Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 01. Aug. 2016 - 7 B 683/16
Gericht
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert; der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die von der Antragsgegnerin dargelegten Beschwerdegründe führen auch unter Berücksichtigung der Beschwerdeerwiderung des Antragstellers dazu, dass die vom Senat vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
3In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ist es - namentlich wegen der besonderen Dringlichkeit einer alsbaldigen Entscheidung - nicht möglich, die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wenigstens summarisch zu beurteilen, so sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.3.2010
5- 7 VR 1.10 -, juris.
6Hier fällt die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
7Durchgreifende formelle Mängel der Stilllegungsanordnung vermag der Senat nicht zu erkennen.
8Der Senat teilt nicht die Einschätzung, die Verfügung leide an einem formellen Mangel, weil der Antragsteller nicht angehört worden sei. Es spricht bereits Vieles dafür, dass der Antragsteller nach der bauaufsichtlichen Ortsbesichtigung im Rahmen des Schreibens seines Präsidenten vom 27.4.2016 hinreichend Gelegenheit hatte, zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und im Übrigen auch zu den maßgeblichen rechtlichen Fragen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon wäre aber auch davon auszugehen, dass eine (unterbliebene bzw. unzureichende) Anhörung jedenfalls hinreichend nachgeholt worden und damit ein etwaiger Anhörungsmangel geheilt wäre. Eine solche Nachholung einer Anhörung kann auch durch Austausch von Sachäußerungen zu den maßgeblichen Fragen in einem gerichtlichen Verfahren erfolgen.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 29.4.2016 - 7 B 16/16 ‑, vom 21.3.2016 - 7 B 1069/15 - und vom 20.1.2015 - 15 A 2382/13 -, KStZ 2015, 78 = juris, m. w. Nachw.
10Dies hat die Antragsgegnerin am Ende ihrer umfänglichen Beschwerdebegründung zutreffend geltend gemacht. Eine solche Nachholung dürfte hier jedenfalls bereits mit der Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 12.5.2016 erfolgt sein, in der sie unter Bezugnahme auf die vom Antragsteller in verschiedenen Schreiben vorgebrachten Gesichtspunkte und Nachteile erklärt, sie bestätige ihre Entscheidung.
11Die Anordnung ist summarischer Prüfung zufolge auch materiell nicht zu beanstanden.
12Aus den vom Verwaltungsgericht unter Abschnitt 2. a. aufgezeigten Gründen ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die angegriffene Stilllegungsverfügung die Errichtung einer baulichen Anlage im Sinne der BauO NRW betrifft. Die maßgebliche Erwägung des Verwaltungsgerichts, nach ihrem Verwendungszweck sei die Anlage dazu bestimmt, überwiegend ortsfest benutzt zu werden, stimmt mit dem Inhalt des Bauantrags für die Erneuerung des schwimmenden Vereinsheims mit sanitären Anlagen vom 20.5.2016 überein, der ohne Veränderung der Lage ein eingeschossiges Gebäude mit begehbarem Dach mit Sitzplätzen für insgesamt 199 Personen vorsieht; sie wird auch durch die Ausführungen in der Beschwerdeerwiderung, nach denen im Moment zwar ein fester Standort ins Auge gefasst, dieser aber im Zuge des weiteren Aus- und Umbaus der Hafenanlage disponibel sei, nicht erschüttert. Dieses Vorhaben bedarf der Baugenehmigung (vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW), eine solche liegt nicht vor. Danach ist eine Stilllegung wegen formeller Illegalität grundsätzlich gerechtfertigt; dass der während des erstinstanzlichen Verfahrens gestellte Bauantrag auch nach Auffassung der Antragsgegnerin offensichtlich genehmigungsfähig wäre und deshalb der Stilllegung entgegenstünde,
13vgl. zu diesem Ausnahmefall allg. etwa OVG NRW, Beschluss vom 18.7.2016 - 7 B 745/16 -, m. w. Nachw.,
14ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Ob die Antragsgegnerin bislang gegen andere schwimmende Anlagen ohne Baugenehmigung bauaufsichtlich nicht eingeschritten ist - dies bemängelt der Antragsteller mit detaillierten Hinweisen in seiner Beschwerdeerwiderung - kann hier dahin stehen. Sollten diese Anlagen tatsächlich vergleichbar und bauaufsichtlich nicht genehmigt sein, führt dies nicht zu einem hier erheblichen Ermessensfehler; die Bauaufsichtsbehörde muss im Rahmen ihres Ermessens nicht strikt zeitgleich gegen vergleichbare Baurechtsverstöße vorgehen.
15Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.5.2016
16- 7 A 1218/15 -, m. w. Nachw.
17Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der Stilllegungsanordnung verschont zu bleiben, gegenüber dem hier gegebenen besonderen Vollziehungsinteresse gleichwohl überwiegen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen. Liegt - wie hier nach den vorstehenden Ausführungen - eine voraussichtlich rechtmäßige Stilllegungsanordnung vor, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung. Den erstinstanzlich behaupteten Gefahren für die nicht fertig gestellte Anlage bzw. für die Umgebung kann der Antragsteller durch die von der Antragsgegnerin zugelassenen Sicherungsmaßnahmen begegnen.
18Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch sind mit Blick auf die gesetzliche Wertung des § 112 Satz 1 JustG NRW keine anderen Gründe ersichtlich, die eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen könnten.
19Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
20Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.