Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 12. Nov. 2009 - 8 W 427/09

bei uns veröffentlicht am12.11.2009

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers vom 12. Oktober 2009, Az. I NG 196/2009, durch das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - wird die Sache unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses (Verfügung vom 1. Juli 2009 ?) an das

Notariat Ulm I - Nachlassgericht - zurückgegeben.

Gründe

 
1.
Die Erblasserin hat durch notarielles Testament vom 24. Juni 2009 den Beschwerdeführer als Alleinerben eingesetzt und gleichzeitig alle von ihr einseitig getroffenen letztwilligen Verfügungen widerrufen.
Zu Lebzeiten ihres vorverstorbenen Ehemannes hatte sie am 17. November 1987 mit diesem einen notariellen Erbvertrag abgeschlossen, in dem sie unter Ziffer V. Verfügungen getroffen hatte, "falls sie Überlebender der Ehegatten sein sollte".
In Ziffer V.02. ist ein Vermächtnis zu Gunsten der Kinder ihres Ehemannes enthalten, das sie in dem Testament vom 24. Juni 2009 unter Ziffer IV.1.a) bestätigt hat.
In dem Erbvertrag hatte sie weiterhin unter Ziffer V.03. Testamentsvollstreckung angeordnet mit dem alleinigen Aufgabenbereich, das vorstehende Vermächtnis gegenüber dem Alleinerben geltend zu machen und zu erfüllen sowie dieses für die Vermächtnisnehmer zu verwalten, zu verwerten und den Reinertrag diesen entsprechend ihrer Beteiligung zur Verfügung zu stellen.
In Ziffer VII. (Schlussbestimmungen) des Erbvertrags ist u. a. geregelt:
"01. Die Bestimmungen dieses Erbvertrags sind insoweit vertragsmäßig getroffen, als sich die Ehegatten gegenseitig bedenken; ebenso ist das Vermächtnis in Abschnitt V Ziff. 2 vertragsmäßig getroffen.
Die übrigen Bestimmungen sind einseitiger Natur.
O2. Über das Wesen der erbvertraglichen Bindung sind wir belehrt worden. Der Überlebende ist also auch nach Annahme der Alleinerbschaft berechtigt, die von ihm auf seinen Tod getroffenen Bestimmungen beliebig abzuändern oder aufzuheben, mit Ausnahme der Vermächtnisanordnung in Abschnitt V Ziff. 02.“
Die Erblasserin verstarb am 29. Juni 2009. Die Testamentseröffnung bezüglich des Erbvertrags vom 17. November 1987 und des Testaments vom 24. Juni 2009 erfolgte durch das Nachlassgericht am 1. Juli 2009.
10 
Am 17. September 2009 ersuchte der Beschwerdeführer das Nachlassgericht um Ernennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers, was vom Notariat am 12. Oktober 2009 abgelehnt wurde.
11 
Hiergegen richtet sich die am 21. Oktober 2009 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Oktober 2009.
12 
Das Nachlassgericht sieht die Anordnung einer Testamentsvollstreckung in dem Erbvertrag durch das spätere Testament als widerrufen an und verneint darüber hinaus die Notwendigkeit einer Testamentsvollstreckung. Der Beschwerdeführer hält eine solche für erforderlich und vertritt die Auffassung, dass ein Widerruf der Anordnung wegen des Sachzusammenhangs mit dem Vermächtnis nicht erfolgt sei.
13 
Das Notariat hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
2.
14 
Zuständig für das Beschwerdeverfahren ist nicht das Oberlandesgericht gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1b GVG n. F., sondern das Landgericht nach §§ 19 Abs. 2, 30 FGG a. F. (Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 345 FamFG Rdnr. 46; § 342 FamFG Rdnr. 1).
15 
Denn für das vorliegende Beschwerdeverfahren ist das alte Recht anwendbar nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG (Engelhardt in Keidel, a. a. O., Art. 111 FGG-RG Rdnr. 2) mit dem Instanzenzug Nachlassgericht/Notariat (§ 38 LFGG BW) - Landgericht - Oberlandesgericht, sodass zunächst das Landgericht zur Entscheidung berufen ist.
16 
Es handelt sich vorliegend um die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht gem. § 2200 Abs. 1 BGB, nachdem es um die Streitfrage geht, ob das Ersuchen der Erblasserin in Ziffer V. 03. des Erbvertrags an das Nachlassgericht auf Ernennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers durch das spätere Testament widerrufen wurde. Hierbei handelt es sich aber um eine Verrichtung des Nachlassgerichts von Amts wegen (Winkler in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003/2005, Vorbem. zu §§ 72-99 Rdnr. 1 ff, insb. Rdnr. 3), zu der das Notariat mit der Eröffnung und damit Kenntnisnahme des Erbvertrags und des notariellen Testaments am 1. Juli 2009 verpflichtet war, nicht aber erst durch das entsprechende Ersuchen des Beschwerdeführers vom 17. September 2009.
17 
Dieses wurde demgemäß auch durch ein formloses Schreiben beantwortet ("Sehr geehrte Damen und Herren, Ihrer Bitte auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht kann nicht entsprochen werden."). Erst mit der Vorlageverfügung an das Oberlandesgericht wurde das Schreiben als rechtsmittelfähige Entscheidung gewertet.
18 
Im Hinblick auf das tatsächlich vorliegende Amtsverfahren bezüglich der Ernennung eines Testamentsvollstreckers lag in dem Ersuchen des Beschwerdeführers lediglich eine Anregung in einem bereits mit der Eröffnung des Erbvertrags und des Testaments am 1. Juli 2009 eingeleiteten Verfahren, sodass unzweifelhaft gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG die Vorschriften des FGG a. F. zur Anwendung kommen.
19 
Danach aber verbleibt es bei dem Instanzenzug Nachlassgericht - Landgericht - Oberlandesgericht und die Sache war unter Aufhebung des Vorlagebeschlusses (Verfügung vom 1. Juli 2009 ?) an das Notariat Ulm I - Nachlassgericht - zurückzugeben.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

FGG-Reformgesetz - FGG-RG | Art 111 Übergangsvorschrift


(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ref

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 119


(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel: 1. der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte a) in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;b) in den Angelegenh

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 342 Begriffsbestimmung


(1) Nachlasssachen sind Verfahren, die1.die besondere amtliche Verwahrung von Verfügungen von Todes wegen,2.die Sicherung des Nachlasses einschließlich Nachlasspflegschaften,3.die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen,4.die Ermittlung der Erben,5

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2200 Ernennung durch das Nachlassgericht


(1) Hat der Erblasser in dem Testament das Nachlassgericht ersucht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, so kann das Nachlassgericht die Ernennung vornehmen. (2) Das Nachlassgericht soll vor der Ernennung die Beteiligten hören, wenn es ohne

Referenzen

(1) Die Oberlandesgerichte sind in Zivilsachen zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel:

1.
der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte
a)
in den von den Familiengerichten entschiedenen Sachen;
b)
in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ausnahme der Freiheitsentziehungssachen und der von den Betreuungsgerichten entschiedenen Sachen;
2.
der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.

(2) § 23b Absatz 1, 2 und 3 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) In Zivilsachen sind Oberlandesgerichte ferner zuständig für die Verhandlung und Entscheidung von Musterfeststellungsverfahren nach Buch 6 der Zivilprozessordnung im ersten Rechtszug. Ein Land, in dem mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, kann durch Rechtsverordnung der Landesregierung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern die Zuweisung für eine sachdienliche Förderung oder schnellere Erledigung der Verfahren zweckmäßig ist. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

(1) Nachlasssachen sind Verfahren, die

1.
die besondere amtliche Verwahrung von Verfügungen von Todes wegen,
2.
die Sicherung des Nachlasses einschließlich Nachlasspflegschaften,
3.
die Eröffnung von Verfügungen von Todes wegen,
4.
die Ermittlung der Erben,
5.
die Entgegennahme von Erklärungen, die nach gesetzlicher Vorschrift dem Nachlassgericht gegenüber abzugeben sind,
6.
Erbscheine, Testamentsvollstreckerzeugnisse und sonstige vom Nachlassgericht zu erteilende Zeugnisse,
7.
die Testamentsvollstreckung,
8.
die Nachlassverwaltung sowie
9.
sonstige den Nachlassgerichten durch Gesetz zugewiesene Aufgaben
betreffen.

(2) Teilungssachen sind

1.
die Aufgaben, die Gerichte nach diesem Buch bei der Auseinandersetzung eines Nachlasses und des Gesamtguts zu erledigen haben, nachdem eine eheliche, lebenspartnerschaftliche oder fortgesetzte Gütergemeinschaft beendet wurde, und
2.
Verfahren betreffend Zeugnisse über die Auseinandersetzung des Gesamtguts einer ehelichen, lebenspartnerschaftlichen oder fortgesetzten Gütergemeinschaft nach den §§ 36 und 37 der Grundbuchordnung sowie nach den §§ 42 und 74 der Schiffsregisterordnung.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(1) Hat der Erblasser in dem Testament das Nachlassgericht ersucht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, so kann das Nachlassgericht die Ernennung vornehmen.

(2) Das Nachlassgericht soll vor der Ernennung die Beteiligten hören, wenn es ohne erhebliche Verzögerung und ohne unverhältnismäßige Kosten geschehen kann.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.