Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 22. Nov. 2004 - 17 WF 135/04

bei uns veröffentlicht am22.11.2004

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn - Familiengericht - vom 23.06.2004 (7 F 1632/04) aufgehoben und die Sache zur erneuten Bescheidung an das Familiengericht zurückverwiesen.

Gründe

 
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht den Antrag des Ehemannes auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Ehescheidung abgewiesen.
Die hiergegen gerichtete (sofortige) Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Im Ergebnis führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht zur erneuten Bescheidung über den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers.
Nach dem Sachvortrag des Ehemannes sind die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe der Parteien gegeben. Die deutschen Gerichte sind für das Scheidungsverfahren international zuständig, da beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (Art. 2 Abs. 1 a 1. Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 - Brüssel II -). Auch wenn der Ehemann inzwischen durch Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, führt das Scheidungsstatut nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zunächst zum türkischen Recht , weil der Ehemann vor der Einbürgerung, ebenso wie seine Frau, die türkische Staatsangehörigkeit besaß. Wird auf das Recht eines anderen Staates verwiesen, so ist nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB allerdings auch dessen internationales Privatrecht anzuwenden. Verweist das Recht des anderen Staates auf deutsches Recht zurück, so sind die deutschen Sachvorschriften anzuwenden. Art. 13 des türk. IPRG stellt bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten auf das Recht ihres gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts ab. Da beide Parteien in Deutschland leben und hier auch ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten, beurteilt sich die Ehescheidung nach deutschem Recht.
Selbst wenn man aber eine Rückverweisung durch das türkische internationale Privatrecht auf deutsches Recht verneinen sollte, gelangt man über Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zur Anwendung deutschen Rechts. Der Ehemann stützt seinen Scheidungsantrag darauf, dass die Parteien seit Oktober 2001 getrennt leben. Bei Anwendung deutschen Rechts wäre die Ehe gemäß §§ 1565, 1566 Abs. 2 BGB gescheitert und dementsprechend zu scheiden. Nach türkischem Recht wäre der Antragsteller mit demselben Sachvortrag nicht erfolgreich, nachdem sein auf türkisches Recht gestützter Scheidungsantrag mit Urteil des Amtsgerichts Heilbronn vom 11.02.2003 rechtskräftig abgewiesen worden ist (vgl. Art. 166 Abs.4 türk. ZGB). Kann die Ehe hiernach aufgrund des eigentlich berufenen türkischen Rechts (Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB : frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit) nicht geschieden werden, unterliegt die Scheidung dem deutschen Recht, nachdem der Ehemann inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat (vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 17 EGBGB, Rn. 25-27).
An einer abschließenden positiven Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Scheidungsverfahren ist der Senat gehindert, weil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nicht bekannt sind (§ 117 ZPO). Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren keine PKH-Erklärung in der Form des § 117 Abs. 3 ZPO vorgelegt und auch sonst seine Einkommenssituation nicht belegt. In der Antragsschrift verweist er auf PKH-Unterlagen, die in einem Unterhaltsrechtsstreit beim Amtsgericht Heidelberg (7 F 2424/03) vorgelegt worden sein sollen. Diese Unterlagen sind dem Senat nicht bekannt; sie dürften auch dem Familiengericht Heilbronn nicht vorgelegen haben, da sie anderenfalls mit den Prozessakten übersandt worden wären.
Bei dieser Sachlage ist der Beschluss des Familiengerichts vom 23.06.2004 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrags an das Amtsgericht zu verweisen, welches hierüber befinden kann, sobald der Antragsteller in einer ihm nachzulassenden Frist die gemäß § 117 ZPO erforderlichen Unterlagen einreicht.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 22. Nov. 2004 - 17 WF 135/04 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 117 Antrag


(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag au

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1565 Scheitern der Ehe


(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. (2) Leben die Ehegatten

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1566 Vermutung für das Scheitern


(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. (2) Es wird unwiderlegbar vermutet, da

Referenzen

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.