Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts B-Stadt vom 09.09.2013 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird für das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils ‎zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung im Sinne des ‎‎§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind immer schon dann begründet, wenn ein einzelner tragender ‎Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage ‎gestellt wird. Geboten ist eine summarische Prüfung des Zulassungsvorbringens auf die ‎schlüssige Infragestellung der Auffassung des Verwaltungsgerichts. Ernstliche Zweifel sind ‎nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen ‎Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, ‎B. v. 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 -, BVerfGE 110, 77 <83>; BVerfG 3. Kammer des Ersten ‎Senats, B. v. 21.01.2009 -, 1 BvR 2524/06). Dabei hat das Zulassungsverfahren nicht die ‎Aufgabe, das Berufungsverfahren vorwegzunehmen (vgl. BVerfG 2. Kammer 1. Senat, B. v. ‎‎23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163).‎

3

Derartige Zweifel werden in der Zulassungsschrift nicht aufgezeigt. ‎

4

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend eine atypische Grundstückssituation vorausgesetzt, damit eine Abweichung nach § 67 LBauO M-V von den Abstandsflächenvorschriften des § 6 LBauO M-V in Betracht kommt. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der ‎Landesbauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen ‎Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 ‎LBauO M-V vereinbar sind.

5

Die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts setzt einen Sachverhalt voraus, der von dem ‎der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zu Grunde liegenden Normalfall in so ‎deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, ‎die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Dabei muss es sich um eine ‎grundstücksbezogene Atypik handeln. § 67 LBauO M-V ist kein Instrument zur Legalisie‎rung gewöhnlicher Rechtsverletzungen (OVG Greifswald, U. v. 04.12.2013 – 3 L 143/10 unter Hinweis auf vgl. OVG Münster, U. v. 29.10.2012 – 2 A 723/11 – ‎Juris Rn. 82 mwN).‎ Diese grundstücksbezogene Atypik liegt in der Regel in einem außergewöhnlichen Grundstückszu‎schnitt, der für eine Bebauung, die sich an diesem Standort auch nach der Bebauung der näheren Umgebung als angemessen darstellt, ‎wenig Raum lässt (vgl. OVG Greifswald a.a.O.).

6

Eine abweichende Grundstücksgestaltung ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Das Grundstück weist nahezu rechtwinklig aufeinanderstoßende gerade Grundstücksgrenzen auf. Das Grundstück hat den typischen Zuschnitt eines Baugrundstücks. Wie die Antragsteller selbst in der Begründung ihres Abweichungsantrags ausgeführt haben, beruht ihr Bedürfnis auf eine Abweichung darauf, dass nicht das Grundstück ungünstig geschnitten ist, sondern dass es bereits mit anderen Gebäuden bebaut ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Umstand eine Abweichung nicht rechtfertigt.

7

Aus dem Beschluss des Senats vom 17.01.2005 – 3 M 37/04 können die Kläger nichts Abweichendes herleiten. Diese Entscheidung betrifft § 6 Abs. 14 LBauO M-V a.F. Danach konnten in überwiegend bebauten Gebieten geringere Tiefen der Abstandflächen gestattet werden, wenn die Gestaltung des Straßenbildes oder besondere städtebauliche Verhältnisse dies rechtfertigen und Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen. Hier hatte der Senat darauf hingewiesen, dass § 6 Abs. 14 LBauO M-V a.F. der Baugenehmigungsbehörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Ermessen hinsichtlich der Gestattung geringerer Abstandsflächen einräumt. Um eine solche Fallgestaltung geht es hier nicht. Im übrigen enthält die Landesbauordnung in der geltenden Fassung eine solche Vorschrift nicht.

8

Die Kläger berufen sich weiter darauf, dass bereits eine umfangreiche Grenzbebauung vorhanden sei.

9

Soweit die Kläger sich damit auf ihre eigene Grenzbebauung berufen wollen, ist offenkundig, dass sich hieraus kein Ermessensgesichtspunkt ergeben könnte, der trotz Fehlens einer atypischen Grundstückslage eine Abweichung rechtfertigt. Soweit die Kläger sich auf die Bebauung des Nachbargrundstückes berufen sollten, können sie hieraus keinen Anspruch auf Bebauung unter Verletzung der Abstandsflächenvorschriften herleiten. Zwar gilt der Grundsatz, dass dann, wenn der Nachbar seinerseits den erforderlichen Abstand nicht einhält und sich dennoch ‎gegen einen vergleichbaren Rechtsverstoß durch ein Vorhaben auf dem angrenzenden ‎Grundstück zur Wehr setzen will, darin eine unzulässige Rechtsausübung liegt (OVG Greifswald a.a.O. unter Bezugnahme auf VGH Mannheim ‎U. v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - BRS 65 Nr. 193; OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A ‎‎1402/98 - BRS 64 Nr. 188). Dieser Grundsatz rechtfertigt es aber nicht, über die Voraussetzungen des § 67 LBauO M-V hinaus das eigene Grundstück unter Verletzung von abstandsrechtlichen Vorschriften zu bebauen unter Berufung darauf, der Nachbar halte diese Vorschriften in ähnlicher Weise nicht ein.

10

Die Kläger können sich auch nicht auf eine etwaige Zustimmungserklärung der Beigeladenen berufen. Dieser Umstand würde nichts daran ändern, dass die objektiven Voraussetzungen für eine Abweichungsentscheidung nicht vorliegen. Das Bauordnungsrecht steht nicht zur Disposition von zwei Nachbarn. Zunächst geht es allein um die Einhaltung der objektiv rechtlichen Abstandsflächenvorschrift des § 6 LBauO M-V. Allenfalls im Rahmen einer Ermessensentscheidung, zu der der Weg vorliegend aber nicht geöffnet ist, könnte der Umstand berücksichtigt werden, ob die Nachbarn einer derartigen Bebauung zustimmen.

11

Soweit sich die Kläger auf die Zielrichtung der Abstandsflächenvorschriften beziehen, einen sogenannten Sozialabstand einzuhalten, betrifft dies allein den Umstand, dass Gebäude objektiv nicht so nah zueinander rücken sollen, dass die baurechtlich vorgesehene Nutzung sich gegenseitig beeinträchtigt. Welche individuelle Haltung Nachbarn gegenüber der Bebauung einnehmen, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

12

Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Gemeindevertretung der Gemeinde A-Stadt dem Abweichungsantrag der Kläger positiv gegenübersteht. Im Rahmen des Bauordnungsrechtes kommt der Gemeinde von vornherein keine Entscheidungsbefugnis zu.

13

2. Die Darlegung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die ‎Angriffe des Rechtmittelführers begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der ‎erstinstanzlichen Entscheidung geben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren ‎klären lassen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern. Besondere ‎tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Sache nur dann auf, wenn sie in ‎tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht überdurchschnittliche, das normale Maß nicht ‎unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Ob eine Sache in tatsächlicher oder ‎rechtlicher Hinsicht schwierig ist, ergibt sich häufig schon aus dem Begründungsaufwand des ‎erstinstanzlichen Urteils. Der Antragsteller genügt seiner Darlegungslast dann regelmäßig mit ‎erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Passagen des Urteils. Soweit er die ‎Schwierigkeiten des Falles darin erblickt, dass das Gericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte ‎nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, ‎ist zu fordern, dass er diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darstellt und ihren ‎Schwierigkeitsgrad plausibel macht (BVerfG 2. Kammer 1. Senat, B. v. 23.06.2000 - 1 BvR ‎‎830/00 - NVwZ 2000, 1163 = NordÖR 2000, 453).‎

14

Die obigen Darlegungen zeigen, dass nicht nur ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht gegeben sind, sondern auch dass die Sach- und Rechtslage keine besonderen Schwierigkeiten aufweist. Die Einholung eines Gutachtens zur Klärung der Bebauungsmöglichkeiten des Grundstücks der Kläger ändert hieran nichts. Für die rechtliche Beurteilung in diesem Verfahren kommt es darauf nicht an, da – wie dargelegt – allein auf den Zuschnitt des Grundstücks abzustellen ist. Die durch das Gutachten möglicherweise sich ergebenden einschränkenden Bebauungsmöglichkeiten ergeben sich alleine aus der bereits vorhandenen Bebauung.

15

‎3. Gemäß gem. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn das Urteil von einer ‎Entscheidung u.a. des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts oder des ‎erkennenden Gerichts - Abweichungen von der Rechtsprechung anderer ‎Oberverwaltungsgerichte sind unerheblich - abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Für ‎den Zulassungsgrund der Divergenz muss dargelegt werden, dass ein vom Verwaltungsgericht ‎gebildeter, tragender abstrakter, inhaltlich bestimmter Rechtssatz entweder ausdrücklich ‎gebildet worden ist oder sich doch aus der Entscheidung eindeutig in der Weise ergibt, dass ‎das Verwaltungsgericht von einem abstrakten, fallübergreifenden Rechtssatz ausgegangen ist ‎und seinen Erwägungen zugrundegelegt hat. Dieser Rechtssatz muss von einem Rechtssatz ‎abweichen, der aus einer benannten konkreten Entscheidung im Instanzenzug zu gewinnen ist. ‎Eine - angeblich - nur unrichtige Anwendung eines in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ‎entwickelten und vom Verwaltungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den ‎Einzelfall stellt keine Abweichung dar. Die Divergenzrüge kann insbesondere nicht gegen eine ‎reine Tatsachenwürdigung im Einzelfall erhoben werden (vgl. OVG Greifswald, B. v. 21.03.2001 ‎‎- 1 M 115/00 -; so auch im Ergebnis - allerdings unter entsprechender Anwendung des § 144 ‎Abs. 4 VwGO für den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO – OVG Greifswald, B. v. ‎‎26.10.1999 - 2 O 379/98 -, NordÖR 2000, 154 m.w.N.). ‎

16

Wie bereits ausgeführt, behandelt die Entscheidung des Senates vom 17.01.2005 – 3 M 37/04 – eine andere Vorschrift als § 67 LBauO M-V in der nunmehr geltenden Fassung. Schon deswegen kann eine Abweichung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in diesem Verfahren von jener aus dem Jahre 2005 nicht vorliegen.

17

4. Eine Aufklärungsrüge kann zwar als Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 ‎VwGO) geltend gemacht werden. Hier jedoch gilt, dass – wie oben bereits dargelegt – es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall auf die Einholung des beabsichtigten Gutachtens nicht ankommt.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO sowie §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.‎

19

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 47 GKG.‎

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 04. Dez. 2013 - 3 L 143/10

bei uns veröffentlicht am 04.12.2013

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 verpflichtet, üb
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 25. Juni 2014 - 3 L 218/13.

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Okt. 2018 - 2 A 2421/16 SN

bei uns veröffentlicht am 18.10.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höh

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 27. Juni 2018 - 1 L 105/15

bei uns veröffentlicht am 27.06.2018

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Februar 2015 – 2 A 809/12 – wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird für d

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung einschließlich der beantragten Abweichung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung für die Änderung eines in 3 m Entfernung von der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes.

2

Das Gebäude befindet sich auf den Flurstücken ... und ... der Flur y, Gemarkung A-Stadt. Es ist in einem Abstand von 3 m zur gemeinsamen Grenze mit dem Nachbargrundstück der Beigeladenen (Flurstück ... der Flur y, Gemarkung A-Stadt) errichtet. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 7,80 m x 7,50 m. Im Erdgeschoss befinden sich eine Garage, ein Flur, ein Hobbyraum, ein Hauswirtschaftsraum sowie ein Raum mit WC und Dusche. Nachdem die dem Kläger bereits erteilte Baugenehmigung vom 11.06.2007 ein eingeschossiges Gebäude mit Flachdach vorgesehen hatte, begehrt der Kläger nunmehr die Änderung der Genehmigung für ein - so auch bereits errichtetes - eineinhalbgeschossiges Gebäude mit Satteldach. Im Obergeschoss ist ein Lagerraum vorgesehen, der nur in dem etwa 1,80 m breiten mittleren Bereich eine Höhe von 2,30 m erreicht. Der Zugang zu diesem Lagerraum ist über eine Außentreppe mit Podest auf der dem Grundstück des Beigeladenen zugewandten Südostseite des Gebäudes geplant. Dieser Gebäudeteil mit einer Breite von 4,80 m und einer Tiefe von 1 m soll nördlich angeordnet werden und auf eine Entfernung von 2 m an die gemeinsame Grundstücksgrenze heranrücken. Das Dach weist über die gesamte Breite der Südostseite einen Überstand von 1 m auf.

3

Am 21.08.2007 beantragte der Kläger beim Beklagten die Genehmigung dieser Änderung im vereinfachten Verfahren nach § 63 LBauO M-V. Die Gemeinde erteilte hierzu das Einvernehmen. Mit Schreiben vom 12.10.2007 forderte der Beklagte den Kläger auf, für eine Fläche von 7,50 m x 1 m eine Abstandflächenbaulast nachzuweisen, da in diesem Umfang die Abstandfläche auf das Nachbargrundstück falle. Mit der unter dem 14.11.2007 erfolgten Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung verlängerte der Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 63 Abs. 2 LBauO M-V um einen Monat.

4

Mit Bescheid vom 18.12.2007 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Begründung ab, es fehle an einem Sachbescheidungsinteresse, weil die Treppe abstandflächenrechtlich unzulässig sei. Es handele sich nicht um ein gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V begünstigtes Bauteil, weil die Treppe nicht - wie die beispielhaft aufgezählten Gesimse und Dachüberstände - ausschließlich gestalterische Zwecke verfolge, sondern für die Benutzung, nämlich für den Zugang ins Dachgeschoss notwendig sei. Die Treppe sei eine Anlage, von der - wie sich aus ihrer Ausdehnung von fast 5 m Länge und mehr als 3 m Höhe ergebe, wobei für letztere auch das Geländer zu berücksichtigen sei - Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen. Die mögliche Einsichtnahme auf das Nachbargrundstück vom Podest der Außentreppe störe den nachbarlichen Frieden.

5

Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus: Im Falle einer Genehmigung des Vorhabens wäre auf Grund der Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen (Bauordnungs-)Rechts eine Nutzungsuntersagung für die in Rede stehende Außentreppe zu verfügen. In Abwägung des Interesses des Klägers am Erhalt der beantragten Baugenehmigung mit dem öffentlichen Interesse an der Unterbindung baurechtswidriger Zustände überwiege das öffentliche Interesse. Die Pflicht der unteren Bauaufsichtsbehörde darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten würden, ergebe sich aus § 58 Abs. 1 LBauO M-V.

6

Der Kläger reichte am 02.11.2010 erneut einen "Nachtrag zur Baugenehmigung" ein, der sich von dem ursprünglichen Änderungsantrag dadurch unterschied, dass die geplante Außentreppe südlich (statt nördlich) angeordnet werden sollte. Aus den selben Gründen, aus denen bereits die ursprünglich beantragte Änderungsgenehmigung versagt worden war, lehnte die Beklagte die Erteilung einer Baugenehmigung mit Bescheid vom 25.01.2011 ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2011 zurück.

7

Bereits am 16.05.2008 hatte der Kläger wegen des ursprünglichen Änderungsvorhabens (mit nördlich angeordneter Außentreppe) Klage erhoben und geltend gemacht: Die Außentreppe habe nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V als Bauteil bei der Bemessung der Abstandflächen unberücksichtigt zu bleiben. Die Entscheidung, einen Antrag wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses abzulehnen, stelle eine Ermessensentscheidung dar. Die ablehnende Entscheidung vom 18.12.2007 enthalte jedoch keine Ermessenserwägungen. Auch die Erwägungen im Widerspruchsbescheid reichten nicht aus. U.a. werde die Möglichkeit einer Abweichung nach § 67 LBauO M-V nicht berücksichtigt. Die Treppe trete auf Grund ihrer Abmessungen, ihrer Baumasse und ihrer "transparenten" offenen Ausführungsart nur relativ geringfügig in Erscheinung und beeinträchtige die Schutzfunktion der Abstandflächen nicht mehr als ein nach § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V zulässiger Balkon.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung zu erteilen.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen: Die Außentreppe sei kein untergeordnetes Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V, sondern ein wesentliches, weil für die Erschließung des Dachgeschosses notwendiges Bauteil. Es handele sich um eine Anlage, von der Wirkungen wie von Gebäuden ausgingen. Da ein Abweichungsantrag nicht gestellt worden sei, habe ein solcher auch nicht Gegenstand von Ermessenserwägungen sein können.

13

Der Beigeladene zu 1. hat keinen Antrag gestellt. Die Beigeladenen zu 2. und 3. waren im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht beteiligt.

14

Das Verwaltungsgericht Greifswald hat die Klage mit Urteil vom 23.06.2010 abgewiesen und ausgeführt: Eine Baugenehmigungsfiktion dürfte nicht eingetreten sein, weil der Beklagte die Frist zur Entscheidung über den Bauantrag habe verlängern können und auch verlängert habe. Die Frage, ob dem Kläger wegen Eintritts einer Baugenehmigungsfiktion bereits das Rechtsschutzinteresse fehle, könne aber letztlich offen bleiben. Jedenfalls habe der Beklagte die beantragte Baugenehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagen dürfen. Es liege ein offensichtlicher Verstoß gegen Vorschriften des Abstandflächenrechts vor. Bei der Außentreppe handele es sich nicht um ein Bauteil bzw. einen Vorbau, der bei der Bemessung der Abstandfläche außer Betracht bleibe. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine Abweichung zu beantragen, ändere nichts an der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens, weil nicht ersichtlich sei, dass der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Abweichung nach dieser Vorschrift habe oder der Beklagte ihm eine Abweichung erteilen wolle, und weil der Kläger auch nicht den nach § 67 Abs. 2 LBauO M-V erforderlichen Antrag gestellt habe. Das ihm bei der Versagung einer Baugenehmigung mangels Sachbescheidungsinteresse zustehende Ermessen habe der Beklagte spätestens mit dem Widerspruchsbescheid fehlerfrei ausgeübt.

15

Gegen das am 29.06.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.07.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am Montag, den 30.08.2010 begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 08.02.2011, zugestellt am 17.02.2011, die Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 63 LBauO M-V mangels Sachbescheidungsinteresses abgelehnt werden darf, weil dem Vorhaben in diesem Verfahren gerade nicht zu prüfende bauordnungsrechtliche Vorschriften entgegen stehen.

16

Der Kläger hat die Berufung am 17.03.2011 begründet. Er trägt vor: Es treffe zu, dass eine Baugenehmigungsfiktion nicht eingetreten sei. Die beantragte Baugenehmigung dürfe nicht wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses versagt werden. Das Abstandflächenrecht sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gerade nicht Prüfungsgegenstand. Der Fall, dass der Antragsteller an der Verwertung der begehrten Genehmigung gehindert sei und das Hindernis sich schlechthin nicht ausräumen lasse, liege nicht vor. Die Baugenehmigung sei im Übrigen für den Bauherrn nicht etwa schon dann ersichtlich nutzlos, wenn die Behörde einen Verstoß gegen materielles Bauordnungsrecht feststelle, weil die Entscheidung über ein Einschreiten im Ermessen der Behörde stehe.

17

Der vom Verwaltungsgericht angenommene Verstoß gegen die Vorschriften des Abstandflächenrechts sei zweifelhaft. Dass ein Bauteil im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V "untergeordnet" sein müsse, sei weder in der Vorschrift ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal gefordert noch folge dies aus der beispielhaften Aufzählung von Bauteilen. So dienten Dachüberstände ganz überwiegend dem Schutz des Gebäudes vor Witterungseinflüssen und hätten damit eine ganz eigenständige Funktion, die dem Gebäude nicht stärker untergeordnet sei als eine Außentreppe zum Dachgeschoss. Im übrigen handele es sich bei der Treppe aber auch um ein untergeordnetes Bauteil, weil sie sich von ihrer Ausgestaltung und ihren Abmessungen auf das zur Erfüllung ihrer Funktion Erforderliche beschränke. Sie trete zudem auf Grund ihrer Abmessungen, ihrer Baumasse und ihrer "transparenten" offenen Ausführungsart nur relativ geringfügig in Erscheinung, so dass die Belange des Abstandflächenrechts allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Wohnfriedens betroffen sein könnten. Die eventuell von der Treppe aus ermöglichte Einsicht des Nachbargrundstücks führe hier aber zu keiner größeren oder lästigeren Beeinträchtigung als dies bei in die Außenwand eingelassenen Fenstern oder einem nach § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V abstandflächenrechtlich privilegierten Balkon der Fall wäre.

18

Im übrigen sei die geplante Außentreppe abstandflächenrechtlich auch dann, wenn man sie nicht als untergeordnetes Bauteil einstufen wolle, ohne Abweichung zulässig. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten des Verlaufs der Grundstücksgrenze. Soweit die durch die Außentreppe etwa ausgelöste Abstandfläche mit einer Länge von 2,27 m und einer Tiefe von 1 m auf das Nachbargrundstück falle, liege dieser Bereich in einer "Ecke" des Nachbargrundstücks, die ohnehin nicht bzw. nur mit den ohne Abstandflächen zulässigen baulichen Anlagen bebaut werden dürfe, wobei die entsprechende Fläche sich auch nicht mit den für die potentielle Bebauung des Nachbargrundstücks notwendigen Abstandflächen überschneide.

19

Schließlich beschränke sich die Befugnis der Behörde zur Berücksichtigung nicht zu prüfender Gesichtspunkte auf eine Evidenzkontrolle. Im vorliegenden Fall erscheine aber die Legalisierung im Wege einer Abweichung mit gewisser Aussicht auf Erfolg möglich.

20

In der mündlichen Verhandlung am 04.12.2013 hat der Kläger zu Protokoll des Gerichts beantragt, eine Abweichung nach § 67 LBauO M-V für das streitgegenständliche Vorhaben sowie für das mit Antrag vom 02.11.2010 zur Genehmigung gestellte Vorhaben zu erteilen.

21

Der Kläger beantragt,

22

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 23.06.2010 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 18.12.2007 und seines Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 zu verpflichten, ihm die beantragte Baugenehmigung sowie die beantragte Abweichung zu erteilen,

23

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die am 02.11.2010 beantragte Baugenehmigung sowie die beantragte Abweichung zu erteilen.

24

Der Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Er trägt vor: Bei der Außentreppe handele es sich nicht um ein für die Bemessung der Abstandflächen unbeachtliches Bauteil. Sie erfülle einen funktionalen Hauptzweck, ohne den das Dachgeschoss nicht nutzbar wäre. Dies sei für die Bauaufsichtsbehörde ohne umfassende Prüfung erkennbar gewesen. Da die Treppe nur einen Abstand von 2 m zur Grundstücksgrenze aufweise und der Nachbar eindeutig zu erkennen gegeben habe, dass er einer Übernahme der Abstandflächen auf sein Grundstück nicht zustimmen werde, sei es für die Bauaufsichtsbehörde evident, dass sich der bauordnungsrechtliche Hinderungsgrund schlechthin nicht ausräumen lasse. Es sei offensichtlich, dass von einer Baugenehmigung kein Gebrauch gemacht werden könnte. Wie der Abstandflächenverstoß im Wege einer Abweichung legalisiert werden könnte, sei nicht ersichtlich. Der Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts zwinge die Bauaufsichtsbehörde, gegen den ihr bekannten Rechtsverstoß umgehend einzuschreiten; ihr Ermessen tendiere gegen Null.

27

Die Beigeladenen zu 2. und 3. sind im Berufungsverfahren beigeladen worden. Sie stellen ebenso wie der Beigeladene zu 1. keine Anträge. Der Beigeladene zu 2. trägt vor: Er verwahre sich gegen den Bau der Außentreppe, da diese massive Auswirkungen auf die Nutzung seines Grundstücks hätte. Der Eingang seines Hauses liege genau an der Grundstücksgrenze und sei derzeit durch einen blickdichten Zaun vom Nachbargrundstück getrennt, über den der Kläger aber, sollte die Treppe genehmigt werden, ohne Schwierigkeiten hinwegblicken und genau in seinen Hauseingang hineinsehen könnte. Auch seine Terrasse liege unmittelbar neben der Haustür und könnte durch den Kläger ebenfalls uneingeschränkt eingesehen werden. Hinzu komme, dass bereits die jetzige Bebauung auf dem Grundstück des Klägers ihn beeinträchtige. Bei einem Blick aus der Haustür nach links sehe er nur noch auf Mauern. Sollte nun auch die Treppe gebaut werden dürfen, würde die bisherige fast schon bedrohlich wirkende Situation noch verschärft werden. Die Durchführung eines Ortstermins werde angeregt. Sollte der Klage stattgegeben werden, werde er wegen der Verletzung der Abstandflächen ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde beantragen.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die Berufung hat mit dem Hauptantrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

30

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere, nachdem der Beschluss über die Zulassung der Berufung den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.02.2011 zugestellt worden war, mit dem am 17.03.2011 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tage fristgerecht binnen eines Monats begründet worden, § 124a Abs. 6 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

31

Der Hauptantrag ist zulässig, auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz die Klage auf die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts erweitert hat. Diese Erweiterung der Klage ist sachdienlich, § 91 Abs. 1 VwGO. Der Streitstoff bleibt im Wesentlichen derselbe, und die Klageänderung dient der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs, so dass ein weiterer Prozess vermieden wird.

32

Die Ablehnung der Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Abweichungsbegehrens und in diesem Zusammenhang auf erneute Entscheidung über die Erteilung der beantragten Baugenehmigung.

33

Der Kläger ist nicht bereits Inhaber einer Baugenehmigung. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass das Vorhaben im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen war, ist eine Baugenehmigungsfiktion nach § 63 Abs. 2 Satz 2 LBauO M-V nicht eingetreten. Die dreimonatige Frist zur Entscheidung über den Bauantrag gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, 1. HS LBauO M-V, die mit dem Eingang des Antrags am 21.08.2007 in Lauf gesetzt worden war, wurde mit dem Anhörungsschreiben des Beklagten vom 14.11.2007 um einen Monat verlängert, § 63 Abs. 2 Satz 1, 2. HS LBauO M-V. Diese verlängerte Frist wurde durch den ablehnenden Bescheid vom 18.12.2007 gewahrt.

34

Grundsätzlich ist eine beantragte Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, § 72 Abs. 1 LBauO M-V. Soweit der Anwendungsbereich des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens eröffnet ist, prüft die Bauaufsichtsbehörde gemäß § 63 Abs. 1 LBauO M-V (1.) die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, (2.) beantragte Abweichungen im Sinne des § 67 Abs. 1 und 2 Satz 2 LBauO M-V sowie (3.) andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt oder ersetzt wird. Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung eine Abweichung insoweit ausdrücklich beantragt hat, ist daher in jedem Fall auch das Abstandflächenrecht Prüfungsgegenstand.

35

Bedenken gegen die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gemäß §§ 29 ff. BauGB bestehen nicht. Ebenso wenig sind sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens erkennbar, außer im Hinblick auf die Anforderungen des § 6 LBauO M-V. Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts zu, § 67 Abs. 1 LBauO M-V.

36

Das Vorhaben steht mit den Vorschriften des Abstandflächenrechts gemäß § 6 LBauO M-V nicht in Einklang. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese müssen auf dem Grundstück selbst liegen, § 6 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V. Die Tiefe der Abstandfläche beträgt 0,4 H, mindestens aber 3 m, wobei das Maß H der Wandhöhe von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand entspricht (§ 6 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V). Gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V bleiben vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht. Entsprechendes gilt gemäß § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V für Vorbauten, wenn sie a) insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand in Anspruch nehmen, b) nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und c) mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben. Gemäß § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V sind in den Abstandflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandflächen Garagen und Gebäude ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig. Diese Voraussetzungen erfüllt das Vorhaben des Klägers nicht.

37

Zwar hält der Baukörper selbst die gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 LBauO M-V erforderliche Abstandfläche von 0,4 H, mindestens aber 3 m ein. Da der südöstliche Giebel 6,17 m hoch ist, wären 0,4 H lediglich 2,47 m, so dass es ausreicht, dass die Mindestabstandfläche von 3 m gewahrt wird. Die Außentreppe zum Obergeschoss soll jedoch lediglich 2 m entfernt von der Grundstücksgrenze errichtet werden; sie hält damit den erforderlichen Grenzabstand von 3 m nicht ein.

38

Um ein abstandflächenrechtlich insgesamt privilegiertes Gebäude nach § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V handelt es sich nicht, weil im Erdgeschoss des Gebäudes ein Hobbyraum und damit ein Aufenthaltsraum vorgesehen ist (vgl. Heintz in: Gädtke u.a. BauO NRW 11. Aufl. 2008 § 2 Rn. 233 f.).

39

Die Außentreppe kann bei der Bemessung der Abstandflächen auch nicht gemäß § 6 Abs. 6 LBauO M-V unberücksichtigt bleiben. Die Treppe ist kein "vor die Außenwand vortretendes Bauteil wie Gesimse und Dachüberstände" im Sinne des § 6 Abs. 6 Nr. 1 LBauO M-V. Eigenständig benutzbare Teile bzw. Teilbereiche des Gebäudes können allenfalls unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V abstandflächenrechtlich privilegiert sein. Denn dieser Regelung ist die Wertung zu entnehmen, dass eine mit der Gewinnung weiterer nutzbarer Fläche verbundene Ausdehnung des Baukörpers in die Abstandflächen jedenfalls nur bei Einhaltung der in der Vorschrift konkret bestimmten Abmessungen zulässig sein soll. Gegen diese Unterscheidung von Bauteilen und Vorbauten kann auch nicht die bis zum 01.09.2006 geltende Fassung der entsprechenden Regelung der Landesbauordnung angeführt werden. Nach deren § 6 Abs. 7 blieben vor die Außenwand vortretende Bauteile, wie Gesimse, Dachvorsprünge, Blumenfenster, Hauseingangstreppen und deren Überdachungen, sowie Vorbauten, wie Erker und Balkone, bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht, wenn sie nicht mehr als 1,50 m vortraten; von gegenüberliegenden Nachbargrenzen mussten sie mindestens 2 m entfernt bleiben. In dieser Vorschrift wurden zumindest Hauseingangstreppen (denen in der Rechtsprechung zum Teil äußere Zugangstreppen in Obergeschosse gleich gestellt wurden, vgl. OVG Koblenz B. v. 21.05.1996 - 8 B 11 166/96 - NVwZ-RR 1997, 668, 669 und OVG Saarlouis U. v. 30.07.1991 - 2 R 451/88 - BRS 52 Nr. 99 = Juris Rn. 29 ff.; anders OVG Münster U. v. 17.01.2008 - 7 A 2761/06 - Juris Rn. 22 ff.) als vor die Außenwand vortretende Bauteile und nicht als Vorbauten angesehen. Diese Rechtsprechung kann zur heutigen Gesetzesfassung jedoch nicht mehr herangezogen werden. Handelt es sich vorliegend nicht um ein vor die Außenwand vortretendes Bauteil, so kommt es auf die Frage, ob und inwieweit dessen abstandflächenrechtliche Privilegierung zusätzlich eine Unterordnung funktionaler und/oder quantitativer Art erfordert (vgl. VGH München U. v. 23.03.2010 - 15 B 08.2180 - Juris Rn. 25; Rauscher in Simon/Busse BayBO Art. 6 Rn. 406 ff.; vgl. auch die Ausführungen des Senats zu § 10 Abs. 3 Satz 3 BauNVO im U. v. 18.04.2012 - 3 L 3/08 -, S. 13), nicht mehr an.

40

Die Außentreppe erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 6 Nr. 2 LBauO M-V. Sie entspricht jedenfalls nicht den dortigen Maßfestlegungen, weil sie insgesamt mehr als ein Drittel der Breite der entsprechenden Außenwand in Anspruch nimmt. Welche Anforderungen im übrigen an einen Vorbau zu stellen sind, insbesondere ob dessen Höhe auf die Höhe eines Geschosses begrenzt sein muss (vgl. OVG Berlin B. v. 25.03.1993 – 2 S 4.93 – BRS 55 Nr. 21 = Juris Rn. 32; OVG Münster B. v. 29.11.1985 – 7 B 2402/85 – BRS 44 Nr. 101; vgl. auch die ausdrückliche gesetzliche Regelung für Erker in Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO), und ob es auch unter der aktuellen Gesetzeslage einer funktionalen Zu- und Unterordnung im Verhältnis zu dem hinter dem Vorbau liegenden Bereich des Hauptgebäudes bedarf (vgl. die Rechtsprechung des Senats zur früheren Gesetzeslage: U. v. 26.10.2000 – 3 L 106/00 – Juris Rn. 23 mwN; U. v. 23.06.1998 – 3 L 227/97 – NordÖR 1998, 402 = Juris Rn. 56; B. v. 12.07.1996 – 3 M 36/96 – Juris Rn. 23 mwN; vgl. aber auch VGH München B. v. 14.06.2007 – 1 CS 07.265 – Juris Rn. 34, wo für das dortige Landesrecht eine entsprechende Auffassung als durch die Neufassung der Abstandflächenvorschriften überholt angesehen wird), kann deshalb dahinstehen.

41

Der Verstoß kann jedoch durch die Zulassung einer Abweichung ausgeräumt werden. Dies gilt auch, soweit der Dachüberstand nicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht bleibt (zur Tiefe des nach dieser Vorschrift bei der Bemessung der Abstandflächen außer Betracht bleibenden Dachüberstandes vgl. U. d. Senats v. 18.04.2012 - 3 L 3/08 - S. 13 mwN).

42

Die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V liegen vor. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von Anforderungen der Landesbauordnung zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen, insbesondere den Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V vereinbar sind. Der gemäß § 67 Abs. 2 LBauO M-V erforderliche gesonderte schriftliche Antrag ist nunmehr gestellt worden; die erforderliche Begründung ergibt sich aus dem Vortrag im gerichtlichen Verfahren.

43

Die Erteilung einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie setzt allerdings einen Sachverhalt voraus, der von dem der gesetzlichen Regelung der Abstandflächen zu Grunde liegenden Normalfall in so deutlichem Maß abweicht, dass die strikte Anwendung des Gesetzes zu Ergebnissen führt, die der Zielrichtung der Norm nicht entsprechen. Dabei muss es sich um eine grundstücksbezogene Atypik handeln. § 67 LBauO M-V ist kein Instrument zur Legalisierung gewöhnlicher Rechtsverletzungen (vgl. OVG Münster, U. v. 29.10.2012 – 2 A 723/11 – Juris Rn. 82 mwN).

44

Diese grundstücksbezogene Atypik liegt hier in dem außergewöhnlichen Grundstückszuschnitt mit einer Grundstücksgrenze, die von der Höhe der Wohnhäuser bis zur Straße mehrfach zu Lasten des klägerischen Grundstücks verspringt und für ein Gebäude mit einer Kubatur wie vom Kläger beantragt an diesem Standort, an dem sich eine entsprechende Bebauung auch nach der Bebauung der näheren Umgebung als angemessen darstellt, wenig Raum lässt. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass auf dem betroffenen Nachbargrundstück in dem Bereich zur Straße hin ebenfalls ein nicht nur grenznahes, sondern grenzständiges Nebengebäude vorhanden ist, und sich auf dem Grundstück des Klägers in Höhe des Vorhabenstandortes in der Vergangenheit bereits ein grenzständiges Nebengebäude befand, das erst im Zusammenhang mit der Errichtung des nunmehrigen Gebäudes abgerissen wurde. Allerdings erstreckt sich das Grundstück des Klägers noch weit in den rückwärtigen, von der Straße aus gesehen jenseits der Wohnhäuser liegenden Bereich. Auf die Frage, ob eine Anordnung des Gebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich bauplanungsrechtlich zulässig wäre, wie die Vertreterin des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, kommt es jedoch nicht an. Der Kläger kann nicht darauf verwiesen werden, das Gebäude im rückwärtigen Grundstücksbereich zu errichten, weil dieses auch eine Garage umfasst, und die Zufahrt zu dieser bei entsprechender Anordnung des Gebäudes über eine erhebliche Länge am Wohnhaus vorbei in den rückwärtigen Grundstücksbereich geführt werden müsste. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung der dortigen Nachbarn nicht angemessen.

45

Bei dem grenzständigen Nebengebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen zu 2. und 3. handelt es sich um eine dem heutigen Abstandflächenrecht nicht entsprechende Bebauung erheblichen Umfangs, mit der Folge dass diese gehindert wären, eine Verletzung der Abstandflächen geltend zu machen. Das Stallgebäude auf dem Flurstück ... ist mit seiner etwa 7 m breiten südwestlichen Giebelseite vollständig grenzständig errichtet und überschreitet eine Höhe von 3 m deutlich. Die etwa 15 m langen Nordwestseite des Stallgebäudes hält zum Nachbargrundstück des Klägers lediglich einen Abstand von zwischen 2 m an der nördlichen Ecke und 0,6 m an der westlichen Ecke ein. Damit wird auch die Vorgabe des § 6 Abs. 7 Satz 2 nicht beachtet, nämlich dass die Länge der die Abstandflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden privilegierten Bebauung auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten darf.

46

Hält der Nachbar seinerseits den erforderlichen Abstand nicht ein und setzt sich dennoch gegen einen vergleichbaren Rechtsverstoß durch ein Vorhaben auf dem angrenzenden Grundstück zur Wehr, so liegt eine unzulässige Rechtsausübung vor (vgl. VGH Mannheim U. v. 18.11.2002 - 3 S 882/02 - BRS 65 Nr. 193; OVG Münster U. v. 24.04.2001 - 10 A 1402/98 - BRS 64 Nr. 188). Für die Vergleichbarkeit wechselseitiger Rechtsverstöße ist neben dem Maß des Grenzabstands die Qualität der Beeinträchtigung von Bedeutung (vgl. OVG Münster aaO). Vorliegend übersteigt der Umfang der Abstandflächenverletzung durch das Stallgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen diejenige durch die Außentreppe zum Obergeschoss des klägerischen Nebengebäudes um ein Mehrfaches. Eine besondere Qualität der Beeinträchtigung durch die Außentreppe, die dies aufwiegen könnte, ist nicht erkennbar. Belange der Belichtung und Besonnung sowie des Brandschutzes werden nicht berührt. Der nachbarliche Wohnfrieden ist allerdings durch erhöhte Einsichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Beigeladenen berührt. Der Umfang dieser Einsichtsmöglichkeiten ist jedoch geringfügig, weil die Außentreppe zu einem Raum führt, der als Lagerraum genutzt werden soll. Dem entsprechend gering ist die Nutzungsintensität einzuschätzen; dass Personen auf der Treppe oder dem Podest verweilen, ist nicht zu erwarten. Wegen der zu erwartenden geringen Nutzungsintensität ist auch nicht damit zu rechnen, dass von der Benutzung der Treppe in erheblichem Umfang Lärmimmissionen – insbesondere durch das Treten auf die Metallkonstruktion – ausgehen werden.

47

Aus den selben Gründen liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung vor, nämlich dass die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Die durch das Vorhaben des Klägers bewirkte Abstandflächenverletzung ist dem Umfang nach geringfügig; eine Beeinträchtigung von Schutzzwecken des Abstandflächenrechts scheidet nahezu aus. Die Außentreppe führt nicht zu Aufenthaltsräumen, ist also einer Nutzung zugeordnet, die nach der Wertung des § 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBauO M-V auch in den Abstandflächen zulässig ist. Die Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V, nämlich dass bauliche Anlagen so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und in Stand zu halten sind, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden, sind gewahrt.

48

Zur Vermeidung von Missverständnissen wird darauf hingewiesen, dass allein eine bereits bestehende abstandflächenwidrige Bebauung auf dem Nachbargrundstück nicht ausreicht, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 67 LBauO M-V zu erfüllen und die Möglichkeit einer Abweichung von den Vorschriften des Abstandflächenrechts zu eröffnen. Hinzu kommen müssen weitere grundstücksbezogene Besonderheiten wie hier der außergewöhnliche Grundstückszuschnitt. Die Zulassung einer Abweichung ist ferner bereits tatbestandlich ausgeschlossen, wenn sie geeignet ist, eine ohnehin im Hinblick auf die Anforderungen des § 3 Abs. 1 LBauO M-V problematische Bebauungssituation zu verschlechtern oder zu verfestigen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

49

Die Entscheidung über die Zulassung einer Abweichung nach § 67 Abs. 1 LBauO M-V steht im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist hier angesichts bestehender anderer baulicher Möglichkeiten, einen Zugang zum Obergeschoss zu schaffen, nicht auf Null reduziert. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die vom Kläger zum Gegenstand seines Hilfsantrags gemachte alternative Anordnung einer Außentreppe, gegebenenfalls aber auch im Hinblick auf die Möglichkeit, im Inneren des Gebäudes einen Zugang zu schaffen.

50

Über den Hilfsantrag war nicht mehr zu entscheiden, da dieser nach dem Verständnis des Senats nur für den Fall gänzlicher Erfolglosigkeit des Hauptantrags gestellt sein sollte.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

52

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.