Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 28. Juni 2004 - 11 WF 101/04

published on 28.06.2004 00:00
Oberlandesgericht Stuttgart Beschluss, 28. Juni 2004 - 11 WF 101/04
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Tenor

Auf die Beschwerde der S. wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Böblingen - 16 F 1342/03 - vom 23.01.2004 in Satz 2

a b g e ä n d e r t :

Die Antragstellerin hat ab 01.09.2004 Raten in Höhe von monatlich 30,-- EUR auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu bezahlen.

Gründe

 
I.
Das Familiengericht hat der Antragstellerin nach Rücknahme ihres Scheidungsantrags Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug ohne Ratenzahlung bewilligt.
Dagegen hat die S. gem. § 127 Abs. 3 ZPO sofortige Beschwerde insoweit eingelegt, als die Anordnung von Ratenzahlung unterblieben ist. Die S. vertritt die Auffassung, dass die Antragstellerin verpflichtet ist, von dem ihr zustehenden Taschengeld Raten von monatlich 30,-- EUR auf die Prozesskosten zu zahlen.
Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der S. ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin ist verpflichtet, aus dem ihr zustehenden Taschengeld Raten zu bezahlen.
2. Der Senat schließt sich der wohl herrschenden Meinung (OLG Koblenz FamRZ 2000, 104; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 1470; OLG Stuttgart Justiz 1998, 77; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., Rdnr. 240; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, Rdnr. 66, 322) an, wonach das Taschengeld als Einkommen zur Kostendeckung zu verwenden ist. Die Gegenmeinung (OLG Bamberg JurBüro 1994, 751; Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 115 Rdnr. 9) meint zwar, dass das Taschengeld zur Abdeckung ganz persönlicher Bedürfnisse diene und deshalb nicht als zur Kostendeckung verfügbares Einkommen einzusetzen sei. Dem steht jedoch entgegen, dass der Taschengeldanspruch eines Ehegatten bis zur Höhe von 7/10 pfändbar ist (Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1360 a Rn. 4). Es ist nicht einzusehen, die S. bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe als sozialhilfeähnliche Leistung schlechter zu stellen als die Realisierungsmöglichkeit eines privaten Gläubigers.
3. Der Taschengeldanspruch beläuft sich in der Regel auf 5 % des Nettoeinkommens des Ehegatten (Palandt/Brudermüller, a.a.O.). In ihrer Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Antragstellerin das Einkommen ihres Ehegatten mit netto 2.200,-- EUR angegeben. Es ist nicht Aufgabe der Staatskasse, den Ehemann der Antragstellerin wegen seiner Einkommensverhältnisse insbesondere seiner Schulden anzuschreiben. Vielmehr hat die Antragstellerin aus der ehelichen Lebensgemeinschaft gegen ihren Ehemann nach § 1353 BGB einen Anspruch auf Auskunft und Überlassung einer Verdienstbescheinigung (OLG Zweibrücken, a.a.O.). Sie ist verpflichtet, ihre Bedürftigkeit für die Prozesskostenhilfe darzulegen und entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
4. Der Taschengeldanspruch der Antragstellerin beläuft sich danach auf 5 % von 2.200,-- EUR, das sind 110,-- EUR. Davon sind 7/10 = 77,-- EUR pfändbar. Nach der Tabelle zu § 115 ZPO fallen daraus die mit der Beschwerde der S. geforderten Raten von monatlich 30,-- EUR an.
5. Der Senat geht davon aus, dass der Grundbedarf der Antragstellerin durch Gewährung von Wohnung, Nahrung und Kleidung u.s.w. durch den Ehemann gedeckt ist (Familienunterhalt). Der Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 a Abs. 1 und 2 BGB ist als geldwerte Leistung mit mindestens 535,-- EUR monatlich zu bewerten (Nr. 22.1 der unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland - SüdL). Er übersteigt damit den Einkommensfreibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO von derzeit 364,-- EUR monatlich. Die Antragstellerin kann daher die angeordneten Raten ohne weiteres aus dem ihr zustehenden Taschengeld bezahlen.
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(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen: 1. a) die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;b) bei Parteien, die ein Einkommen

Annotations

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.

(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

(1) Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist bei dem Prozessgericht zu stellen; er kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. In dem Antrag ist das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung ist bei dem für die Zwangsvollstreckung zuständigen Gericht zu stellen.

(2) Dem Antrag sind eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen. Die Erklärung und die Belege dürfen dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden; es sei denn, der Gegner hat gegen den Antragsteller nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts einen Anspruch auf Auskunft über Einkünfte und Vermögen des Antragstellers. Dem Antragsteller ist vor der Übermittlung seiner Erklärung an den Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist über die Übermittlung seiner Erklärung zu unterrichten.

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Verfahrens durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für die Erklärung einzuführen. Die Formulare enthalten die nach § 120a Absatz 2 Satz 4 erforderliche Belehrung.

(4) Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei ihrer bedienen.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.