Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 03. Juni 2015 - 19 B 542/15
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses.
21. Das Vorbringen, der Bescheid vom 30. Januar 2015 sei insoweit nicht hinreichend bestimmt, als der Antragsteller darin "von allen schulischen Veranstaltungen im laufenden Schuljahr" ausgeschlossen werde, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.
3Es trifft zu, dass in dem angegriffenen Bescheid die vorzitierte Formulierung verwendet ist, während tatsächlich der Ausschluss von allen sonstigen Schulveranstaltungen - neben dem Unterricht - gemeint ist. Diese Unklarheit begründet unter den Gegebenheiten des Streitfalls jedoch nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides.
4Der Bescheid ist im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG NW hinreichend bestimmt. Dies setzt voraus, dass der Adressat sein Verhalten danach richten kann, und die Behörde, die mit dem Vollzug betraut ist oder für deren sonstiges Verwaltungshandeln der Verwaltungsakt von Bedeutung ist, seinen Inhalt etwaigen Vollstreckungshandlungen oder sonstigen Entscheidungen zugrunde legen kann. Die Erkennbarkeit des Inhalts muss sich nicht notwendig aus dem isolierten Wortlaut der Entscheidungssätze ergeben. Es muss jedoch möglich sein, den Inhalt hinreichend sicher durch eine Auslegung der Entscheidungssätze im Lichte der Gründe des Verwaltungsakts zu ermitteln. Neben den Gründen des Bescheids können auch solche Umstände zur Auslegung der Regelung des Verwaltungsakts herangezogen werden, die aus seinem gesamten Text zwar nicht hervorgehen, aber den Beteiligten bekannt oder ohne Weiteres erkennbar sind. Welche Umstände insoweit in Betracht kommen, kann nur im jeweiligen Einzelfall geklärt werden.
5Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. September 2008 - 13 B 1395/08 -, juris Rdn. 16 ff.; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Auflage 2014, § 37 Rdn. 3, 5 jeweils mit weiteren Nachweisen.
6Können etwaige Zweifel im Wege der Auslegung beseitigt werden, ist der Verwaltungsakt hinreichend bestimmt.
7Stelkens a.a.O., § 37 Rdn. 7; Ruffert in Knack/Henneke, VwVfG, 10. Auflage 2014, § 37 Rdn. 16, 41, jeweils mit weiteren Nachweisen.
8Hiervon ausgehend ist der Bescheid vom 30. Januar 2015 hinreichend bestimmt. Der Antragsteller konnte und kann unter den gegebenen Umständen erkennen, was konkret mit ihm angeordnet wird. Dass er nunmehr von allen sonstigen Schulveranstaltungen - nicht aber nochmals auch vom Unterricht - ausgeschlossen wird, liegt schon deshalb nahe, weil die Schulleiterin ihm gegenüber am 22. Januar 2015 bereits einen Ausschluss vom Unterricht ausgesprochen hat, der gemäß § 53 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SchulG NW nur bis zu zwei Wochen möglich ist, während der Ausschluss von allen (sonstigen) Schulveranstaltungen bis zum Ende des Schuljahrs gilt.
9Ebenso für eine vergleichbare Fallgestaltung OVG NRW, Beschluss vom 21. März 1997 - 19 E 90/96 -.
10Auch enthält der Bescheid vom 30. Januar 2015 - im Unterschied zum vorangegangenen Ausschluss vom Unterricht durch Verfügung vom 22. Januar 2015 - keinen Hinweis des Inhalts, dass dem Antragsteller der Aufenthalt auf dem Schulgelände untersagt ist und er den versäumten Stoff nachzuarbeiten hat; auch dies spricht dagegen, dass er mit dem Bescheid vom 30. Januar 2015 wiederum vom Unterricht ausgeschlossen werden soll. Vor allem aber hat die Schulleiterin unwidersprochen vorgetragen, dem Antragsteller und seinem Vater, die in der Teilkonferenz anwesend gewesen seien, sei die Maßnahme im Anschluss an die Konferenz erläutert worden. Dem setzt die Beschwerde nichts entgegen; sie räumt vielmehr - zutreffend - ein, auch der Inhalt des Protokolls der Teilkonferenz deute darauf hin, dass lediglich der Ausschluss von sonstigen Schulveranstaltungen gemeint sei. Im Weiteren hat die Schulleiterin mit Schreiben vom 27. Februar 2015 klargestellt, dass der Antragsteller mit der Maßnahme vom 30. Januar 2015 von allen sonstigen Schulveranstaltungen ausgeschlossen worden ist.
11Der Antragsteller hat den Bescheid auf dieser Grundlage so verstanden, wie er gemeint ist, wie daran deutlich wird, dass er in der Folgezeit zum Unterricht erschienen ist. Der Umstand, dass die Schule hiergegen nicht eingeschritten ist, musste für ihn zusätzlich Bestätigung sein, die Anordnung im Bescheid richtig aufgefasst zu haben; denn andernfalls wäre zu erwarten gewesen, dass sein Erscheinen nicht hingenommen, sondern er gegebenenfalls vom Schulgelände verwiesen worden wäre.
12Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob es als widersprüchliches Verhalten treuwidrig wäre, sich auf die Unklarheit eines Bescheides zu berufen, den der Rechtsmittelführer ganz offensichtlich richtig verstanden und den er von Anfang an im gemeinten Sinne seinem Verhalten zugrunde gelegt hat.
13Stelkens a.a.O., § 37 Rdn. 7.
142. Angesichts des zweifellos gravierenden Fehlverhaltens des Antragstellers bestehen ferner keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (§ 53 Abs. 1 Satz 3 SchulG NW). Entgegen der Auffassung der Beschwerde führt es nicht zu ihrer Unverhältnismäßigkeit (oder anderen Rechtsbedenken), dass die Schulleitung wegen des Böllerwurfs und der Sprachnachrichten jeweils am 15. Januar 2015 mit Verfügung vom 22. Januar 2015 bereits einen Ausschluss des Antragstellers vom Unterricht für die Zeit vom 22. bis zum 30. Januar 2015 angeordnet hatte.
15Mit dem Einwand, damit werde das Fehlverhalten des Antragstellers unzulässigerweise doppelt geahndet, verkennt die Beschwerde den Zweck schulischer Ordnungsmaßnahmen. Diese sind nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SchulG NW ausschließlich zukunftsgerichtete pädagogische Maßnahmen, aber keine "Schulstrafen", mit denen der Gesetzgeber das Fehlverhalten des Schülers in der Vergangenheit ahnden oder disziplinieren will. Folgerichtig gilt nicht der Grundsatz "ne bis in idem" oder ein Verbot der Doppelbestrafung.
16OVG NRW, Beschluss vom 13. April 2015 - 19 E 514/14 -, juris Rdn. 4.
17Auch kann es aus pädagogischen Gründen angezeigt sein, auf ein Fehlverhalten der entsprechenden Art und Schwere zunächst in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer erzieherischen Einwirkung oder Ordnungsmaßnahme zu reagieren und sich weitere Maßnahmen vorzubehalten.
18Vgl. auch Kumpfert in Jehkul, SchulG NRW, Loseblatt, § 53 Anm. 7.
19So ist hier die Schulleiterin verfahren, die sich - nachvollziehbarerweise - veranlasst gesehen hat, auf den Böllerwurf und vor allem die bedrohenden Sprachnachrichten gegenüber dem Antragsteller zunächst einen Unterrichtsausschluss für die Zeit vom 22. bis zum 30. Januar 2015 auszusprechen und hierbei bereits anzukündigen, mit der Frage weitergehender Maßnahmen werde sich die Teilkonferenz befassen. In der Begründung des Bescheides vom 30. Januar 2015 ist ausgeführt, für das Fehlverhalten des Antragstellers in zweifacher Hinsicht sei bereits die Ordnungsmaßnahme vom 22. Januar 2015 ausgesprochen worden. Leider könnten die Mitglieder der Teilkonferenz keine echte Einsicht beim Antragsteller erkennen, der selbst in der Konferenz gelogen und getäuscht habe. Schuldbewusstsein oder Empathie mit den bedrohten Mitschülern zeige er nicht. Unter diesen Umständen bestehen gegen die Verhältnismäßigkeit der weiteren streitgegenständlichen Maßnahme keine Bedenken.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
21Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.
(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.
(5) u. (6) (weggefallen)
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.