Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - 1 Bs 190/17

31.08.2017

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die im Wege der einstweiligen Anordnung ergangene Verpflichtung, die Antragstellerin zum Beginn des Schuljahres 2017/2018 vorläufig in die Jahrgangsstufe 1 der Schule G... aufzunehmen.

2

Die im September 2010 geborene Antragstellerin besucht seit Beginn des Schuljahres 2016/2017 die Vorschule an der Schule G... . Mit Bescheid vom 10. Mai 2016 ist in Bezug auf die Antragstellerin ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich körperliche und motorische Entwicklung sowie ein weiterer Förderbedarf gemäß § 14 Abs. 4 AO-SF im Bereich Lernen festgestellt worden. Die Antragstellerin ist zugleich schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50 und erfüllt das Merkzeichen „G“. Wegen der Einzelheiten des Förderbedarfs wird auf den diagnosegestützten Förderplan vom 6. Februar 2017 Bezug genommen.

3

Unter dem 8. Januar 2017 meldeten die Eltern die Antragstellerin für die Einschulung zum Schuljahr 2017/2018 an. Als Wunschschule gaben sie die Schule G..., als Zweit- und Drittwunsch die Schulen A... und B... an. Unter dem 6. Februar 2017 bestätigten die Eltern der Antragstellerin der Schule G..., dass sie darüber informiert worden seien, dass es für die Antragstellerin keinen Bustransport oder ähnliches geben werde, und erklärten, dass sie ihre Tochter selbst zur Schule bringen und abholen werden.

4

Mit Bescheid vom 28. März 2017 teilte die Schulleitung der Schule G... der Familie der Antragstellerin mit, dass die Antragstellerin in die Schule E... aufgenommen wird. Zur Begründung führte sie aus, die Schule E... sei eine Schwerpunktschule Inklusion, die für die Antragstellerin den kürzesten Schulweg bedeute. Eine Schulweghilfe zur weiter entfernt gelegenen Schule G... (7,9 km) könne leider nicht gewährt werden, so dass als Beschulungsort die Schule E... festgelegt werde. Die Schule E... ist ca. 2,29 km vom Wohnort der Antragstellerin entfernt.

5

Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 11. April 2017 Widerspruch. Zur Begründung führte sie u.a. aus, die Eltern der Antragstellerin hätten sich aus verschiedenen pädagogischen Gründen für die Schule G... entschieden. Die Eltern würden die Antragstellerin zur Schule bringen und von der Schule abholen, ohne dass fremde Hilfe in Anspruch genommen werde.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2017 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Das Aufnahmeverfahren bei Kindern mit festgestelltem sonderpädagogischem Förderbedarf richte sich nach §§ 12, 42 Abs. 7, 87 Abs. 1 HmbSG i.V.m. der Vorordnung über die Ausbildung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf (AO-SF) sowie der von der Behörde für Schule und Berufsbildung erstellten „Handreichung zur Organisation der Aufnahme in Klasse 1; Schuljahr 2017/2018“ (Handreichung). In Übereinstimmung mit § 15 AO-SF sei dem Wunsch der Eltern der Antragstellerin nach einer inklusiven Beschulung gefolgt worden. Die Handreichung sehe unter Ziffer 4.1.1 vor, dass Kinder mit speziellem Förderbedarf u.a. im Bereich körperliche und motorische Entwicklung an einer Schwerpunktschule besonders gefördert werden würden. Lediglich in besonderen Ausnahmefällen, in denen die Beschulung nur an einer bestimmten Nichtschwerpunktschule möglich sei, könne von dem Grundsatz der Beschulung an einer Schwerpunktschule abgesehen werden. Eine solche Ausnahme liege vorliegend nicht vor, so dass dem Zweit- und Drittwunsch, bei denen es sich nicht um Schwerpunktschulen handele, nicht zu folgen sei. Die Zuweisung an die Schule E... werde dadurch begründet, dass es sich um eine Schwerpunktschule handele, die deutlich näher am Wohnort der Antragstellerin liege. Die Entfernung zum Wohnort sei gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AO-SF zu beachten. Für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bestehe regelmäßig ein Anspruch auf Schulweghilfe. Die genannte Regelung gewährleiste, dass die Antragsgegnerin nur dann mit Kosten für eine Schülerbeförderung belastet werde, wenn es in Hinblick auf die Förderung des jeweiligen Kindes zwingend erforderlich sei. Eine etwaige Verzichtserklärung der Eltern des Kindes schütze die Antragsgegnerin nicht vor einer späteren Inanspruchnahme, da der Verzicht gemäß § 46 Abs. 1 SGB I jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden könne. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin an der Schule G... besser gefördert werden könne. Das besondere Profil der Schule G..., insbesondere die sechsjährige Grundschulzeit und der jahrgangsübergreifende Unterricht, begründeten keinen Anspruch der Antragstellerin auf Aufnahme. Auf der Grundlage des Förderplans sei zu erwarten, dass die Antragstellerin den Schulwechsel meistern werde.

7

Die Antragstellerin hat am 4. Juli 2017 Klage erhoben (1 K 6594/17) und am 11. Juli 2017 den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf eine vorläufige Zuweisung zur Schule G... beantragt. Zur Begründung wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend macht sie geltend, sie sei jedenfalls als Härtefall in die Schule G... aufzunehmen. Schulweghilfe würden sie bzw. ihre Eltern nicht beanspruchen.

8

Mit Beschluss vom 25. Juli 2017 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgeg-nerin, die Antragstellerin vorläufig zum Beginn des Schuljahres 2017/2018 in die Jahrgangsstufe 1 der Schule G... aufzunehmen. Gegen die der Antragsgegnerin am 26. Juli 2017 zugestellte Entscheidung hat diese am 7. August 2017 Beschwerde erhoben, die sie am 10. August 2017 begründet hat. Auf die Begründung wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

II.

9

1. Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und begründete Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Beschwerdebegründung allerdings tragende Teile der Begründung des angefochtenen Beschlusses in ausreichender Weise in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht hat tragend auf die Erwägungen abgestellt, die Antragsgegnerin habe dem Belang der Vermeidung öffentlicher Ausgaben ein Gewicht beigemessen, das ihm nach objektiven, am Zweck des Gesetzes orientierten Wertungsgrundsätzen nicht zukomme. Zweck von § 12 Abs. 4 Satz 5 und Satz 7 HmbSG i. V. m. § 15 Abs. 2, Abs. 3 AO-SF sei, Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine einzelfallangemessene, von einem Organisations- und Ressourcenvorbehalt unabhängige Teilnahme am allgemeinen Schulsystem zu ermöglichen. § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AO-SF stehe der Aufnahme der Antragstellerin an der Schule G... nicht entgegen. Die Aspekte der Schülerbeförderung hätten unabhängig von der Frage der Erreichbarkeit der Schule für den betroffenen Schüler keine eigenständige Bedeutung, sondern seien nach dem Sinn und Zweck und dem Wortlaut der Vorschrift lediglich als „Hilfsaspekt“ zu berücksichtigen. Aspekte der Schülerbeförderung stünden der Aufnahme an der Wunschschule hier nicht zwingend entgegen, denn es sei völlig offen, ob für die Antragstellerin Schulweghilfe zu leisten sei.

10

Das Vorbringen der Antragsgegnerin gibt hinreichend Anlass, die Richtigkeit dieser verwaltungsgerichtlichen Erwägungen zu überprüfen. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, zu den Aspekten der Schülerbeförderung gehörten auch die fiskalischen Aspekte und dies nicht lediglich als Hilfskriterium. Es müsse ihr möglich sein, sich vor einer Inanspruchnahme von Leistungen der Schulweghilfe zu schützen, wenn eine geeignete Schule in unmittelbarer Wohnortnähe vorhanden sei, auch wenn die genannten Kosten der Schulweghilfe nicht exakt beziffert werden könnten. Zudem weist die Antragsgegnerin zu Recht darauf hin, dass sich die „von einem Organisations- und Ressourcenvorbehalt unabhängige Teilnahme“ nur auf die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf im System der allgemeinen Schulen nach § 12 Abs. 1 HmbSG bezieht und nicht auf die Festlegung des Lernortes nach § 12 Abs. 4 Satz 5, Satz 7 HmbSG. Das ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (Bü-Drs. 19/3195 S. 15 und Bü-Drs. 20/3641 S. 2, 3).

11

Hiernach ist das Beschwerdegericht berechtigt, ohne die Begrenzung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über den Anordnungsantrag der Antragstellerin zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die einstweilige Anordnung zu Gunsten der Antragstellerin erlassen.

12

2. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen, aber auch hinreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Antragstellerin mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO), dass ihr gemäß § 12 Abs. 4 HmbSG i.V.m. § 15 Abs. 2, Abs. 3 AO-SF der geltend gemachte Anspruch auf Aufnahme in die Jahrgangsstufe 1 der Schule G... zu Beginn des Schuljahres 2017/2018 zusteht.

13

§ 12 HmbSG regelt die Integration von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Ist – wie bei der Antragstellerin – ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt worden, so werden Art und Ausmaß der Hilfen in einem diagnosegestützten Förderplan festgelegt, § 12 Abs. 4 Satz 1 HmbSG. Bei der Festlegung des Lernortes sind gemäß § 12 Abs. 4 Satz 5 HmbSG die Wünsche der Sorgeberechtigten zu berücksichtigen. Der „Lernort“ im Sinne der Vorschrift umfasst auch die konkrete Schule innerhalb der gewählten Schulform (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2013, 1 Bs 231/13, NordÖR 2013, 540, juris Rn. 12). Zur Festlegung des Lernortes bestimmt § 15 Abs. 2 AO-SF, der auf der gesetzlichen Ermächtigung durch § 12 Abs. 5 Satz 7 HmbSG beruht, dass die zuständige Behörde das Kind unter Berücksichtigung der von den Sorgeberechtigten geäußerten Wünsche, der gesetzlichen Aufnahmekriterien sowie der weiteren dort genannten Umstände einer allgemeinen oder einer Sonderschule zuweist. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AO-SF ist hierbei die Erreichbarkeit der Schule unter Berücksichtigung der Aspekte der Schülerbeförderung zu berücksichtigen.

14

Die Festlegung des Lernortes innerhalb dieser Vorgaben steht im Ermessen der zuständigen Schulbehörde. Insoweit hat die Schulbehörde die Interessen des zu fördernden Kindes, der Eltern sowie die öffentlichen Interessen in einen angemessenen, dem Zweck der Regelung entsprechenden Ausgleich zu bringen. Auf der Grundlage des in der Akte befindlichen Gutachtens zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie unter Anwendung der in § 15 Abs. 2 AO-SF genannten Maßstäbe dürfte die Antragstellerin sowohl in der Schule E... als auch in der Schule G... gut gefördert werden können und dürften beide Schulen zu einer Förderung der Antragstellerin räumlich und personell in der Lage sein. Bei der Auswahl zwischen diesen Schulen spricht anhand der von den Beteiligten geltend gemachten Kriterien Überwiegendes dafür, dass das Ermessen der Antragsgegnerin dahingehend beschränkt ist, dass als Lernort für die Antragstellerin die Schule G... festzulegen ist. Denn dem Wunsch der Antragstellerin kommt vorliegend ein stärkeres Gewicht zu, als den finanziellen Aspekten durch die mögliche Inanspruchnahme von Schulweghilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII.

15

Allerdings sind vorliegend bei der Ausübung des Ermessens hinsichtlich der beiden geeigneten Grundschulen weder der Wunsch der Eltern noch die finanziellen Aspekte allein maßgeblich. Vielmehr sind diese entsprechend ihrem Gewicht in die Ermessensentscheidung einzustellen. § 12 Abs. 4 Satz 5 HmbSG und § 15 Abs. 2 Satz 1 AO-SF bestimmen, dass bei der Festlegung des Lernortes die von den Sorgeberechtigten geäußerten Wünsche zu berücksichtigen sind. Das Gericht legt beide Regelungen dahingehend aus, dass dem Wunsch der Eltern für eine in Bezug auf den Förderungsbedarf des Kindes geeignete Schule ein starkes Gewicht zukommt, dieser Wunsch auch bei der Entscheidung zwischen zwei geeigneten Schulen jedoch nicht grundsätzlich allein ausschlaggebend ist. Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut der Regelungen, der nicht anordnet, dass dem Wunsch der Eltern zu folgen ist. Diese Auslegung wird bestätigt durch die Begründung des Gesetzentwurfes vom 2. Juni 2009 (Bü-Drs. 19/3195), mit welchem u.a. § 12 Abs. 4 HmbSG in das Schulgesetz eingefügt wurde. Dort heißt es (S. 15 f.):

16

„ Absatz 1 enthält den grundsätzlichen Anspruch auf eine schulische Förderung im System der allgemeinen Schulen ohne Organisations- und Ressourcenvorbehalt. Einen Rechtsanspruch auf den Besuch einer bestimmten Schule gibt es – wie auch für die Kinder und Jugendlichen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf – im Hamburger Schulrecht nicht.

17

(…)

18

Absatz 4 führt in das Hamburgische Schulrecht den Begriff eines Förderplans für diese Schülergruppe ein. Ohne Einschränkung der elterlichen Wahl- und Entscheidungsrechte sollen die Auswahl einer geeigneten Schule sowie die Gewährung und Gestaltung der gegebenenfalls zur Teilhabe am Schulalltag erforderlichen Integrationsleistungen in einem einheitlichen Verfahren erfolgen. (…) Im Förderplan wird auch der Lernort der Schülerin und des Schülers, also seine Stammschule, festgelegt. Wie auch bei Schülerinnen und Schülern ohne sonderpädagogischen Förderbedarf kann der Wunsch der Sorgeberechtigten, eine bestimmte Schule zu besuchen, nicht immer erfüllt werden. (…)“

19

Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfes formuliert ist, dass die Auswahl der geeigneten Schule und die Gewährung und Gestaltung der gegebenenfalls zur Teilhabe am Schulalltag erforderlichen Integrationsleistungen in einem einheitlichen Verfahren „ohne Einschränkung der elterlichen Wahl- und Entscheidungsrechte“ erfolgen, bleibt der genaue Inhalt angesichts des fehlenden Rechtsanspruchs auf den Besuch einer bestimmten Schule unklar. Entsprechend dem Gesamtkontext der Regelungen dürfte diese Formulierung am ehesten dahingehend zu verstehen sein, dass hiermit das Recht auf den Besuch allgemeiner Schulen und die Möglichkeit, dort integrativ sonderpädagogisch gefördert zu werden, gemeint sein soll.

20

Die in § 12 Abs. 4 Satz 5 HmbSG angeordnete entsprechende Anwendung von § 42 Abs. 3 und 4 HmbSG, die als entsprechende Anwendung von § 42 Abs. 3 und 7 HmbSG zu lesen ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2013, 1 Bs 231/13, NordÖR 2013, 540, juris Rn. 15), begründet nicht, dass bei freien Kapazitäten geeigneter Schulen der Lernort allein nach dem Elternwunsch festzulegen ist. Soweit aus § 42 Abs. 7 HmbSG entnommen wird, dass bei freier Kapazität dem Elternwunsch zu entsprechen ist, hat der Gesetzgeber in § 12 Abs. 4 Satz 5 HmbSG i.V.m. § 15 AO-SF eine dieser Regelung vorgehende Sonderregelung getroffen. Die in § 42 Abs. 7 Satz 2 und 3 HmbSG getroffene Regelung, wonach bei einer die Aufnahmekapazität übersteigenden Zahl der Anmeldungen die Auswahlentscheidung entsprechend den dort geregelten Maßstäben zu erfolgen hat (vgl. dazu: OVG Hamburg, Beschl. v. 30.7.2013, a.a.O., juris Rn. 15), regelt den vorliegenden Fall der Entscheidung zwischen zwei aufnahmebereiten Schulen nicht.

21

Im Rahmen der nach § 12 Abs. 4 HmbSG i.V.m. § 15 Abs. 2 und 3 AO-SF zu treffenden Ermessensentscheidung sind andererseits gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AO-SF auch mögliche Aspekte der Finanzierung der Schulwegbeförderung zu berücksichtigen. Danach ist bei der Festlegung des Lernorts die Erreichbarkeit der Schule unter Berücksichtigung der Aspekte der Schülerbeförderung zu berücksichtigen. „Schülerbeförderung“ im Sinne dieser Vorschrift ist die von der zuständigen Behörde zu gewährende Schülerbeförderung (vgl. § 15 Abs. 1 AO-SF). Es ist nicht ersichtlich, dass Aspekte der Schülerbeförderung nur solche den Schüler betreffenden Aspekte sind, wie etwa die Dauer der möglichen Schülerbeförderung. Der Wortlaut der Regelung schränkt die Regelung nicht in diese Richtung ein, sondern ist weiter gefasst. Nach Sinn und Zweck der Regelung erscheint es ebenfalls sachgerecht, auch mögliche finanzielle Aspekte der Schülerbeförderung und damit finanzielle Aspekte der Schulweghilfe bei der Festlegung des Lernortes zu berücksichtigen. Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Eingliederungshilfe in Form der Schulweghilfe zu gewähren. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen vor, so ist die Schulweghilfe gemäß Ziffer 4. der Bestimmungen über die Schulweghilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler (Schulweghilfebestimmungen) vom 1. Januar 2006 durch Übernahme der Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel für eine Begleitperson, die Gewährung einer Kilometerentschädigung für die Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs, eine Mitfahrt im Schulbus oder eine Einzelbeförderung zu gewähren. Besteht Anspruch auf Schulweghilfe, bedeutet dies, dass diese auf eine der genannten Arten und damit gegebenenfalls durch Einzelbeförderung zu gewähren ist. Wird – wie vorliegend – gemäß den schulrechtlichen Regelungen eine konkrete Schule als Lernort verbindlich durch Verwaltungsakt bestimmt, so ist diese Zuweisung auch im Rahmen der Gewährung der Schulweghilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII bindend (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.10.2007, 5 C 35/06, BVerwGE 130, 1, juris Rn. 21). Die Gewährung von Schulweghilfe kann in einem solchen Fall nicht unter Hinweis darauf abgelehnt werden, dass die Schülerbeförderung an die Wunschschule mit unverhältnismäßigen Mehrkosten i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII verbunden ist (vgl. zur Ablehnung einer Schulweghilfe wegen unverhältnismäßiger Mehrkosten bei fehlender schulrechtlicher Zuweisungsentscheidung: OVG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 22.5.2002, 4 B 60/02, juris Rn. 11; LSG Essen, Beschl. v. 17.5.2010, L 20 B 168/08 SO, juris). Auch diese Systematik rechtfertigt es, Aspekte der Schulwegbeförderung einschließlich finanzieller Aspekte als Teil der Schulhoheit des Staates (vgl. Art. 7 Abs. 1 GG), die auch das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG begrenzen kann (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 13. Auflage 2014, Art. 7 Rn. 5), in die Bestimmung des Lernortes einfließen zu lassen. Dem Zusammenspiel der Normen dürfte zudem unter dem Aspekt der Gleichbehandlung zu entnehmen sein, dass die finanziellen Aspekte einer zu gewährenden Schulweghilfe nur dann der Zuweisung zu einer Wunschschule entgegen stehen können, wenn hierdurch unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen würden. Denn auch im Sozialrecht ist das Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten für die Rechtsstellung des hilfebedürftigen Bürgers von zentraler Bedeutung. Der Bürger soll bei der Inanspruchnahme von Sozialleistungen nicht entmündigt und nicht zum Objekt behördlichen Handelns werden, sondern in seiner Eigenständigkeit weitestgehend geschützt und gestützt werden (vgl. Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, zu § 9 SGB XII Rn. 14).

22

Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Rahmens ist die erfolgte Festlegung der Schule E... als Lernort ermessensfehlerhaft. Der pauschale Verweis der Antragsgegnerin auf die Möglichkeit des Widerrufs des erklärten Verzichts auf die Beanspruchung von Schulweghilfe sowie die möglichen höheren Kosten für eine potentiell zu gewährende Schulweghilfe zur 5 km weiter entfernt liegenden Schule G... ohne eine Würdigung der Ernsthaftigkeit der erklärten Eigenbeförderung und ohne nähere Betrachtung, ob die entstehenden Mehrkosten ggf. unverhältnismäßig höher wären, wird den berechtigten Interessen der Antragstellerin und ihrer Eltern, die gewünschte Schule besuchen zu können, nicht gerecht. Liegt – wie vorliegend – eine Verzichtserklärung der Eltern hinsichtlich der Gewährung von Schulweghilfe vor, so weist die Antragsgegnerin zwar zutreffend darauf hin, dass der Verzicht für die Zukunft gemäß § 46 Abs. 1 SGB I widerrufen werden kann. Auch wenn im Falle eines Widerrufs im Interesse des zu fördernden Kindes regelmäßig die Zuweisungsentscheidung nicht im Hinblick auf die dann bestehenden Ansprüche auf Schulweghilfe zu ändern sein dürfte, so ist dennoch zu berücksichtigen, dass die Gewährung von Schulweghilfe, die die durch eine Behinderung entstandene Benachteiligung in einem angemessenen Umfang ausgleichen soll, hierdurch in ihr Gegenteil verkehrt werden würde. Dies würde dazu führen, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die zugleich grundsätzlich berechtigt wären, Schulweghilfe zu beanspruchen, aus finanziellen Erwägungen regelmäßig gezwungen werden könnten, die nächstgelegene Schule in Anspruch zu nehmen. Dies erscheint dann nicht angemessen, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verzicht auf Schulweghilfe nur vorgeschoben ist, bzw. die Schulweghilfe zur Wunschschule nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre. Beide Aspekte hat die Antragsgegnerin im Bescheid vom 28. März 2017 ermessensfehlerhaft (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) nicht in den Blick genommen.

23

Unter Berücksichtigung der genannten Maßstäbe ist nach derzeitigem Erkenntnisstand unter Einbeziehung der von der Antragsgegnerin vorgebrachten Erwägungen eine andere sachgerechte Ermessensausübung als die Zuweisung zur Schule G... nach Aktenlage nur schwer vorstellbar.

24

Die Eltern der Antragstellerin haben bereits im Zusammenhang mit der Anmeldung der Antragstellerin bei der Schule G... am 6. Februar 2017 erklärt, dass sie die Antragstellerin selbst zur Schule bringen werden. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren haben die Eltern der Antragstellerin erklärt, dass sie Schulweghilfe nicht in Anspruch nehmen werden. Das zeigt das immense Interesse, das die Antragstellerin und ihre Eltern an der Zuweisung zur Wunschschule haben. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Verzicht aus prozesstaktischen Gründen erklärt wurde. Mithin ist nicht zu erwarten, dass die Antragsteller diese Zuweisung durch die nachträgliche Beantragung von Schulweghilfe einer Revision durch die Antragsgegnerin unterziehen würden, ohne dass hierfür gewichtige Gründe vorlägen.

25

Zudem ist nicht ersichtlich, dass durch den Besuch der Schule G... – sollte hierfür Schulweghilfe in Anspruch genommen werden müssen – im Vergleich zu einem Besuch der Schule E... unverhältnismäßige Mehrkosten entstehen würden. Eine Begleiterkarte für den öffentlichen Nahverkehr dürfte keine wesentlichen Mehrkosten verursachen. Für den Senat ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass die Beförderung im eigenen Kraftfahrzeug zu der ca. 5 km weiter entfernt liegenden Schule G... zu unverhältnismäßigen Kosten führen würde. Es dürften insoweit zwei Fahrtwege pro Schultag anfallen, die je um ca. 5 km länger sind als zur Schule E... Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Beförderung per Schulbus oder eine Einzelbeförderung notwendig werden wird.

26

3. Ein Anordnungsgrund liegt vor. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache ist angesichts des unmittelbar bevorstehenden Schulbeginns nicht möglich. Der Antragstellerin ist es nicht zumutbar, während der Zeit bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zunächst die ihr zugewiesene Grundschule zu besuchen und sodann an ihre Wunschschule zu wechseln. Deshalb ist es zulässig, die Entscheidung in der Hauptsache teilweise vorwegzunehmen.

III.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

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Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss, 31. Aug. 2017 - 1 Bs 190/17 zitiert 15 §§.

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Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen,

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Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Eine Vermögensverwaltung liegt in der Regel vor, wenn Vermögen genutzt, zum Beispiel Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird.

(1) Angehörige sind:

1.
der Verlobte,
2.
der Ehegatte oder Lebenspartner,
3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4.
Geschwister,
5.
Kinder der Geschwister,
6.
Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
Geschwister der Eltern,
8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).

(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn

1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;
3.
im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

(1) Angehörige sind:

1.
der Verlobte,
2.
der Ehegatte oder Lebenspartner,
3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4.
Geschwister,
5.
Kinder der Geschwister,
6.
Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
Geschwister der Eltern,
8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).

(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn

1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;
3.
im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Angehörige sind:

1.
der Verlobte,
2.
der Ehegatte oder Lebenspartner,
3.
Verwandte und Verschwägerte gerader Linie,
4.
Geschwister,
5.
Kinder der Geschwister,
6.
Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
Geschwister der Eltern,
8.
Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder).

(2) Angehörige sind die in Absatz 1 aufgeführten Personen auch dann, wenn

1.
in den Fällen der Nummern 2, 3 und 6 die die Beziehung begründende Ehe oder Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
2.
in den Fällen der Nummern 3 bis 7 die Verwandtschaft oder Schwägerschaft durch Annahme als Kind erloschen ist;
3.
im Fall der Nummer 8 die häusliche Gemeinschaft nicht mehr besteht, sofern die Personen weiterhin wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

(1) Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

(2) Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.

(3) Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen.

(4) Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

(5) Eine private Volksschule ist nur zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt oder, auf Antrag von Erziehungsberechtigten, wenn sie als Gemeinschaftsschule, als Bekenntnis- oder Weltanschauungsschule errichtet werden soll und eine öffentliche Volksschule dieser Art in der Gemeinde nicht besteht.

(6) Vorschulen bleiben aufgehoben.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

(1) Auf Ansprüche auf Sozialleistungen kann durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Leistungsträger verzichtet werden; der Verzicht kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.

(2) Der Verzicht ist unwirksam, soweit durch ihn andere Personen oder Leistungsträger belastet oder Rechtsvorschriften umgangen werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.