Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 30. März 2015 - 18 B 337/15

Gericht
Tenor
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
1
G r ü n d e
2Die nach § 152a VwGO zu beurteilende Rüge ist unbegründet. Der Beschluss vom 10. März 2015 verletzt die Antragsteller nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör, insbesondere stellt er entgegen der Ansicht der Antragsteller keine unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
3Der Grundsatz rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG wird in § 108 Abs. 2 VwGO konkretisiert und gewährleistet, dass die Beteiligten sich zu allen entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen äußern können. Er verbietet, eine Gerichtsentscheidung ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt zu stützen, mit dem ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste. Das Gericht ist danach nicht grundsätzlich verpflichtet, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Ein Hinweis ist nur erforderlich, wenn ein Beteiligter bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt nicht zu erkennen vermag, auf welchen Vortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Das ist nicht der Fall, wenn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens damit rechnen musste, dass ein rechtlicher Gesichtspunkt für die Entscheidung erheblich sein könnte.
4Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. März 2010 – 8 C 48.09 (8C 12.08) –, juris Rn.4 m.w.N.
5Hiervon ausgehend liegt eine unzulässige Überraschungsentscheidung nicht deshalb vor, weil der Senat der – nach Lage der Dinge auf einer ungeprüften Übernahme von Angaben der Antragsteller beruhenden - Einschätzung des Facharztes für Psychiatrie H. des Klinikums C. -Nord nicht gefolgt ist, wonach die Antragsteller zu 1. und 2. auf die Unterstützung ihrer – in C. lebenden – Tochter N. angewiesen sind und ein Leben – im Kreis C1. – ohne die Unterstützung dieser Tochter nicht möglich ist. Die Auffassung des Senats, es sei nicht ersichtlich, weshalb eine erforderliche Unterstützung nicht durch die im Kreis C1. lebenden volljährigen Kinder der Antragsteller zu 1. und 2. erbracht werden könne, bedurfte keines vorherigen Hinweises an die Antragsteller. Diese mussten mit dem zitierten Einwand rechnen, da dieser bereits vom Antragsgegner in seinen im Beschwerdeverfahren übersandten Schriftsätzen vom 14. und 27. November 2014 erhoben worden war, ohne dass die Antragsteller dazu Stellung genommen hätten. Die Antragsteller durften schon deshalb auch nicht etwa mit Blick auf den Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. Februar 2015 – L 8 AY69/14 B ER – darauf vertrauen, dass der Senat der Beurteilung des o.g. Facharztes hinsichtlich des Angewiesenseins der Antragsteller zu 1. und 2. gerade auf die Hilfe der Tochter N1. ohne Weiteres folgen würde. Abgesehen davon hat das Landessozialgericht lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung entschieden und seinerseits herausgestellt, dass bei der Beurteilung der leistungsrechtlichen Frage der Hilfegewährung nach § 11 Abs. 2 AsylblG im sozialgerichtlichen Verfahren andere Maßstäbe gelten als bei der ordnungsrechtlichen Frage des erlaubten Aufenthalts.
6Die Annahme, der Senat sei mit Blick auf die Amtsermittlungspflicht gehalten gewesen, den o.g. Facharzt von Amts wegen anzuhören, kann der Anhörungsrüge ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Ein Aufklärungsmangel kann nicht mit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs gleichgesetzt werden. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs begründet keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft und von sich aus ermittelt.
7Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1988 ‑ 2 BvR 1324/87 ‑, NVwZ 1988, 523 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Oktober 2001 - 8 A 951/01.A ‑, S. 3.
8Abgesehen davon ist ein Aufklärungsmangel nicht gegeben. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO ist der Anordnungsanspruch von den Antragstellern glaubhaft zu machen. Der den Verwaltungsprozess prägende Untersuchungsgrundsatz wird dadurch relativiert. Die Beweiserhebung und weitere Ermittlungen bleiben grundsätzlich dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (auf ein solches Hauptsacheverfahren bezieht sich auch die im Anhörungsverfahren angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts). Ein Ausnahmefall, in dem etwas anderes gelten könnte, ist hier nicht gegeben. Im Übrigen ist auch den weiteren Darlegungen im Anhörungsverfahren nichts Durchgreifendes für die Annahme zu entnehmen, die in C1. lebenden Kinder der Antragsteller zu 1. und 2. könnten diese nicht in der gebotenen Weise unterstützen. Weshalb die Berufstätigkeit dieser Kinder dieser Unterstützung entgegensteht, ist nicht ersichtlich, zumal die Antragsteller zu 1 und 2. nach Aktenlage nicht – und schon gar nicht rund um die Uhr – pflegebedürftig sind. Abgesehen davon ist nicht dargetan, dass diese Kinder ihre angebliche Tätigkeit in Wechselschicht nicht so einrichten können, dass regelmäßig ein Kind die Eltern betreuen kann.
9Die sich auf die Betreuerbestellung beziehenden Ausführungen betreffen keinen Anhörungsmangel, sondern erschöpfen sich nach Art einer Beschwerdebegründung in einer allgemeinen Kritik an dem vorangegangenen Beschluss des Senats.
10Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
11Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn
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ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und - 2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.
(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.
(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
(6) § 149 Abs. 1 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Im Rahmen von Leistungen nach diesem Gesetz ist auf die Leistungen bestehender Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme, die Leistungsberechtigten gewährt werden können, hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.
(2) Leistungsberechtigten darf in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie sich einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, von der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständigen Behörde regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Bedarfs für die Reise zu ihrem rechtmäßigen Aufenthaltsort gewährt werden. Leistungsberechtigten darf in den Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie entgegen einer Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt nehmen, von der für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständigen Behörde regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des unabweisbaren Bedarfs für die Reise zu dem Ort gewährt werden, an dem sie entsprechend der Wohnsitzauflage ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen haben. Die Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 können als Sach- oder Geldleistung erbracht werden.
(2a) Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1a erhalten bis zur Ausstellung eines Ankunftsnachweises nach § 63a des Asylgesetzes nur Leistungen entsprechend § 1a Absatz 1. An die Stelle der Leistungen nach Satz 1 treten die Leistungen nach den §§ 3 bis 6, auch wenn dem Leistungsberechtigten ein Ankunftsnachweis nach § 63a Absatz 1 Satz 1 des Asylgesetzes noch nicht ausgestellt wurde, sofern
- 1.
die in § 63a des Asylgesetzes vorausgesetzte erkennungsdienstliche Behandlung erfolgt ist, - 2.
der Leistungsberechtigte von der Aufnahmeeinrichtung, auf die er verteilt worden ist, aufgenommen worden ist, und - 3.
der Leistungsberechtigte die fehlende Ausstellung des Ankunftsnachweises nicht zu vertreten hat.
- 1.
für Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 5, die aus einem sicheren Drittstaat (§ 26a des Asylgesetzes) unerlaubt eingereist sind und als Asylsuchende nach den Vorschriften des Asylgesetzes oder des Aufenthaltsgesetzes erkennungsdienstlich zu behandeln sind, und - 2.
für Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 7, die einer Wohnverpflichtung nach § 71 Absatz 2 Satz 2 oder § 71a Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes in Verbindung mit den §§ 47 bis 50 des Asylgesetzes unterliegen.
(3) Die zuständige Behörde überprüft die Personen, die Leistungen nach diesem Gesetz beziehen, auf Übereinstimmung der ihr vorliegenden Daten mit den der Ausländerbehörde über diese Personen vorliegenden Daten. Sie darf für die Überprüfung nach Satz 1 Name, Vorname (Rufname), Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeiten, Geschlecht, Familienstand, Anschrift, Aufenthaltsstatus und Aufenthaltszeiten dieser Personen sowie die für diese Personen eingegangenen Verpflichtungen nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes der zuständigen Ausländerbehörde übermitteln. Die Ausländerbehörde führt den Abgleich mit den nach Satz 2 übermittelten Daten durch und übermittelt der zuständigen Behörde die Ergebnisse des Abgleichs. Die Ausländerbehörde übermittelt der zuständigen Behörde ferner Änderungen der in Satz 2 genannten Daten. Die Überprüfungen können auch regelmäßig im Wege des automatisierten Datenabgleichs durchgeführt werden.
(3a) Soweit nach einem Datenabruf aus dem Ausländerzentralregister Zweifel an der Identität einer Person, die Leistungen nach diesem Gesetz als Leistungsberechtigter nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, 5 oder 7 beantragt oder bezieht, fortbestehen, erhebt die zuständige Behörde zur weiteren Überprüfung der Identität Fingerabdrücke der Person und nimmt eine Überprüfung der Identität mittels der Fingerabdruckdaten durch Abfrage des Ausländerzentralregisters vor. Die Befugnis nach Satz 1 setzt keinen vorherigen Datenabgleich mit der Ausländerbehörde nach Absatz 3 voraus. Von den Regelungen des Verwaltungsverfahrens in den Sätzen 1 und 2 kann durch Landesrecht nicht abgewichen werden.
(3b) Die Verarbeitung der Identifikationsnummer nach dem Identifikationsnummerngesetz durch die zuständige Behörde ist zum Zwecke der Erbringung von Verwaltungsleistungen nach dem Onlinezugangsgesetz zulässig.
(4) Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem
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eine Leistung nach diesem Gesetz ganz oder teilweise entzogen oder die Leistungsbewilligung aufgehoben wird oder - 2.
eine Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a oder § 11 Absatz 2a festgestellt wird.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.