Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 08. Nov. 2010 - 1 LA 64/10


Gericht
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer, Einzelrichter - vom 10. Juni 2010 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
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Der Zulassungsantrag des Klägers bleibt erfolglos.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn das Vorhaben ist bauordnungsrechtlich nicht zulässig. Dies ergibt sich eindeutig aus § 33 LBO, so dass die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO) nicht vorliegen.
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Zur Klarstellung sei zunächst darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht das Vorhaben an § 33 LBO 2009, der am 01. Mai 2009 in Kraft getreten ist und nicht an § 37 LBO 2000 zu messen hatte, denn bei Rechtsstreitigkeiten, die auf Erlass einer Baugenehmigung gerichtet sind, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (BVerwG, Beschl. v. 20.06.1973 – BVerwG IV B 19.73 –, Buchholz 310 § 113 Nr. 66 zum Bauplanungsrecht; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 113 Rn. 227). Dies gilt auch für das Bauordnungsrecht. § 85 S. 1 LBO 2009 bezieht sich nicht auf das materielle Recht, sondern nur auf die verfahrensrechtlichen Vorschriften (Senat, Beschl. v. 26.10.2010 – 1 LA 87/10 –). Die Neufassung der Abstandregelungen des § 37 Abs. 1 und 2 LBO 2000 durch § 33 Abs. 1 und 2 LBO 2009 hat allerdings nur zu geringfügigen Rechtsänderungen geführt, die sich auf die Entscheidung des Rechtsstreits im Ergebnis nicht auswirken:
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Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das im hinteren Grundstücksbereich liegende Gebäude des Klägers nicht den Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO 2000, der im Wesentlichen § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO 2009 entspricht, unterfällt. Es ist kein kleines, nur Nebenzwecken dienendes Gebäude (§ 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO 2000) und überschreitet auch 50 m3 Brutto-Rauminhalt (§ 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO 2009). Zur Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass aneinandergebaute Gebäude nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Der Senat nimmt insoweit in vollem Umfang auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts Bezug. Die formal an dem Begriff des Gebäudes (§ 2 Abs. 2 LBO) orientierte Begründung des Zulassungsantrages wird dem eindeutigen Schutzzweck der §§ 33 LBO 2009, 37 LBO 2000, die die Größe der Abstände von dem Ausmaß des Gefahrenpotenzials abhängig machen, nicht gerecht. Dass das Gebäude des Klägers in Zukunft hart gedeckt werden soll, mag zwar die Gefahr der Brandübertragung verringern. Im Hinblick auf die viel größere weiche Eindeckung des angrenzenden Nachbargebäudes sind die beiden Gebäude aber gemeinsam als ein einheitliches weich gedecktes Gebäude im Sinne von § 33 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 LBO 2009, der § 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 LBO 2000 entspricht, zu beurteilen (vgl. Senat, Beschl. 13.11.2008 – 1 LA 79/08 zu Gebäuden mit verschiedenen Dacheindeckungen), so dass ein Mindestabstand von 9 m zu dem Vorhaben einzuhalten ist.
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Bei überschlägiger Berechnung spricht im Übrigen alles dafür, dass das Gebäude des Klägers auch ohne Berücksichtigung des Nachbargebäudes größer als 50 m3 ist. Nach den vom Kläger nicht beanstandeten tatsächlichen Feststellungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid beträgt die Grundfläche 22 qm, so dass der Brutto-Rauminhalt des Erdgeschosses bei einer Erdgeschosshöhe von nur 2,20 m bereits 48,40 m3 betrüge. Das von dem Kläger mit dem Brandschutzgutachten vom 01. Juni 2010 eingereichte Foto erweckt nicht den Eindruck, dass das Erdgeschoss wesentlich niedriger ist, so dass bei Hinzurechnung des Dachgeschosses die Grenze von 50 m3 deutlich überschritten sein dürfte.
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Selbst wenn das Gebäude noch als kleines Nebengebäude im Sinne von § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO 2009 zu beurteilen wäre, hielte das Vorhaben den danach erforderlichen Mindestabstand hierzu (5 m) nicht ein. Dieser Abstand ist auch im Verhältnis zu Gebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 maßgeblich. Die in § 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 2000 geregelte Vergünstigung (3 m) für kleine Nebengebäude ist in § 33 LBO 2009 nicht übernommen worden.
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Auch die Ausnahmevoraussetzungen nach § 33 Abs. 2 S. 4 LBO 2009, der § 37 Abs. 2 S. 4 LBO 2000 entspricht, liegen nicht vor; jedenfalls sind diese nicht dargelegt worden. So hat der Kläger im Zulassungsantrag bereits nicht dargelegt, dass sein Grundstück in einem Ortskern mit bauhistorisch oder volkskundlich wertvollem Baubestand liegt. Unabhängig davon konnte die Baugenehmigung auch deshalb nicht erteilt werden, weil Bedenken hinsichtlich des Brandschutzes bestehen. Das bei dem Verwaltungsgericht eingereichte Gutachten vom 01. Juni 2010, auf das der Kläger Bezug nimmt, entkräftet die vom Gesetzgeber im Grundsatz angenommenen Bedenken nicht, denn der Gutachter hält einen Mindestabstand von 5 m für zwingend erforderlich. Ob den Bedenken durch besondere brandschutztechnische Maßnahmen, wie der Sachverständige sie vorgeschlagen hat, entgegengewirkt werden könnte, kann hier dahingestellt bleiben, denn diese Maßnahmen sind nicht Gegenstand des Bauantrages, der allein Gegenstand des Verfahrens ist. Im Übrigen überzeugt die Argumentation des Sachverständigen insoweit auch nicht: Er geht – unabhängig von der Art der Baukörper – davon aus, dass eine Brandübertragung bei einem Abstand von mehr als 5 m „nicht mehr gegeben“ sei und unterstellt offenbar, dass ein Abstand von 5 m immer unbedenklich sei. Ausgehend davon erläutert der Sachverständige, dass bei Einhaltung bestimmter baulicher Maßnahmen eine Unterschreitung des Mindestabstandes vom 5 m unbedenklich sei. Diese Argumentation ignoriert die Wertung des Gesetzgebers, der - je nach Art der Bedachung, der Größe der Gebäude und des Nutzungszwecks - die Gefahr der Brandübertragung im Grundsatz anders beurteilt und nur für die in § 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 LBO 2009 geregelten kleinen Gebäude bis 50 m3 Rauminhalt einen Abstand von 5 m ausreichen lässt, im Übrigen jedoch erheblich größere Abstände fordert (hier: gemäß § 33 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 LBO 2009 9 m).
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Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch überzeugend und mit ausführlicher Begründung erläutert, dass eine Befreiung von den Abstandsanforderungen nicht möglich sei. Eine offenbar nicht beabsichtigte Härte liege nicht vor, weil der Kläger bei einer Beseitigung des Nebengebäudes, die nach dem Planungskonzept der Beigeladenen ohnehin vorgesehen sei, angemessene Erweiterungsmöglichkeiten habe. Damit setzt der Kläger sich im Zulassungsantrag nicht auseinander, sondern macht lediglich geltend, dass ihm durch § 37 LBO angemessene Erweiterungsmöglichkeiten genommen würden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung hat der Kläger damit nicht dargelegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
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(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
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(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.