es galt, Rechtsunsicherheit oder die Funktionsunfähigkeit staatlicher Einrichtungen zu vermeiden, weil der sonst eintretende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner gestanden hätte als der bisherige

dazu auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Kommentar zum GG, 9. Auflage 1999, Art. 80 GG Rz. 119-121.

Eine solche Konstellation liegt angesichts der außergewöhnlichen Bedeutung des Beihilferechts für die Beamten und ihre Familien auch hier vor mit der Folge, dass die Beihilfeverordnung trotz Fehlens einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage vorläufig weiterhin Anwendung findet.

b. Die Angriffe des Klägers gegen die im Urteil vom 18.10.2005 erfolgte konkrete Fallwürdigung geben ebenfalls keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen.

Wie das Verwaltungsgericht unter Anführen einschlägiger Rechtsprechung des Senats

Beschluss vom 30.12.1992 - 1 R 57/92 -, SKZ 1993, 107 Leitsatz 46, und Urteil vom 25.11.1993 - 1 R 65/91 -, SKZ 1994, 114 Leitsatz 53,

zu der im Fall des Klägers streitigen Regelung des § 15 Abs. 7 BhVO - wonach die Festsetzungsstelle mit Zustimmung des Ministeriums für Inneres, Familie, Frauen und Sport in besonderen Ausnahmefällen, in denen zur Beseitigung offensichtlicher Härten eine Ausnahmeregelung zwingend geboten erscheint, den zustehenden Bemessungssatz erhöhen kann - zutreffend dargelegt hat, liegt ein besonderer Ausnahmefall nicht darin, dass dem Kläger seine Aufwendungen für insgesamt 79 psychotherapeutischen Sitzungen von Januar bis Dezember 2004, zu denen er Beihilfe im Umfang des ihm allgemein zukommenden Bemessungssatzes von 50 % erhielt, von seiner privaten Krankenversicherung für die ersten 20 Sitzungen im Kalenderjahr zu 50 % und für die restlichen lediglich zu 25 % erstattet wurden und er dadurch insgesamt für diese Behandlung im Jahr 2004 mit eigenen Kosten in Höhe von EUR 1.364,47 belastet blieb. In seiner Zusammenstellung zum Schriftsatz vom 22.2.2005 hat der Kläger für das Kalenderjahr 2004 Bruttobezüge von insgesamt EUR 37.255,75 dargelegt. Nach den vorliegenden Bezügemitteilungen wurden ihm monatlich rund EUR 2.300,-- ausgezahlt. Demgegenüber stellt die zusätzliche Belastung mit dem streitigen Betrag von EUR 1.364,47 - verteilt auf 12 Monate: monatlich EUR 113,71 - keine unzumutbare, die amtsangemessene Lebensführung des Beamten beeinträchtigende Belastung dar

vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 24.11.2004 - 1 A 4/03 -, juris, eine unzumutbare Belastung verneinend bei einer mtl. Belastung von EUR 150,-- und mtl. Nettobezügen von EUR 1.604,98.

Wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe müssen auch Härten und Nachteile hingenommen werden, die sich aus der pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilfevorschriften ergeben und die keine unzumutbare Belastung bedeuten. Die Beihilferegelung ist eine den durchschnittlichen Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird. Das ergibt sich auch aus folgendem: Der Dienstherr stellt mit der Besoldung und Versorgung den Beamten, Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen einen Durchschnittssatz zur Verfügung, der für Aufwendungen im Krankheitsfall gedacht ist, die erfahrungsgemäß entstehen. Unmöglich ist es jedoch, durch eine derartig abstrakte, auf durchschnittliche Verhältnisse abgestellte Regelung den konkreten notwendigen Bedürfnissen gerecht zu werden, weil sie vom jeweiligen Lebensschicksal des einzelnen Beamten abhängen und damit nicht vorhersehbar sind. Soweit diese Aufwendungen den mit der Besoldung oder Versorgung abgegoltenen Durchschnittssatz übersteigen, hat dies der Dienstherr durch die Gewährung von Beihilfen auszugleichen. Die Beihilfevorschriften beruhen auf der Erwägung, dass den Beamten für Krankheitsfälle eine angemessene Selbstvorsorge durch den freiwilligen Abschluss einer Krankenversicherung zugemutet werden kann, dass es Versicherungsmöglichkeiten für alle in Betracht kommenden, nicht ganz ungewöhnlichen Krankheitsfälle zu regelmäßig zumutbaren Bedingungen gibt und dass deshalb die Beihilfe des Dienstherrn nur ergänzend den Teil der durch Krankheit verursachten Aufwendungen annähernd zu decken braucht, den eine den Beamten zumutbare Versicherung regelmäßig nicht deckt

vgl. BVerwG, Urteil vom 18.6.1980 - 6 C 19/79 - BVerwGE 60, 212 = ZBR 1980, 349.

Entscheidet sich der Dienstherr für ein "Mischsystem" aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen, so muss gewährleistet sein, dass dieser nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag

vgl. BVerwG, Urteil vom 3.7.2003 - 2 C 36/02 - BVerwGE 118, 277 = ZBR 2004, 49.

Dem trägt die Beihilfeverordnung mit dem dem Kläger zukommenden allgemeinen Bemessungssatz von 50 % auch im streitigen Fall Rechnung. Einer zusätzlichen Beihilfegewährung nach § 15 Abs. 7 BhVO bedarf es nicht. Das eingeschränkte Leistungsangebot von privaten Krankenversicherungen bei psychotherapeutischer Behandlung neben dem der privaten Krankenversicherung des Klägers nach den von ihm vorgelegten Bedingungen weiterer Versicherungsgesellschaften: auf anteilige Erstattung nur von 30 Sitzungen im Kalenderjahr bzw. von 40 % der Aufwendungen aller Sitzungen steht nicht der grundsätzlichen Annahme der Beihilfevorschriften, ein die Beihilfe ergänzender Versicherungsschutz sei zu zumutbaren Bedingungen zu erlangen, entgegen. Aus kalkulatorischen Gründen werden Versicherungsverträge mit eingeschränkten Leistungen bei psychotherapeutischer Behandlung angeboten. Dies führt zu einem geringeren Beitrag gegenüber einem auch diese Erkrankung umfassenden "Vollschutz". An diese Beitragsersparnis, die dauerhaft dem Beamten verbleibt, ist anzuknüpfen. Von daher ist der außerhalb des Systems der Beihilfe liegende Grund der allgemeinen Begrenzung der Leistungen privater Krankenversicherer mit dem Ziel, im Beitrag günstigere private Versicherungsverträge anzubieten, bei der Bestimmung des Umfangs der dem Beamten zumutbaren Belastung durch Krankheitskosten zu berücksichtigen. Zahlt der Kläger danach stets einen geringeren Krankenversicherungsbeitrag wegen des eingeschränkten Leistungsangebots seiner Krankenversicherung ist ihm zumutbar, deshalb im Falle der Erkrankung zeitweilig einen auf die Krankheit entfallenden Eigenanteil aufzubringen, der höher ist als der von ihm angenommene Eigenanteil von 5 % der Aufwendungen der von der privaten Krankenversicherung nur mit dem hälftigen Prozenttarif erstatteten Sitzungen und der fallbezogen mit insgesamt EUR 1.364,47 im Kalenderjahr keine unzumutbare Höhe erreicht. Dementsprechend ist der vorliegende Fall nicht einer kostenintensiven Langzeitbehandlung eines Dialysepatienten vergleichbar, die der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht als Anwendungsfall des § 15 Abs. 7 BhVO genannt hat.

Erst recht stellt sich nicht die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob die Pflicht des Dienstherrn, die amtsangemessene Alimentation des Beamten sicherzustellen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen verletzt ist, wenn der Kläger einen Sockelbetrag seiner Aufwendungen in Krankheitsfällen, der mehr als 6,5 % seiner Jahresbezüge ausmacht, selbst tragen muss. Anders als in dem dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3.7.2003 - 2 C 36/02 - zugrunde liegenden Fall a.a.O., zu generell nicht versicherbaren Aufwendungen in Krankheitsfällen im Sinne einer Kostendämpfungspauschale im Beihilfesystem erhält der Kläger nach der saarländischen Beihilfeverordnung im Zusammenhang mit der streitigen Behandlung eine Erstattung von 50 % der Aufwendungen. Dass der Dienstherr im Fall des Klägers nicht gezwungen ist, bei der Bemessung der Beihilfe an eine nicht auf individuellen Gründen beruhende Einschränkung des Leistungsangebots des privaten Versicherers des Beamten anzuknüpfen, betrifft den Einzelfall und hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2 und 3, 52 Abs. 3 und 47 Abs. 3 GKG. In der Anlage zu seinem Schriftsatz vom 22.2.2005 hat der Kläger die Kosten seiner psychotherapeutischen Behandlung im Kalenderjahr 2004 mit insgesamt EUR 7.308,12 beziffert. Bezüglich des auf die ersten 20 Sitzungen entfallenden Teilbetrags von EUR 1.850,20 erhielt er durch Beihilfe und private Krankenversicherung volle Kostenerstattung. Zu dem verbleibenden Betrag begehrt er über den Anspruch auf Beihilfe nach dem Bemessungssatz von 50 % hinaus - teils beziffert, teils im Wege der Feststellung - eine weitere Beihilfe von 20 %, was EUR 1.091,58 entspricht. Auf diesen Betrag ist der Streitwert, ohne den sonst üblichen "Feststellungsrabatt"

vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 6.1.2006 - 1 Y 16/05 -, juris,

festzusetzen, da die Zahlbarmachung der Beihilfe danach lediglich noch eine Formsache wäre.

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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 10. Juni 2006 - 1 Q 80/05 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 80


(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrund

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Dabei müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden. Die Rechtsgrundlage ist in der Verordnung anzugeben. Ist durch Gesetz vorgesehen, daß eine Ermächtigung weiter übertragen werden kann, so bedarf es zur Übertragung der Ermächtigung einer Rechtsverordnung.

(2) Der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, Rechtsverordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers über Grundsätze und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Postwesens und der Telekommunikation, über die Grundsätze der Erhebung des Entgelts für die Benutzung der Einrichtungen der Eisenbahnen des Bundes, über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, sowie Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen oder die von den Ländern im Auftrage des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden.

(3) Der Bundesrat kann der Bundesregierung Vorlagen für den Erlaß von Rechtsverordnungen zuleiten, die seiner Zustimmung bedürfen.

(4) Soweit durch Bundesgesetz oder auf Grund von Bundesgesetzen Landesregierungen ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen, sind die Länder zu einer Regelung auch durch Gesetz befugt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.