Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 03. Juni 2008 - 8 W 223/08

bei uns veröffentlicht am03.06.2008

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Ravensburg vom 31. März 2008, Az. 8 O 91/07 KfH 2, wird

zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 4.044,40 Euro

Gründe

 
1.
Die Antragstellerin erwirkte auf Grund des rechtskräftigen Anerkenntnisurteils des Landgerichts Ravensburg vom 09. Juli 2007, Az. 8 O 91/07 KfH 2, im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Unterlassung von Wettbewerbsmaßnahmen und auf Grund des Zurückweisungsbeschlusses des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. September 2007, Az. 2 W 47/07, auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenausspruch am 25. September 2007 einen Kostenfestsetzungsbeschluss, Az. 8 O 91/07 KfH 2, über einen Betrag von 4.044,40 Euro. Dieser war erlassen worden auf die Anträge vom 24. Juli und 18. September 2007, die dem bereits im Erkenntnisverfahren legitimierten Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zusammen mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss, der unangefochten blieb, am 28. September 2007 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurden.
Am 22. Oktober 2007 beantragte die Antragstellerin dessen Bestätigung als Europäischen Vollstreckungstitel, dem am 11. Februar 2008 entsprochen wurde.
Hierauf begehrte die Antragsgegnerin am 21. Februar 2008 mit Erfolg den Widerruf der ihrer Auffassung nach zu Unrecht erteilten Bestätigung.
Gegen den Widerrufsbeschluss vom 31. März 2008, zugestellt am 04. April 2008, legte der Antragstellervertreter per Telefax am 18. April 2008 (Eingang der Urschrift am 22. April 2008) sofortige Beschwerde ein.
Der Antragsgegnervertreter ist dem Rechtsmittel entgegengetreten und die Rechtspflegerin hat ohne Abhilfe, weil die Mindestvoraussetzungen für die Bestätigung nicht erfüllt gewesen seien und insoweit auch keine Heilung eingetreten sei, die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Widerrufsbeschluss der Rechtspflegerin vom 31. März 2008 ist zulässig (§§ 1081 Abs. 3, 319 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG; Geimer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 1081 Rdnr. 8 und § 319 Rdnr. 26).
Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Rechtspflegerin hat mit zutreffender Begründung die Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses als Europäischen Vollstreckungstitel widerrufen, weil die Mindestvorschriften der Art. 12 ff der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EuVTVO) nicht eingehalten wurden.
Die Kostenfestsetzungsanträge vom 24. Juli und 18. September 2007 wurden als verfahrenseinleitende Schriftstücke des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht unter Beachtung der Art. 13 bis 17 EuVTVO der Antragsgegnerin vor Erlass des Beschlusses vom 25. September 2007 zugestellt. Eine Heilung der Nichteinhaltung dieser Mindestvorschriften konnte gem. Art. 18 EuVTVO nicht eintreten.
10 
Zwar ermöglicht Art. 18 Abs. 1 EuVTVO eine Heilung sämtlicher Verfahrensmängel im Hinblick auf Zustellung und Unterrichtung (Art. 13 bis 17 EuVTVO). Voraussetzung hierfür wäre aber nicht nur die Zustellung der Entscheidung (Art. 18 Abs. 1 a EuVTVO), sondern auch eine Rechtsmittelbelehrung (Art. 18 Abs. 1 b EuVTVO) und die Versäumung der Rechtsmitteleinlegung (Art. 18 Abs. 1 c EuVTVO).
11 
Nachdem in der ZPO eine Rechtsmittelbelehrung nur bei einem Versäumnisurteil (§ 338 ZPO) vorgesehen ist und dementsprechend dem Kostenfestsetzungsbeschluss nicht beigefügt war, käme hier allenfalls eine Heilung nach Art. 18 Abs. 2 EuVTVO in Betracht (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, Art. 18 EuVTVO Rdnr. 2; Lackmann in Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, Art. 18 EG-Verordnung Nr. 805/2004 - EuVTVO - Rdnr. 1 und 2; Kropholler, EurZPR, 8. Aufl. 2005, Art. 18 EuVTVO Rdnr. 1-10; Adolphsen in Münchener Kommentar, ZPO, Bd. 3, 3. Aufl. 2008, § 1080 Rdnr. 46-51; je m. w. N.). Danach können nur Zustellungsmängel (Art. 13 und 14 EuVTVO) geheilt werden, nicht aber Unterrichtungsmängel (Art. 16 und 17 EuVTVO).
12 
Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde zwar zusammen mit den verfahrenseinleitenden Anträgen ordnungsgemäß am 28. September 2007 dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin (§ 81 ZPO; Vollkommer in Zöller, a. a. O., § 81 Rdnr. 8 m. w. N.) zugestellt gegen Empfangsbekenntnis und damit durch postalische Zustellung, bei der der Schuldner/Vertreter/Bevollmächtigte die Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückgeschickt hat entsprechend Art. 13 Abs.1 c und 15 EuVTVO (nicht dagegen für das Bestätigungsverfahren anwendbar: § 174 ZPO; vgl. unten). Diese Schriftstücke enthalten auch die erforderlichen Angaben nach Art. 16 EuVTVO, nicht aber die in Art. 17 EuVTVO vorgeschriebene Unterrichtung. Eine Heilung von Unterrichtungsmängeln ist jedoch in Art. 18 Abs. 2 EuVTVO nicht vorgesehen.
13 
Von der Einhaltung der Unterrichtungsvorschriften konnte auch nicht deshalb abgesehen werden, weil die Antragsgegnerin anwaltlich vertreten ist. Denn Art. 15 EuVTVO erlaubt zwar die Zustellung an den Vertreter (oder Bevollmächtigten) des Schuldners in der Form der Art. 13 oder 14 EuVTVO. Dabei beurteilt sich die Zulässigkeit der Zustellung für das Bestätigungsverfahren allein nach der EuVTVO. Ein Rückgriff auf nationales Recht ist dagegen nach Art. 15 EuVTVO nicht zugelassen (Kropholler, a. a. O., Art. 15 EuVTVO Rdnr. 1 und 2; Adolphsen, a. a. O., § 1080 Rdnr. 31; je m. w. N.). Ebenso ist in Art. 18 EuVTVO nicht die Möglichkeit einer Abstandnahme von den Unterrichtungsvorschriften der Art. 16 und 17 EuVTVO im Hinblick auf die nationalen Rechtskenntnisse des Bevollmächtigten vorgesehen.
14 
Im übrigen verlangt die Heilungsnorm des Art. 18 Abs. 2 EuVTVO ein „Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren“, reine Passivität - wie vorliegend - ist nicht ausreichend (Kropholler, a. a. O., Art. 18 Rdnr. 10; Adolphsen, a. a. O., § 1080 Rdnr. 51; je m. w. N.).
15 
Eine Heilung gem. Art. 18 EuVTVO ist danach nicht eingetreten.
16 
Einer Entscheidung der weiteren Streitfrage der Parteien, ob das Bestreiten der Kostenschuld im Erkenntnisverfahren, in dem die Kostengrundentscheidung getroffen wird, ausreicht, um von einer nicht unbestrittenen Forderung im Sinne des Art. 3 EuVTVO auszugehen, bedarf es im Hinblick auf die obigen Ausführungen vorliegend nicht. Insoweit sei lediglich auf die Erörterung dieser Problematik bei Adolphsen, a. a. O., vor §§ 1079 ff Rdnr. 28 m. w. N. hingewiesen.
17 
Damit hat die Rechtspflegerin zu Recht den Widerruf der Bestätigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 25. September 2007 als Europäischen Vollstreckungstitel ausgesprochen.
18 
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss vom 31. März 2008 war damit als unbegründet zurückzuweisen.
19 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und Nr. 1523 GKG-KV.
20 
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der Hauptforderung des Vollstreckungstitels - hier des Kostenfestsetzungsbeschlusses - (Herget in Zöller, a. a. O., § 3 Rdnr. 16 "Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schuldtitels" mit Rechtsprechungsnachweisen, die auf den vorliegenden Fall entsprechend zu treffen).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 338 Einspruch


Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 1081 Berichtigung und Widerruf


(1) Ein Antrag nach Artikel 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 auf Berichtigung oder Widerruf einer gerichtlichen Bestätigung ist bei dem Gericht zu stellen, das die Bestätigung ausgestellt hat. Über den Antrag entscheidet dieses Gericht. Ein

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(1) Ein Antrag nach Artikel 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 auf Berichtigung oder Widerruf einer gerichtlichen Bestätigung ist bei dem Gericht zu stellen, das die Bestätigung ausgestellt hat. Über den Antrag entscheidet dieses Gericht. Ein Antrag auf Berichtigung oder Widerruf einer notariellen oder behördlichen Bestätigung ist an die Stelle zu richten, die die Bestätigung ausgestellt hat. Die Notare oder Behörden leiten den Antrag unverzüglich dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz haben, zur Entscheidung zu.

(2) Der Antrag auf Widerruf durch den Schuldner ist nur binnen einer Frist von einem Monat zulässig. Ist die Bestätigung im Ausland zuzustellen, beträgt die Frist zwei Monate. Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung der Bestätigung, jedoch frühestens mit der Zustellung des Titels, auf den sich die Bestätigung bezieht. In dem Antrag auf Widerruf sind die Gründe darzulegen, weshalb die Bestätigung eindeutig zu Unrecht erteilt worden ist.

(3) § 319 Abs. 2 und 3 ist auf die Berichtigung und den Widerruf entsprechend anzuwenden.

Der Partei, gegen die ein Versäumnisurteil erlassen ist, steht gegen das Urteil der Einspruch zu.

Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, einschließlich derjenigen, die durch eine Widerklage, eine Wiederaufnahme des Verfahrens, eine Rüge nach § 321a und die Zwangsvollstreckung veranlasst werden; zur Bestellung eines Vertreters sowie eines Bevollmächtigten für die höheren Instanzen; zur Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Anspruchs; zur Empfangnahme der von dem Gegner oder aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten.

Ein Schriftstück kann dem Adressaten oder seinem rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter durch Aushändigung an der Amtsstelle zugestellt werden. Zum Nachweis der Zustellung ist auf dem Schriftstück und in den Akten zu vermerken, dass es zum Zwecke der Zustellung ausgehändigt wurde und wann das geschehen ist; bei Aushändigung an den Vertreter ist dies mit dem Zusatz zu vermerken, an wen das Schriftstück ausgehändigt wurde und dass die Vollmacht nach § 171 Satz 2 vorgelegt wurde. Der Vermerk ist von dem Bediensteten zu unterschreiben, der die Aushändigung vorgenommen hat.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)