Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 17. Feb. 2016 - 6 A 2595/14

Gericht
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf die Wertstufe bis 7.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Ablehnung der Übernahme des Klägers in den gehobenen Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes zum Einstellungstermin 1. September 2014 mit der im Bescheid vom 26. Mai 2014 angeführten Begründung, der Kläger erfülle wegen seiner Tätowierungen im nicht sichtbaren Bereich die Voraussetzungen für eine Einstellung nicht, rechtswidrig gewesen sei. Nach der Erledigung des Verpflichtungsbegehrens durch die Einstellung des Klägers als Kommissaranwärter in das Beamtenverhältnis auf Widerruf – aufgrund der Verpflichtung im einstweiligen Anordnungsverfahren – sei das Verfahren als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen. Diese sei begründet, weil weder die Neutralitätsfunktion der Polizeiuniform die Ablehnung der Bewerbung des Klägers rechtfertige noch allein aus dem optischen Eindruck der Tätowierung Rückschlüsse auf seine fehlende Eignung für den Polizeivollzugsdienst zu ziehen seien. Die Neutralitätsfunktion der Polizeiuniform und damit die polizeiliche Aufgabenerfüllung seien durch die Tätowierungen nicht gefährdet, da auch bei Tragen der Sommeruniform keine Tätowierungen sichtbar seien. Ein eindeutiger Aussagegehalt der Tätowierungen, der unabhängig von deren Sichtbarkeit die charakterliche Eignung in Frage stellen könnte, etwa weil sich der Kläger damit aus seiner subjektiven Sicht mit gewaltverherrlichendem Gedankengut identifiziere, sei hier nicht ohne weiteres erkennbar. Der bloße optische Eindruck sei nicht ausreichend, die Persönlichkeit des Klägers in Zweifel zu ziehen.
5Die gegen diese näher begründeten Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwendungen begründen keine ernstlichen Zweifel an dem angefochtenen Urteil. Mit dem Zulassungsvorbringen ist nicht hinreichend aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht festgestellt hat, die – wegen der großflächigen Rückentätowierungen – auf einen absoluten Eignungsmangel gestützte Ablehnung der Einstellung sei rechtswidrig.
6Das beklagte Land wendet allerdings zu Recht ein, dass es für die Beurteilung der Eignung auch bei Tätowierungen im nicht sichtbaren Bereich, die also durch die Sommeruniform abgedeckt werden, nicht allein auf die subjektive Sicht des Bewerbers ankommt. Denn auch eine durch die Uniform verdeckte Tätowierung kann geeignet sein, das Ansehen und die Vertrauenswürdigkeit der Polizei zu mindern oder zu schädigen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die Tätowierung die Schlussfolgerung zulässt, der (künftige) Polizeivollzugsbeamte identifiziere sich mit gewaltverherrlichendem Gedankengut.
7Vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2001 – 1 DB 15.01 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 6 B 523/14 –, nrwe.de, und OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2009 – 6 S 38.08 –, juris.
8In diesem Sinne sieht der Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales „Einstellung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst – Landeseinheitliche Vorgaben zur Bewertung von Körperschmuck“ vom 29. Mai 2013 (Az. 403 – 26.00.07 A) unter Ziffer 3. a) „Absoluter Eignungsmangel“ mit Recht u.a. vor: „Von der Gefahr einer Ansehensschädigung zu Lasten des Landes Nordrhein-Westfalen und von einem zwingenden Eignungsmangel ist daher insbesondere immer dann auszugehen, wenn das Motiv eines Körperschmucks (im sichtbaren und auch im unsichtbaren Bereich) eine Darstellung zum Inhalt hat, die rechts- oder linksradikal oder allgemein extremistisch ist, sexistisch oder frauenfeindlich ist oder allgemein entwürdigt und/oder diskriminiert, Gewalt verherrlicht oder die Würde des Menschen verletzt.“
9Das beklagte Land legt mit dem Zulassungsvorbringen indessen nicht dar, dass die Tätowierungen des Klägers – entgegen der Einschätzung in dem angefochtenen Urteil – eine aggressive und Gewalt verherrlichende Darstellung zum Inhalt haben. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang angeführt, dass es sich um Abbildungen aus der japanischen Mythologie mit buddhistischem Hintergrund handeln könnte und ein eindeutiger Aussagegehalt der Tätowierungen nicht ohne weiteres erkennbar sei. Dem ist das beklagte Land nicht entgegen getreten.
10Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
11Die vom beklagten Land aufgeworfene Rechtsfrage,
12„ob großflächige Tätowierungen im nicht sichtbaren Bereich und insbesondere derartige Tätowierungen wie im vorliegenden Sachverhalt durch den Dienstherrn zu tolerieren sind“,
13ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie ausschlaggebend von einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles abhängt.
14Auch hinsichtlich der weiter aufgeworfenen Rechtsfrage,
15„ob das Land bei seiner Entscheidung von zutreffenden und sachlich vertretbaren Überlegungen ausgegangen ist und in welchem Umfang das Gericht befugt gewesen ist, diese Überlegungen unberücksichtigt zu lassen und durch eigene Erwägungen zur Vertretbarkeit dieser Tätowierungen zu ersetzen“,
16ist nicht aufgezeigt, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll.
17Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 40, 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG.
19Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
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(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.
(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.
(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.
(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.