Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 1 LB 13/13

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2014:0924.1LB13.13.0A
24.09.2014

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig- Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 2. Kammer vom 8. Juli 2013 - 2 A 272/12 - geändert:

Die Gebührenfestsetzung im Nachtragsbaugenehmigungsbescheid vom 10. August 2012 und der Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 einschließlich der Gebührenfestsetzung werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Baugebühren für eine Nachtragsbaugenehmigung iHv 216.192,-- €.

2

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2011 erteilte der Beklagte der Klägerin auf einen entsprechenden Bauantrag eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Ersatzteilzentrums. Gegenstand der Genehmigung waren 20 Bauvorlagen. Aufgrund eines Änderungsantrages der Klägerin vom 09. Februar 2012 erteilte der Beklagte der Klägerin unter dem 10. August 2012 eine Nachtragsbaugenehmigung für das Vorhaben. Gegenstand der beantragten Änderung waren der Entfall des Untergeschosses, das Verlagern der Sprinklertanks und der Sprinklerzentrale vom Untergeschoss in den Außenbereich, die Reduzierung der Höhe des Paletten-Hochregallagers auf 30 m, der Entfall der Gaslöschanlage im Gefahrgutlager und dessen Ersatz durch eine Schaumlöschanlage, Außenwände der Vorzone und des Lagers (außer Paletten-Hochregallager) in Porenbeton, Überarbeitung der Entwässerungsplanung, Überarbeitung des Gebäudeachsrasters, Überarbeitung der Fassaden und Ausführung der Dachbinder als Stahlfachwerkbinder und nur in Teilen noch in Spannbetonbindern. Für diesen Nachtragsbauantrag reichte die Klägerin 16 Bauvorlagen ein, und zwar einen neuen Bauantrag, eine neue Baubeschreibung, die Berechnung der Grundflächenzahl und der Geschossflächenzahl, die Berechnung des Bruttorauminhalts, die Nutzflächenberechnung, die Stellplatzberechnung, das Brandschutzkonzept, einen Lageplan, einen Grundriss des Erdgeschosses, einen Grundriss des 1. Obergeschosses, einen Grundriss von Büros im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss sowie einen Grundriss von Büros im 2. und 3. Obergeschoss, Schnitte, Ansichten sowie ein Freiflächenplan. Für diese Nachtragsbaugenehmigung setzte die Beklagte im Genehmigungsbescheid eine Gebühr von 216.192,-- € fest.

3

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 wies der Beklagte den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und setzte hierfür eine Verwaltungsgebühr von 21.619,-- € fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Rechtsgrundlage für die Gebührenfestsetzung sei § 1 der Landesverordnung über Verwaltungsgebühren in Angelegenheiten der Bauaufsicht (Baugebührenverordnung - BauGebVO -) iVm der Tarifstelle 1.1.6 a) der Anlage 1 zur BauGebVO. Die Tarifstelle 1.1.6 a) der Anlage 1 der BauGebVO sehe vor, dass die Gebühr für die Genehmigung von Nachträgen vor Fertigstellung des Bauvorhabens, die von den genehmigten Bauvorlagen abweichen, nach dem Umfang der Abweichung im Verhältnis zu den genehmigten Bauvorlagen zu bemessen sei, wobei die Verwaltungsgebühr dann nach der Tarifstelle 1.1. der Anlage 1 zur BauGebVO zu berechnen sei. Mit dem Bauantrag vom 09. Februar 2012 seien von der Klägerin geänderte Bauvorlagen zu dem betreffenden Bauvorhaben eingereicht worden. Nach Durchsicht und Prüfung der neu eingereichten Bauvorlagen habe festgestellt werden können, dass die Nachtragsunterlagen einige Änderungen der Ausführung des mit der Baugenehmigung vom 25. Oktober 2011 bereits genehmigten Bauvorhabens beinhalteten. Das Verhältnis der genehmigten Bauvorlagen zur Hauptbaugenehmigung zu den neu eingereichten Bauvorlagen stelle sich in der Weise dar, dass gegenüber 20 genehmigten Bauvorlagen für die Hauptbaugenehmigung nunmehr 16 zu genehmigende Bauvorlagen für den Nachtrag eingereicht worden seien. Aus dem Verhältnis der genehmigten Bauvorlagen der Hauptbaugenehmigung zu den neu eingereichten Bauvorlagen, die Bestandteil der Nachtragsbaugenehmigung vom 10. August 2012 seien, ergebe sich eine Änderungsquote von 80 %. Setze man nun die Anzahl der geprüften Bauvorlagen der Hauptbaugenehmigung (20) zu einer Anzahl von 16 Bauvorlagen des eingereichten Nachtrags ins Verhältnis, so ergebe sich auf Grundlage der Baugenehmigungsgebühren aus der Hauptbaugenehmigung iHv 270.240,-- € für die Nachtragsbaugenehmigung die festgesetzte Verwaltungsgebühr iHv 216.192,-- €.

4

Die Klägerin hat am 11. Dezember 2012 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die festgesetzte Nachtragsbaugenehmigungsgebühr rechtswidrig sei. Maßgebend für die Gebührenbemessung sei nicht die Zahl der vorgelegten Bauvorlagen, sondern der Umfang der tatsächlichen Abweichung, der sich an der bloßen Zahl der geänderten Bauvorlagen nicht ablesen lasse.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

die Gebührenfestsetzung im Nachtragsbaugenehmigungsbescheid vom 10. August 2012 und den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 aufzuheben.

7

Der Beklagte hat beantragt,

8

die Klage abzuweisen.

9

Er hat auf die Begründung der angefochtenen Bescheide Bezug genommen und ergänzend ausgeführt: Der tatsächliche Bearbeitungsaufwand der Bauaufsicht für die Bearbeitung von Bauanträgen werde grundsätzlich nicht dokumentiert. Dies gelte auch für die Bearbeitung des streitbefangenen Bauantrages. Im Rahmen der Bearbeitung von Bauanträgen lasse sich aus einer schnellen Bearbeitungszeit im Übrigen nicht der tatsächliche Bearbeitungsaufwand ableiten. Im vorliegenden Fall sei der Bauantrag vom 09. Februar 2012 insbesondere auf Drängen der Klägerin beschleunigt bearbeitet worden, da zum damaligen Zeitpunkt bereits mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen worden sei und die Nachtragsbaugenehmigung für die Legalisierung der geänderten Planungen dringend erforderlich gewesen sei. Unabhängig davon, in welchem Umfang Unterlagen von Nachträgen von denen in der Hauptgenehmigung abwichen, sei immer ein vollständiger und umfassender Vergleich der Nachtragsunterlagen mit den genehmigten Unterlagen erforderlich, da so erst der Umfang der Abweichung festgestellt werden könne. Wenn sich dann, wie im vorliegenden Fall, auch die Abmessungen des geplanten Gebäudes änderten, sei u. a. die Übereinstimmung mit dem Planungsrecht zu prüfen, ob die Nachtragsunterlagen mit dem Planungsrecht vereinbar seien. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Sonderbau gehandelt habe, sei der Antrag im vollen Umfang zu prüfen gewesen.

10

Dabei sei im Einzelnen festgestellt worden, dass nicht nur die Außenabmessungen des geplanten Gebäudes geändert worden seien, sondern auch die Raumaufteilung, das Stützenraster und die Zahl der Geschosse (Wegfall des Kellergeschosses). Diese Änderungen seien derart tiefgehend gewesen, dass sogar das Brandschutzkonzept zu dem Bauvorhaben überarbeitet und angepasst werden musste. Mit dem Bauantrag vom 09. Februar 2012 habe sich alles mit Ausnahme des Baugrundstücks und der Nutzung des Gebäudes als Logistikzentrum geändert.

11

Mit Urteil vom 08. Juli 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat zunächst darauf hingewiesen, dass Streitgegenstand lediglich die Baugenehmigungsgebühren im Bescheid vom 10. August 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2012 seien. Die Festsetzung der Widerspruchsgebühr sei nicht Gegenstand der Klage. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Widerspruchsbescheid hinsichtlich der Festsetzung der Gebühren für das Widerspruchsverfahren nicht mit der Klage, sondern mit einem Widerspruch angefochten werden müsse. Selbst wenn die Klage sich auch auf die Gebührenfestsetzung für den Widerspruchsbescheid beziehe, so sei die Klage insoweit jedenfalls unzulässig, weil es diesbezüglich an dem erforderlichen Vorverfahren fehle. Hinsichtlich der durch Bescheid vom 10. August 2012 festgesetzten Baugenehmigungsgebühren sei die Klage unbegründet. Der Beklagte habe die Gebühren zutreffend festgesetzt und begründet habe. Für die Gebührenberechnung sei die Tarifstelle 1.1.6 a) der Anlage zur BaugebührenVO maßgeblich. Danach komme es für die Gebührenermittlung bei Nachträgen nicht auf die anrechenbaren Kosten, die durch den Nachtrag verursacht werden, an, sondern nur auf einen Vergleich zwischen Nachtrag und Baugenehmigung. Dieser Vergleich sei anhand der Anzahl der eingereichten Bauvorlagen vorzunehmen.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.

13

Die Klägerin hat gegen das ihr am 11. Juli 2013 zugestellte Urteil am 02. August 2013 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Gegenstand der Klage sei auch die für das Widerspruchsverfahren festgesetzte Widerspruchsgebühr. Sie - die Klägerin - habe ausdrücklich die Widerspruchsgebühr zum Gegenstand der Klage gemacht. Eines Vorverfahrens habe es nicht bedurft, dies folge u.a. aus § 22 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG). Die festgesetzte Nachtragsbaugebühr sei rechtswidrig. Der Beklagte und das Verwaltungsgericht hätten die Tarifstelle 1.1.6 a) unzutreffend angewendet. Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung der Nachtragsgebühr nach dem Verhältnis der Anzahl der ursprünglich eingereichten und der im Nachtragsverfahren eingereichten Bauvorlagen verstoße gegen das Kostendeckungs- und das Äquivalenzprinzip. Die Anzahl der Bauvorlagen stehe nämlich in keinem Zusammenhang mit dem Bearbeitungsaufwand. Dass der vom Beklagten und vom Verwaltungsgericht vorgesehene Maßstab nicht dem Willen des Verordnungsgebers entspreche, ergebe sich auch aus Nr. 1.1.6 b) der Tarifstelle. Für diese Auffangvorschrift gebe es bei Anwendung dieses Maßstabes keine Anwendungsmöglichkeit.

14

Die Klägerin beantragt,

15

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Gebührenfestsetzung im Nachtragsbaugenehmigungsbescheid vom 10. August 2012 und den Widerspruchsbescheid vom 21. November 2012 aufzuheben.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Der Beklagte hat sich im Berufungsverfahren schriftsätzlich nicht geäußert. In der mündlichen Verhandlung hat er zum Ausdruck gebracht, dass er die Berufung für unbegründet hält.

19

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten A bis D) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

20

Streitgegenstand des Verfahrens ist der Baugebührenbescheid vom 10. August 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2012. Bestandteil des Widerspruchsbescheides ist auch die Gebührenfestsetzung für das Widerspruchsverfahren. Durch die Einbeziehung des Widerspruchs in die Klage ist die Festsetzung der Widerspruchsgebühren Gegenstand der Klage geworden. Die Klägerin hat dies in der Klageschrift ausdrücklich klargestellt (vgl. S. 4 der Klageschrift). Die Berufung in Bezug auf diesen Streitgegenstand ist begründet, denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist in vollem Umfang zulässig und begründet.

21

Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Klage gegen die Festsetzung der Widerspruchsgebühren unzulässig sei, weil die Klägerin dagegen keinen Widerspruch eingelegt habe, ist nicht richtig. Widersprüche gegen einen Widerspruchsbescheid sind generell nicht erforderlich und deshalb unzulässig (BVerwG, std. Rspr. vgl. dazu zuletzt Urt. v. 12.08.2014 - 1 C 2/14 - NVwZ-RR 2014, 869). Hier folgt die Unzulässigkeit zudem daraus, dass die Widerspruchsgebühren eine erstmalige Beschwer im Sinne von § 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO darstellen (vgl. Sodan/Ziekow/Geis, VwGO, Komm., 4. Aufl. 2014, § 68 Rn. 146 m.w.N.).

22

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auch in der Sache zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufzuheben, denn sie sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

23

Der Beklagte stützt den Gebührenbescheid zwar zu Recht auf § 1 Baugebührenverordnung (BauGebVO) i.V.m. Nr. 1.1.6 der Anlage 1 zur Baugebührenverordnung, denn der Baugebührenbescheid bezieht sich auf die Baugenehmigung vom 10. August 2012, die nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten als Nachtragsbaugenehmigung zur Baugenehmigung vom 25. Oktober 2011 zu beurteilen und als solche bezeichnet ist. Der Senat sieht keinen Anlass dies in Zweifel zu ziehen. Das Vorhaben war bei Erteilung der Nachtragsbaugenehmigung auch noch nicht fertiggestellt. Der Beklagte hat die Vorschrift aber fehlerhaft angewandt: Baugebühren für die Genehmigung von Nachträgen vor Fertigstellung des Bauvorhabens sind - ebenso wie für die ursprüngliche Baugenehmigung - gemäß Tarifstelle 1.1 der Anlage 1 zur BauGebVO nach den anrechenbaren Kosten zu berechnen. Dies folgt aus der Bezugnahme auf diese Tarifstelle in Nr. 1.1.6 a). Allerdings ist die Berechnung nicht isoliert, sondern nach dem Umfang der Abweichung im Verhältnis zu den genehmigten Bauvorlagen zu ermitteln. Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt die Verordnung nicht etwa auf die Anzahl der Bauvorlagen, sondern auf die materielle Abweichung des durch den Nachtrag genehmigten Vorhabens von dem ursprünglich genehmigten Vorhaben ab. Die an die Anzahl der Bauvorlagen anknüpfende Berechnungsweise des Beklagten führt zu zufälligen, nicht mit dem Maßstab des § 3 VerwKostG vereinbarenden Gebührenfestsetzungen, denn die Anzahl der Bauvorlagen indiziert weder den Verwaltungsaufwand noch den wirtschaftlichen Wert / Nutzen für den Bauantragsteller. Lässt sich die Gebühr nicht nach der der Tarifstelle 1.1.6 a) berechnen, so ist die Gebühr nach der Tarifstelle 1.1.6 b) zu berechnen. Danach ist eine Rahmengebühr von 100,00 bis 1.000,00 EURO anzusetzen.

24

Angesichts der fehlerhaften Berechnung des Gebührenbescheides sind die angefochtenen Bescheide vollständig aufzuheben. Eine Korrekturberechnung und eine Teilaufhebung gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO oder eine Neufestsetzung durch das Gericht gemäß § 113 Abs. 2 S. 1 VwGO, die die Beteiligten allerdings weder beantragt noch angeregt haben, wäre nur dann möglich, wenn der Beklagte bei der Festsetzung der Gebühr in vollem Umfang rechtlich gebunden wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall, denn die Gebühr ist - jedenfalls zu einem wesentlichen Teil - nach Ermessen unter Ausfüllung des Rahmens gemäß Tarifstelle 1.1.1 6 b) festzusetzen. Bei den Nachtragsanträgen handelt es sich nämlich weitgehend um Änderungen, die sich nicht nach der Tarifstelle 1.1.6 a) berechnen lassen. Eine Berechnung nach dieser Tarifstelle setzt voraus, dass die Änderungen sich den Berechnungskriterien der Tarifstelle 1.1 zuordnen lassen. Dies ist bei Detailänderungen innerhalb bereits genehmigter Anlagen und bei Reduzierungen des Vorhabens nicht möglich. Eine Kostenberechnung nach den realistischen Lohn- und Stoffkosten § 2 Abs. 2 S. 1 BauGebVO scheidet bereits deshalb aus, weil die Bauteile, auf die sich die Nachträge beziehen, bei Erteilung der Genehmigung noch nicht vorhanden waren. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

26

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 1 LB 13/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 1 LB 13/13

Referenzen - Gesetze

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 1 LB 13/13 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 1 LB 13/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 24. Sept. 2014 - 1 LB 13/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 12. Aug. 2014 - 1 C 2/14

bei uns veröffentlicht am 12.08.2014

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens vollumfänglich zu tragen.

Referenzen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens vollumfänglich zu tragen.

2

Der Kläger hatte im Mai 2005 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug beantragt. Nachdem der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 24. November 2005 wegen Zweifeln an der Absicht zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft abgelehnt hatte, erhob der Kläger am 7. Dezember 2005 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 hob der Beklagte den Bescheid vom 24. November 2005 auf, erteilte dem Kläger eine befristete Aufenthaltserlaubnis unter Widerrufsvorbehalt, legte ihm die Kosten des Widerspruchsverfahrens zur Hälfte auf und erklärte die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig. Die Rechtsbehelfsbelehrung verwies auf die Möglichkeit, innerhalb eines Monats Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald zu erheben. Ein Empfangsbekenntnis über die Zustellung des Widerspruchsbescheids ist in den Akten nicht enthalten.

3

Mit Schreiben vom 14. August 2006 übersandte der Bevollmächtige des Klägers dem Beklagten eine Kostennote über 1 350,01 € und führte aus, dass er die Kostengrundentscheidung der Widerspruchsbehörde im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 für rechtswidrig halte. Denn der Beklagte müsse gemäß § 80 VwVfG wegen des erfolgreichen Widerspruchs die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 28. November 2006 die zu erstattenden Kosten auf 360,76 € fest und lehnte den Antrag im Übrigen unter Erläuterung der im Bescheid vom 3. August 2006 getroffenen Kostenlastentscheidung ab.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2007 wies der Beklagte den als Widerspruch gegen die Kostenlastentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 gewerteten Antrag vom 14. August 2006 zurück. Der Widerspruch sei unzulässig, da bei isolierter Anfechtung der in einem Widerspruchsbescheid getroffenen Kostenentscheidung das Vorverfahren entfalle.

5

Mit seiner am 11. Januar 2008 erhobenen Klage begehrt der Kläger, unter Aufhebung der entgegenstehenden Kostenlastentscheidungen und des Kostenfestsetzungsbescheids vom 28. November 2006 den Beklagten zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens vollumfänglich zu tragen, und ihn zu verurteilen, an den Kläger 989,25 € nebst 5 v.H. Zinsen oberhalb des Basiszinssatzes seit dem 15. August 2006 zu zahlen. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Teilurteil vom 15. September 2008 unter Aufhebung der Kostenlastentscheidung in den Widerspruchsbescheiden vom 3. August 2006 und 10. Dezember 2007 verpflichtet, die Kosten des Widerspruchsverfahrens zur Gänze zu tragen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es ist der Auffassung, dass der Widerspruch vom 14. August 2006 allein gegen die Kostenlastentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 zwar nicht notwendig, aber statthaft gewesen sei. Die in § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO geregelte Ausnahme liege nicht vor, da der Kläger nicht erstmals durch eine materiell-rechtliche Regelung beschwert worden sei. Sein sachliches Begehren sei vielmehr erfüllt, und es gehe nur noch um die für ihn nachteilige Kostenentscheidung. Dann sei es für ihn einfacher, im Rahmen eines Kostenfestsetzungsantrages durch die Einlegung eines Widerspruchs ein Überdenken der getroffenen Kostenlastentscheidung zu erwirken anstatt sogleich den Kosten auslösenden Klageweg zu beschreiten. Die Anfechtung einer belastenden Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid sei als nicht ausdrücklich geregelte Ausnahme vom Erfordernis eines Vorverfahrens anzusehen, bei der dieses zwar entbehrlich, jedoch nicht unzulässig sei. In der Sache habe der Beklagte die Kosten des Widerspruchs vollumfänglich zu tragen, da der Widerspruch des Klägers vom 7. Dezember 2005 erfolgreich gewesen sei.

6

Der Beklagte führt zur Begründung der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision aus, dass der Widerspruch gegen die Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 nicht statthaft gewesen sei. Hier liege ein Fall der gesetzlichen Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO vor, so dass die Kostenentscheidung zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits bestandskräftig gewesen sei. Die Gegenauffassung des Berufungsgerichts könne den Zweck des Vorverfahrens, eine Selbstkontrolle der Verwaltung zu gewährleisten, nicht erreichen, führe zu einer Verdoppelung des Verwaltungsaufwands und missachte den Gedanken der Verfahrensbeschleunigung.

7

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat Erfolg. Die stattgebende Sachentscheidung des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), denn der Kläger hat die Klagefrist des § 74 VwGO versäumt. Sein (zweiter) Widerspruch vom 14. August 2006 war unstatthaft und konnte den Eintritt der Bestandskraft des Ausgangsbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2006 nicht verhindern.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur das Verpflichtungsbegehren des Klägers, die im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 getroffene Kostenlastentscheidung dahingehend zu ändern, dass der Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens nicht zur Hälfte, sondern vollumfänglich trägt. Denn nur über diesen Streitgegenstand hat das Verwaltungsgericht in dem Teilurteil vom 15. September 2008 entschieden, und nur in diesem Umfang ist der Rechtsstreit in die Berufungs- und Revisionsinstanz gelangt.

10

2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, die am 11. Januar 2008 erhobene Klage habe die Frist des § 74 VwGO gewahrt. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Gemäß Absatz 2 der Vorschrift gilt für die Verpflichtungsklage Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist. Ohne rechtzeitige Klageerhebung wird der Bescheid in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, nach Ablauf der Klagefrist unanfechtbar. Eine verspätet erhobene Klage ist unzulässig. So liegt der Fall hier.

11

2.1 Mit seiner am 11. Januar 2008 erhobenen Klage hat der Kläger die einmonatige Klagefrist versäumt. Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 ist an seinen Bevollmächtigten gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO i.V.m. § 7 Abs. 1 und § 5 Abs. 4 VwZG zur Zustellung gegen Empfangsbekenntnis übersandt worden. Der Umstand, dass die Verwaltungsakte kein Empfangsbekenntnis enthält und daher der Zustellungszeitpunkt nicht fixiert wurde, ist unschädlich. Denn wenn sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt, gilt es gemäß § 8 VwZG in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Der Bevollmächtigte des Klägers hatte sich in seinem Schriftsatz vom 14. August 2006 gegen die im Widerspruchsbescheid vom 3. August 2006 getroffene Kostenentscheidung gewendet. Hieraus ist zu folgern, dass er den Bescheid spätestens an diesem Tag erhalten haben muss. Demzufolge ist die einmonatige Klagefrist spätestens am 16. September 2006 abgelaufen. Gründe für eine Wiedereinsetzung sind nicht ersichtlich.

12

2.2 Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen war der zweite Widerspruch des Klägers im Schriftsatz vom 14. August 2006 unstatthaft, so dass er den Eintritt der Bestandskraft des Ausgangsbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2006 nicht zu verhindern vermochte. Einen Widerspruch gegen den Widerspruchsbescheid oder auch nur die darin getroffene Kostenentscheidung sieht die Verwaltungsgerichtsordnung nicht vor.

13

Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO sind vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Damit verfolgt der Gesetzgeber mehrere Zwecke: Zum einen soll das Vorverfahren eine Selbstkontrolle der Verwaltung durch die Widerspruchsbehörde ermöglichen. Zum anderen soll es einen effektiven individuellen Rechtsschutz gewährleisten, indem es für den Rechtsuchenden eine der gerichtlichen Kontrolle vorgelagerte und gegebenenfalls erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet. Das zeigt sich insbesondere im Rahmen der Überprüfung von Ermessensentscheidungen, bei denen die Widerspruchsbehörde grundsätzlich auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts beurteilt. Schließlich soll das Vorverfahren die Gerichte entlasten und auf diese Weise gerichtliche Ressourcen schonen ("Filterwirkung"). Diese dreifache normative Zwecksetzung des Widerspruchsverfahrens ist allgemein anerkannt (vgl. nur Urteile vom 12. November 1976 - BVerwG 4 C 34.75 - BVerwGE 51, 310 <314> = Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 21 S. 8<11 f.> und vom 15. September 2010 - BVerwG 8 C 21.09 - BVerwGE 138, 1 = Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 48, jeweils Rn. 30 m.w.N.; Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Bd. 1, Stand April 2013, Vorb. § 68 Rn. 1; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 68 Rn. 2; Ulrich Meier, Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens, 1992, S. 8 ff.; enger aus kompetenzrechtlichen Gründen: Oerder, Das Widerspruchsverfahren der Verwaltungsgerichtsordnung, 1989, S. 52 ff.). Da das Vorverfahren weder allein öffentlichen Interessen noch allein denen des Betroffenen dient, steht die Durchführung mit Blick auf die Zulässigkeit einer beabsichtigten Klage nicht zur Disposition der Beteiligten (Urteil vom 13. Januar 1983 - BVerwG 5 C 114.81 - BVerwGE 66, 342 <345> = Buchholz 436.0 § 2 BSHG Nr. 7 S. 2<4 f.>; Hofmann, Das Widerspruchsverfahren als Sachentscheidungsvoraussetzung und als Verwaltungsverfahren, in: System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, FS Menger, 1985, S. 605 <615 f.>).

14

Wegen der Funktionentrias sowie aus Gründen der Rechtssicherheit gilt der Grundsatz mangelnder Disponibilität der Beteiligten im Hinblick sowohl auf einen Verzicht als auch eine Wiederholung des Vorverfahrens. Zwar regelt § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO nur, dass es einer Nachprüfung in einem Vorverfahrennicht bedarf, wenn der Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält; dazu zählt auch eine dem Widerspruchsführer nachteilige Kostenentscheidung (BTDrucks 13/5098 S. 23; ebenso Kastner, in: Fehling/Kastner/Störmer, Hk-VerwR, 3. Aufl. 2013, § 68 VwGO Rn. 41; Geis, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 68 Rn. 146). Wollte man aus dieser Formulierung des Gesetzes den Schluss ziehen, der Betroffene könne erneut Widerspruch erheben, bestünde insbesondere in mehrpoligen Rechtsverhältnissen mit Drittbetroffenen die Gefahr einer "Endlosschleife" sich wiederholender Widerspruchsverfahren. Mit dem Erlass des Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids ist das Verwaltungsverfahren jedoch abgeschlossen, und die oben genannten Funktionen des Vorverfahrens sind erfüllt (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 7 C 14.05 - Buchholz 310 § 162 VwGO Nr. 42 = NVwZ 2006, 1294). Wenn der Gesetzgeber nicht selbst explizit Wahlmöglichkeiten eröffnet (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 15 Abs. 1 BayAGVwGO), streitet zudem das Gebot der Rechtssicherheit für eine Auslegung des Prozessrechts, die zu klaren und eindeutigen Regelungen über den statthaften Rechtsbehelf führt.

15

Darüber hinaus schließt die Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung, wie sie sich aus der Zusammenschau der mit § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO korrespondierenden Vorschriften ergibt, die Statthaftigkeit eines Widerspruchs gegen einen Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid, auch wenn er erstmalig eine Beschwer enthält, generell aus (Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C 56.07 - Buchholz 310 § 68 VwGO Nr. 47 S. 4 Rn. 11: "… findet kein weiteres Widerspruchsverfahren statt ..."; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/v.Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 68 Rn. 18; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 68 Rn. 16; Kastner a.a.O. § 68 VwGO Rn. 39; Pietzner/Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im Öffentlichen Recht, 12. Aufl. 2010, § 31 Rn. 20; Ulrich Meier a.a.O. S. 42 f. und S. 61; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, 3. Aufl. 1993, S. 251; Schmitt Glaeser/Horn, Verwaltungsprozessrecht, 15. Aufl. 2000, Rn. 178; a.A. Redeker/v.Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 68 Rn. 9a; Geis a.a.O. § 68 Rn. 137 zu § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO). Gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO ist Gegenstand der Anfechtungsklage der Abhilfe- oder der Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält. § 79 Abs. 2 VwGO ergänzt diese Regelung dahingehend, dass der Widerspruchsbescheid auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein kann, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Durch diese Bestimmungen soll vermieden werden, dass Streitigkeiten über Mängel des Widerspruchsverfahrens oder -bescheids zu weiteren Widerspruchsverfahren führen; dies würde den Fortgang der Hauptsache in Richtung auf eine endgültige Entscheidung hemmen (Urteil vom 24. Oktober 1973 - BVerwG 6 C 139.73 - BVerwGE 44, 124 <126> = Buchholz 448.0 § 26 WPflG Nr. 7 S. 13<14>). § 74 Abs. 1 und 2 VwGO, wonach die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids - bzw. wenn ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist: des Ausgangsbescheids - erhoben werden muss, macht deutlich, dass der Betroffene in diesen Fällen keine Wahl zwischen der Erhebung eines (erneuten) Widerspruchs oder einer Klage hat. Erhebt er nicht fristgerecht Klage, erwächst der Ausgangsbescheid in der Gestalt, die er durch den Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid erhalten hat, in Bestandskraft (Urteil vom 28. November 2001 - BVerwG 8 C 26.01 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 8 S. 6<7>).

16

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt für den Fall der isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung des Abhilfe- oder Widerspruchsbescheids nichts anderes (Dolde/Porsch a.a.O. § 68 Rn. 26; Weides a.a.O. S. 317; Pietzner, BayVBl. 1979, 107 <113 f.>; offen gelassen im Urteil vom 14. Januar 1983 - BVerwG 8 C 80.80 - Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 12 S. 12<14> = NVwZ 1983, 544; offen auch Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 73 Rn. 19; a.A. demgegenüber Ulrich Meier a.a.O. S. 65 f.). Den oben genannten Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung lässt sich eine solche Differenzierung nicht entnehmen. Zudem wäre bei der Bestimmung des statthaften Rechtsbehelfs eine Auslegung der prozessrechtlichen Vorschriften, die danach unterscheidet, ob der Widerspruchsbescheid insgesamt oder nur dessen Kostengrundentscheidung angegriffen wird, mit dem Postulat der Rechtsmittelklarheit nicht vereinbar. Denn dieses rechtsstaatliche Erfordernis verlangt, dass die Voraussetzungen der Zulässigkeit von Rechtsbehelfen in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für den Bürger hinreichend bestimmt und erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395 <416 f.>).

17

2.3 Die Beklagte hat mit dem (zweiten) Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2007 - unabhängig von der Frage, ob sie dazu als Widerspruchsbehörde befugt gewesen wäre - nicht erneut in der Sache über die Kostenverteilung des ersten Widerspruchsverfahrens entschieden, sondern den weiteren Widerspruch des Klägers im Schriftsatz vom 14. August 2006 als unzulässig erachtet. Daher braucht hier nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob die Widerspruchsbehörde auf einen unstatthaften Widerspruch hin durch eine Sachentscheidung im Widerspruchsbescheid (Zweitbescheid) den Rechtsweg erneut eröffnen kann.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.