Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 05. Feb. 2009 - 8 W 42/09

published on 05.02.2009 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 05. Feb. 2009 - 8 W 42/09
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Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Tübingen vom 24. November 2008, Az. 4 O 98/08,

abgeändert:

Aufgrund des rechtswirksamen Vergleichs des Landgerichts Tübingen vom 25. September 2008 sind von dem Beklagten an die Klägerin an Kosten zu erstatten:

1.730,84 Euro

nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit 8. Oktober 2008.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 481,50 Euro

Gründe

 
1. Im Hauptsacheverfahren machte die Klägerin gegen den Beklagten Pflichtteilsansprüche in Höhe von 33.327,71 Euro geltend. Die Parteien schlossen am 25. September 2008 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sich der Beklagte verpflichtete 25.000 EUR zu bezahlen. Damit waren sämtliche Ansprüche der Parteien gegeneinander erledigt und abgegolten. Von den Kosten des Rechtsstreits übernahmen die Klägerin 25% und der Beklagte 75%.
Bei den Kostenausgleichungsanträgen berücksichtigte der Beklagte die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr und reduzierte die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV auf 0,65 und damit auf 539,50 EUR netto, während die Klägerin trotz unstreitiger vorgerichtlicher Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten die volle 1,3-Verfahrensgebühr mit einem 1.079 EUR netto in Ansatz brachte.
Die Rechtspflegerin ging beim Kostenausgleich von den jeweiligen Anträgen aus und setzte mit Beschluss vom 24. November 2008 die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 2.212,34 EUR fest.
Gegen die am 26. November 2008 zugestellte Entscheidung hat der Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten am 28. November 2008 Beschwerde eingelegt, der die Klägerin entgegengetreten ist.
Die Parteien streiten über die Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr. Bei Berücksichtigung der Anrechnung und infolgedessen Reduzierung der Verfahrensgebühr auf 0,65 würde der Beklagte im Kostenausgleich unter Zugrundelegung der vereinbarten Quote mit einem um 481,50 EUR brutto geringeren Erstattungsbetrag belastet werden.
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte mit Verfügung (Beschluss) vom 2. Februar 2009 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 ff ZPO, § 11 Abs. 1 RpflG) und in der Sache begründet.
In dem Beschluss vom 22. Januar 2008, Az. VIII ZB 57/07, veröffentlicht u. a. in AGS 2008, 158 und NJW 2008, 1323, sowie bestätigt durch weitere Entscheidungen (BGH NJW 2008, 3641; JurBüro 2008, 468 und 469; AGS 2008, 377) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die anteilige Anrechnung einer vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) des gerichtlichen Verfahrens gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV vorzunehmen ist unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage vom Prozessgegner zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder bereits beglichen ist.
Das Entstehen der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ist zwischen den Parteien unstreitig und ergibt sich aus der Anlage K 7. Mit diesem Schreiben vom 3. August 2007 zeigt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin deren Vertretung gegenüber dem Beklagten an und macht einen Pflichtteilsanspruchs von 33.327,71 EUR geltend. Das Mahnverfahren wurde eingeleitet am 10. September 2007.
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Nachdem der BGH unmissverständlich klargestellt hat, dass es für die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV nicht darauf ankommt, ob wegen dieser ein materiellrechtlicher Erstattungsanspruch gegenüber dem Prozessgegner besteht, ist es unerheblich, ob die Klägerin die vorgerichtliche Geschäftsgebühr als Nebenforderung mit eingeklagt oder ob sie dies unterlassen hat wegen der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede und ob mit der umfassenden Erledigungsklausel in dem gerichtlichen Vergleich bezüglich eines etwaigen Erstattungsanspruchs der Klägerin zwischen den Parteien ein Erlassvertrag (§ 397 BGB) abgeschlossen wurde.
11 
Der BGH stellt allein auf das Entstehen der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV ab. Diese fiel aber mit der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters im Verhältnis zu seiner Mandantin an - unabhängig davon, ob dieser ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten zu irgend einem Zeitpunkt zustand.
12 
Denn die Anrechnungsvorschrift bezweckt unter einem aufwandsbezogenen Gesichtspunkt die Kürzung der Verfahrensgebühr, weil der Prozessbevollmächtigte auf Grund seiner vorprozessualen Befassung mit dem Streitstoff in der Regel nur einen geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand hat. Damit kann er gegenüber dem eigenen Mandanten auch nur die volle Geschäftsgebühr und die durch Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr (maximal 0,75) reduzierte Verfahrensgebühr beanspruchen.
13 
Würde die Anrechnung bei der Kostenerstattung gegenüber dem Prozessgegner nicht berücksichtigt, so würde dies zu dem Ergebnis führen, dass der Obsiegende von seinem Gegner die volle Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff ZPO ersetzt erhielte und im Falle eines materiellrechtlichen Erstattungsanspruchs zusätzlich die volle Geschäftsgebühr, während er an seinen Anwalt lediglich die volle Geschäftsgebühr und die reduzierte Verfahrensgebühr zu zahlen hätte. Hierdurch wäre er ungerechtfertigt bereichert, denn § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sieht lediglich die Erstattung der "erwachsenen Kosten" vom unterliegenden Prozessgegner vor.
14 
Im Hinblick auf diese Erwägungen kommt es auf eine Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Prozessvergleichs nicht an.
15 
Die vom Klägervertreter zitierte Entscheidung des KG Berlin vom 23. Oktober 2008, Az. 1 W 375/07, befasst sich im übrigen mit der Auslegung der Kostenregelung eines Prozessvergleichs aus dem Jahr 2006, während der vorliegende am 25. September 2008 geschlossen wurde und damit zu einer Zeit, als die Rechtsprechung des BGH längst bekannt und die frühere Rechtsauffassung des Senats, der in den vom Klägervertreter zitierten Entscheidungen (OLG Stuttgart JurBüro 2008, 23 und AGS 2008, 43) jeweils die Rechtsbeschwerde zum BGH zuließ, überholt war.
16 
Nachdem die vorgerichtliche Geschäftsgebühr (Nr. 2300 RVG-VV) auf Klägerseite angefallen war und sie durch den gerichtlichen Vergleich nicht mehr in Wegfall geraten konnte, allenfalls ein etwaiger diesbezüglicher Erstattungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten, worauf es nach der BGH-Rechtsprechung nicht ankommt, war diese auf die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) gem. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 RVG-VV hälftig anzurechnen, sodass sich letztere auf 0,65 und damit auf 539,50 EUR netto und 642 EUR brutto reduzierte. Unter Berücksichtigung der vereinbarten Kostenquote ist der Beklagte mit diesem zu Unrecht für die Klägerin in Ansatz gebrachten Betrag in Höhe von 75% (= 481,50 EUR) belastet worden.
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Der mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten der Klägerin festgelegte Erstattungsbetrag von 2.212,34 EUR verringert sich demnach um 481,50 EUR auf 1.730,84 EUR und war entsprechend abzuändern.
18 
Die Entscheidung ergeht gemäß § 1812 GKG-KV gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin nach § 91 ZPO zu tragen.
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

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published on 22.01.2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 57/07 vom 22. Januar 2008 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 91 RVG-VV, Anlage 1 Teil 3 Vorbemerkung 3 Absatz 4 a) Es wird daran festgehalten, dass sich durch die ant
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Annotations

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(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Über den Festsetzungsantrag entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Auf Antrag ist auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verzinsen sind. Die Entscheidung ist, sofern dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen wird, dem Gegner des Antragstellers unter Beifügung einer Abschrift der Kostenrechnung von Amts wegen zuzustellen. Dem Antragsteller ist die Entscheidung nur dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird; im Übrigen ergeht die Mitteilung formlos.

(2) Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genügt, dass er glaubhaft gemacht ist. Hinsichtlich der einem Rechtsanwalt erwachsenden Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen genügt die Versicherung des Rechtsanwalts, dass diese Auslagen entstanden sind. Zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen genügt die Erklärung des Antragstellers, dass er die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann.

(3) Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Das Beschwerdegericht kann das Verfahren aussetzen, bis die Entscheidung, auf die der Festsetzungsantrag gestützt wird, rechtskräftig ist.

(1) Gegen die Entscheidungen des Rechtspflegers ist das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist.

(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist. Hat der Erinnerungsführer die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Erinnerung binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Die Wiedereinsetzung kann nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen. Erinnerungen, denen er nicht abhilft, legt er dem Richter zur Entscheidung vor. Auf die Erinnerung sind im Übrigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die sofortige Beschwerde sinngemäß anzuwenden.

(3) Gerichtliche Verfügungen, Beschlüsse oder Zeugnisse, die nach den Vorschriften der Grundbuchordnung, der Schiffsregisterordnung oder des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit wirksam geworden sind und nicht mehr geändert werden können, sind mit der Erinnerung nicht anfechtbar. Die Erinnerung ist ferner in den Fällen der §§ 694, 700 der Zivilprozeßordnung und gegen die Entscheidungen über die Gewährung eines Stimmrechts (§ 77 der Insolvenzordnung) ausgeschlossen.

(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn der Gläubiger dem Schuldner durch Vertrag die Schuld erlässt.

(2) Das Gleiche gilt, wenn der Gläubiger durch Vertrag mit dem Schuldner anerkennt, dass das Schuldverhältnis nicht bestehe.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.