Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Apr. 2003 - 3 Ausl 113/2001; 3 Ausl 113/01

published on 02/04/2003 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 02. Apr. 2003 - 3 Ausl 113/2001; 3 Ausl 113/01
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Tenor

Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Haft zur Durchführung der Auslieferung anzuordnen, wird zurückgewiesen.

Der Verfolgte ist zur Überstellung an die französischen Behörden am Grenzübergang Kehl vorzuführen.

Er darf aufgrund dieser Anordnung nicht länger festgehalten werden als bis zum Ende des Tages, der dem Beginn der Vorführung folgt.

Gründe

 
I. Gegen den am 08. Oktober 2001 auf Ersuchen der französischen Behörden festgenommenen und am 25. Oktober 2001 in vorläufige Auslieferungshaft genommenen Verfolgten erging am 16. November 2001 Auslieferungshaftbefehl, der am 25. Februar 2002 unter Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt wurde. Am 18. September 2002 erklärte der Senat die Auslieferung des Verfolgten an die Französische Republik zur dortigen Strafvollstreckung (teilweise) für zulässig. Das Justizministerium ... hat sie insoweit mit Schreiben an die Botschaft der Französischen Republik in Berlin vom 02. Dezember 2002 ... bewilligt. Am 29. Januar 2003 hob der Senat den Auslieferungshaftbefehl als nunmehr wegen Zeitablaufs unverhältnismäßig auf. Mit Schreiben ebenfalls vom 29. Januar 2003, beim Oberlandesgericht eingegangen am 31. Januar 2003, beantragte die Generalstaatsanwaltschaft, den Auslieferungshaftbefehl vom 16. November 2001 zum Zwecke der nunmehr anstehenden Durchführung der Auslieferung in Vollzug zu setzen. 
II. Da der Haftbefehl, den wieder in Vollzug zu setzen die Staatsanwaltschaft begehrt, bereits aufgehoben ist, ist der Antrag vom 29. Januar 2003 umzudeuten in einen solchen auf Anordnung der Haft zur Durchführung der Auslieferung (§ 34 IRG). Der Antrag ist zurückzuweisen; als den Verfolgten schonendere, gleichwohl für die Durchführung der Auslieferung zureichende Maßnahme ordnet der Senat die Vorführung des Verfolgten zum Zwecke seiner Überstellung an die französischen Behörden an.
1. Ein Vorführungsbefehl zum Zwecke der Durchführung der Auslieferung wird durch § 34 IRG nicht ausgeschlossen.
a) Zur Durchführung der Auslieferung eines auf freiem Fuß befindlichen Verfolgten eröffnete der bis 30. Juni 1983 geltende § 30 des Deutschen Auslieferungsgesetzes (DAG) die Möglichkeit sowohl eines Auslieferungshaftbefehls als auch eines Vorführungsbefehls. Allein daraus, dass die § 30 DAG ablösende Bestimmung des § 34 IRG dem Wortlaut nach nur die Anordnung der Haft regelt, kann indes nicht gefolgert werden, dass die Vorführung als weniger schwer wiegende Maßnahme (BGHSt 23, 380, 387) nunmehr ausgeschlossen sein soll (Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 34 IRG Rn 9; a. A. Wilkitzki in Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 34 IRG Rn 30). So gehen auch die Gesetzesmaterialien zum IRG ohne weiteres von der Zulässigkeit eines Vorführungsbefehls aus (Wilkitzki aaO mwN).    
b) Eine Vorführung zum Zwecke der Übergabe an den ersuchenden Staat ist (entgegen Wilkitzki aaO Rn 31) auch nicht deshalb unsinnig, weil die mit dem Vollzug des Vorführungsbefehls verbundene Freiheitsentziehung dieselbe wäre wie beim Vollzug eines Haftbefehls. Vielmehr bleibt ersteres die mildere Maßnahme. Nach §§ 77 IRG in Verbindung mit 135 Satz 2 StPO, der für alle Formen der Vorführung gilt (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 135 Rn 1; § 230 Rn 20), erlaubt ein Vorführungsbefehl - der Senat hat dies in der Beschlussformel klargestellt - nur eine kurzfristige, in klarer Weise befristete Ingewahrsamnahme. Wird demgegenüber die Haft angeordnet, so besteht keine Möglichkeit, die Dauer ihrer Vollziehung von vornherein auf einen angemessen erscheinenden Zeitraum zu begrenzen. Es bleibt lediglich eine Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Anordnung im Wege der Haftkontrolle (§§ 34 Abs. 3 in Verbindung mit 24, 25 IRG), wenn die Fortdauer der Haft nach den Umständen unverhältnismäßig erscheint. Dass allein die Haftkontrolle eine Beschränkung des Freiheitsentzugs auf das zur Übergabe unumgängliche Maß - schon der notwendigen Ermittlungen zum Verfahrensfortgang wegen - nicht in jedem Falle gewährleisten kann, versteht sich von selbst.
2. Die Vorführung des Verfolgten ist zur Durchführung seiner Auslieferung erforderlich, aber auch ausreichend. Zwar wird nicht zu erwarten sein, dass er sich den französischen Behörden aus freien Stücken zum Strafantritt stellt. Andererseits ergeben sich aber auch keine Anhaltspunkte dafür, er werde durch aktives Handeln seine Auslieferung vereiteln. Der ihm erteilten Meldeauflage ist der Verfolgte bis zur Aufhebung des Haftbefehls nachgekommen, auch hat er bei der Polizeibehörde seinen Wohnsitzwechsel angezeigt. Bei entsprechender Vorbereitung von Ingewahrsamnahme, Transport und Überstellung erscheint es ohne weiteres möglich, den Verfolgten innerhalb der Frist des § 135 Satz 2 StPO von seinem Wohnort in... zum Grenzübergang Kehl zu verbringen und dort den französischen Behörden zu übergeben. Seine vorherige Einlieferung in eine Justizvollzugsanstalt, wie die Generalstaatsanwaltschaft sie in Aussicht genommen hat, erscheint entbehrlich.   
III. Über Einwendungen gegen den Vorführungsbefehl, der wegen Gefährdung seines Erfolgs ohne vorherige Anhörung ergeht, entscheidet das Oberlandesgericht (§§ 34 Abs. 2, 23 IRG).
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(1) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und seines Einführungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, der Abgabenordnung und des Gesetzes

(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführ

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(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführung der Auslieferung an, sofern nicht der Vollzug eines bestehenden Auslieferungshaftbefehls (§ 17) angeordnet werden kann.

(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen

1.
der Verfolgte,
2.
die Entscheidung, durch welche die Auslieferung bewilligt worden ist, sowie
3.
der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen er sich ergibt.

(3) Die §§ 18 bis 20 und 23 bis 27 gelten entsprechend.

(1) Soweit dieses Gesetz keine besonderen Verfahrensvorschriften enthält, gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und seines Einführungsgesetzes, der Strafprozeßordnung, des Jugendgerichtsgesetzes, der Abgabenordnung und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß.

(2) Bei der Leistung von Rechtshilfe für ein ausländisches Verfahren finden die Vorschriften zur Immunität, zur Indemnität und die Genehmigungsvorbehalte für Durchsuchungen und Beschlagnahmen in den Räumen eines Parlaments Anwendung, welche für deutsche Straf- und Bußgeldverfahren gelten.

Der Beschuldigte ist unverzüglich dem Richter vorzuführen und von diesem zu vernehmen. Er darf auf Grund des Vorführungsbefehls nicht länger festgehalten werden als bis zum Ende des Tages, der dem Beginn der Vorführung folgt.

(1) Befindet sich der Verfolgte nach der Bewilligung der Auslieferung auf freiem Fuß und ist die Durchführung der Auslieferung nicht auf andere Weise gewährleistet, so ordnet das Oberlandesgericht durch schriftlichen Haftbefehl die Haft zur Durchführung der Auslieferung an, sofern nicht der Vollzug eines bestehenden Auslieferungshaftbefehls (§ 17) angeordnet werden kann.

(2) In dem Haftbefehl sind anzuführen

1.
der Verfolgte,
2.
die Entscheidung, durch welche die Auslieferung bewilligt worden ist, sowie
3.
der Haftgrund und die Tatsachen, aus denen er sich ergibt.

(3) Die §§ 18 bis 20 und 23 bis 27 gelten entsprechend.