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1. Der nunmehr 65jährige Betroffene ist Eigentümer eines landwirtschaftlichen Hofes im Raum M., zu dem 25 land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke mit einer Fläche von über 31 Hektar gehören. Die Beteiligte zu 2 ist seine nunmehr 58jährige Ehefrau, während die Beteiligten zu 3 bis 5 deren gemeinsame, inzwischen jeweils verheiratete Kinder sind. Der nahezu 35jährige Beteiligte zu 3 wohnt seit jeher, nunmehr mit seiner Familie auf dem Hof, während die beiden anderen Kinder mit Familie anderweit in der Nähe wohnen.
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Der Betroffene ist aufgrund eines im November 1996 erlittenen Schlaganfalls nicht mehr geschäftsfähig und schwerstpflegebedürftig; eine Verständigung mit ihm ist nicht mehr möglich. Er wird von seiner Ehefrau zu Hause gepflegt, nach Kräften unterstützt durch die weiteren Beteiligten und deren Familienangehörige.
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Durch Beschluss vom 3.9.1997 hat das Notariat - Vormundschaftsgericht - eine umfassende Betreuung angeordnet und die Ehefrau (Beteiligte 2) zu seiner Betreuerin bestellt. Durch Beschluss vom 2.10.2002 ist die Betreuerbestellung bis zum 2.10.2007 verlängert worden.
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2. Am 25.3.2003 ließen die Beteiligten bei einem freien Notar in Stuttgart einen Hofübergabe-Vertrag beurkunden, bei dessen Abschluss die Beteiligte Ziffer 2 sowohl im eigenen Namen als auch als vollmachtlose Vertreterin ihres Ehemanns handelte. Durch diesen Vertrag soll der Hof einschließlich des zum Betrieb gehörenden Zubehörs und die große Mehrzahl der Grundstücke auf den auf dem Hof lebenden Sohn (Beteiligter Ziffer 3) übertragen werden; drei Waldgrundstücke mit einer Fläche von ca. 2 Hektar sollen als Ausgleich ihrer Erbansprüche auf dessen Geschwister (Beteiligte Ziffer 4 und 5) übertragen werden. Als Gegenleistung des Übernehmers ist zum einen ein - im Grundbuch an vorderster Rangstelle einzutragendes - Altenteil (Leibgeding) vereinbart, dessen wichtigste Regelungen sich aus den weiteren Entscheidungsgründen ergeben. Durch diese Übergabe sollen zugleich alle Ansprüche des Beteiligten Ziffer 3 für seine bisherigen Leistungen auf dem Hof und zugunsten des Betroffenen (§ 2057a BGB) abgegolten werden. Wegen der Einzelheiten der getroffenen Vereinbarungen - einschließlich der Pflichtteilsverzichtserklärungen der Beteiligten zu 3 bis 5 - wird auf die Vertragsurkunde Bezug genommen.
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3. Mit Schreiben vom 1./3.4.2003 übersandte der Urkundsnotar dem Notariat als Vormundschaftsgericht zwei Vertragsausfertigungen mit dem Antrag, einen Ergänzungsbetreuer zu bestellen, weil die Betreuerin an der Vertretung des Betreuten gehindert sei; zugleich beantragte er die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrags.
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Durch Beschluss vom 24.4.2003 wies das Vormundschaftsgericht den - für zulässig erachteten - Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers zurück mit der Begründung, der vorgelegte Vertrag sei nicht genehmigungsfähig, weshalb kein Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers bestehe; Schenkungen seien nach §§ 1908i, 1804 BGB dem Betreuer verboten und deshalb nichtig und ein ausnahmsweise zulässiges Gelegenheitsgeschenk nach § 1908i Abs. 2 BGB könne hier nicht angenommen werden; auch eine von einer Schenkung zu unterscheidende Ausstattung nach § 1624 BGB liege nicht vor, weil es sich hier um eine vorweggenommene Erbfolge handle.
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Der durch Anwaltschriftsatz vom 23./26.5.2003 im Namen der Betreuerin eingelegten Beschwerde half das Vormundschaftsgericht durch Beschluss vom 4.6.2003 nicht ab; trotz des berechtigten Interesses der Beteiligten am Abschluss eines solchen, durchaus üblichen Hofübergabevertrags stehe die Vorschrift des § 1804 BGB auch einer gemischten Schenkung entgegen.
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4. Durch Beschluss vom 7.11.2003 hat das Landgericht die Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen und sich der rechtlichen Beurteilung des Notariats angeschlossen; entgegen dem Beschwerdevorbringen liege kein voll entgeltlicher Vertrag vor, weil die Pflegeleistungen nur unter näher bezeichneten Einschränkungen zugesagt seien, weshalb die wohl verstandenen Interessen des Betreuten nicht ausreichend gewahrt seien; hinzu komme, dass die Beteiligten Ziff. 4 und 5 Schenkungen ohne Gegenleistungen erhielten.
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Dagegen wendet sich die Betreuerin mit der durch Anwaltschriftsatz eingelegten weiteren Beschwerde vom 26./27.11. 2003, die mit Schriftsatz vom 19./20.1.2004 näher begründet wurde; insbesondere entspreche der Vertrag dem Willen des Betreuten.
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Die nach § 27 Abs. 1 FGG als Rechtsbeschwerde statthafte und auch im übrigen zulässige weitere Beschwerde hat im wesentlichen Erfolg, denn die Entscheidung des Landgerichts - und damit auch die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts - hält nicht in allen Punkten der rechtlichen Überprüfung stand. Deshalb waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats an das Notariat zurückzuverweisen.
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1. Das Beschwerderecht der Beteiligten Ziffer 2 im eigenen Namen ergibt sich jedenfalls aus § 69g Abs. 1 FGG, so dass die Frage einer Beschwerde im Namen des Betreuten (§ 69g Abs. 2 FGG) auf sich beruhen kann. Gegenstand des Verfahrens ist (noch) nicht die Genehmigung des Vertrages - bei der die Beschwerdebefugnis gesondert zu prüfen ist -, sondern die Ablehnung einer (Ergänzungs-) Betreuerbestellung.
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Alle weiteren Voraussetzungen der weiteren - hier unbefristeten - Beschwerde sind erfüllt.
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2. Die rechtliche Bewertung des vorgelegten Übergabevertrags durch die Vorinstanzen hält der Überprüfung nicht stand.
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a) Im Ausgangspunkt zutreffend sind zwar die Erwägungen des Landgerichts und des Vormundschaftsgerichts, dass Schenkungen aus dem Vermögen des Betreuten, die über die in § 1908i Abs. 2 S. 1 BGB genannten Gelegenheitsgeschenke hinausgehen, grundsätzlich nicht genehmigungsfähig sind, weshalb in solchen Fällen kein Bedürfnis für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers besteht, wenn der Betreuer durch § 1908i Abs. 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB an der Vertretung des Betreuten gehindert ist (vgl. BayObLGZ 1996,118 = FamRZ 1996,1359 = RPfl 1996,508; BayObLG RPfl 2003,649; OLG Hamm FamRZ 1985,206; Erman/Holzhauer, BGB 11. Aufl. 2004, § 1804 Rn 1, § 1908i Rn 37f; Soergel/Zimmermann, BGB 13. Aufl. 2000, § 1804 Rn 2, 1908i Rn 17 f; Staudinger/Engler, 13. Bearb. 1999, § 1804 Rn 20).
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Auch der Fall des § 1908i Abs. 2 BGB ist hier zu Recht verneint worden, weil die beabsichtigte Vermögensübertragung den Rahmen eines „Gelegenheitsgeschenks“ weit überschreitet (vgl. BayObLG FamRZ 1998,47 = BtPrax 1998,72) und auch nicht einer „sittlichen Pflicht“ des Betroffenen entspricht.
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b) Zu Recht ist das Landgericht nicht der rechtsfehlerhaften Ansicht des Notariats gefolgt, die Genehmigungsfähigkeit des Vertrages entfalle schon deshalb, weil es sich um eine „gemischte Schenkung“ und eine „vorweggenommene Erbfolge“ handle, sondern hat das Gewicht der Prüfung auf die Frage des §§ 1908, 1624 Abs. 1 BGB gelegt.
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Zutreffend ist zwar, dass der Sicherung des Vermögens des Betreuten zur Gewährleistung seiner angemessenen Versorgung und Pflege im Alter ein hoher Stellenwert zukommt, so dass eine gewissenhafte Prüfung all jener (beabsichtigten) Verfügungen - auch bei Übergabeverträgen - geboten ist, die zu einer weitgehenden Veränderung der Vermögenslage des Betreuten führen (vgl. SenBeschl. v. 6.5.1997, BWNotZ 1997,147, und v. 4.10.2000, BWNotZ 2001,64 m.w.N.). Dennoch hat die Kammer die Anforderungen an die Angemessenheit der wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen überspannt.
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c) Derartige Übergabeverträge, die seit langem sowohl in der Landwirtschaft als auch in anderen Wirtschaftsbereichen verbreitet und auch punktuell gesetzlich geregelt sind (vgl. Art. 96 EGBGB; §§ 593a, 2049, 2312 BGB), sind nach § 1624 BGB dann keine Schenkungen i.S.v. §§ 516 ff, 1804 BGB, wenn sie dem Kind von seinen Eltern zur Erlangung einer selbständiger Lebensstellung zugewendet werden. Deshalb hat der Gesetzgeber des Betreuungsrechts die im bisherigen Vormundschaftsrecht (§ 1902 Abs. 1 BGB a.F.) enthaltene Sonderbestimmung über die Genehmigungsbedürftigkeit der Zuwendung einer Ausstattung - die zunächst gestrichen werden sollte - gerade im Hinblick auf derartige Übergabeverträge beibehalten (§ 1908 BGB nF; BR-Drucks 11/4528, 211,229; vgl. Palandt/Diederichsen, 63. Aufl., § 1908 Rn 1; Staudinger/Bienwald, BGB 13. Bearb. 1999, § 1908 Rn 1). Dass ein solcher Übergabevertrag zugleich eine sog. vorweggenommene Erbfolge enthält (vgl. BGH FamRZ 1990,1083; Lange/Kuchinke, Erbrecht 5. Aufl. 2001, § 25 XI 1), steht der Qualifizierung als Aussteuer und damit der grundsätzlichen Genehmigungsfähigkeit - entgegen der Annahme des Notariats - nicht zwingend entgegen. Es ist anerkannt, dass die in Übergabeverträgen vom Übernehmer zugesagten „Gegenleistungen“ in Gestalt von Wohnrecht sowie Versorgung und Pflege im Alter dem Vertrag im Ansatz den Charakter der Unentgeltlichkeit nehmen (BGH NJW 1995,1349 = MDR 1995,500 = FamRZ 1995,479; BayObLGZ 1996,20 = DNotZ 1996, 647 = MittBayNot 1996,195; OLG Hamm FamRZ 1987,751; vgl. auch MünchKomm/Schwab, BGB 4. Aufl. 2002, § 1908 Rn 4; Soergel/Zimmermann, aaO Rn 5).
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Nur dann, wenn die zugesagte Gegenleistung des Übernehmers deutlich hinter den absehbaren Bedürfnissen des Übergebers (und seiner unterhaltsberechtigten Ehefrau) zurückbleibt, wenn also das Maß der Angemessenheit i.S.v. § 1624 Abs. 1 BGB überschritten wird, kann Schenkungsrecht und damit das Verbot des § 1804 BGB zur Anwendung kommen (BGH und BayObLG aaO; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1170; Senat aaO; vgl. auch Böhmer, MittBayNot 1996,405 ff). Bei der Prüfung der Angemessenheit ist Raum, den mutmaßlichen Willen des Betreuten (vgl. § 1908i Abs. 2 BGB; OLG Karlsruhe Die Justiz 2001,29) und seine erkennbaren Interessen zu berücksichtigen.
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Es ist indessen rechtlich verfehlt, wegen des Schenkungsverbots der §§ 1908i, 1804 BGB an Übergabeverträge so hohe Anforderungen zu stellen, dass für die Anwendung der §§ 1908, 1624 BGB kein Raum bliebt und im Ergebnis ein Betreuter von ihrem Abschluss generell ausgeschlossen ist. Kommt im Ansatz eine Genehmigung des Übergabevertrags in Betracht, darf die erforderliche Bestellung eines Ergänzungsbetreuers nicht abgelehnt werden.
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d) Die Überprüfung des vorliegenden Vertrags darauf, ob ein Verstoß gegen das Übermaßverbot des § 1624 BGB vorliegt oder Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung, rechtfertigt im Ergebnis die Ansicht der Rechtsbeschwerde, dass hier - unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens des Betreuten - ein voll entgeltlicher Vertrag angenommen werden kann, so dass kein Raum für die Annahme einer Schenkung, auch nicht einer gemischten Schenkung ist. Zu Unrecht hat die Kammer die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 4.10.2000 (BWNotZ 2001,64) auf den vorliegenden Fall übertragen, obwohl sich die Ausgestaltung der Verträge erheblich unterscheidet und die Vertragsteile hier den Anforderungen der Senatsrechtsprechung Rechnung getragen haben. Den oben genannten Fällen, in denen eine Nichtigkeit der Vermögensübertragung bejaht wurde, liegen andere Sachverhalte zugrunde.
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Nachdem beide Vorinstanzen ausdrücklich festgestellt haben, dass die Hofübergabe mit dem Ziel der Weiterführung des Betriebes sowohl dem übereinstimmenden Wunsch der Beteiligten als auch den üblichen Lebensverhältnissen in der Landwirtschaft entspricht und auch ohne Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen anstünde, greifen die Bedenken der Kammer gegen die Ausgewogenheit des Vertrages nicht durch.
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Die in § 2 des Vertrages aufgeführten Gegenleistungen des Übernehmers mit Wohnungsrecht, Garagennutzungsrecht, Verköstigung und Pflegeleistungen bis zum Tode des Betreuten und der Betreuerin sind so weitgehend, dass dem Senat - anders als im Falle der Entscheidung vom 4.10.2000 (aaO) - eine gravierende Lücke zum Nachteil des Übergebers nicht ersichtlich ist. Von Bedeutung ist insbesondere, dass der Übernehmer sich für den Fall, dass eine Versorgung und Pflege seiner Eltern auf dem Hof nicht mehr möglich oder zumutbar ist, verpflichtet hat, die Kosten einer Heimunterbringung ohne Einschränkungen zu übernehmen. Hinzu kommt, dass sich der Übernehmer zur Sicherung der Ansprüche seiner Eltern der sofortige Zwangsvollstreckung in das gesamte Vermögen unterworfen hat, so dass auch im Falle von Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Leistungspflicht das wirtschaftliche Risiko eines Rechtsstreits dem Sohn zugewiesen ist. Schließlich ist auch für die Sicherung des Leibgedings im Grundbuch in einer Weise gesorgt, dass eine Gefährdung der berechtigten Interessen der Eltern fern liegt.
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Soweit einzelne Waldgrundstücke aus dem Vermögen des Betreuten auf die beiden Geschwister des Übernehmers übergehen sollen, führt dies ebenfalls nicht notwendig zur Annahme einer (gemischten) Schenkung - wie das Vormundschaftsgericht gemeint hat; vielmehr ist auch insoweit der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Übergabevertrag bestimmend, weil erst durch diese Abfindung von Erb- bzw. Pflichtteilsansprüchen die Hofübernahme langfristig gesichert ist. Hinzu kommt, dass dem Übergeber an einem Teil dieser Grundstück ein weitgehendes Nießbrauchsrecht (bis zur völligen Abholzung) zusteht, so dass dem Übergeber und seiner Ehefrau für den Notfall noch eine - vom Übernehmer unabhängige - Einnahmequelle gesichert ist.
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Die gegenteilige Bewertung des Übergabevertrags durch die Vorinstanzen hätte zur Folge, dass Betreute im Ergebnis generell von der Möglichkeit ausgeschlossen wäre, den Bestand seines Hofes durch Übertragung auf die nächste Generation unter Abdeckung des Lebensbedarfs im Alter sichern.
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e) Somit ist der vorliegende Übergabevertrag unter Berücksichtigung der gesamten aus den Akten ersichtlichen Umstände nicht von vornherein als „nicht genehmigungsfähig“ einzustufen, so dass dem Antrag auf Bestellung eines Ergänzungsbetreuers aus Rechtsgründen stattzugeben ist.
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Soweit das Vormundschaftsgericht auf Grund seiner breiten Erfahrung mit derartigen Übergabeverträgen gleichwohl noch ernsthafte Bedenken gegen einzelne Vertragsbestimmungen haben sollte, ist es ihm unbenommen, nach Bestellung des Ergänzungsbetreuers im Rahmen des nachfolgenden Genehmigungsverfahrens auf eine punktuelle Änderung des Vertrags hinzuwirken.
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3. Diese Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei (§ 131 Abs. 1 S. 2 KostO). Für eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht in der hier gegebenen Konstellation kein Anlass.
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