Oberlandesgericht Stuttgart Urteil, 18. Apr. 2011 - 5 U 199/10

bei uns veröffentlicht am18.04.2011

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 08.10.2010 - 10 O 166/09 KfH - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 1.543.785,- EUR

Gründe

 
I.
Die Klägerin baut Feuerwehrfahrzeuge in Deutschland. Die spanische Beklagte vertreibt solche Fahrzeuge in Spanien. Die Klägerin verlangt Kaufpreiszahlung für vier Fahrzeuge, bei denen sie im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung vier von der Beklagten gestellte neue D.-LKWs zu Feuerwehrfahrzeugen aufgebaut hat. Der Transport erfolgte jeweils durch eine Spedition, der die Klägerin die Fahrzeuge übergeben hatte. Die Zahlungspflicht ist unstreitig, jedoch rechnet die Beklagte mit Schadensersatzansprüchen auf, die daraus entstanden sein sollen, dass die Klägerin ihre Alleinvertriebsrechte in Spanien verletzt habe. Wegen dieser Ansprüche hat sie die Klägerin inzwischen auch in Spanien verklagt. In erster Linie wendet sich die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit gegen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.
1.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Eine internationale Zuständigkeit bestehe nicht unter dem Gesichtspunkt des Erfüllungsorts (Art. 5 Nr. 1a EuGVVO).
Vertragscharakteristische Leistung im Sinn dieser Norm sei die Lieferpflicht der Klägerin, die nach der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung auch beim Versendungskauf am Bestimmungsort, also am Sitz der Beklagten zu erfüllen sei. Einen Erfüllungsort in Deutschland hätten die Parteien nicht vereinbart, weil die Beklagte mit der Klausel „F.O.C.“ bestellt habe, während die Klägerin ihre Auftragsbestätigungen, soweit solche erstellt bzw. übersandt wurden, mit der Klausel „ex works“ versehen habe. Die Beklagte habe die Lieferbedingungen der Klägerin nicht gegenbestätigt, das bloße Schweigen sei nicht mit einer Annahme gleichzusetzen. Trotzdem seien die Kaufverträge wirksam zustande gekommen, weil der Dissens über die Transportverpflichtung gem. Art. 19 Abs. 3 CISG unwesentlich sei. Im Übrigen stelle unter den gegebenen Umständen „ex works“ nur eine Kostentragungsklausel dar und keine Vereinbarung über den Erfüllungsort.
Die internationale Zuständigkeit bestehe auch nicht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, weil die Schriftform nach Art. 23 Abs. 1a EuGVVO nicht eingehalten sei. Die Liefer- und Zahlungsbedingungen der Klägerin, die Entsprechendes vorsähen, seien von der Beklagten nicht schriftlich bestätigt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber auch nicht vorher mündlich vereinbart worden. Eine generelle Vereinbarung über die Einbeziehung der klägerischen AGB sei nicht festzustellen, zumal die Klägerin in jedem Einzelfall um Gegenbestätigung ihrer Auftragsbestätigungen gebeten habe. Aus diesem Grund ergebe sich eine Gerichtsstandsvereinbarung auch nicht aus den Gepflogenheiten der Geschäftsbeziehung der Parteien (Art. 23 Abs. 1 lit. b EuGVVO). Der mit Schriftsatz vom 27.09.2010 gehaltene Vortrag der Klägerin gebe keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 14.10.2010 zugestellt (Bl. 445). Die Berufung ging am 29.10.2010 (Bl. 444/445) ein, die Berufungsbegründung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist am 10.12.2010 (Bl. 450).
2.
Mit der Berufungsbegründung rügt die Klägerin zunächst, dass ihr Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 27.09.2010 zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Sie habe über die mit diesem Schriftsatz vorgelegten Dokumente aus dem Besitz der Beklagten nicht früher verfügt. So habe die Beklagte im Rahmen ihrer Klage in Spanien jetzt erst schriftliche Auftragsbestätigungen der Klägerin vorgelegt, die die Aussage der Zeugin S. im hiesigen Rechtsstreit widerlegten, wonach die Klägerin solche nie an die Beklagte übermittelt habe.
Im Übrigen wiederholt und vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie vertritt weiter den Standpunkt, dass die Parteien Vereinbarungen sowohl über den Erfüllungsort als auch über den Gerichtsstand getroffen hätten.
So sei entsprechend der Aussage des Zeugen K. stets Ulm als Lieferort vereinbart worden, indem die Klägerin der Beklagten dort die Fahrzeuge zur Prüfung und Abholung zur Verfügung gestellt habe. Insoweit habe das Landgericht dessen Aussage nicht richtig gewürdigt. Dagegen stelle die von der Beklagten verwendete Handelsklausel “F.O.C.” keinen Incoterm dar und habe keinen nachvollziehbaren Inhalt. Auch die Kommunikation per e-Mail (e-Mail K. vom 26.06.2008, Anl. K 19; e-Mail vom 25.03.2008, Anl. 2 zur Berufungsbegründung) bestätige (teilweise) eine Erfüllungsortvereinbarung. Eine solche liege weiter darin, dass die Beklagte auf die klägerischen Auftragsbestätigungen, die einen Hinweis darauf enthalten hätten, dass Schweigen als Zustimmung gelte, nicht reagiert habe. Zum selben Ergebnis führe die Anwendung von Art. 19 Abs. 2 CISG, weil der Zusatz „ex works“ keine wesentliche Änderung gegenüber der Bestellung sei.
Maßgeblich seien allein die bis zum Zeitpunkt der Auftragsbestätigungen getroffenen Vereinbarungen. Entgegen der Feststellung des Landgerichts und entgegen dem Beklagtenvorbringen seien die Lieferverträge nicht erst mit Entgegennahme der Fahrzeuge zustande gekommen seien, sondern bereits durch die Kommunikation zuvor. Mit der Übergabe der Fahrzeuge an die Spedition habe die Klägerin alle Verpflichtungen erfüllt gehabt. Aus diesem Grund habe die Beklagte jahrelang bei früheren Geschäften bis auf wenige Sonderfälle auch die Transportkosten getragen. Auch insofern habe das Landgericht die Aussage des Zeugen K. nicht richtig gewürdigt.
10 
Weiter bleibt die Klägerin bei ihrer Auffassung, neben einer Vereinbarung über den Erfüllungsort hätten die Parteien auch eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinn von Art. 23 EuGVVO getroffen, weil entsprechende mündliche Vereinbarungen schriftlich bestätigt worden seien. Das Landgericht habe zu Unrecht eine mündliche Einigung vermisst. Jedenfalls konkludent sei seit 1994 vereinbart gewesen, dass die Verkaufs- und Lieferbedingungen der I. GmbH Bestandteil jeden Vertrags seien. Das zeige auch die Tatsache, dass eine von der Beklagten gegengezeichnete Auftragsbestätigung - von einem früheren Geschäft - habe vorgelegt werden können. Eine solche Einbeziehung habe den Gepflogenheiten der Parteien entsprochen und sei nach der Aussage des Zeugen K. im Januar 2008 sogar ausdrücklich erfolgt. Abwegig sei es, der Klägerin zu unterstellen, sie habe aus Unsicherheit über die Vertragslage um Gegenbestätigung ihrer Auftragsbestätigung gebeten. Die Gegenbestätigung sei primär zur Kontrolle der jeweils vereinbarten, nicht immer gleichen technischen Ausstattung der Fahrzeuge erbeten worden.
11 
Schließlich hätte das Landgericht nach Auffassung der Klägerin eine Gerichtsstandsvereinbarung aufgrund entsprechender Gepflogenheiten der Parteien annehmen müssen (Art. 23 Abs. 1 lit. b EuGVVO), weil in den ständig mit den Auftragsbestätigungen und den Rechnungen übersandten Geschäftsbedingungen eine Gerichtsstandsklausel enthalten gewesen sei und die Klägerin immer zum Ausdruck gebracht hätte, dass diese Basis der Vertragsbeziehung sein sollten.
12 
Dass die Klägerin die Fahrzeuge dem Transporteur übergeben habe, stehe den obigen Rechtstatsachen nicht entgegen, weil das Landgericht nicht zur Kenntnis genommen habe, dass sie, die Klägerin, nach dem Willen beider Streitparteien nicht Versenderin der Fahrzeuge im Sinn des Transportrechts habe sein sollen.
3.
13 
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil als richtig, auch soweit nach Schluss der mündlichen Verhandlung gehaltener Vortrag zurückgewiesen worden sei. Die Kopie der Schadensersatzklage in Spanien habe der Klägerin schon vor dem zweiten Verhandlungstermin beim Landgericht vorgelegen. Die nachgereichten Unterlagen stammten ohnehin aus dem eigenen Besitz der Klägerin. Die Einreichung neuer Unterlagen sei vom Schriftsatzrecht der Klägerin nicht gedeckt gewesen.
14 
Die nachgereichten Auftragsbestätigungen belegten ohnehin keine generelle Einbeziehungsvereinbarung für die Geschäftsbedingungen der Klägerin, weil die Klägerin für jeden Einzelvorgang eine Gegenbestätigung erbeten (und im Übrigen nicht erhalten) habe. Zudem sei unklar geblieben, welche Geschäftsbedingungen der Klägerin, die unterschiedliche Bezeichnungen trügen - z.T. „General Termins and Conditions for the Sale of Brand-New Vehicles“, z.T. „General Terms and Conditions für the Sale of New Fire Fighting Vehicles and Trailers - New Vehicles Conditions of Sale / Fire Fighting Vehicles“ -, hätten einbezogen werden sollen. Folglich könne von einer Vereinbarung über den Erfüllungsort kraft Geschäftsbedingungen der Klägerin nicht ausgegangen werden. Das zeige sich auch daran, dass der Transport der Fahrzeuge nach Spanien Sache der Klägerin gewesen sei. Ebenso unterstreiche dies die in den Aufträgen der Beklagten aufgenommene „F.O.C.“-Klausel, die ohne weiteres als „kostenfrei“ zu verstehen sei. Eine Geschäftspraxis, dass „ex works Ulm“ geliefert werde, habe sich nicht herausgebildet und sei auch nicht vereinbart worden, jedenfalls nicht im Sinn einer Festlegung des Erfüllungsorts. Deswegen sei die Klägerin gegenüber dem Spediteur als Versender aufgetreten und habe - nicht anders als in früheren Fällen - für die noch nicht bezahlten Transportkosten aufzukommen.
15 
Eine Gerichtsstandsvereinbarung habe das Landgericht zu Recht nicht angenommen, weil eine diesbezügliche schriftliche oder mündliche Vereinbarung mit schriftlicher Bestätigung nicht dargelegt sei. Eine etwaige Absprache zwischen dem Zeugen K. und seinem Gesprächspartner N. aus dem Januar 2008 gelte nicht für spätere Aufträge. Eine einzige schriftliche Gegenbestätigung zu einer klägerischen Auftragsbestätigung bei einem anderen Vertrag (die eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten hatte) reiche in 17 Jahren der Zusammenarbeit nicht einmal, ein Indiz für eine solche Abrede annehmen zu können. Eine längere Geschäftsbeziehung stelle noch keine Geschäftsgepflogenheit dar.
16 
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2011 Bezug genommen. Die Parteien haben danach in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiter vorgetragen.
II.
17 
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat richtig entschieden.
1.
18 
Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung liegt nicht vor.
19 
Grundsätzlich verlangt Art. 23 Abs. 1 EuGVVO zweierlei: eine inhaltliche Einigung auf einen Gerichtsstand und die Einhaltung einer bestimmten Form. Nur in der zweiten Komponente unterscheiden sich die Varianten des Art. 23 Abs. 1 EuGVVO (BGH, U. v. 06.07.2004, X ZR 171/02, NJW-RR 2005, 150, 152; Geimer/Schütze, Art. 23 Rn. 101, 115, 118a). Als Formen stehen die vom Landgericht erörterten Varianten zur Verfügung, nämlich beiderseitige Unterzeichnung („Vollschriftlichkeit“), formlose Einigung mit nachfolgender schriftlicher Bestätigung einer Seite („Halbschriftlichkeit“) sowie - als Ersatz für eine Dokumentation - eine entsprechende Gepflogenheit im Geschäftsverkehr zwischen den Parteien. Diese Anforderungen erfüllen die Unterlagen, Absprachen und Handhabungen der Parteien im vorliegenden Fall nicht.
20 
a) Vollschriftlichkeit nach der ersten Variante kommt im Streitfall nicht in Betracht.
21 
Zwar bestimmen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Gerichte am Sitz der Klägerin als zuständig (Anl. K 1, Ziff. IX.1). Die Beklagte hat die vier streitgegenständlichen Auftragsbestätigungen jedoch nicht gegengezeichnet. Vielmehr existiert nur für einen einzigen früheren Auftrag eine Gegenbestätigung zu einer Auftragsbestätigung (Anl. K 18). Dieser Vertrag hat mit den vorliegenden Aufträgen nichts zu tun.
22 
b) Hinsichtlich der zweiten Variante der halbschriftlichen Form spricht viel dafür, dass die Beklagte laufend Auftragsbestätigungen erhalten hat, auch wenn sie und die von ihr benannte Zeugin S. dies in Abrede gestellt haben. Diese Auftragsbestätigungen nehmen Bezug auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die eine Gerichtsstandsklausel enthalten zu Gunsten der deutschen Gerichtsbarkeit.
23 
Auch wenn hiervon zu Gunsten der Klägerin ausgegangen wird, reicht dies für eine Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. b EuGVVO aber deshalb nicht aus, weil der schriftlichen Bestätigung jeweils eine mündliche Vereinbarung hätte vorausgehen müssen. Solche mündlichen Vereinbarungen sind weder konkret dargelegt noch nachgewiesen. Der von der Klägerin benannte Zeuge K. gibt an, ausdrückliche Gespräche über die Geltung der Geschäftsbedingungen bzw. des Gerichtsstands Ulm habe es nie gegeben (Protokoll v. 07.09.2010, S. 7, Bl. 321 d.A.). Die einmalige Diskussion im Januar 2008 zwischen dem Zeugen K. und seinem Ansprechpartner bei der Beklagten N. hatte schon nach dem eigenen Vortrag der Klägerin nicht den Inhalt, dass vereinbart worden wäre, ab diesem Zeitpunkt hätten ständig die Geschäftsbedingungen der Klägerin gelten sollen. Vielmehr ging es um die ganz andere Frage, ob die Ausschreibungsbedingungen aus dem Verhältnis der Beklagten zu den spanischen Endkäufern der Fahrzeuge in die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien einbezogen werden müssten, wozu es im Übrigen nie kam.
24 
Die erforderliche ausdrückliche oder konkludente Einigung kann nicht ersetzt werden durch laufend übersandte Auftragsbestätigungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es für die Schriftform nicht einmal aus, wenn die Partei, zu deren Lasten die Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung unterzeichnet, nachdem sie vom Inhalt der Klausel Kenntnis erhalten hat (BGH, Urteil vom 06.07.2004, X ZR 171/02, NJW-RR 2005, 150, 151). Ebenso hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden, dass es grundsätzlich nicht reicht, wenn Gerichtsstandsvereinbarungen auf Rechnungen oder Auftragsbestätigungen abgedruckt sind und laufend übersandt werden (BGH, Urteil vom 25.02.2004, VIII ZR 119/03, NJW-RR 2004, 1292, 1293).
25 
c) Aus ähnlichen Gründen scheitert eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 23 Abs. 1 S. 3 lit. c) EuGVVO. Aus der Art und Weise, wie die Parteien ihre Geschäfte miteinander abgewickelt haben, lässt sich zwar möglicherweise die Gepflogenheit - also die tatsächliche Übung - entnehmen, Auftragsbestätigungen zu übersenden. Das hat nicht nur der Zeuge K. ausgesagt, sondern die Klägerin legt auch Auftragsbestätigungen vor, die die Beklagte erhalten haben muss, weil sie diese nämlich in den spanischen Schadensersatzprozess gegen die Klägerin selbst eingeführt hat.
26 
Der Zweck der Auftragsbestätigungen bestand allerdings hauptsächlich darin, die Ausstattung der bestellten Fahrzeuge im Einzelnen niederzulegen. Die erforderliche inhaltliche Einigung auf allgemeine Geschäftsbedingungen kann darin noch nicht gesehen werden. Dies gilt vor allem, weil mit der Übersendung der Auftragsbestätigungen noch nicht feststeht, dass die allgemeinen Geschäftsbedingungen auch tatsächlich "gelebt" worden sind, was für die Annahme einer ständigen Gepflogenheit aber erforderlich wäre.
27 
Hinzu kommt, dass die Parteien in mehrerlei Hinsicht tatsächlich anders verfahren sind als die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin vorgeben. So sehen etwa die Geschäftsbedingungen in Ziff. III Zahlung bei Übergabe vor, während in Wirklichkeit die Fahrzeuge ohne Zahlung übergeben und die Zahlungsfristen weit hinausgesetzt wurden, um die Zulassung der Fahrzeuge in Spanien abzuwarten. Auch bei den Transportkosten gibt es keine ständige Übung. Nach der Aussage des Zeugen K. waren die Transportkosten Verhandlungsmasse und wurden je nach Verhandlungssituation von der einen oder von der anderen Seite getragen (näher zu den Transportkosten und dem letzten Klägervortrag dazu siehe unten Ziff. II.2).
28 
Gegen eine inhaltliche, formlose Einigung über einen Gerichtsstand spricht ferner, dass die Parteien immer wieder Verhandlungen über den Abschluss eines Vertragshändlervertrages geführt haben, die jedoch nie zum Abschluss gekommen sind, weil die Beklagte die Vertragsentwürfe der Klägerin nicht zu akzeptieren vermochte. Solange aber Parteien in Verhandlungen über grundsätzliche Konditionen der Zusammenarbeit stehen und bis zu einer generellen Einigung von Fall zu Fall individuell verfahren, kann von einer inhaltlichen Einigung und einer ständigen Gepflogenheit nicht ausgegangen werden.
29 
Nicht zuletzt steht, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, auch entgegen, dass die Klägerin in ihren Auftragsbestätigungen zwar auf ihre Geschäftsbedingungen verwiesen, aber gleichzeitig um Gegenbestätigung gebeten hat. Das lässt sich zwar auch mit dem eigenen Gegenargument der Klägerin erklären, dass es dabei in erster Linie darum gegangen sei, die vielen technischen Daten zu bestätigen, die in den Auftragsbestätigungen (im Gegensatz zur pauschalen Bestellung der Beklagten) aufgelistet werden, es aber nicht Sinn und Zweck gewesen sei, die immer gleichen Rahmenbedingungen der Einzelbestellung festzulegen. Die verbleibende Unsicherheit geht jedoch zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin.
30 
d) Auf die Frage, ob die als Anl. K 1 vorgelegten Geschäftsbedingungen überhaupt diejenigen der Klägerin sind, nachdem sie anders bezeichnet sind als die in Anl. K 3 in Bezug genommen Bedingungen, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.
2.
31 
Mit überzeugenden Gründen und im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht verneint, dass eine Erfüllungsortvereinbarung im Sinn von Art. 5 Nr. 1 EuGVVO zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte führt. Eine solche wäre gegenüber der Anknüpfung an die im Verordnungstext geregelten Tatbestände vorrangig, wie sich aus dem Wortlaut ergibt (s. auch Geimer/Schütze, Eur. Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 5 Rn. 92, 124).
32 
a) Der Zeuge K. hat im Rahmen der Beweisaufnahme vor dem Landgericht angegeben, als „Lieferklausel“ sei jeweils „ab Werk (ex works)“ vereinbart worden, was bedeute, dass die Gefahr übergehe, sobald das Fahrzeug das Werk verlasse (Protokoll v. 07.09.2010, dort S. 7, Bl. 321). Hintergrund sei gewesen, dass die Beklagte die Fahrzeuge im Werk bereitgestellt habe, damit sie dort von den Mitarbeitern der Beklagten hätten besichtigt werden können, ehe sie abtransportiert wurden. Dabei kann es sich um eine Art Vorabnahme (bzw. -entgegennahme) gehandelt haben, um etwaigen Mängeln oder Änderungswünschen ohne großen Aufwand Rechnung tragen zu können. Mehr spricht aber dafür, dass dieser Prüfungstermin die Schnittstelle der beiderseitigen Pflichten und der Gefahrtragung darstellen sollte. Dieser Sachverhalt ist aber Geschichte. Denn der Zeuge hat auch berichtet, dass diese Praxis Ende 2006 aufgegeben worden sei, weil die Beklagte Zeit und Geld sparen wollte. Seit dieser Zeit seien die Fahrzeuge ohne weiteres nach Spanien transportiert worden, wobei die Beklagte das Lieferziel - entweder ihre eigene Anschrift oder gleich die des Endabnehmers - jeweils vorgegeben habe. Von einer Bereitstellung zur Prüfung und Abholung kann unter solchen Bedingungen jedoch nicht mehr gesprochen werden. Dass die Parteien dieser geänderten Handhabung in ihren Dokumenten nicht durch entsprechende Anpassungen Rechnung getragen haben und die Klägerin ihre Auftragsbestätigungen mit dem Zusatz „ex works“ versah (bzw. ihre Rechnungen mit dem Vermerk „Method of disp. Customer collection, ready for deliver …“), unterstreicht das Gesamtbild der Vertragsabwicklung, wie sie sich dem Senat darstellt, dass Dokumente und tatsächliche Vertragsabwicklung letztlich teilweise voneinander unabhängig waren. Die „Bereitstellung zur Prüfung und Abholung“ steht daher buchstäblich auf dem Papier und gibt für eine Erfüllungsortvereinbarung nichts her, wenn diese nicht gelebt worden ist.
33 
Im Übrigen war auch bei der früheren Handhabung nicht ohne Weiteres von einer Holschuld auszugehen. Die Beklagte hat nämlich auch seinerzeit die Fahrzeuge nicht mitgenommen; diese sind vielmehr nach Besichtigung per Spedition nach Spanien geliefert worden.
34 
b) Abgesehen davon sprechen auch die schriftlichen Unterlagen gegen eine Erfüllungsortvereinbarung. Während die Klägerin in den Auftragsbestätigungen durch die Klausel "ex works" zum Ausdruck brachte, dass sie ab Werktor für die Ware nicht mehr verantwortlich sein wollte, verwendete die Beklagte in den Aufträgen ständig die Klausel „F.O.C.“. Die im Rechtsstreit aufgestellte Behauptung der Klägerin, wonach "F.O.C." keinen nachvollziehbaren Inhalt habe und der "ex works"-Klausel nicht widerspreche, trifft nicht zu. Zwar gehört „F.O.C.“ nicht zu den Incoterms, ist also keine Handelsklausel mit fest definiertem Inhalt, aber sie ist durchaus gebräuchlich (vgl. etwa Gabler Wirtschaftslexikon, 17. Aufl., "FOC", online unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/foc.html) und bedeutet "free of charge", d.h. Ablehnung jeder Kostentragung. Auch wenn die exakte Bedeutung teilweise variieren mag, kann sie in dem hier in Rede stehenden Zusammenhang mit dem Transport der Feuerwehrfahrzeuge (vgl. Anl. K 2: „Carrier/Transportista: F.O.C.“) nicht anders verstehen werden als vom Landgericht angenommen, nämlich dass die Beklagte keine Transportkosten übernehmen wollte, zumal die Klausel im Formular unter der Rubrik „Transport“ angefügt wird.
35 
c) Soweit im e-Mail-Verkehr (Anl. K 19, e-Mail vom 26.06.2008, e-Mail vom 25.03.2008, Anl. 2 zur Berufungsbegründung) Geschäftsbedingungen angehängt wurden, folgt daraus ebenfalls keine Erfüllungsortvereinbarung für die hier gegenständlichen Lieferungen. Die Klägerin hat dadurch nur im Einzelfall ihre AGB einseitig bekannt gegeben. Soweit der Zeuge K. in der als Anl. K 19 eingereichten e-Mail bei der Preisangabe die Klausel „ex works Ulm“ verwendet, wiederholt er nur den Inhalt der Auftragsbestätigungen, für die das oben Ausgeführte gilt.
36 
d) Für eine Erfüllungsortvereinbarung reicht es auch nicht aus, dass die Beklagte auf die Auftragsbestätigungen der Klägerin geschwiegen hat. Dadurch hat sie nicht etwa die Klausel "ex works" akzeptiert. Was Inhalt einer Erfüllungsortvereinbarung wird, bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln des anwendbaren Sachrechts. Nach dem letzten Sachstand der Berufungsverhandlung war das zur Herstellung der Feuerwehrfahrzeuge benötigte Material hautsächlich von der Klägerin zu beschaffen und die Beklagte hatte nur die wertmäßig weit niedriger liegenden "nackten" LKWs zu stellen. Nach Klägervortrag haben die von der Beklagten angelieferten D. einen Wert von rund 85.000 EUR je Stück, während die von der Klägerin gelieferten Aufbauten - je nach Ausstattung - mehr als 300.000,- bzw. mehr als 400.000,- EUR je Fahrzeug ausmachen. Demnach handelt es sich bei den Verträgen der Parteien um Werklieferverträge, auf die national nach Art. 1, 3 CISG das UN-Kaufrecht anzuwenden ist (Staudinger/Magnus, BGB (2005), Art. 3 CISG Rn. 14). Schweigen oder Untätigkeit bedeutet nach Art. 18 Abs. 1 S. 2 CISG jedoch ausdrücklich keine Annahme. Zwar könnte sich nach Art. 18 Abs. 3 CISG ein konkludenter Vertragsschluss auch aus den „Gepflogenheiten und Gebräuchen“ ergeben. Gepflogenheit der Parteien war es aber gerade nicht, die ständig verwendete „ex works“-Klausel hinzunehmen, sondern die Beklagte bestellte gleichwohl ständig mit der Klausel „F.O.C.“.
37 
e) Das Argument der Klägerin, der Zusatz „ex works“ stelle keine wesentliche Änderung gegenüber der Bestellung dar, weshalb der Vertrag gem. Art. 19 Abs. 2 CISG mit diesem Inhalt zustande gekommen sei, trifft wegen Art. 19 Abs. 3 CISG nicht zu. Wenn man, wie die Klägerin es tun will, in dieser Klausel eine Vereinbarung über den Lieferort/Erfüllungsort sähe und nicht bloß eine Kostentragungsklausel, wäre diese Abweichung nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 19 Abs. 3 CISG erheblich und würde verhindern, dass die Klausel der Klägerin stillschweigend zum Vertragsinhalt wird.
38 
f) Eine Vereinbarung der Parteien darüber, wo die Leistungspflichten der Klägerin enden, lässt sich entgegen der Behauptung der Klägerin nicht feststellen. Dabei sind die strittigen Absprachen über die Transportkosten ein wichtiges Indiz. Diese sollen dem klägerischen Zeugen K. zufolge „in der Regel“ von der Beklagten zu tragen gewesen sein, wobei es bis zu 50 % Ausnahmen gegeben haben soll, weil die Transportkosten als Verhandlungsmasse im Rahmen der Preisverhandlungen genutzt worden seien. Selbst wenn man insoweit die anderslautende Angaben der Zeugin S., Mitarbeiterin der Beklagten, und des Geschäftsführers der Beklagten außer Betracht lässt, wonach die Beklagte nie den Transport von Neufahrzeugen bezahlt habe, und wenn man die Angaben des Zeugen R., Mitarbeiter der Spedition, nicht stark gewichtet, der keinen Einblick in die Interna der Parteien und die zwischen ihnen bestehenden Abmachungen hatte, ist damit eine laufende Transportkostenübernahme durch die Beklagte nicht bewiesen.
39 
Der von Klägerseite dazu nach Schluss der Berufungsverhandlung nachgeschobene Vortrag im Schriftsatz vom 11.04.2011 gibt keinen Anlass für eine andere Beurteilung oder für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Abgesehen davon, dass die Klägerin sich kein Schriftsatzrecht für ergänzenden Vortrag hat einräumen lassen und die vorläufigen Angaben ohne Substanz sind, scheinen die Nachforschungen ihre früheren Behauptungen nicht zu stützen, wenn nur noch die Rede davon ist, die Beklagte habe teilweise die Transportkosten getragen. Weil die Vereinbarung über die Übernahme der Transportkosten Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Klägerin ist, hätte sie konkrete Angaben dazu auch bereits viel früher machen können und müssen, wenn sie insoweit wesentlichen Tatsachenstoff hätte liefern können oder wollen.
3.
40 
Nachdem von Vereinbarungen über Gerichtsstand bzw. Erfüllungsort nicht auszugehen ist, richtet sich die Frage der internationalen Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 EuGVVO. Danach sind die spanischen Gerichte zuständig.
41 
a) Die streitgegenständlichen Verträge sind als Kaufverträge im Sinne von Art. 5 Nr. 1 b erster Spiegelstrich EuGVVO zu qualifizieren.
42 
Sowohl der Begriff „Verkauf beweglicher Sachen“ als auch der Begriff der Erbringung von „Dienstleistungen“ gemäß Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO sind prozessrechtlich autonom, d.h. anhand der Zielsetzung und der Systematik der EuGVVO zu ermitteln (BGH, Urteil v. 02.03.2006, IX ZR 15/05, NJW 2006, 1806, 1807; Musielak/Stadler, 8. Aufl., Art. 5 EuGVVO Rn. 10). Zu Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO gehören sämtliche Kaufverträge über bewegliche Sachen und ihre Unterformen, in der Regel auch die mit einer Dienstleistung verbundenen Kaufverträge. Bei Werklieferungsverträgen berühren Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung nicht die Einordnung als Kaufvertrag, es sei denn, der Besteller hat einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung gestellt (EuGH, Urteil vom 25.02.2010, C-381/08, NJW 2010, 1059, 1060 - "Car Trim"; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.6.2008, 19 U 5/08, OLGR Karlsruhe 2008, 724; Musielak/Stadler a.a.O. Rn. 9). Letzteres ist hier nicht der Fall, da die fertigen Feuerwehrzeuge hauptsächlich auf den von der Klägerin erbrachten Leistungen beruhen, wie oben bereits ausgeführt ist. Es handelt sich vielmehr um typische Werklieferungsverträge, bei denen der Verkäufer die Ware im Wesentlichen herzustellen und anschließend zu liefern und zu übereignen hat. Auch bei wertender Betrachtung überwiegt dabei die kaufvertragliche Komponente, nämlich die vereinbarte Lieferung und Übereignung der fertigen Sache gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. Die tätigkeitsbezogene Dienstleistung, nämlich die Herstellung des Produkts, mag sie für die Klägerin auch zeit- und kostenintensiv sein, tritt dahinter - anders als bei den typischen Dienstleistungsverträgen wie Geschäftsbesorgungs-, Beratungs- und Werkverträgen - zurück. Erst die Lieferungs- und Übereignungspflicht gibt den Verträgen ihr typisches Gepräge.
43 
b) Nach dem ersten Spiegelstrich von Art. 5 Nr. 1 b EuGVVO ist damit Erfüllungsort für alle aus den Verträgen folgenden Verpflichtungen Spanien - auch für die Zahlungspflicht der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2010, VIII ZR 135/08, NJW 2010, 3452, Tz. 19; Musielak/Stadler a.a.O. Rn. 10).
44 
Es kann offen bleiben, ob die Klägerin die Fahrzeuge nach Spanien zu verbringen oder sie nur an den Transporteur zu übergeben hatte. Denn der EuGH hat entschieden, dass auch beim Versendungskauf der Erfüllungsort beim Käufer liegt, wenn dieser - wie hier - die Ware letztlich an seinem Wohnsitz in Besitz nehmen sollte (EuGH v. 25.02.2010 a.a.O. NJW 2010, 1059, 1061).
45 
Anders wäre es nur, wenn die Parteien eine Holschuld vereinbart hätten. Dafür spricht nach dem oben Gesagten jedoch nichts, nachdem in der Zeit der streitgegenständlichen Verträge schon keine gemeinsamen Prüfungen mehr im Werk der Klägerin in Deutschland durchgeführt wurden. Dass die deutsche Spedition ausschließlich im Namen und im Auftrag der Beklagten die Fahrzeuge bei der Klägerin abgeholt hätte, ist trotz der Aussage des Zeugen R. nicht bewiesen, zumal die Kommunikation mit der Spedition über die Klägerin lief.
4.
46 
Die Aufrechnung der Beklagten mit Schadensersatzansprüchen wirkt sich auf die Zuständigkeitsfragen im Zusammenhang mit der Klage nicht aus, denn sie ist nur Verteidigungsmittel. Art 6 Nr. 3 EuGVVO ist nicht anzuwenden, denn die Aufrechnung ist keine Widerklage (EuGH v. 13.7.1995, Rs. 341/93 - „Danvaern Production“; Kropholler, 8. Aufl., Art. 6 Rn. 43). Es kommt daher nicht darauf an, ob für einzelne Ansprüche der Beklagten eine internationale Zuständigkeit im Inland bestünde.
III.
47 
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO.
48 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§§ 541 Abs. 1, 543 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Gegenstand des Rechtsstreits sind überwiegend Tatsachenfragen.

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Bundesgerichtshof Urteil, 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08

bei uns veröffentlicht am 23.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 135/08 Verkündet am: 23. Juni 2010 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja (zu I, II) BG

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 171/02 Verkündet am:
6. Juli 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sammlung beim EuGH: ja
Übk über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen
in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1998 (LuganoÜbereinkommen
) Art. 17 Abs. 1 Satz 2

a) Das Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a LugÜ ist nicht
schon dann erfüllt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung
geht, eine schriftliche Erklärung abgibt, nachdem sie vom Inhalt
der von der anderen Partei verwendeten, den Gerichtsstand regelnden Formularklausel
Kenntnis erhalten hat.

b) "Gepflogenheiten" im Sinn des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b LugÜ setzen eine
tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; sie
können die Schriftform ersetzen, jedoch nicht die Einigung.
BGH, Urt. v. 4. Mai 2004 - X ZR 171/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das am 28. Mai 2002 verkündete Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin macht (als Rechtsnachfolgerin der W. GmbH) Werklohnansprüche im Gerichtsstand Karlsruhe gegenüber der Beklagten, einer Schweizer Aktiengesellschaft, geltend.
Die Beklagte übermittelte der Klägerin aufgrund vorangegangener Vertragsverhandlungen einen Vertragsentwurf über die Lieferung diverser "Pumpen -Wärmeaustauscher-Skids", in welchem auf ihre Allgemeinen Geschäftsbe-
dingungen Bezug genommen wurde. Diese sehen die Geltung Schweizer Rechts unter Ausschluß des UN-Kaufrechts und Zürich als Gerichtsstand vor.
Weiter nahm die Beklagte unter Bezug auf ihre Allgemeinen Vertragsbedingungen Angebote der Klägerin zur Anfertigung und Lieferung von 14 Sedimentbeckenmodulen sowie auf Lieferung von zwei Lagerkonstruktionen an.
Das Landgericht hat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte abgewiesen. Das Berufungsgericht hat hingegen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, mithin Klageabweisung wegen internationaler Unzuständigkeit deutscher Gerichte. Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht. Es hat dazu ausgeführt:
Eine dem Schriftformerfordernis nach Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (Lugano -Übereinkommen, LugÜ) genügende Vereinbarung zwischen den Parteien
liege nicht vor. Zwar genüge auch ein Briefwechsel oder der Austausch von Fernschreiben. Wenn die Gerichtsstandsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sei, müsse in beiden Willensäußerungen darauf Bezug genommen werden. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, weil die Klägerin das Vertragsangebot der Beklagten nicht schriftlich angenommen habe. Die Parteien hätten lediglich mündlich über einzelne Vertragsklauseln verhandelt und die dabei getroffene Vereinbarung schriftlich bestätigt. Aus dem weiteren Schriftverkehr sei eine Vereinbarung der Gerichtsstandsklausel nicht zu entnehmen. Auch eine stillschweigende Einigung über die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel genüge dem Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 LugÜ nicht, weil es an einer schriftlichen Bestätigung fehle.
Hinsichtlich der weiteren zwischen den Parteien geschlossenen Verträge über die Anfertigung und Lieferung von 14 Sedimentbeckenmodulen bzw. zwei Lagerkonstruktionen sei dem Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 LugÜ ebenfalls nicht genüge getan.
Eine Gerichtsstandsvereinbarung ergebe sich auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b LugÜ, weil hinsichtlich der dort vorausgesetzten "Gepflogenheit" der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht derjenige der Klageeinreichung maßgebend sei. Im übrigen fehle es bereits an einer wirksam zustande gekommenen Vereinbarung, auf die sich eine Gepflogenheit stützen könnte.
Da der Gerichtsstand des Art. 17 Abs. 1 LugÜ nicht wirksam sei, sei Karlsruhe als Gerichtsstand des Erfüllungsortes zuständig, weil die Vereinbarung des Schweizer Rechts wirksam sei und nach diesem Geldschulden an
dem Ort zu zahlen seien, an dem der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz habe.
II. Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Da die Beklagte ihren Sitz in der Schweiz hat, findet im Streitfall das Lugano-Übereinkommen Anwendung (Art. 54 b Abs. 2 Buchst. a LugÜ). Art. 17 Abs. 1 LugÜ stimmt mit Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ überein. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu dieser Vorschrift sind die in Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ aufgestellten Voraussetzungen eng auszulegen , weil die Bestimmung sowohl die allgemeine Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVÜ) als auch die besonderen Zuständigkeiten nach den Art. 5 und 6 EuGVÜ ausschließt (EuGH, C-24/76, Slg. 1976, 1831 = NJW 1977, 494 - Estasis Salotti; C-106/95, Slg. I 1997, 911 = NJW 1997, 1431 f. - MSG/Les Gravières Rhenanes). Die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ sollen gewährleisten, daß eine Einigung zwischen den Parteien zweifelsfrei festgestellt werden kann. Von diesen Grundsätzen ist auch für die inhaltsgleiche Regelung in Art. 17 LugÜ auszugehen.
Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. EuGVÜ/LugÜ liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Das kann - abweichend von § 126 Abs. 2 BGB - auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht. Nach ganz überwiegender Auffassung genügt die Übermittlung durch moderne Kommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermöglichen (BGH, Urt. v. 22.2.2001 - IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731 = BGHR LugÜ Art. 17 Abs. 1 Satz 2 - Gerichtsstandsvereinbarung 1 m.w.N.).

2. Eine diesem Formerfordernis genügende Erklärung hat die Klägerin nicht abgegeben.

a) Wertet man die Übersendung der Vertragsentwürfe seitens der Beklagten bereits als Angebot einer Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. BGHZ 116, 77, 81), ist die in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 1. Alt. LugÜ geforderte Schriftform gleichwohl nicht gewahrt. Eine Erklärung der Klägerin ist in der Urkunde nicht enthalten. Notwendig ist eine auf den konkreten Vertrag bezogene schriftliche Willenskundgabe beider Vertragspartner. Eine solche Erklärung geht aus den Vertragsunterlagen nicht hervor; sie ist auch später nicht in der gebotenen Form erfolgt.

b) Das Schriftformerfordernis ist nicht schon dann erfüllt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung abgibt, nachdem sie vom Inhalt der Klausel Kenntnis erhalten hat. Eine solche Betrachtungsweise wäre mit dem Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses nicht zu vereinbaren. Sie hätte zur Folge, daß eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel schon dann zu bejahen wäre, wenn ein entsprechender Vertragstext dem anderen Teil ohne eigene Unterschrift übersandt worden und von jenem unterzeichnet zurückgegeben worden ist. Das entspricht nicht dem, was im Rechtsverkehr allgemein unter einer schriftlichen Vereinbarung verstanden wird, und stände im Widerspruch zu der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Gründen der Rechtsklarheit praktizierten engen Auslegung der inhaltsgleichen Regelung in Art. 17 Abs. 1 EuGVÜ. Die Wahrung der Schriftform hinge dann auch davon ab, daß der Vertragstext an den Urheber zurückgesandt worden und bei diesem eingegangen ist, einem Umstand, der aus dem Urkundentext nicht erkennbar wird.
Das wäre mit Sinn und Zweck der normierten Formenstrenge nicht vereinbar (BGH, Urt. v. 22.2.2001 - IX ZR 19/00, aaO).

c) Die Parteien haben nach den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung auch nicht in der Weise geschlossen, daß sie mit schriftlichem Vertragsschluß eine zuvor getroffene mündliche Abrede bestätigt hätten (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a 2. Alt. LugÜ; vgl. zum EuGVÜ BGHZ 116, 77, 80 ff.). Soweit die Revision in der zwischen den Parteien gewechselten Korrespondenz eine Bezugnahme auf die Gerichtsstandsklausel sehen und daraus eine schriftliche Bestätigung dieser Klausel herleiten will, setzt sie sich in Widerspruch zu der Auslegung dieser Korrespondenz und insbesondere der Zahlungsaufforderung durch das Berufungsgericht, ohne einen Rechtsfehler darzulegen.
3. Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, daß Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b LugÜ das Schriftformerfordernis des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a LugÜ nur dann zu ersetzen vermag, wenn zwischen den Vertragsparteien bereits entsprechende Gepflogenheiten bestehen. Gepflogenheiten setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; sie können die Form ersetzen, nicht jedoch die Einigung. Ob diese Gepflogenheiten bereits bei Vertragsschluß vorhanden sein müssen oder ob ihr Vorhandensein bei Klageerhebung ausreichend ist, muß hier nicht entschieden werden. Voraussetzung ist jeweils, daß derartige Gepflogenheiten überhaupt bestehen. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint, indem es ausgeführt hat, es fehle an einer wirksam zustande gekommenen Vereinbarung, auf die sich eine Gepflogenheit stützen könnte, denn der laufende Abdruck einer Gerichtsstandsklausel genüge hierfür nicht.

Auch das Bestehen eines Handelsbrauchs, aus dem sich nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c LugÜ ein Gerichtsstand ergeben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
4. Ohne Erfolg rügt die Revision als verfahrensfehlerhaft, das Berufungsgericht habe bei der Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht sein gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 540 ZPO a.F. bestehendes Ermessen verkannt, weil sich aus der Formulierung des Berufungsurteils nicht herleiten lasse, daß sich das Berufungsgericht des ihm zustehenden Ermessens bewußt gewesen sei. Die Beklagte hat die Zurückverweisung selbst angeregt, womit die Grundlage für eine Rüge entfallen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.1983 - V ZR 287/81, NJW 1984, 126).
5. Ob auf den Rechtsstreit deutsches oder Schweizer Recht und ob UNKaufrecht anzuwenden ist, kann offenbleiben. Nach Art. 74 Abs. 2 Satz 1 Schweizer Obligationenrecht handelt es sich, falls nicht etwas anderes bestimmt ist, bei Geldschulden um Bringschulden, weshalb sich als Erfüllungsort Karlsruhe ergäbe. Hierzu führte auch Art. 57 Abs. 1 des UN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG), welcher gemäß Art. 3 CISG auch für Werkverträge gilt. Sollte hingegen das Bürgerliche Gesetzbuch anwendbar sein, wäre der Ort des Bauwerkes, für das die Werkleistung der Klägerin vertragsgemäß bestimmt war, bzw. der Ort der Abnahme Erfüllungsort der Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers (vgl. BGH, Urt. v. 7.12.2000 - VII ZR 404/99, NJW 2001, 1936). Da diese Orte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland liegen, wäre das Landgericht Karlsruhe international zuständig (Art. 5 LugÜ).
III. Die Revision ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 135/08 Verkündet am:
23. Juni 2010
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja (zu I, II)
BGHR: ja
Rom I-VO Art. 1, Art. 3, Art. 5 Nr. 1, Art. 6, Art. 23, Art. 27, Art. 60; CISG Art. 4,
Art. 31, Art. 57; EGBGB Art. 28, Art. 32

a) Bei einem grenzüberschreitenden Versendungskauf ist für die Bestimmung des
Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO
an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung
der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen
Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche
Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen (Anschluss
an EuGH, NJW 2010, 1059).

b) Ein nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO bestehender besonderer
Gerichtsstand des Erfüllungsortes erfasst sämtliche Klagen aus ein und
demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige
aus der Lieferverpflichtung an sich. Das gilt ungeachtet der jeweils gewählten Klageart
oder Rechtsschutzform.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 - VIII ZR 135/08 - OLG München
LG München I
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juni 2010 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Milger,
die Richter Dr. Achilles und Dr. Schneider sowie die Richterin Dr. Fetzer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 17. April 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der in Deutschland ansässige Kläger war für die in Italien ansässige Beklagte , die Holzwaren nach Deutschland importiert, in langjähriger Geschäftsbeziehung als Handelsvertreter tätig. Dieses Handelsvertreterverhältnis kündigte er aus Altersgründen zum 31. August 2006. Daneben bezog er auf eigene Rechnung von der Beklagten Holzwaren. Aus diesen Lieferungen sind noch zwei Kaufpreisforderungen in Höhe von unstreitig insgesamt 43.141,42 € für Waren offen, welche die Beklagte auf der Grundlage der dabei verwendeten Klausel "Resa: Franco Partenza" aus Italien an den Geschäftssitz des Klägers in Deutschland versandt hatte. Insoweit hat die Beklagte nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage ihrerseits gegen den Kläger bei dem für ihren Sitz zuständigen italienischen Gericht Klage auf Zahlung erhoben.
2
Der Kläger hält die Kaufpreisforderungen aufgrund einer von ihm erklärten Aufrechnung mit Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 49.007,11 € für erloschen. Diese Gegenforderungen leitet er aus offenen Handelsvertreterprovisionen , einem von ihm beanspruchten Handelsvertreterausgleich sowie einer von ihm ferner beanspruchten Vergütung für weitere in Deutschland erbrachte Dienstleistungen her. Der von ihm hierauf gestützten negativen Feststellungsklage , dass er der Beklagten aus den beiden Warenlieferungen nichts mehr schulde, ist die Beklagte in beiden Rechtszügen in erster Linie mit der Rüge der fehlenden örtlichen und internationalen Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Landgerichts München I entgegengetreten; hilfsweise hat sie sich gegen den Bestand der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sowie die Zulässigkeit einer Aufrechnung gewandt.
3
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage (als unzulässig) abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat Erfolg.

I.

5
Das Berufungsgericht (OLG München, IPRax 2009, 69) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
6
Zur Entscheidung über die erhobene Klage sei entgegen der Auffassung des Landgerichts eine internationale Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts nicht gegeben. Eine vertragliche Regelung zum Erfüllungsort hätten die Parteien nicht getroffen. Die Klausel "Resa: Franco Partenza", was mit "Lieferung frei Absendung" zu übersetzen sei, betreffe nur die Frage der Frachtkosten , enthalte jedoch keine Regelung zum Erfüllungsort. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsrechtszug die Vereinbarung einer Bringschuld beziehungsweise die Bestellung auf der Grundlage einer Ankunftsklausel behauptet habe, sei dieser Vortrag wegen Verspätung nicht zu berücksichtigen und widerspreche im Übrigen auch den vorgelegten Transportdokumenten, welche die Vereinbarung eines Erfüllungsortes widerlegten. Keinen Einfluss auf den Erfüllungsort des den Gegenstand der Feststellungsklage bildenden Kaufpreisanspruchs habe weiter der Umstand, dass es dem Kläger im Ergebnis um eine Durchsetzung seiner zur Aufrechnung gestellten eigenen Gegenforderungen gehe. Ebenso wenig ergebe sich ein inländischer Erfüllungsort aus Art. 6 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. EG Nr. L 12 S. 1 - EuGVVO), da diese Vorschrift keine Anwendung finde, wenn eine Forderung als bloßes Verteidigungsmittel in das Verfahren eingeführt werde.
7
Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht aus der Erfüllungsortzuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO. Im Sinne dieser Bestimmung sei als Ort, an dem nach dem Vertrag geliefert worden ist, der Ort der Übergabe an das (selbständige) Transportunternehmen und damit der Absendeort zu verstehen. Zwar ließen die Textfassungen einzelner Amtssprachen auch eine Auslegung zu, nach der eine Zuständigkeitsanknüpfung an den Ort der Ankunft der Ware bei dem Käufer möglich sei. Insgesamt spreche ein Fassungsvergleich aber deutlich für eine Anknüpfung an den Ort der Absendung. Dieses Auslegungsergebnis sei deshalb aus Gründen der Rechtsklarheit vorzugswürdig, zumal dem für eine Anknüpfung an den Ankunftsort angeführten Argument der Sach- und Beweisnähe längst nicht in allen Fällen eine hinreichende Bedeutung zukomme.

II.

8
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Zulässigkeit der Klage nicht verneint werden.
9
1. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht von einem Fehlen der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 153, 82, 84 ff.; Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 - VIII ZR 119/08, NZM 2010, 251, Tz. 8 m.w.N.), ausgegangen.
10
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte beurteilt sich, da die Parteien ihren Sitz jeweils im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben und die in Italien ansässige Beklagte abweichend von Art. 2 EuGVVO vor den Gerichten eines anderen Mitgliedsstaates, nämlich in Deutschland, verklagt wird, gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 60 Abs. 1 EuGVVO nach Maßgabe der Art. 5 bis 24 EuGVVO. Die Beklagte hat das Fehlen einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte in beiden Rechtszügen von Anfang an gerügt und in zulässiger Weise lediglich vorsorglich für den Fall, dass das angerufene deutsche Gericht den Gerichtsstaat nach dem maßgeblichen Zuständigkeitsrecht für international zuständig halten sollte, auch Ausführungen zur Hauptsache gemacht, so dass es an einer zuständigkeitsbegründenden Einlassung auf das Verfahren im Sinne von Art. 23 EuGVVO fehlt (vgl. Gei- mer/Schütze/Geimer, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., A. 1 Art. 24 Rdnr. 46 m.w.N.). Jedoch ist eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Maßgabe von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a und b EuGVVO gegeben, weil der Erfüllungsort für die den Streitgegenstand bildende Verpflichtung des Klägers zur Kaufpreiszahlung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts am Sitz des Klägers in Deutschland anzusiedeln ist.
11
a) Nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. a EuGVVO kann eine Person, die ihren (Wohn-)Sitz (Art. 59 f. EuGVVO) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, vor dem Gericht desjenigen Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre, verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Für den Verkauf beweglicher Sachen wird diese Bestimmung in Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO dahin ergänzt, dass im Sinne dieser Vorschrift und sofern nichts anderes vereinbart worden ist, der Erfüllungsort der Verpflichtung der Ort in einem Mitgliedsstaat ist, an dem die Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen.
12
aa) In der Rechtsprechung und im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist für den Verkauf beweglicher Sachen umstritten, an welchen Ort bei Fehlen einer bestimmten Vereinbarung der Vertragsparteien im Falle einer Versendung der Sachen für die Zuständigkeitsbestimmung anzuknüpfen ist. Teilweise wird angenommen, dies bestimme sich nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht, hier vorbehaltlich abweichender vertraglicher Regelungen nach Art. 31 Buchst. a des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 5. Juli 1989 (BGBl. II S. 588 - CISG), der gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. a CISG auf die Vertragsbeziehungen Anwendung findet und wonach die Lieferpflicht des Verkäufers darin besteht, die Ware dem ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer zu übergeben. Nach anderer Auffassung hat die Bestimmung nach rein tatsächlichen Kriterien ohne Rückgriff auf die jeweils zur Anwendung kommenden materiell-rechtlichen Regelungen autonom zu erfolgen, hier nach dem Ort, an dem der Käufer die Ware als vertragsgemäße Lieferung tatsächlich abnimmt (zum Meinungsstand Senatsbeschluss vom 9. Juli 2008 - VIII ZR 184/07, IHR 2008, 189, Tz. 18 ff.).
13
bb) Auf Vorlagebeschluss des Senats vom 9. Juli 2008 (aaO) hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 25. Februar 2010 (Rs. C-381/08, NJW 2010, 1059 - Car Trim GmbH / KeySafety Systems Srl) die Frage wie folgt beantwortet: "Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen sind. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen."
14
Zur Begründung hat der Gerichtshof im Wesentlichen ausführt, dass sich bei einem Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen der in der Verordnung autonom definierte Lieferort der Waren in erster Linie nach dem Willen der Vertragsparteien bestimme, so dass zunächst zu prüfen sei, ob der Lieferort aus den Vertragsbestimmungen hervorgehe. Könne so der Lieferort ermittelt werden , ohne auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht Bezug zu nehmen, sei dieser Ort als der Ort anzusehen, an dem im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich EuGVVO geliefert worden sei oder hätte geliefert werden müssen (Rdnr. 55 f). Enthalte der Vertrag dagegen keine Bestimmungen , die den Willen der Parteien hinsichtlich des Lieferortes der Waren ohne Rückgriff auf das anwendbare materielle Recht erkennen ließen, sei nach Entstehungsgeschichte und Systematik der Verordnung der Lieferort nicht dort anzusiedeln, wo die Waren an den ersten Beförderer zur Übermittlung an den Käufer übergeben werden, sondern am endgültigen Bestimmungsort, an dem die Ware dem Käufer körperlich übergeben worden sei oder hätte übergeben werden müssen (Rdnr. 59 f.).
15
b) Hiernach hätte das Berufungsgericht eine internationale Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts zur Entscheidung über die vom Kläger erhobene negative Feststellungsklage nicht verneinen dürfen.
16
aa) Allerdings hat das Berufungsgericht in der zwischen den Parteien verwendeten Lieferklausel "Resa: Franco Partenza" ohne Rechtsfehler keine Vereinbarung eines Erfüllungsortes, sondern nur eine Regelung zur Kostentragung gesehen. Diese Auslegung ist möglich (vgl. BGHZ 134, 201, 206 ff.). Sie wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen. Ebenso wenig beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht eine abweichende Liefervereinbarung insbesondere aufgrund der vorgelegten Transportdokumente für widerlegt erachtet hat.
17
bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht ferner davon abgesehen, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen aus dem Handelsvertreterverhältnis der Parteien unter Anwendung des Art. 6 Nr. 3 EuGVVO zur Bestimmung des Erfüllungsortes heranzuziehen. Denn Gegenstand des Rechtsstreits sind allein die Kaufpreisforderungen der Beklagten, deren Fortbestand der Kläger verneint (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1991 - VIII ZR 32/91, WM 1992, 627, unter II 2 a). Demgegenüber stellt die Aufrechnung mit den erhobenen Gegenforderungen lediglich ein Verteidigungsmittel dar, auf das Art. 6 Nr. 3 EuGVVO keine Anwendung findet (EuGH, Urteil vom 13. Juli 1995 - Rs. C-341/93, WM 1995, 2161, Rdnr. 12 ff. - Danværn Production A/S / Schuhfabriken Otterbeck GmbH & Co.) und das auch sonst nicht geeignet ist, eine Erfül- lungsortzuständigkeit für die den Streitgegenstand bildenden Kaufpreisforderungen zu begründen.
18
cc) Nicht gefolgt werden kann dem Berufungsgericht dagegen, soweit es für eine Bestimmung des Erfüllungsortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO auf den Absendeort als den Übergabeort an den Beförderer abgestellt hat.
19
(1) Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass eine dem Erfüllungsort folgende Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 1 Buchst. b EuGVVO auch die Verpflichtung des Klägers zur Kaufpreiszahlung (Art. 53 CISG) selbst dann erfasst, wenn diese nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. b CISG am Ort der italienischen Niederlassung der Beklagten zu leisten ist. Denn der nach dieser Vorschrift bestehende besondere Gerichtsstand erfasst sämtliche Klagen aus ein und demselben Vertrag über den Verkauf beweglicher Sachen und nicht nur diejenige aus der Lieferverpflichtung an sich (EuGH, Urteil vom 25. Februar 2010, aaO, Rdnr. 50 m.w.N.). Das gilt ungeachtet der jeweils gewählten Klageart oder Rechtsschutzform, also nicht nur für Leistungsklagen, sondern auch für Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines durch den Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses im Ganzen oder einer bestimmten Vertragspflicht, hier eines Fortbestandes der Pflicht zur Kaufpreiszahlung (OLG München, RIW 1996, 1035; MünchKommZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 5 EuGVO Rdnr. 9; Dauses/Kreuzer/Wagner, Handbuch des EUWirtschaftsrechts (2010), Rdnr. Q 433; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl. Anh. I Art. 5 EuGVVO Rdnr. 15; Geimer/Schütze/Geimer, aaO, A. 1 Art. 5 Rdnr. 55 ff. m.w.N.).
20
(2) Für die Bestimmung des Ortes in einem Mitgliedsstaat, an dem die verkauften beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, ist ohne Rückgriff auf das hier nach Art. 31 Buchst. b CISG zum italienischen Sitz der Beklagten weisende materielle Recht für den autonom zu bestimmenden Begriff des Lieferortes im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Spiegelstrich EuGVVO nach der Entstehungsgeschichte, den Zielen und der Systematik der Verordnung aus Gründen seiner Vorhersehbarkeit und der räumlichen Sachnähe zu dem zur Entscheidung berufenen Gericht an den Ort anzuknüpfen, an dem die mit dem Kaufvertrag erstrebte Übertragung der Sachen vom Verkäufer an den Käufer durch deren Ankunft an ihrem endgültigen Bestimmungsort vollständig abgeschlossen ist und der Käufer die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen (EuGH, Urteil vom 25. Februar 2010, aaO, Rdnr. 60 ff.). Das war nach den insoweit unter Bezugnahme auf die jeweiligen Transportdokumente getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts der Sitz des Klägers in Deutschland.
21
2. Das Urteil des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus einem anderen Grunde als richtig dar. Zwar entfällt das Feststellungsinteresse für eine negative Feststellungsklage im Regelfall, wenn eine auf die Durchsetzung desselben Anspruchs gerichtete Leistungsklage erhoben wird und diese einseitig - durch den Anspruchsteller - nicht mehr zurückgenommen werden kann (BGHZ 134, 201, 208 f.; 165, 301, 309; jeweils m.w.N.). Es kann dahin stehen, ob diese Voraussetzungen nach dem insoweit maßgeblichen italienischen Prozessrecht für die Zahlungsklage gegeben sind, welche die Beklagte wegen der im Streit stehenden Kaufpreisforderungen nach Rechtshängigkeit in dieser Sache ihrerseits vor dem für ihren Sitz zuständigen italienischen Gericht gegen den Kläger erhoben hat. Denn ein Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung besteht trotz dieser Zahlungsklage schon deshalb fort, weil er nicht davon aus- gehen kann, dass über das Bestehen der Kaufpreisansprüche der Beklagten im Rahmen des in Italien anhängigen Verfahrens entschieden wird.
22
Nach Art. 27 EuGVVO hat das später angerufene Gericht, vorliegend das Gericht in Italien, das bei ihm anhängige Verfahren von Amts wegen auszusetzen , bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen deutschen Gerichts feststeht, und sich für unzuständig zu erklären, sobald diese Zuständigkeit feststeht. Da der hier normierte Grundsatz der zeitlichen Priorität auch dann eingreift, wenn einerseits eine negative Feststellungsklage und andererseits eine Leistungsklage erhoben worden sind, würde das Rechtsschutzinteresse des Klägers für seine negative Feststellungsklage deshalb selbst dann nicht entfallen, wenn die Beklagte ihre Zahlungsklage nicht mehr einseitig zurücknehmen könnte. Denn das mit der Zahlungsklage befasste italienische Gericht ist bei der von ihm zu erwartenden Befolgung des Art. 27 EuGVVO nicht in der Lage, eine für einen Vorrang der Leistungsklage erforderliche Sachentscheidung zu treffen (so schon zum gleichlautenden Art. 21 EuGVÜ BGHZ 134, 201, 209 ff.; Senatsurteil vom 6. Februar 2002 - VIII ZR 106/01, WM 2002, 1725, unter II 1; jeweils m.w.N.).

III.

23
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben ; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zum Bestand der vom Kläger zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sowie zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
24
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht , dessen internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen sich vorliegend jedenfalls aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich EuGVVO ergeben dürfte (vgl. EuGH, Urteil vom 11. März 2010 - Rs. C-19/09, NJW 2010, 1189, Rdnr. 33 ff. - Wood Floor Solutions Andreas Domberger GmbH / Silva Trade SA; Geimer/Schütze/Geimer , aaO, A. 1 Art. 5 Rdnr. 90 m.w.N.), auch zu prüfen haben wird, ob die Voraussetzungen , das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung im Gegensatz zu der von ihm in der Berufungsverhandlung gebilligten Sichtweise des Landgerichts, das die Aufrechnung ersichtlich nach deutschem Recht als der lex fori beurteilt hatte, nicht stattdessen nach unvereinheitlichtem italienischem Recht zu beurteilen sein werden. Denn die Aufrechnung unterliegt nach dem hier noch anwendbaren Art. 32 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB (vgl. Art. 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Vorschriften des internationalen Privatrechts an die Verordnung [EG] Nr. 593/2008 vom 25. Juni 2009 [BGBl. I S. 1574]) der für die Hauptforderung maßgeblichen Rechtsordnung; das Vertragsstatut der Hauptforderung entscheidet deshalb auch über die Voraussetzungen, das Zustandekommen und die Wirkungen der Aufrechnung (BGHZ 38, 254, 256; BGH, Urteil vom 25. November 1993 - IX ZR 32/93, WM 1994, 394 unter B V 2, insoweit in BGHZ 124, 237 nicht abgedruckt; MünchKommBGB/Spellenberg, 4. Aufl., Art. 32 EGBGB Rdnr. 65; Erman/Hohloch, BGB, 12. Aufl., Art. 32 EGBGB Rdnr. 13; jeweils m.w.N.). Da jedoch das auf die Hauptforderungen anwendbare Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf jedenfalls nicht die Aufrechenbarkeit solcher Ansprüche regelt, die sich - wie hier - nicht lediglich aus einem dem Übereinkommen unterliegenden Vertragsverhältnis ergeben, bestimmt sich das zur Beurteilung der Aufrechnung berufene Recht vorliegend gemäß Art. 32 Abs. 1 Nr. 4, Art. 28 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EGBGB nach dem gemäß Art. 4 Satz 1 CISG sonst zur Anwendung kommenden unvereinheitlichten italienischen Recht (vgl.
Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Kommentar zum Einheitlichen UN-Kaufrecht, 5. Aufl., Art. 4 Rdnr. 39; Staudinger/Magnus, BGB (2005), Art. 4 CISG Rdnr. 46; jeweils m.w.N.). Ball Dr. Milger Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 16.08.2007 - 5 HKO 18480/06 -
OLG München, Entscheidung vom 17.04.2008 - 23 U 4589/07 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Geschäftsstelle des Berufungsgerichts hat, nachdem die Berufungsschrift eingereicht ist, unverzüglich von der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges die Prozessakten einzufordern. Die Akten sind unverzüglich an das Berufungsgericht zu übersenden.

(2) Nach Erledigung der Berufung sind die Akten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges nebst einer beglaubigten Abschrift der in der Berufungsinstanz ergangenen Entscheidung zurückzusenden.