Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 29. Feb. 2008 - 2 O 141/07

bei uns veröffentlicht am29.02.2008

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 2. Kammer - vom 01.11.2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

Der Kläger begehrt die Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der er erreichen will, dass die Wahl der Beigeladenen zur Landrätin für ungültig erklärt und eine Wiederholungswahl angeordnet wird.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag durch Beschluss vom 01.11.2007 abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Der Kläger habe als Wahlberechtigter des Wahlgebiets rechtzeitig Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl und gegen die Zurückweisung seines Einspruchs durch den Beklagten rechtzeitig Klage erhoben. Die Klage sei jedoch unbegründet, weil bei der angefochtenen Wahl keine Unregelmäßigkeiten vorgekommen seien, die auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein könnten. Es sei nicht ersichtlich, dass Amtsträger in einer mit ihrer pflichtgemäßen Amtsausübung unvereinbaren Weise auf die Bildung des Wählerwillens Einfluss genommen hätten. Im Hinblick auf das Genehmigungsverfahren zu dem am 06.12.2006 beschlossenen Haushalt des Landkreises sei der seinerzeit amtierende Landrat nicht verpflichtet gewesen, vor der Wahl noch eine Sitzung des Beklagten einzuberufen. Anhaltspunkte für eine bewusste Täuschung oder Desinformierung der Wähler seien nicht ersichtlich.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers bleibt ohne Erfolg. Auch die mit Schriftsatz vom 04.11.2007 vorgelegte (umfangreiche) Beschwerdebegründung rechtfertigt keine für den Kläger günstigere Entscheidung.

4

Dem Vorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass es bei der angefochtenen Wahl zu Unregelmäßigkeiten im Sinne von § 71 Abs. 1 Nr. 2 KWG M-V gekommen ist. In der Beschwerdebegründung wird klargestellt, dass der Kläger dem damals amtierenden Landrat nicht vorwirft, den Wählerwillen durch "aktives Handeln" beeinflusst zu haben. Vielmehr gehe der Vorwurf dahin, dass eine solche Beeinflussung durch "Unterlassung", nämlich das "Vorenthalten von Informationen" im Zusammenhang mit der Haushaltsplanung 2007 geschehen sein könnte. Nach Eingang des Schreibens des Innenministers vom 19.01.2007, in dem es um die Frage der Genehmigungsfähigkeit des Haushalts gegangen sei, habe der Landrat die Öffentlichkeit noch vor der Wahl informieren müssen, sei es durch eine Kreistagsitzung oder durch die regionale Tageszeitung oder im amtlichen Mitteilungsblatt des Landkreises.

5

Mit dieser Argumentation lässt sich die Ungültigkeit der Wahl der Beigeladenen nicht begründen.

6

Soweit ersichtlich, hat in der Rechtsprechung die Öffentlichkeitsarbeit amtlicher Stellen im Zusammenhang mit Wahlen eine Rolle gespielt, wenn es um aktives Handeln gegangen ist und ersichtlich die Beeinflussung der anstehenden Wahlentscheidung bezweckt war. So hat etwa das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass es den Staatsorganen versagt ist, Wahlbewerber unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen. Parteiergreifendes Einwirken von Staatsorgangen in die Wahlen sei auch nicht zulässig in der Form von Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Urt. v. 02.03.1977 - 2 BvE 1/76 -, E 44, 125). Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hat die Auffassung vertreten, kommunale Wahlbeamte seien zu strikter Neutralität verpflichtet; in dem zugrunde liegenden Fall ging es darum, ob Vorschriften über das Wahlverfahren durch Veröffentlichungen eines Bürgermeisters im Amtsblatt zum Zweck der Wahlbeeinflussung verletzt seien (vgl. Urt. v. 27.11.1991 - 4 B 91.601 -, BayVBl. 1992, 272; zur Neutralitätspflicht im kommunalen Wahlkampf vgl. auch BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 - 8 C 5.96 -, E 104, 323). Außerdem haben amtliche Stellen das ihnen obliegende Wahrheitsgebot einzuhalten; es ist verletzt, wenn Wahlentscheidungen durch "Täuschungen und Desinformationen" beeinflusst werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.04.2003 - 8 C 14.02 -, E 118, 101).

7

Inhaber öffentlicher Ämter sind danach nicht gehindert, die ihnen obliegenden Aufgaben weiter "normal" auszuüben. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, wegen einer Wahl anders zu verfahren, als wenn die Wahl nicht stattfinden würde. Beispielsweise muss nicht eine Sondersitzung des kommunalen Selbstverwaltungsorgans anberaumt werden, nur um eine bestimmte Angelegenheit, die in keinem Sachzusammenhang mit der Wahl steht, noch vor dem Wahltag behandeln zu können, wie auch umgekehrt eine turnusmäßig anstehende Sitzung nicht verschoben werden muss, nur um zunächst den Wahltag abzuwarten. Entsprechendes gilt für die zu den Amtspflichten gehörende Information der Öffentlichkeit über das Amt betreffende Angelegenheiten (vgl. etwa § 101 KV M-V). Auch insoweit ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn Informationen in der üblichen (pflichtgemäßen) Weise gegeben werden. Bedenklich wären demgegenüber Pressemitteilungen "zur Unzeit", sei es dass sie ältere Sachverhalte betreffen und bewusst erst kurz vor der Wahl präsentiert werden, sei es dass Veröffentlichungen bewusst bis nach der Wahl hinausgezögert werden und dies jeweils geschieht, um Wähler in einem bestimmten Sinne zu beeinflussen.

8

Dies vorausgeschickt sind im vorliegenden Verfahren Unregelmäßigkeiten im Sinne von § 71 Abs. 1 Nr. 2 KWG M-V nicht festzustellen.

9

Die Angelegenheit, bei der nach Auffassung des Klägers eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit des damals amtierenden Landrats erforderlich gewesen wäre, steht nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit der Wahl. Vielmehr geht es um die - ohnehin sich regelmäßig wiederholende - Verabschiedung des Haushalts für den Landkreis bzw. um Probleme bei der Genehmigung des Haushalts durch das Innenministerium. Der Kläger trägt auch keine Umstände vor, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Vorgang sei wegen der Wahl abweichend vom üblichen Ablauf behandelt worden. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Landrat etwa das bereits erwähnte Schreiben des Innenministeriums vom 19.01.2007 hätte unterdrücken oder zurückhalten wollen. Der Kläger räumt vielmehr ein, "dass der Finanzausschuss des Kreistags in öffentlicher Sitzung über den Inhalt des Schreibens vom 19.01.2007" informiert wurde. Diese Sitzung fand am 01.02.2007 statt, also noch vor dem (ersten) Wahltermin. Außerdem hat der Landrat nach den eigenen Angaben des Klägers in der Beschwerdebegründung bereits in der Kreistagssitzung am 06.12.2006 "über die aktuellen Finanz- und Haushaltsprobleme des Landkreises" berichtet und auch darüber, "dass Beanstandungen seitens des Innenministers zu erwarten seien".

10

Danach spricht alles dafür, dass der Landrat mit der Angelegenheit "Haushalt 2007" entsprechend den üblichen Gepflogenheiten umgegangen ist. Allenfalls wäre zu erwägen, ob sich wahlbezogene besondere Informationspflichten dann ergeben können, wenn eine Angelegenheit im Wahlkampf eine besondere Resonanz der Öffentlichkeit erfährt. Dass dies hier zutrifft, wird aber vom Kläger nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dagegen spricht, dass die in der bereits erwähnten öffentlichen Finanzausschusssitzung gegebenen Informationen allem Anschein nach nicht weiter publik geworden sind. Außerdem hat der Kläger in der Klagebegründung selbst vorgetragen, dass "landkreisspezifische Themen im Wahlkampf keine Rolle" gespielt hätten; dies gelte "in besonderer Weise für die Finanz- bzw. Haushaltssituation des Landkreises".

11

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.

12

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.