Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 19. Aug. 2010 - 6 UF 23/10

bei uns veröffentlicht am19.08.2010

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 1. Februar 2010 verkündete, durch die Beschlüsse des Familiengerichts vom 28. April 2010 und des Senats vom 29. Juli 2010 berichtigte Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Ottweiler – 12 F 908/07 UE - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von

206,45 EUR für die Zeit vom 8. bis 31. Mai 2007 sowie in Höhe von monatlich

266,67 EUR für Juni 2007 bis September 2007,

158 EUR für Januar 2008 bis Dezember 2008,

161 EUR für Januar 2009 bis Juli 2009,

178 EUR für August 2009 bis September 2009,

176 EUR für Oktober 2009 bis Dezember 2009,

180 EUR für Januar 2010 bis Juni 2010 und

172 EUR ab Juli 2010

zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz tragen die Klägerin 82/100, der Beklagte 18/100. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 43/100, der Beklagte 57/100.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

Die am ... März 1970 geborene Klägerin, französische Staatsbürgerin, und der am ... Oktober 1964 geborene Beklagte, deutscher Staatsbürger, haben am ... Juni 1994 geheiratet. Aus der Ehe ist die am … Juli 1998 geborene Tochter N. D. B. hervorgegangen. Am 15. September 2003 haben sich die Parteien getrennt. Die Klägerin hat mit am 16. Oktober 2004 dem Beklagten zugestelltem Schriftsatz die Scheidung der Ehe beantragt. Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - in Ottweiler vom 31. Januar 2005, 12 F 700/04, wurde die Ehe – seit dem 5. April 2005 rechtskräftig - geschieden. Am 8. Februar 2006 trafen die Parteien eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, wonach sich die allgemeinen Ehewirkungen nach deutschem Recht richten sollten und sie erklärten, bei der derzeit bestehenden Einkommenssituation sich wechselseitig nicht auf Ehegattenunterhalt in Anspruch nehmen zu wollen, wobei die Klägerin beabsichtige, ab Mai 2006 wieder arbeiten zu gehen und eine unterhaltsrechtliche Neuberechnung ab diesem Zeitpunkt vorbehalten bleibe. Entsprechend der notariellen Vereinbarung lebt N. D. im Haushalt der Klägerin und wird von dieser betreut. Der Beklagte verpflichtete sich, für das Kind Unterhalt in Höhe von monatlich 450 EUR zu zahlen, wobei zudem das Kindergeld berücksichtigt werden sollte.

Die Parteien waren je zur Hälfte Miteigentümer des Hausanwesens , , wo sich auch die gemeinsame Ehewohnung befand. Gemäß dem vorerwähnten Notarvertrag veräußerte die Klägerin ihren Miteigentumsanteil an den Beklagten. Dieser zahlte als Gegenleistung an die Klägerin insgesamt 32.500 EUR und übernahm noch bestehende Darlehensverbindlichkeiten bei der AG (Kontonummer: ~8 und ~1) in Höhe von 35.821,46 EUR, bei der (Kontonummer: ~0) in Höhe von 22.500 EUR sowie bei der AG (Kontonummer: ~01) in Höhe von 5.269,88 EUR.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die notarielle Urkunde (Bl. 81 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte ist beim X. verband beschäftigt. Er lebt in dem früheren gemeinsamen Anwesen und hat wegen hierauf lastender Darlehensverbindlichkeiten monatliche Raten in Höhe von 717,26 EUR zu zahlen. Zur Finanzierung des in dem Notarvertrag vereinbarten Herauszahlungsbetrages hat der Beklagte ein Darlehen in Höhe von 25.000 EUR aufgenommen, das mit 4% zu verzinsen ist und worauf er monatlich 83,33 EUR an Zinsen zu zahlen hat. Außerdem unterhält er seit dem 10. September 2001 eine Kapitallebensversicherung, mit der ein Darlehen bei der getilgt werden soll und worauf monatliche Prämien in Höhe von 155 EUR zu zahlen sind.

Die Klägerin ist seit Mai 2006 bei der mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 18 Stunden beschäftigt. Zuvor erhielt sie Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie erlitt am 17. September 2002 bei der Explosion eines Spiritusrechauds erhebliche Verbrennungen. Derzeit ist bei ihr ein GdB von 50 anerkannt. Auf Grund notariellen Vertrags vom 7. August 2007 erwarb die Klägerin eine Eigentumswohnung in dem Hausanwesen , , zum Preis von 114.500 EUR. Den Kaufpreis hat sie teilweise aufgebracht durch Aufnahme eines Darlehens in Höhe von 40.000 EUR bei der D. und durch Zahlung weiterer 40.000 EUR, welche die Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge/Schenkung seitens ihrer Eltern erhalten hat. Hiervon stand ein Teilbetrag in Höhe von 20.000 EUR ihrer Schwester zu, die der Klägerin insoweit ein Privatdarlehen gewährte.

Der Beklagte hat ab Mai 2006 Unterhalt in Höhe von monatlich 125,97 EUR gezahlt und außerdem eine Nachzahlung geleistet. Von Januar bis Dezember 2007 zahlte er monatlichen Unterhalt in Höhe von 157,33 EUR.

Die Klägerin hat vorgetragen, dass sie auf Grund ihres Gesundheitszustands sowie wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht in der Lage sei. Sie verfüge lediglich über ihre Einkünfte bei der . Von dem anlässlich der Vermögensauseinandersetzung der Parteien erhaltenen Geld seien lediglich noch 7.000 EUR übrig geblieben, die sie zur Finanzierung ihrer Eigentumswohnung verwendet habe. Der Rest sei für die allgemeine Lebensführung und zur Finanzierung des Hausrates eingesetzt worden. Ein Wohnvorteil sei der Klägerin nicht zuzurechnen. Der Wohnwert ihrer Eigentumswohnung sei mit nicht mehr als 450 EUR anzusetzen, dem ständen monatliche Darlehensverbindlichkeiten bei der D. (216 EUR), bei ihrem Vater (58 EUR) sowie Nebenkosten (320 EUR) gegenüber. Der tatsächliche Wohnwert des vom Beklagten bewohnten Hauses sei mit monatlich 1.000 EUR zu beziffern.

Mit ihrer am 26. November 2007 zunächst nur im Entwurf eingereichten, dem Beklagten am 8. Mai 2008 zugestellten Klage macht die Klägerin nachehelichen Unterhalt geltend. Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 612 EUR ab Dezember 2007 sowie in Höhe von 8.748,54 EUR für die Zeit von Mai 2006 bis November 2007 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, dass der objektive Wohnwert des von ihm bewohnten Hausanwesens mit monatlich 650 EUR anzusetzen sei. Dem ständen höhere Belastungen gegenüber. Die Klägerin sei gehalten, vollschichtig zu arbeiten. Dies gelte zumindest für die Zeit ab Januar 2008. Ihr seien darüber hinaus Zinseinkünfte in Höhe von monatlich 95 EUR zuzurechnen, nachdem sie im Zusammenhang mit der Vermögensauseinandersetzung vom Beklagten 32.500 EUR erhalten hatte. Es werde bestritten, dass dieser Betrag bis auf 7.000 EUR bereits verbraucht worden sei. Auch werde bestritten, dass die Belastungen den Wohnwert der von der Klägerin erworbenen Eigentumswohnung überschritten. Auf Seiten der Klägerin sei ein Wohnwert von monatlich 650 EUR anzusetzen. Dem könnten lediglich Zinsaufwendungen in Höhe von monatlich 167 EUR gegenübergestellt werden. Der Wohnwert sei auch nicht bedarfsprägend, sondern auf einen etwaigen Unterhaltsanspruch anzurechnen. Zinszahlungen auf den Privatkredit würden bestritten. Der größte Teil des rückständigen Unterhalts sei gemäß § 1585 b Abs. 3 BGB verwirkt. Jedenfalls müsse der Unterhaltsanspruch zeitlich begrenzt werden.

Das Familiengericht hat Beweis erhoben über die Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin sowie über die objektiven Wohnwerte der von den Parteien bewohnten Wohnungen durch Einholung schriftlicher Sachverständigengutachten.

In dem angefochtenen, durch Beschluss des Familiengerichts vom 28. April 2010 im Tatbestand sowie durch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2010 im Tenor berichtigten Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage verurteilt, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich

424,12 EUR abzüglich gezahlter 125,97 EUR für die Zeit vom 8. Mai 2007 bis 30. September 2007,

279,87 EUR abzüglich gezahlter 125,97 EUR für die Zeit von Oktober 2007 bis Dezember 2007 und

309,81 EUR ab Januar 2008 zu zahlen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, mit der er die Abweisung der Klage insgesamt erstrebt.

Der Beklagte trägt vor, dass das Familiengericht zutreffend ein monatliches Nettoeinkommen der Klägerin in Höhe von 1.125 EUR angesetzt habe. Gegen den Ansatz der Fahrtkosten (201,67 EUR bis September und 30 EUR seit Oktober 2007) beständen keine Bedenken. Allerdings habe das Familiengericht Betreuungskosten zu Unrecht in voller Höhe in Abzug gebracht, denn der Beklagte habe tatsächlich die Hälfte der Betreuungskosten übernommen.

Es werde bestritten, dass die Klägerin lediglich 18 Stunden pro Woche erwerbstätig sein könne. Aus dem eingeholten Sachverständigengutachten ergebe sich dies nicht. Tatsächlich übe die Klägerin eine Nebentätigkeit bei der Firma V. aus und betreibe den Verkauf von Energiedrinks anlässlich bei ihr zuhause stattfindender Veranstaltungen. Sie wolle ein Vertriebssystem wie bei der Firma T. aufbauen. Die Klägerin sei in der Lage, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Zumindest wäre sie es, wenn sie entsprechende Therapiemaßnahmen durchgeführt hätte. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass sie das Notwendige unternommen hat, um eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes herbeizuführen.

Das Familiengericht habe zu Unrecht den Wohnwert der von der Klägerin erworbenen Eigentumswohnung als bedarfsprägend angesehen. Es werde bestritten, dass sie aus dem bei der Vermögensauseinandersetzung erhaltenen Herauszahlungsbetrag noch 7.000 EUR zur Finanzierung der Eigentumswohnung eingesetzt habe. Dies stehe im Widerspruch zu den Ausführungen in dem Verfahren vor dem Amtsgericht - Familiengericht – in Ottweiler, 12 F 728/07 UE, wo sie angegeben habe, im August/September 2007 noch über 12.000 EUR bis 15.000 EUR verfügt zu haben, wovon sie Möbel gekauft und ihre Wohnung renoviert habe. Die Wohnung sei vielmehr durch Vermögen bezahlt worden, das der Klägerin erst nach der Rechtskraft der Scheidung zugeflossen und daher nicht mehr eheprägend sei. Zumindest hätten auf der Bedarfebene jedenfalls auch die Tilgungsraten berücksichtigt werden müssen.

Bei der Berechnung des Einkommens des Beklagten habe das Familiengericht für die Zeit ab Januar 2008 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 248,39 EUR eingesetzt. Tatsächlich sei nachgewiesen, das sich diese auf monatlich (richtig:) 252,41 EUR belaufen hätten.

Dass das Familiengericht auf Seiten des Beklagten vom objektiven Wohnwert nur die Zinsen und nicht auch die Tilgungsraten abgezogen hat, entspreche zwar der neueren Rechtsprechung des BGH und des Saarländischen Oberlandesgerichts; diese Auffassung stoße aber auf Bedenken. Denn sie stehe im Widerspruch zu der übrigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Unterhaltsberechtigte nicht besser stehen dürfe, als er während der Ehezeit stand, und wonach auch nacheheliche Veränderungen zu berücksichtigen seien. Bei der beanstandeten Handhabung des Familiengerichts werde auch missachtet, dass während intakter Ehe die Tilgungsleistungen ebenfalls nicht für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung gestanden, sondern der Vermögensbildung gedient hätten.

Zu berücksichtigen sei auch, dass im Juli 2010 die Tochter der Parteien 12 Jahre alt geworden sei und seither für sie monatlich Unterhalt in Höhe von 377 EUR gezahlt werde.

Zu Unrecht habe das Familiengericht eine Begrenzung oder Befristung des Unterhalts abgelehnt. Die von der Klägerin anlässlich der Verpuffung von Spiritus bei einem gemeinsamen Grillabend erlittenen Verletzungen habe der Beklagte nicht zu verantworten, seien schicksalhaft und hätten keinen Bezug zu Ehe.

Soweit das Familiengericht Unterhaltszahlungen abgezogen hat, habe es nicht berücksichtigt, dass der Beklagte von Januar 2007 bis Dezember 2007 monatlich 157,33 EUR gezahlt und einen ab Mai 2006 entstandenen Unterhaltsanspruch für 2006 in Höhe von 1.142,20 EUR ausgeglichen habe. Die Kostenentscheidung des Familiengerichts sei nicht nachvollziehbar. Es werde angeregt, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, dass seit August 2009 abermals Betreuungskosten in Höhe von 40 EUR monatlich anfielen, die von der Klägerin verauslagt würden. Sie sei nicht für die Firma V. tätig, sondern beziehe bei dieser lediglich ein Vitaminpräparat für den Eigenbedarf. Dabei habe sie für die Werbung neuer Kunden im Freundes- und Bekanntenkreis einen Bonus in Höhe von 87,21 EUR erhalten. Eine Nebentätigkeit sei darin nicht zu sehen.

Der Senat hat den Sachverständigen Dr. med. B.2 in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2010 zur Erläuterung seines Gutachtens angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29. Juli 2010 verwiesen.

Entscheidungsgründe

II.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (BGH, FamRZ 2010, 357, m.w.N.).

Das Familiengericht hat im Ergebnis zutreffend - stillschweigend – seine internationale Zuständigkeit bejaht, weil beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Art. 5 Nr. 2 EuGVVO,), und deutsches Sachrecht angewandt (Art. 8 HUÜ 73; 18 Abs. 4, EGBGB; vgl. auch BGH, FamRZ 2001, 412; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 9, Rz. 17).

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in dem sich aus dem Urteilstenor ergebenden Umfang. Anspruchsgrundlage ist § 1572 BGB, weil die Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Februar 2009 (Bl. 251 ff d.A.) und seinen Ausführungen bei der ergänzenden Erläuterung in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 29. Juli 2010 leidet die Klägerin auf Grund des erwähnten Unfalls noch an dauerhaft starken Beeinträchtigungen. Die Finger sind zittrig, taub und gefühllos, wodurch Ungeschicklichkeit und eine Störung der Feinmotorik auftreten. Sie hat ständige Narbenschmerzen in den Händen und Unterarmen, die Beweglichkeit des linken Daumens und des zweiten Fingers links ist stark eingeschränkt und der Faustschluss unvollständig. Nach Einschätzung des Sachverständigen ist die Klägerin zurzeit 18 Stunden wöchentlich mit Schwierigkeiten tätig und muss Pausen einlegen, die allerdings vom Arbeitgeber toleriert würden. Mit einer Besserung des Gesundheitszustandes oder gar der Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit sei nicht zu rechnen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin notwendige therapeutische Maßnahmen versäumt hat. Die Ausführungen des Sachverständigen sind insgesamt nachvollziehbar und überzeugend; er hat die Beschwerden der Klägerin anhand der ihm vorliegenden Befunde sowie auf Grund eigener Untersuchungen zweifelsfrei festgestellt und hält insbesondere die behaupteten Beeinträchtigungen für objektivierbar. Auch ist er der Auffassung, dass die Klägerin bereits Schwierigkeiten hat, bei der 18 Wochenstunden zu arbeiten und dies einen deutlich höheren Einsatz als von einer gesunde Person erfordere. Erhebliche Einwände hiergegen werden auch vom Beklagten nicht mehr erhoben. Aus dem Gutachten folgt, dass die Klägerin ihrer Erwerbsobliegenheit durch die Ableistung von 18 Arbeitsstunden pro Woche in vollem Umfang genügt und eine weitergehende Tätigkeit ihr schon aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann.

Damit steht fest, dass die Voraussetzungen des § 1572 BGB vorliegend erfüllt sind, so dass der Beklagte Krankheitsunterhalt schuldet. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Krankheit ehebedingt ist (BGH, FamRZ 2010, 629; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526; OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 899; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl., Kap. 1, Rz. 293).

Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Dabei ist auf Seiten des Beklagten von dessen Einkünften aus Erwerbstätigkeit auszugehen; außerdem ist ein Wohnvorteil zu berücksichtigen.

Letztlich umstritten ist in zweiter Instanz insoweit nur die Berechnung des Wohnvorteils. Im Übrigen kann der ansonsten unangegriffen gebliebenen Handhabung des Familiengerichts weitgehend gefolgt werden. Eine Korrektur hat lediglich insofern zu erfolgen, als auf Seiten des Beklagten ab Oktober 2009 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 252,41 EUR (statt 248,39 EUR) in Ansatz zu bringen sind, wie der Beklagte unwidersprochen und im Übrigen durch Vorlage eines entsprechenden Kontoauszuges (Bl. 286 d.A.) belegt, vorgetragen hat.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Berechnung des Wohnwertes durch das Familiengericht nicht zu beanstanden. Sie entspricht vielmehr der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ, 2009; 23, FamRZ 2008, 963; FamRZ 2007, 879; FamRZ 2005, 1159; Eschenbruch, a.a.O., Kap. 1, Rz. 583, 588; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 4, Rzn. 205 ff). Danach gilt folgendes: Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten, etwa wenn die Ehegatten wie im Streitfall rechtskräftig geschieden sind, so ist der objektive Wohnwert anzusetzen. Von dem Vorteil mietfreien Wohnens sind grundsätzlich die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Kosten abzusetzen, weil der Eigentümer nur in Höhe der Differenz günstiger lebt als ein Mieter. Der Tilgungsanteil der Kreditraten kann aber dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn der andere Ehegatte nicht mehr von der mit der Tilgung einhergehenden Vermögensbildung profitiert und daher eine einseitige Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten stattfindet, wie es im Fall des gesetzlichen Güterstandes ab Zustellung des Scheidungsantrags und erst recht ab Rechtskraft der Scheidung der Fall ist (BGH, a.a.O.). Der Senat sieht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Insbesondere kann dem auch nicht entgegengehalten werden, dass die Einkünfte der Parteien nicht gänzlich für den allgemeinen Lebensbedarf verbraucht, sondern teilweise auch der Vermögensbildung zugeführt wurden, da dies nur bei gehobenem Einkommen des Pflichtigen von Belang ist (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., Rz. 208, m.w.N.), wovon hier jedoch unzweifelhaft nicht ausgegangen werden kann. Danach sind von dem vom Familiengericht, gestützt auf das gerichtliche Sachverständigengutachten festgestellten objektiven Mietwert in Höhe von monatlich 481 EUR, der zweitinstanzlich auch nicht mehr umstritten ist, lediglich die vom Familiengericht ebenfalls unangegriffen angesetzten Zinsen in Höhe von monatlich 241 EUR abzuziehen. Tilgungsleistungen hingegen bleiben unberücksichtigt, nachdem das Familiengericht für die zusätzliche Altersvorsorge des Beklagten Beiträge zu einer Lebensversicherung in Höhe von 4% seines Bruttoeinkommens (= monatlich: 132,50 EUR) abgesetzt hat.

Entsprechend der unangegriffen gebliebenen Handhabung des Familiengerichts ist der Kindesunterhalt mit monatlich 450 EUR bis Dezember 2007 anzusetzen, nachdem bis dahin der Tabellenbetrag in die Berechnung des Ehegattenunterhalts einzustellen war. Ab 2008 hat das Familiengericht zutreffend nur noch den Zahlbetrag in Ansatz gebracht. Hiergegen haben die Parteien nichts erinnert. Weiter ist zu berücksichtigen dass der Kindesunterhalt ab Juli 2010 wegen der Änderung der Altersstufe unstreitig mit monatlich 377 EUR zu veranschlagen ist.

Auf Seiten der Klägerin sind zunächst die Einkünfte aus ihrer Tätigkeit bei der maßgebend. Das Familiengericht hat diese mit monatlich 1.125 EUR netto angesetzt. Dagegen hat keine der Parteien Einwände erhoben. Entsprechendes gilt für die abgesetzten Fahrtkosten. Auch insoweit sind die vom Familiengericht festgestellten Beträge für die Unterhaltsberechnung heranzuziehen.

Soweit das Familiengericht für die Zeit bis September 2007 das Einkommen der Klägerin um die Kosten der Nachbetreuung in Höhe von monatlich 52 EUR bereinigt hat, ist das angefochtene Urteil ebenfalls nicht zu beanstanden. Diesbezüglich werden von den Parteien auch keine Einwände erhoben. Für die Zeit danach kommt allerdings der Ansatz von Betreuungskosten, die das Familiengericht dann in Höhe von monatlich 119 EUR auf Seiten der Klägerin berücksichtigt hat, nicht mehr in Betracht, weil der Beklagte diesen Betrag unstreitig hälftig übernommen hatte. Ab August 2009 fallen erneut Betreuungskosten für das Kind in Höhe von monatlich 40 EUR an, die von der Klägerin aufgebracht werden und nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien bei der Unterhaltsberechnung von ihrem Einkommen abzuziehen sind.

Darüber hinaus sind der Klägerin keine weiteren Erwerbseinkünfte zuzurechnen. Der Beklagte behauptet zwar, die Klägerin führe für die Firma V., die Energiedrinks vertreibt, Verkaufsveranstaltungen durch, die vergleichbar seien mit dem Vertriebssystem der Firma T.. Dass daraus jedoch nachhaltig nennenswerte Einkünfte erzielt werden, ist nicht ersichtlich. Vielmehr verweist die Klägerin darauf, dass sie bei dieser Firma ein Vitaminpräparat für den Eigenbedarf beziehe und für die Neukundenwerbung im Freundes- und Bekanntenkreis Boni erhalte, wie sie bei einer Vielzahl von Firmen, Banken und Versicherungen üblich seien. Nach der - vom Beklagten nicht bestrittenen Aufstellung - der Firma V. (Bl. 486 d.A.) wurden der Klägerin für die Zeit von der 43. Kalenderwoche 2009 bis zur 20. Kalenderwoche 2010 insgesamt 87,21 EUR ausgezahlt. Dies kann nicht als Einkommen aus einer - auch nur geringfügigen - Erwerbstätigkeit angesehen werden und dürfte nicht einmal die Kosten der Verkaufsveranstaltungen decken. Der Kläger hat diesen Sachvortrag nicht widerlegt. Er trägt hierzu lediglich noch vor, dass die Klägerin eine Visitenkarte der Firma erhalten habe und entsprechende Verkaufsveranstaltungen durchführe, was jedoch insofern unerheblich ist, als dadurch nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, dass die Klägerin mehr als nur im Freizeitbereich für die Firma V. tätig ist und unterhaltsrechtlich relevante Einkünfte erzielt.

Des weiteren sind der Klägerin entsprechend der unangegriffen gebliebenen Handhabung des Familiengerichts für die Zeit bis September 2007 monatliche Zinseinkünfte in Höhe von 81,25 EUR zuzurechnen. Das Familiengericht hat dies damit begründet, dass die Klägerin unstreitig aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses 32.500 EUR erhalten und den teilweisen Verbrauch dieser Summe nicht substantiiert dargetan habe, was es rechtfertige, der Klägerin ein fiktives Zinseinkommen zu unterstellen. Dem sind die Parteien auch zweitinstanzlich nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beklagte führt hierzu lediglich aus, dass die Klägerin insoweit widersprüchlich vorgetragen habe und sie selbst hat hierzu keine ergänzenden Ausführungen gemacht. Nachdem so der Verbleib des Geldes weiter im Unklaren bleibt, bestehen keine Bedenken dagegen, der auf den Grundsatz, wonach unterhaltsrechtlich Vermögen möglichst nutzbringend einzusetzen ist (BGH, FamRZ 1988, 1031; FamRZ 1988, 145), gestützten Auffassung des Familiengerichts zu folgen, und der Klägerin einen entsprechenden Zinsertrag zuzurechnen.

Für die Zeit ab Oktober 2007 ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin mietfrei in einer von ihr erworbenen Eigentumswohnung wohnt. Der sich daraus ergebende Wohnvorteil hat teilweise die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt und ist insoweit daher bereits bei der Bedarfsbemessung zu berücksichtigen; anders ist es jedoch, soweit der Wohnvorteil darauf beruht, dass die Wohnung nach der Scheidung mit nicht eheprägenden Mitteln erworben wurde (BGH, FamRZ 1988, 1031; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 367 a). Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Wohnvorteil nur in Höhe von 32.500 EUR mit eheprägenden Mitteln erreicht worden ist. Ausweislich des betreffenden Kaufvertrages vom 7. August 2007 (Bl. 497 ff. d.A.) betrug der Kaufpreis für die Eigentumswohnung 114.500 EUR. Mangels entgegenstehender Gesichtspunkte ist anzunehmen, dass die Klägerin den Kaufpreis allenfalls in Höhe des Herauszahlungsbetrages von 32.500 EUR, den sie bei dem Verkauf des gemeinsamen Hauses erhalten hatte, mit eheprägenden Mitteln bestritten und im Übrigen mit nicht eheprägendem Vermögen, sei es aus einer nach Rechtskraft der Scheidung erhaltenen Zuwendung (Erbschaft), sei es aus entsprechenden Darlehen, aufgebracht hat. Insoweit ist es angemessen, den Wohnvorteil, soweit er auf eheprägenden Mitteln beruht, bei der Bedarfsbemessung und im Übrigen lediglich bei der Bedürftigkeit in Ansatz zu bringen, wobei es der Senat im Hinblick darauf, dass der Klägerin erzielbare Zinsen aus der, aus dem Verkaufserlös des gemeinsamen Hauses erhaltener Zahlung von 32.500 EUR bis dahin unterhaltsrechtlich voll zugerechnet werden (s.o.), als gerechtfertigt erachtet, dass sie auch so behandelt wird, als hätte sie diesen Betrag für den Kauf der Eigentumswohnung verwandt.

Zu bereinigen ist der Wohnwert, den das Familiengericht gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten von den Parteien unangegriffen mit monatlich 497,15 EUR angenommen hat, um Zinszahlungen der Klägerin an die D. in Höhe von monatlich 167 EUR und an ihre Schwester in Höhe von monatlich 50 EUR. Auch insoweit haben die Parteien die Feststellungen des Familiengerichts nicht in Frage gestellt. Sie sind daher für die Unterhaltsberechnung weiterhin maßgebend.

Aus alledem ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung, wobei diese berücksichtigt, dass der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, von Januar 2007 bis Dezember 2007 monatlich 157,33 EUR (statt vom Familiengericht angesetzter 125,97 EUR) gezahlt hat:

8. Mai 2007 bis 30. September 2007

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 241,25 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 450,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.675,70 EUR

davon 6/7

                          

 1.436,31 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.676,31 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Kosten der Nachbetreuung

        

- 52,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 871,33 EUR

davon 6/7

                          

 746,85 EUR

Zinsen

                          

 81,25 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 828,10 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 848,21 EUR

Anspruch -1/2 - (rund)

                 

 424,00 EUR

./. Zahlung

                          

- 157,33 EUR

restlicher Anspruch

                          

 266,67 EUR

Für Mai 2007 sind damit noch 206,45 EUR (= 266,67 EUR / 31 * 24) zu zahlen, im Übrigen belaufen sich die Rückstände auf monatlich 266,67 EUR.

Betreuungskosten entfallen, da je hälftig getragen)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 241,25 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 450,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.675,70 EUR

davon 6/7

                          

 1.436,31 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.676,31 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.095,00 EUR

davon 6/7

                          

 938,57 EUR

Objektiver Wohnwert

        

 497,15 EUR

        

./. Zinsen D.

        

-167,00 EUR

        

./. Zinsen an Schwester

- 50,00 EUR

        

bereinigter Wohnwert

        

 280,15 EUR

        

davon prägend (32.500 / 114.500)

 79,52 EUR

 79,52 EUR

davon nicht prägend

        

 200,63 EUR

        

maßgebliches Einkommen

        

 1.018,09 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 658,22 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 329,11 EUR

./. Zahlung

                          

- 157,33 EUR

./. Nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch

                          

- 28,85 EUR

Danach hat der Beklagte den Unterhaltsanspruch erfüllt. Rückstände bestehen insofern nicht.

Jahr 2008 (geänderter Ansatz des Kindesunterhalts und der

Krankenversicherung; Wegfall von Zahlungen auf den Unterhalt)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 248,39 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 373,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.745,56 EUR

davon 6/7

                          

 1.496,19 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.736,19 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.095,00 EUR

davon 6/7

                          

 938,57 EUR

prägender Wohnvorteil

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.018,09 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 718,10 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 359,05 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 158,00 EUR

Januar 2009 bis Juli 2009 (Änderung bei Kindergeld)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 248,39 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 368,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.750,56 EUR

davon 6/7

                          

 1.500,48 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.740,48 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.095,00 EUR

davon 6/7

                          

 938,57 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.018,09 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

722,39 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 361,20 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 161,00 EUR

August 2009 bis September 2009 (Betreuungskosten)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 248,39 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 368,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.750,56 EUR

davon 6/7

                          

 1.500,48 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.740,48 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Betreuungskosten

                 

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 756,68 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 378,34 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 178,00 EUR

Oktober 2009 bis Dezember 2009 (Erhöhung der Krankenversicherung

des Beklagten)

                          
                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 252,41 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 368,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.746,54 EUR

davon 6/7

                          

 1.497,03 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.737,03 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Betreuungskosten

                 

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 753,23 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 376,62 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 176,00 EUR

                                            

Januar 2010 bis Juni 2010 (Änderung beim Kindergeld)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 252,41 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 358,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.756,54 EUR

davon 6/7

                          

 1.505,61 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.745,61 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Kosten der Nachbetreuung

        

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 761,80 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 380,90 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 180,00 EUR

Ab Juli 2010 (Änderung Zahlbetrag Kindesunterhalt)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 252,41 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 377,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.737,54 EUR

davon 6/7

                          

 1.489,32 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.729,32 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Kosten der Nachbetreuung

        

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 745,52 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 372,76 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 172,00 EUR

Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs kommt jedenfalls unter den derzeitigen Umständen nicht in Betracht. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Unterhaltsanspruch zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch grob unbillig wäre. Dabei ist bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts zwar vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Derartige Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (BGH, FamRZ 2010, 538; FamRZ 2009, 1990; FamRZ 2009, 1207). Ebenso ist anerkannt, dass eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auch in Betracht kommt, wenn der Ehegatte, wie vorliegend, einen Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB hat (BGH, FamRZ 2009, 406; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526; OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 999; Eschenbruch, a.a.O., Kap. 1, Rz. 293).

Ob nach diesen Grundsätzen die Verletzung der Klägerin, die sie bei der Verpuffung von Spiritus anlässlich eines gemeinsamen Grillabends am 17. September 2002 erlitt, als ein ehebedingter Nachteil angenommen werden kann, erscheint eher zweifelhaft, weil die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht auf einer bewussten Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Parteien beruht, sondern eher zufällig, gleichsam schicksalhaft während der Ehe entstanden ist (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 30 Juni 2010, XII ZR 9/09).

Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen, denn auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet. Neben der Frage ehebedingter Nachteile sind daher auch andere Umstände zu berücksichtigen, wie etwa der Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität (BGH, FamRZ 2010, 1057; FamRZ 2009, 406; FamRZ 2009, 1207). Dieser hat bei der gegebenen Sachlage ein besonderes Gewicht, weil die Verletzung jedenfalls im Zusammenhang mit dem ehelichen Zusammenleben entstanden ist und ohne das Handeln des Beklagten, selbst wenn ihn insofern kein Schuldvorwurf träfe, nicht entstanden wäre. Demgemäß erscheint es keineswegs unbillig, wenn die Folgen des Unfalls nicht allein von der Klägerin getragen werden müssen, sondern von den Parteien gleichsam als Schicksalsgemeinschaft (vgl. hierzu OLG Braunschweig, a. a. O.; siehe auch BGH, FamRZ 1986, 886).

Bei der hier anzustellenden Billigkeitsabwägung ist das gebotene Maß der nachehelichen Solidarität unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände festzulegen. Danach ist der Unterhaltsanspruch derzeit nicht zu befristen. Dabei ist neben den Umständen, die zu der Erkrankung geführt haben, weiter zu berücksichtigen, dass realistische Aussichten der Klägerin, ihren Gesundheitszustand zu verbessern und ihre Erwerbstätigkeit ausweiten, nicht bestehen. Vielmehr geht der Sachverständige davon aus, dass eine Verbesserung angesichts des zeitlichen Abstands zu dem Unfall erfahrungsgemäß nicht mehr zu erwarten ist. Überdies hat der Gutachter auch klargestellt, dass die die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nachhaltig beeinträchtigenden Gesundheitsschäden nahezu ausschließlich auf den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen beruhen und nicht auf spätere Ereignisse, wie etwa die bei einem Sturz erlittene Wirbelsäulenverletzung zurückzuführen sind. Auch insoweit sind die Feststellungen des Sachverständigen überzeugend und werden auch vom Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Hinzu kommt, dass die krankheitsbedingten Einkommenseinbußen der Klägerin – und entsprechend auch die Einbußen in ihrer künftigen Altersvorsorge - recht hoch sind und ihr durch die relativ geringen Unterhaltsansprüche ein Ausgleich der durch den Unfall entstandenen Einkommensnachteile nur in geringem Umfang zuteil wird; außerdem wird der Beklagte durch die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt auch nicht in besonders hohen Maße belastet und in seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten eingeschränkt. Wird weiter berücksichtigt, dass die Parteien bis zur Zustellung des Scheidungsantrags über 10 Jahre verheiratet waren und die Klägerin trotz der Verletzung auch nach der Trennung entsprechend ihren Möglichkeiten zum Unterhalt der Familie beigetragen und insbesondere die Betreuung der gemeinsamen Tochter übernommen hat, und weiterhin übernimmt, so folgt daraus, dass weder eine Befristung noch eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs aus Billigkeitsgesichtspunkten geboten wäre.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Sie berücksichtigt das Obsiegen und Unterliegen auf der Grundlage eines jeweils streitigen Fünfjahreszeitraumes.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Gründe

II.

Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (BGH, FamRZ 2010, 357, m.w.N.).

Das Familiengericht hat im Ergebnis zutreffend - stillschweigend – seine internationale Zuständigkeit bejaht, weil beide Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (Art. 5 Nr. 2 EuGVVO,), und deutsches Sachrecht angewandt (Art. 8 HUÜ 73; 18 Abs. 4, EGBGB; vgl. auch BGH, FamRZ 2001, 412; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 9, Rz. 17).

Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in dem sich aus dem Urteilstenor ergebenden Umfang. Anspruchsgrundlage ist § 1572 BGB, weil die Klägerin krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen. Nach den Feststellungen des medizinischen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten vom 18. Februar 2009 (Bl. 251 ff d.A.) und seinen Ausführungen bei der ergänzenden Erläuterung in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 29. Juli 2010 leidet die Klägerin auf Grund des erwähnten Unfalls noch an dauerhaft starken Beeinträchtigungen. Die Finger sind zittrig, taub und gefühllos, wodurch Ungeschicklichkeit und eine Störung der Feinmotorik auftreten. Sie hat ständige Narbenschmerzen in den Händen und Unterarmen, die Beweglichkeit des linken Daumens und des zweiten Fingers links ist stark eingeschränkt und der Faustschluss unvollständig. Nach Einschätzung des Sachverständigen ist die Klägerin zurzeit 18 Stunden wöchentlich mit Schwierigkeiten tätig und muss Pausen einlegen, die allerdings vom Arbeitgeber toleriert würden. Mit einer Besserung des Gesundheitszustandes oder gar der Wiederherstellung der vollen Erwerbsfähigkeit sei nicht zu rechnen. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin notwendige therapeutische Maßnahmen versäumt hat. Die Ausführungen des Sachverständigen sind insgesamt nachvollziehbar und überzeugend; er hat die Beschwerden der Klägerin anhand der ihm vorliegenden Befunde sowie auf Grund eigener Untersuchungen zweifelsfrei festgestellt und hält insbesondere die behaupteten Beeinträchtigungen für objektivierbar. Auch ist er der Auffassung, dass die Klägerin bereits Schwierigkeiten hat, bei der 18 Wochenstunden zu arbeiten und dies einen deutlich höheren Einsatz als von einer gesunde Person erfordere. Erhebliche Einwände hiergegen werden auch vom Beklagten nicht mehr erhoben. Aus dem Gutachten folgt, dass die Klägerin ihrer Erwerbsobliegenheit durch die Ableistung von 18 Arbeitsstunden pro Woche in vollem Umfang genügt und eine weitergehende Tätigkeit ihr schon aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann.

Damit steht fest, dass die Voraussetzungen des § 1572 BGB vorliegend erfüllt sind, so dass der Beklagte Krankheitsunterhalt schuldet. Dabei kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Krankheit ehebedingt ist (BGH, FamRZ 2010, 629; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526; OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 899; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl., Kap. 1, Rz. 293).

Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB). Dabei ist auf Seiten des Beklagten von dessen Einkünften aus Erwerbstätigkeit auszugehen; außerdem ist ein Wohnvorteil zu berücksichtigen.

Letztlich umstritten ist in zweiter Instanz insoweit nur die Berechnung des Wohnvorteils. Im Übrigen kann der ansonsten unangegriffen gebliebenen Handhabung des Familiengerichts weitgehend gefolgt werden. Eine Korrektur hat lediglich insofern zu erfolgen, als auf Seiten des Beklagten ab Oktober 2009 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 252,41 EUR (statt 248,39 EUR) in Ansatz zu bringen sind, wie der Beklagte unwidersprochen und im Übrigen durch Vorlage eines entsprechenden Kontoauszuges (Bl. 286 d.A.) belegt, vorgetragen hat.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Berechnung des Wohnwertes durch das Familiengericht nicht zu beanstanden. Sie entspricht vielmehr der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ, 2009; 23, FamRZ 2008, 963; FamRZ 2007, 879; FamRZ 2005, 1159; Eschenbruch, a.a.O., Kap. 1, Rz. 583, 588; Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 4, Rzn. 205 ff). Danach gilt folgendes: Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten, etwa wenn die Ehegatten wie im Streitfall rechtskräftig geschieden sind, so ist der objektive Wohnwert anzusetzen. Von dem Vorteil mietfreien Wohnens sind grundsätzlich die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Kosten abzusetzen, weil der Eigentümer nur in Höhe der Differenz günstiger lebt als ein Mieter. Der Tilgungsanteil der Kreditraten kann aber dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn der andere Ehegatte nicht mehr von der mit der Tilgung einhergehenden Vermögensbildung profitiert und daher eine einseitige Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten stattfindet, wie es im Fall des gesetzlichen Güterstandes ab Zustellung des Scheidungsantrags und erst recht ab Rechtskraft der Scheidung der Fall ist (BGH, a.a.O.). Der Senat sieht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Insbesondere kann dem auch nicht entgegengehalten werden, dass die Einkünfte der Parteien nicht gänzlich für den allgemeinen Lebensbedarf verbraucht, sondern teilweise auch der Vermögensbildung zugeführt wurden, da dies nur bei gehobenem Einkommen des Pflichtigen von Belang ist (vgl. Wendl/Gerhardt, a.a.O., Rz. 208, m.w.N.), wovon hier jedoch unzweifelhaft nicht ausgegangen werden kann. Danach sind von dem vom Familiengericht, gestützt auf das gerichtliche Sachverständigengutachten festgestellten objektiven Mietwert in Höhe von monatlich 481 EUR, der zweitinstanzlich auch nicht mehr umstritten ist, lediglich die vom Familiengericht ebenfalls unangegriffen angesetzten Zinsen in Höhe von monatlich 241 EUR abzuziehen. Tilgungsleistungen hingegen bleiben unberücksichtigt, nachdem das Familiengericht für die zusätzliche Altersvorsorge des Beklagten Beiträge zu einer Lebensversicherung in Höhe von 4% seines Bruttoeinkommens (= monatlich: 132,50 EUR) abgesetzt hat.

Entsprechend der unangegriffen gebliebenen Handhabung des Familiengerichts ist der Kindesunterhalt mit monatlich 450 EUR bis Dezember 2007 anzusetzen, nachdem bis dahin der Tabellenbetrag in die Berechnung des Ehegattenunterhalts einzustellen war. Ab 2008 hat das Familiengericht zutreffend nur noch den Zahlbetrag in Ansatz gebracht. Hiergegen haben die Parteien nichts erinnert. Weiter ist zu berücksichtigen dass der Kindesunterhalt ab Juli 2010 wegen der Änderung der Altersstufe unstreitig mit monatlich 377 EUR zu veranschlagen ist.

Auf Seiten der Klägerin sind zunächst die Einkünfte aus ihrer Tätigkeit bei der maßgebend. Das Familiengericht hat diese mit monatlich 1.125 EUR netto angesetzt. Dagegen hat keine der Parteien Einwände erhoben. Entsprechendes gilt für die abgesetzten Fahrtkosten. Auch insoweit sind die vom Familiengericht festgestellten Beträge für die Unterhaltsberechnung heranzuziehen.

Soweit das Familiengericht für die Zeit bis September 2007 das Einkommen der Klägerin um die Kosten der Nachbetreuung in Höhe von monatlich 52 EUR bereinigt hat, ist das angefochtene Urteil ebenfalls nicht zu beanstanden. Diesbezüglich werden von den Parteien auch keine Einwände erhoben. Für die Zeit danach kommt allerdings der Ansatz von Betreuungskosten, die das Familiengericht dann in Höhe von monatlich 119 EUR auf Seiten der Klägerin berücksichtigt hat, nicht mehr in Betracht, weil der Beklagte diesen Betrag unstreitig hälftig übernommen hatte. Ab August 2009 fallen erneut Betreuungskosten für das Kind in Höhe von monatlich 40 EUR an, die von der Klägerin aufgebracht werden und nach übereinstimmender Auffassung beider Parteien bei der Unterhaltsberechnung von ihrem Einkommen abzuziehen sind.

Darüber hinaus sind der Klägerin keine weiteren Erwerbseinkünfte zuzurechnen. Der Beklagte behauptet zwar, die Klägerin führe für die Firma V., die Energiedrinks vertreibt, Verkaufsveranstaltungen durch, die vergleichbar seien mit dem Vertriebssystem der Firma T.. Dass daraus jedoch nachhaltig nennenswerte Einkünfte erzielt werden, ist nicht ersichtlich. Vielmehr verweist die Klägerin darauf, dass sie bei dieser Firma ein Vitaminpräparat für den Eigenbedarf beziehe und für die Neukundenwerbung im Freundes- und Bekanntenkreis Boni erhalte, wie sie bei einer Vielzahl von Firmen, Banken und Versicherungen üblich seien. Nach der - vom Beklagten nicht bestrittenen Aufstellung - der Firma V. (Bl. 486 d.A.) wurden der Klägerin für die Zeit von der 43. Kalenderwoche 2009 bis zur 20. Kalenderwoche 2010 insgesamt 87,21 EUR ausgezahlt. Dies kann nicht als Einkommen aus einer - auch nur geringfügigen - Erwerbstätigkeit angesehen werden und dürfte nicht einmal die Kosten der Verkaufsveranstaltungen decken. Der Kläger hat diesen Sachvortrag nicht widerlegt. Er trägt hierzu lediglich noch vor, dass die Klägerin eine Visitenkarte der Firma erhalten habe und entsprechende Verkaufsveranstaltungen durchführe, was jedoch insofern unerheblich ist, als dadurch nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, dass die Klägerin mehr als nur im Freizeitbereich für die Firma V. tätig ist und unterhaltsrechtlich relevante Einkünfte erzielt.

Des weiteren sind der Klägerin entsprechend der unangegriffen gebliebenen Handhabung des Familiengerichts für die Zeit bis September 2007 monatliche Zinseinkünfte in Höhe von 81,25 EUR zuzurechnen. Das Familiengericht hat dies damit begründet, dass die Klägerin unstreitig aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses 32.500 EUR erhalten und den teilweisen Verbrauch dieser Summe nicht substantiiert dargetan habe, was es rechtfertige, der Klägerin ein fiktives Zinseinkommen zu unterstellen. Dem sind die Parteien auch zweitinstanzlich nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beklagte führt hierzu lediglich aus, dass die Klägerin insoweit widersprüchlich vorgetragen habe und sie selbst hat hierzu keine ergänzenden Ausführungen gemacht. Nachdem so der Verbleib des Geldes weiter im Unklaren bleibt, bestehen keine Bedenken dagegen, der auf den Grundsatz, wonach unterhaltsrechtlich Vermögen möglichst nutzbringend einzusetzen ist (BGH, FamRZ 1988, 1031; FamRZ 1988, 145), gestützten Auffassung des Familiengerichts zu folgen, und der Klägerin einen entsprechenden Zinsertrag zuzurechnen.

Für die Zeit ab Oktober 2007 ist weiter zu berücksichtigen, dass die Klägerin mietfrei in einer von ihr erworbenen Eigentumswohnung wohnt. Der sich daraus ergebende Wohnvorteil hat teilweise die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt und ist insoweit daher bereits bei der Bedarfsbemessung zu berücksichtigen; anders ist es jedoch, soweit der Wohnvorteil darauf beruht, dass die Wohnung nach der Scheidung mit nicht eheprägenden Mitteln erworben wurde (BGH, FamRZ 1988, 1031; Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 367 a). Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Wohnvorteil nur in Höhe von 32.500 EUR mit eheprägenden Mitteln erreicht worden ist. Ausweislich des betreffenden Kaufvertrages vom 7. August 2007 (Bl. 497 ff. d.A.) betrug der Kaufpreis für die Eigentumswohnung 114.500 EUR. Mangels entgegenstehender Gesichtspunkte ist anzunehmen, dass die Klägerin den Kaufpreis allenfalls in Höhe des Herauszahlungsbetrages von 32.500 EUR, den sie bei dem Verkauf des gemeinsamen Hauses erhalten hatte, mit eheprägenden Mitteln bestritten und im Übrigen mit nicht eheprägendem Vermögen, sei es aus einer nach Rechtskraft der Scheidung erhaltenen Zuwendung (Erbschaft), sei es aus entsprechenden Darlehen, aufgebracht hat. Insoweit ist es angemessen, den Wohnvorteil, soweit er auf eheprägenden Mitteln beruht, bei der Bedarfsbemessung und im Übrigen lediglich bei der Bedürftigkeit in Ansatz zu bringen, wobei es der Senat im Hinblick darauf, dass der Klägerin erzielbare Zinsen aus der, aus dem Verkaufserlös des gemeinsamen Hauses erhaltener Zahlung von 32.500 EUR bis dahin unterhaltsrechtlich voll zugerechnet werden (s.o.), als gerechtfertigt erachtet, dass sie auch so behandelt wird, als hätte sie diesen Betrag für den Kauf der Eigentumswohnung verwandt.

Zu bereinigen ist der Wohnwert, den das Familiengericht gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten von den Parteien unangegriffen mit monatlich 497,15 EUR angenommen hat, um Zinszahlungen der Klägerin an die D. in Höhe von monatlich 167 EUR und an ihre Schwester in Höhe von monatlich 50 EUR. Auch insoweit haben die Parteien die Feststellungen des Familiengerichts nicht in Frage gestellt. Sie sind daher für die Unterhaltsberechnung weiterhin maßgebend.

Aus alledem ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung, wobei diese berücksichtigt, dass der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, von Januar 2007 bis Dezember 2007 monatlich 157,33 EUR (statt vom Familiengericht angesetzter 125,97 EUR) gezahlt hat:

8. Mai 2007 bis 30. September 2007

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 241,25 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 450,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.675,70 EUR

davon 6/7

                          

 1.436,31 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.676,31 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Kosten der Nachbetreuung

        

- 52,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 871,33 EUR

davon 6/7

                          

 746,85 EUR

Zinsen

                          

 81,25 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 828,10 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 848,21 EUR

Anspruch -1/2 - (rund)

                 

 424,00 EUR

./. Zahlung

                          

- 157,33 EUR

restlicher Anspruch

                          

 266,67 EUR

Für Mai 2007 sind damit noch 206,45 EUR (= 266,67 EUR / 31 * 24) zu zahlen, im Übrigen belaufen sich die Rückstände auf monatlich 266,67 EUR.

Betreuungskosten entfallen, da je hälftig getragen)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 241,25 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 450,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.675,70 EUR

davon 6/7

                          

 1.436,31 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.676,31 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.095,00 EUR

davon 6/7

                          

 938,57 EUR

Objektiver Wohnwert

        

 497,15 EUR

        

./. Zinsen D.

        

-167,00 EUR

        

./. Zinsen an Schwester

- 50,00 EUR

        

bereinigter Wohnwert

        

 280,15 EUR

        

davon prägend (32.500 / 114.500)

 79,52 EUR

 79,52 EUR

davon nicht prägend

        

 200,63 EUR

        

maßgebliches Einkommen

        

 1.018,09 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 658,22 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 329,11 EUR

./. Zahlung

                          

- 157,33 EUR

./. Nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch

                          

- 28,85 EUR

Danach hat der Beklagte den Unterhaltsanspruch erfüllt. Rückstände bestehen insofern nicht.

Jahr 2008 (geänderter Ansatz des Kindesunterhalts und der

Krankenversicherung; Wegfall von Zahlungen auf den Unterhalt)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 248,39 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 373,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.745,56 EUR

davon 6/7

                          

 1.496,19 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.736,19 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.095,00 EUR

davon 6/7

                          

 938,57 EUR

prägender Wohnvorteil

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.018,09 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 718,10 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 359,05 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 158,00 EUR

Januar 2009 bis Juli 2009 (Änderung bei Kindergeld)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 248,39 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 368,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.750,56 EUR

davon 6/7

                          

 1.500,48 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.740,48 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.095,00 EUR

davon 6/7

                          

 938,57 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.018,09 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

722,39 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 361,20 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 161,00 EUR

August 2009 bis September 2009 (Betreuungskosten)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 248,39 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 368,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.750,56 EUR

davon 6/7

                          

 1.500,48 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.740,48 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Betreuungskosten

                 

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 756,68 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 378,34 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 178,00 EUR

Oktober 2009 bis Dezember 2009 (Erhöhung der Krankenversicherung

des Beklagten)

                          
                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 252,41 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 368,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.746,54 EUR

davon 6/7

                          

 1.497,03 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.737,03 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Betreuungskosten

                 

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 753,23 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 376,62 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 176,00 EUR

                                            

Januar 2010 bis Juni 2010 (Änderung beim Kindergeld)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 252,41 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 358,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.756,54 EUR

davon 6/7

                          

 1.505,61 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.745,61 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Kosten der Nachbetreuung

        

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 761,80 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 380,90 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 180,00 EUR

Ab Juli 2010 (Änderung Zahlbetrag Kindesunterhalt)

                                            

Einkommen des Beklagten

        

 2.590,00 EUR

Steuererstattung

                 

 111,12 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 201,67 EUR

./. Krankenversicherung

        

- 252,41 EUR

./. Altersvorsorge

                 

- 132,50 EUR

./. Kindesunterhalt

                 

- 377,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.737,54 EUR

davon 6/7

                          

 1.489,32 EUR

Objektiver Wohnwert

                 

 481,00 EUR

./. Zinsen

                          

- 241,00 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 1.729,32 EUR

                                            

Einkommen der Klägerin

        

 1.125,00 EUR

./. Fahrtkosten

                 

- 30,00 EUR

./. Kosten der Nachbetreuung

        

- 40,00 EUR

bereinigtes Einkommen

        

 1.055,00 EUR

davon 6/7

                          

 904,29 EUR

prägender Wohnwert

        

 79,52 EUR

maßgebliches Einkommen

        

 983,80 EUR

                                            

Differenz der maßgeblichen Einkommen

 745,52 EUR

Bedarf (1/2)

                 

 372,76 EUR

./. nichtprägender Wohnvorteil

        

- 200,63 EUR

Anspruch (rund)

                          

 172,00 EUR

Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs kommt jedenfalls unter den derzeitigen Umständen nicht in Betracht. Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Unterhaltsanspruch zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch grob unbillig wäre. Dabei ist bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts zwar vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Derartige Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (BGH, FamRZ 2010, 538; FamRZ 2009, 1990; FamRZ 2009, 1207). Ebenso ist anerkannt, dass eine Befristung oder Begrenzung des Unterhaltsanspruchs auch in Betracht kommt, wenn der Ehegatte, wie vorliegend, einen Anspruch auf Unterhalt wegen Krankheit nach § 1572 BGB hat (BGH, FamRZ 2009, 406; OLG Frankfurt, FamRZ 2009, 526; OLG Braunschweig, FamRZ 2008, 999; Eschenbruch, a.a.O., Kap. 1, Rz. 293).

Ob nach diesen Grundsätzen die Verletzung der Klägerin, die sie bei der Verpuffung von Spiritus anlässlich eines gemeinsamen Grillabends am 17. September 2002 erlitt, als ein ehebedingter Nachteil angenommen werden kann, erscheint eher zweifelhaft, weil die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht auf einer bewussten Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse durch die Parteien beruht, sondern eher zufällig, gleichsam schicksalhaft während der Ehe entstanden ist (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 30 Juni 2010, XII ZR 9/09).

Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen, denn auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet. Neben der Frage ehebedingter Nachteile sind daher auch andere Umstände zu berücksichtigen, wie etwa der Gesichtspunkt der nachehelichen Solidarität (BGH, FamRZ 2010, 1057; FamRZ 2009, 406; FamRZ 2009, 1207). Dieser hat bei der gegebenen Sachlage ein besonderes Gewicht, weil die Verletzung jedenfalls im Zusammenhang mit dem ehelichen Zusammenleben entstanden ist und ohne das Handeln des Beklagten, selbst wenn ihn insofern kein Schuldvorwurf träfe, nicht entstanden wäre. Demgemäß erscheint es keineswegs unbillig, wenn die Folgen des Unfalls nicht allein von der Klägerin getragen werden müssen, sondern von den Parteien gleichsam als Schicksalsgemeinschaft (vgl. hierzu OLG Braunschweig, a. a. O.; siehe auch BGH, FamRZ 1986, 886).

Bei der hier anzustellenden Billigkeitsabwägung ist das gebotene Maß der nachehelichen Solidarität unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände festzulegen. Danach ist der Unterhaltsanspruch derzeit nicht zu befristen. Dabei ist neben den Umständen, die zu der Erkrankung geführt haben, weiter zu berücksichtigen, dass realistische Aussichten der Klägerin, ihren Gesundheitszustand zu verbessern und ihre Erwerbstätigkeit ausweiten, nicht bestehen. Vielmehr geht der Sachverständige davon aus, dass eine Verbesserung angesichts des zeitlichen Abstands zu dem Unfall erfahrungsgemäß nicht mehr zu erwarten ist. Überdies hat der Gutachter auch klargestellt, dass die die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nachhaltig beeinträchtigenden Gesundheitsschäden nahezu ausschließlich auf den bei dem Unfall erlittenen Verletzungen beruhen und nicht auf spätere Ereignisse, wie etwa die bei einem Sturz erlittene Wirbelsäulenverletzung zurückzuführen sind. Auch insoweit sind die Feststellungen des Sachverständigen überzeugend und werden auch vom Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Hinzu kommt, dass die krankheitsbedingten Einkommenseinbußen der Klägerin – und entsprechend auch die Einbußen in ihrer künftigen Altersvorsorge - recht hoch sind und ihr durch die relativ geringen Unterhaltsansprüche ein Ausgleich der durch den Unfall entstandenen Einkommensnachteile nur in geringem Umfang zuteil wird; außerdem wird der Beklagte durch die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt auch nicht in besonders hohen Maße belastet und in seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten eingeschränkt. Wird weiter berücksichtigt, dass die Parteien bis zur Zustellung des Scheidungsantrags über 10 Jahre verheiratet waren und die Klägerin trotz der Verletzung auch nach der Trennung entsprechend ihren Möglichkeiten zum Unterhalt der Familie beigetragen und insbesondere die Betreuung der gemeinsamen Tochter übernommen hat, und weiterhin übernimmt, so folgt daraus, dass weder eine Befristung noch eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs aus Billigkeitsgesichtspunkten geboten wäre.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Sie berücksichtigt das Obsiegen und Unterliegen auf der Grundlage eines jeweils streitigen Fünfjahreszeitraumes.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

FGG-Reformgesetz - FGG-RG | Art 111 Übergangsvorschrift


(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ref

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1578 Maß des Unterhalts


(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf. (2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pfle

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1572 Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen


Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt1.der Scheidung,2.der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,3.der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder U

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Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil, 19. Aug. 2010 - 6 UF 23/10 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09

bei uns veröffentlicht am 30.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XII ZR 9/09 Verkündet am: 30. Juni 2010 Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

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(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt

1.
der Scheidung,
2.
der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
3.
der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
4.
des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573
an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt

1.
der Scheidung,
2.
der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
3.
der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
4.
des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573
an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 9/09 Verkündet am:
30. Juni 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 20 Abs. 3; BGB §§ 1572, 1578 b; EGZPO § 36 Nr. 1
a) § 1578 b BGB ist - auch - im Hinblick auf die Befristung des Krankheitsunterhalts
nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig.
b) Die Krankheit des unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt regelmäßig keinen
ehebedingten Nachteil dar. Das gilt auch dann, wenn eine psychische Erkrankung
durch die Ehekrise und Trennung ausgelöst worden ist.
c) Dass der Unterhalt nach der bis zum Dezember 2007 geltenden Rechtslage
tituliert ist, ist als ein den Vertrauensschutz des Unterhaltsberechtigten verstärkendes
Element bereits im Rahmen der Entscheidung über die Befristung
des Unterhalts zu berücksichtigen. Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung
ist auch die gesetzliche Bewertung zur Zumutbarkeit einer Abänderung
nach § 36 Nr. 1 EGZPO zu beachten.
BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - KG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina sowie die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Senats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 27. November 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Kammergericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten über die Befristung nachehelichen Krankheitsunterhalts.
2
Die Parteien heirateten 1986. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Scheidung ist rechtskräftig seit dem 14. November 1997. Der Unterhalt ist zuletzt festgelegt durch Urteil des Amtsgerichts, bestätigt durch das Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2001. Danach wurde der Unterhalt fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. herabgesetzt und beträgt seit dem 14. November 2002 1.300 DM Elementarunterhalt , 269 DM Krankenvorsorge- und 34 DM Pflegevorsorgeunterhalt (insgesamt umgerechnet ca. 820 €). Der Kläger zahlt wegen erhöhter Versicherungsbeiträge nunmehr monatlich insgesamt 899 €.
3
Der Kläger begehrt die Befristung des Unterhalts und beruft sich auf die seit 2008 geänderte Gesetzeslage sowie die Unbilligkeit einer weiteren Unterhaltspflicht.
4
Die 1962 geborene Beklagte absolvierte in der Ehe erfolglos mehrere Prüfungen zur Versicherungskauffrau und erwarb 1988 schließlich - gefördert durch das Arbeitsamt - einen Abschluss zur Stenokontoristin. 1988 übernahm sie die Pflege ihrer schwerbehinderten Großmutter. Erst 1990 fand die Beklagte eine Arbeitsstelle mit 20 Wochenstunden, verlor diese aber schon nach zwei Wochen. Seit 1993 besaß sie eine Gewerbeerlaubnis als Immobilienmaklerin.
5
Die Beklagte leidet an einer paranoiden Psychose. Nach dem im Vorprozess eingeholten psychiatrischen Gutachten hat die Krankheit ihre Wurzeln in der Kindheit (Verhältnis der Beklagten zu ihren Eltern), ist jedoch erst durch die Ehekrise und Trennung der Parteien im Jahr 1996 zu Tage getreten. Während im Vorprozess noch eine spätere Arbeitsfähigkeit der Beklagten für möglich gehalten wurde, steht nach einer weiteren erfolglosen mehrmonatigen Therapie fest, dass die Beklagte dauerhaft arbeitsunfähig ist.
6
Das Amtsgericht hat den Unterhalt bis einschließlich November 2008 befristet. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit welcher er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8
Das Berufungsgericht hat in seinem in FamRZ 2009, 1153 veröffentlichten Urteil die Auffassung vertreten, eine Unbilligkeit liege erst vor, wenn die andauernden Unterhaltszahlungen den Kläger unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und des ihm verbleibenden Einkommens besonders belasteten. Das könne schon nicht festgestellt werden, weil der Kläger - abgesehen von pauschal behaupteten 2.200€ - nicht einmal sein Einkommen ausreichend dargetan habe. Er habe keine neue Familie gegründet. In Anbetracht der geänderten Rangfolge könne die Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen Ehefrau insoweit kein Billigkeitskriterium sein. Aus der gesamten Gesetzesbegründung des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Ansicht gewesen sei, dass im Falle des Bestehens einer Krankheit zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung die nacheheliche Solidarität, in der die Rechtfertigung für die Unterhaltstatbestände liege, - je nach Einzelfall - irgendwann nach der Ehe ende und dann die gesellschaftliche Solidarität einzutreten habe. Gegen diese Intention spreche bereits Art. 6 GG, in dessen Lichte § 1578 b BGB auszulegen sei. Verfassungsrechtlich sei es nicht haltbar, wenn ein Ehegatte, der krankheitsbedingt seit der Rechtskraft der Scheidung nicht in der Lage sei, der vom Gesetzgeber postulierten Eigenverantwortung nachzukommen , der nachehelichen Solidarität verlustig gehen solle.
9
Die Gesetzesbegründung trage dem Rechnung. Auf die von den Parteien im Sinne einer Vorwerfbarkeit aufgeworfenen Fragen, inwieweit die Art der Eheführung Ursache der Erkrankung der Beklagten oder ob die Beklagte bereits in der Ehe gegen den Willen des Klägers nicht erwerbstätig gewesen sei, komme es nicht an. Eine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens finde im Rahmen des § 1578 b BGB nicht statt.
10
Nicht zuletzt stehe die Übergangsregelung des § 36 Nr. 1 EGZPO der Abänderung entgegen, weil es in Anbetracht der bereits früher durchgeführten Unterhaltsherabsetzung zumindest an der Zumutbarkeit der Änderung für die Beklagte fehle.

II.

11
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den rechtlichen Rahmen der gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB in Bezug auf den Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zu treffenden Billigkeitsbetrachtung verkannt.
12
1. Auf die Befristung ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Unterhaltsrecht anzuwenden (Art. 4 Unterhaltsrechtsänderungsgesetz; vgl. auch § 36 Nr. 7 EGZPO und Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 27 f.). Seit dem 1. Januar 2008 ist gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB auch für den nachehelichen Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB eine Befristung zulässig.
13
a) Der Unterhalt ist vom Familiengericht zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 BGB).
14
b) Die Regelung in § 1578 b BGB ist entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. Es entspricht der mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 verfolgten Absicht des Gesetzgebers, sich in weiten Teilen auf konkretisierungsbedürftige Grundaussagen und Generalklauseln zu beschränken und damit den Gerichten einen relativ breiten Spielraum zu geben, um dem konkreten Einzelfall nach Billigkeits - und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gerecht zu werden (BT-Drucks. 16/1830 S. 13). Dadurch verstößt der Gesetzgeber nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gebot der Normenklarheit.
15
Zwar wird eine Krankheit selten ehebedingt sein, sodass das nach der gesetzlichen Konzeption vorrangige Kriterium des Vorliegens ehebedingter Nachteile jedenfalls aufgrund der Krankheit regelmäßig nicht einschlägig ist. Die Befristung ist aber auch ohne ehebedingte Erkrankung nicht der gesetzliche Regelfall (vgl. Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 36 f.). Zudem stellt das Gesetz für die Beurteilung der Unbilligkeit einer weitergehenden Unterhaltspflicht in § 1578 b Abs. 1 BGB mit der Ehedauer und der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sowie der Kindererziehung Kriterien zur Verfügung, die auch für die generelle Bemessung der nachehelichen Solidarität heranzuziehen sind (vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Jedenfalls unter Berücksichtigung dieser näheren Vorgaben stand es dem Gesetzgeber nicht zuletzt wegen der Vielgestaltigkeit der Fallgruppen und mit Rücksicht auf den Umstand, dass es wegen der zuvor beim Krankheitsunterhalt fehlenden gesetz- lichen Befristungsmöglichkeit an rechtstatsächlichen Erfahrungen noch mangelte , frei, die Entscheidung über die Befristung der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls zu überlassen.
16
2. a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB - allein - auf der fortwirkenden nachehelichen Solidarität beruht (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 37) und eine Befristung des Unterhalts nicht damit begründet werden kann, dass ehebedingte Nachteile nicht vorliegen.
17
aa) Dass in der Erkrankung der Beklagten hier - ausnahmsweise - ein ehebedingter Nachteil liegen sollte, hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend verneint. Denn die Erkrankung der Beklagten steht nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 15 m.w.N.).
18
Dass eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - in der Ehekrise aufgetreten oder durch diese sogar ausgelöst worden ist, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB. Bereits aus der Formulierung des Gesetzes geht hervor, dass ehebedingte Nachteile durch die Ehe verursacht sein müssen und hierfür insbesondere die Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit bedeutsam sind (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB). Daraus wird deutlich, dass unter ehebedingten Nachteilen vornehmlich solche Einbußen zu verstehen sind, die sich aus der Rollenverteilung (vgl. § 1356 BGB) ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die etwa mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen.
19
Unter welchen Umständen eine Krankheit im Einzelfall mittelbar oder unmittelbar auf der Ehe beruhen und sich als ehebedingter Nachteil darstellen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Bestimmung. Denn die Erkrankung der Beklagten war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits vor der Ehe angelegt. Auch wenn ihr Ausbruch schließlich durch die Ehekrise ausgelöst worden ist, liegt damit die Krankheitsursache nicht in der Ehe als solcher oder der mit ihr verbundenen Rollenverteilung, sondern in den persönlichen Umständen der Parteien und ihrer schicksalhaften Entwicklung.
20
bb) Dadurch ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall der Unterhaltspflichtige auch unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall indessen nicht festgestellt und den Ausbruch der Krankheit im Zusammenhang mit der Ehekrise zutreffend als schicksalsbedingt bezeichnet. Dabei hat es auch ein etwaiges Trennungsverschulden des Klägers zu Recht für nicht erheblich gehalten.
21
b) Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet. Bei der hier anzustellenden Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 17). Auch in solchen Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, fällt den in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Umständen besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe ist auch der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 39 und vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 17). Demnach setzt die Frage der Befristung eine umfassende Würdigung aller Einzelfallumstände voraus.
22
3. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung des § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Tz. 19 und vom 14. April 2010 - XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869 Tz. 48).
23
Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil allerdings im Ergebnis nicht.
24
a) Das Berufungsgericht hat zunächst das Einkommen des Klägers als Gesichtspunkt herangezogen, welches sich nach der Behauptung der Beklagten gegenüber dem früheren Einkommen deutlich erhöht haben soll. Das ist insoweit zutreffend, auch wenn der Unterhalt bereits im Vorprozess auf den angemessenen Bedarf herabgesetzt worden ist und damit der Höhe nach vom Einkommen des Klägers unabhängig ist. Denn von der Höhe des Einkommens hängt es ab, in welchem Ausmaß der Unterhaltspflichtige durch die fortwähren- de Unterhaltspflicht belastet wird, was als Billigkeitsaspekt im Rahmen von § 1578 b BGB zu berücksichtigen ist. Der Unterhaltspflichtige, der wie der Kläger eine unbillige Belastung durch den Unterhalt geltend macht, trägt, wenn sein Einkommen nicht bereits vorrangig bei der Bedarfsermittlung zu klären ist, für sein - unzureichendes - Einkommen die Darlegungs- und Beweislast.
25
b) Abgesehen von der aufgezeigten Beanstandung durfte das Berufungsgericht die Prüfung einer Befristung damit nicht abschließen. Seine weitere Begründung zeigt indessen, dass es die Tragweite der Befristung für den Krankheitsunterhalt offenbar verkannt hat.
26
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber sei nicht der Ansicht gewesen, dass im Falle des Bestehens einer Krankheit zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung die nacheheliche Solidarität, in der die Rechtfertigung für die Unterhaltstatbestände liege, - je nach Einzelfall - irgendwann nach der Ehe ende und dann die gesellschaftliche Solidarität einzutreten habe, trifft nicht zu. Die Revision macht mit Recht geltend, dass mit dieser Begründung die Befristung des Krankheitsunterhalts überhaupt ausgeschlossen wäre. Das widerspräche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Denn eine der wesentlichen Neuerungen des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 besteht gerade darin, dass die Befristungsmöglichkeit über den Unterhalt nach § 1573 BGB hinaus auch auf die weiteren Unterhaltsansprüche , insbesondere also auch auf den Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, ausgedehnt werden sollte. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt nichts Gegenteiliges. Art. 6 Abs. 1 GG schreibt insbesondere nicht vor, dass nach der Scheidung der Ehe eine lebenslange Unterhaltspflicht besteht, wie es hingegen aus der offensichtlich zu weit gefassten Begründung des Berufungsgerichts hervorgeht.
27
Vielmehr spielt es für die generelle Bewertung des Krankheitsunterhalts durchaus eine Rolle, dass die Krankheit regelmäßig schicksalsbedingt ist und nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe steht (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 37). Daraus darf aber nicht der umgekehrt fehlerhafte Schluss gezogen werden, dass der Krankheitsunterhalt stets zu befristen wäre.
28
Maßgeblich kommt es dann darauf an, welches Vertrauen der Unterhaltsbedürftige angesichts des Verlaufs der Ehe auf den Fortbestand des Unterhalts haben durfte. Wesentliche Aspekte sind die Ehedauer, die Rollenverteilung während der Ehe wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207). Bei der Beurteilung der Unbilligkeit der fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien sowie Umfang und Dauer der vom Unterhaltspflichtigen bis zur Scheidung erbrachten Trennungsunterhaltsleistungen von Bedeutung.
29
c) Das Berufungsgericht hat die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte nicht fehlerfrei gewürdigt. Das ergibt sich bereits aus dem von ihm gewählten unzutreffenden Ausgangspunkt, dass der Gesetzgeber nicht der Ansicht gewesen sei, dass die nacheheliche Solidarität irgendwann nach der Scheidung ende.
30
Bei der Ehedauer hat das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Rechtskraft der Ehescheidung abgestellt. Für die Ehedauer ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf die Zeit von der Eheschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrags abzustellen (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 34 m.w.N.).
31
Außerdem ist in die Würdigung des Berufungsgerichts nicht eingeflossen , dass der Kläger außer dem Trennungsunterhalt nach der Scheidung fünf Jahre vollen Unterhalt und - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - seit weiteren sechs Jahren immerhin monatlich über 800 € gezahlt hat.
32
d) Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten - durch Urteil - tituliert ist. Denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten oder durch Titulierung gesicherten Anspruch. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen von § 1578 b BGB nicht. Da die Beurteilung der Begrenzung und Befristung nach § 1578 b BGB vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten. Dass damit die Zumutbarkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO bereits in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des § 1578 b BGB aufgeht (vgl. auch Senatsurteil vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124 Tz. 55), ist unbedenklich, weil bei einem Zusammentreffen der Abänderung eines Alttitels mit der Befristung den gesetzlichen Wertungen des § 36 Nr. 1 EGZPO bereits im Rahmen der Befristung nach § 1578 b BGB in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist.
33
Auch in dieser Hinsicht ist allerdings das Berufungsurteil zu beanstanden. Denn es fehlt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon deswegen an der Zumutbarkeit einer Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels im Sinne von § 36 Nr. 1 EGZPO, weil die Ausgangsentscheidung eine Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. ausgesprochen hat. Dass die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, deswegen könne eine spätere Befristung nicht mehr stattfinden, entbehrt der Grundlage. Das ergibt sich schon daraus, dass bei Erlass des Ausgangsurteils eine Befristung des Krankheitsunterhalts gesetzlich noch nicht möglich war.
34
Der Gesetzgeber hat vielmehr die Geltung des neuen Unterhaltsrechts bewusst auch für sog. Altfälle geregelt, was sich ohnedies als gesetzliche Regel darstellt, weil die Gesetzesänderung erst ab ihrem Inkrafttreten Wirkung entfaltet. Wie aus der Regelung des § 36 Nr. 1 EGZPO zu erkennen ist, stellt die Unabänderbarkeit eines bestehenden Titels dagegen nicht den Regelfall, sondern die Ausnahme dar.

III.

35
Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden. Auch wenn die Befristung des Unterhalts im Sinne des amtsgerichtlichen Urteils als nicht fernliegend erscheint, ist dem Senat eine eigene Beurteilung wegen noch aufzuklärender Tatsachen verwehrt. Dazu gehören das Einkommen des Klägers, die - richtig bemessene - Ehedauer sowie Dauer und Umfang des vom Beklagten geleisteten Trennungsunterhalts, wozu es jeweils ergänzender Feststellungen des Berufungsgerichts bedarf.

IV.

36
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass auch bei einem Einkommen des Klägers in der von der Beklagten behaupteten Größenordnung von mindestens 4.000 € der Unterhalt zu befristen sein dürfte. Bei einer Dauer der Ehe von nicht mehr als elf Jahren und einem Alter der Beklagten von 35 Jahren bei Scheidung der kinderlosen Ehe entspricht eine unbefristete und somit lebenslange Unterhaltspflicht nicht mehr der Billigkeit. Dem steht auch nicht ohne weiteres entgegen, dass der Unterhaltsberechtigte durch den Wegfall des Unterhalts sozialleistungsbedürftig wird (Senatsurteil 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010,1057). Ob die vom Amtsgericht vorgenommene Befristung angemessen ist oder der Beklagten - nicht zuletzt auch wegen der erst seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich ermöglichten Befristung - ein längerer Unterhaltsanspruch zuzubilligen ist, bleibt der abschließenden Würdigung durch das Berufungsgericht vorbehalten. Hahne Weber-Monecke Vézina Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 25.06.2008 - 166 F 1060/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 27.11.2008 - 16 UF 131/08 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt

1.
der Scheidung,
2.
der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
3.
der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
4.
des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573
an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

(1) Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf.

(2) Zum Lebensbedarf gehören auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit sowie die Kosten einer Schul- oder Berufsausbildung, einer Fortbildung oder einer Umschulung nach den §§ 1574, 1575.

(3) Hat der geschiedene Ehegatte einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1573 oder § 1576, so gehören zum Lebensbedarf auch die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit.

Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von ihm vom Zeitpunkt

1.
der Scheidung,
2.
der Beendigung der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes,
3.
der Beendigung der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung oder
4.
des Wegfalls der Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach § 1573
an wegen Krankheit oder anderer Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 9/09 Verkündet am:
30. Juni 2010
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GG Art. 20 Abs. 3; BGB §§ 1572, 1578 b; EGZPO § 36 Nr. 1
a) § 1578 b BGB ist - auch - im Hinblick auf die Befristung des Krankheitsunterhalts
nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig.
b) Die Krankheit des unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt regelmäßig keinen
ehebedingten Nachteil dar. Das gilt auch dann, wenn eine psychische Erkrankung
durch die Ehekrise und Trennung ausgelöst worden ist.
c) Dass der Unterhalt nach der bis zum Dezember 2007 geltenden Rechtslage
tituliert ist, ist als ein den Vertrauensschutz des Unterhaltsberechtigten verstärkendes
Element bereits im Rahmen der Entscheidung über die Befristung
des Unterhalts zu berücksichtigen. Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung
ist auch die gesetzliche Bewertung zur Zumutbarkeit einer Abänderung
nach § 36 Nr. 1 EGZPO zu beachten.
BGH, Urteil vom 30. Juni 2010 - XII ZR 9/09 - KG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Juni 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterinnen
Weber-Monecke und Dr. Vézina sowie die Richter Dose und Dr. Klinkhammer

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Senats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 27. November 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Kammergericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten über die Befristung nachehelichen Krankheitsunterhalts.
2
Die Parteien heirateten 1986. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Die Scheidung ist rechtskräftig seit dem 14. November 1997. Der Unterhalt ist zuletzt festgelegt durch Urteil des Amtsgerichts, bestätigt durch das Urteil des Berufungsgerichts aus dem Jahr 2001. Danach wurde der Unterhalt fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung gemäß § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. herabgesetzt und beträgt seit dem 14. November 2002 1.300 DM Elementarunterhalt , 269 DM Krankenvorsorge- und 34 DM Pflegevorsorgeunterhalt (insgesamt umgerechnet ca. 820 €). Der Kläger zahlt wegen erhöhter Versicherungsbeiträge nunmehr monatlich insgesamt 899 €.
3
Der Kläger begehrt die Befristung des Unterhalts und beruft sich auf die seit 2008 geänderte Gesetzeslage sowie die Unbilligkeit einer weiteren Unterhaltspflicht.
4
Die 1962 geborene Beklagte absolvierte in der Ehe erfolglos mehrere Prüfungen zur Versicherungskauffrau und erwarb 1988 schließlich - gefördert durch das Arbeitsamt - einen Abschluss zur Stenokontoristin. 1988 übernahm sie die Pflege ihrer schwerbehinderten Großmutter. Erst 1990 fand die Beklagte eine Arbeitsstelle mit 20 Wochenstunden, verlor diese aber schon nach zwei Wochen. Seit 1993 besaß sie eine Gewerbeerlaubnis als Immobilienmaklerin.
5
Die Beklagte leidet an einer paranoiden Psychose. Nach dem im Vorprozess eingeholten psychiatrischen Gutachten hat die Krankheit ihre Wurzeln in der Kindheit (Verhältnis der Beklagten zu ihren Eltern), ist jedoch erst durch die Ehekrise und Trennung der Parteien im Jahr 1996 zu Tage getreten. Während im Vorprozess noch eine spätere Arbeitsfähigkeit der Beklagten für möglich gehalten wurde, steht nach einer weiteren erfolglosen mehrmonatigen Therapie fest, dass die Beklagte dauerhaft arbeitsunfähig ist.
6
Das Amtsgericht hat den Unterhalt bis einschließlich November 2008 befristet. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit welcher er die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8
Das Berufungsgericht hat in seinem in FamRZ 2009, 1153 veröffentlichten Urteil die Auffassung vertreten, eine Unbilligkeit liege erst vor, wenn die andauernden Unterhaltszahlungen den Kläger unter Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen und des ihm verbleibenden Einkommens besonders belasteten. Das könne schon nicht festgestellt werden, weil der Kläger - abgesehen von pauschal behaupteten 2.200€ - nicht einmal sein Einkommen ausreichend dargetan habe. Er habe keine neue Familie gegründet. In Anbetracht der geänderten Rangfolge könne die Unterhaltspflicht gegenüber der geschiedenen Ehefrau insoweit kein Billigkeitskriterium sein. Aus der gesamten Gesetzesbegründung des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber der Ansicht gewesen sei, dass im Falle des Bestehens einer Krankheit zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung die nacheheliche Solidarität, in der die Rechtfertigung für die Unterhaltstatbestände liege, - je nach Einzelfall - irgendwann nach der Ehe ende und dann die gesellschaftliche Solidarität einzutreten habe. Gegen diese Intention spreche bereits Art. 6 GG, in dessen Lichte § 1578 b BGB auszulegen sei. Verfassungsrechtlich sei es nicht haltbar, wenn ein Ehegatte, der krankheitsbedingt seit der Rechtskraft der Scheidung nicht in der Lage sei, der vom Gesetzgeber postulierten Eigenverantwortung nachzukommen , der nachehelichen Solidarität verlustig gehen solle.
9
Die Gesetzesbegründung trage dem Rechnung. Auf die von den Parteien im Sinne einer Vorwerfbarkeit aufgeworfenen Fragen, inwieweit die Art der Eheführung Ursache der Erkrankung der Beklagten oder ob die Beklagte bereits in der Ehe gegen den Willen des Klägers nicht erwerbstätig gewesen sei, komme es nicht an. Eine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens finde im Rahmen des § 1578 b BGB nicht statt.
10
Nicht zuletzt stehe die Übergangsregelung des § 36 Nr. 1 EGZPO der Abänderung entgegen, weil es in Anbetracht der bereits früher durchgeführten Unterhaltsherabsetzung zumindest an der Zumutbarkeit der Änderung für die Beklagte fehle.

II.

11
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den rechtlichen Rahmen der gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB in Bezug auf den Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zu treffenden Billigkeitsbetrachtung verkannt.
12
1. Auf die Befristung ist das seit dem 1. Januar 2008 geltende Unterhaltsrecht anzuwenden (Art. 4 Unterhaltsrechtsänderungsgesetz; vgl. auch § 36 Nr. 7 EGZPO und Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 27 f.). Seit dem 1. Januar 2008 ist gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB auch für den nachehelichen Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB eine Befristung zulässig.
13
a) Der Unterhalt ist vom Familiengericht zu befristen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 BGB).
14
b) Die Regelung in § 1578 b BGB ist entgegen der Auffassung der Revision nicht wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. Es entspricht der mit dem Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 verfolgten Absicht des Gesetzgebers, sich in weiten Teilen auf konkretisierungsbedürftige Grundaussagen und Generalklauseln zu beschränken und damit den Gerichten einen relativ breiten Spielraum zu geben, um dem konkreten Einzelfall nach Billigkeits - und Zumutbarkeitsgesichtspunkten gerecht zu werden (BT-Drucks. 16/1830 S. 13). Dadurch verstößt der Gesetzgeber nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Gebot der Normenklarheit.
15
Zwar wird eine Krankheit selten ehebedingt sein, sodass das nach der gesetzlichen Konzeption vorrangige Kriterium des Vorliegens ehebedingter Nachteile jedenfalls aufgrund der Krankheit regelmäßig nicht einschlägig ist. Die Befristung ist aber auch ohne ehebedingte Erkrankung nicht der gesetzliche Regelfall (vgl. Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 36 f.). Zudem stellt das Gesetz für die Beurteilung der Unbilligkeit einer weitergehenden Unterhaltspflicht in § 1578 b Abs. 1 BGB mit der Ehedauer und der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sowie der Kindererziehung Kriterien zur Verfügung, die auch für die generelle Bemessung der nachehelichen Solidarität heranzuziehen sind (vgl. BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Jedenfalls unter Berücksichtigung dieser näheren Vorgaben stand es dem Gesetzgeber nicht zuletzt wegen der Vielgestaltigkeit der Fallgruppen und mit Rücksicht auf den Umstand, dass es wegen der zuvor beim Krankheitsunterhalt fehlenden gesetz- lichen Befristungsmöglichkeit an rechtstatsächlichen Erfahrungen noch mangelte , frei, die Entscheidung über die Befristung der tatrichterlichen Beurteilung des Einzelfalls zu überlassen.
16
2. a) Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB - allein - auf der fortwirkenden nachehelichen Solidarität beruht (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 37) und eine Befristung des Unterhalts nicht damit begründet werden kann, dass ehebedingte Nachteile nicht vorliegen.
17
aa) Dass in der Erkrankung der Beklagten hier - ausnahmsweise - ein ehebedingter Nachteil liegen sollte, hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend verneint. Denn die Erkrankung der Beklagten steht nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 15 m.w.N.).
18
Dass eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - in der Ehekrise aufgetreten oder durch diese sogar ausgelöst worden ist, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB. Bereits aus der Formulierung des Gesetzes geht hervor, dass ehebedingte Nachteile durch die Ehe verursacht sein müssen und hierfür insbesondere die Pflege und Erziehung eines gemeinsamen Kindes sowie die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit bedeutsam sind (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB). Daraus wird deutlich, dass unter ehebedingten Nachteilen vornehmlich solche Einbußen zu verstehen sind, die sich aus der Rollenverteilung (vgl. § 1356 BGB) ergeben, nicht aber aus sonstigen persönlichen Umständen, die etwa mit dem Scheitern der Ehe zusammenhängen.
19
Unter welchen Umständen eine Krankheit im Einzelfall mittelbar oder unmittelbar auf der Ehe beruhen und sich als ehebedingter Nachteil darstellen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Bestimmung. Denn die Erkrankung der Beklagten war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits vor der Ehe angelegt. Auch wenn ihr Ausbruch schließlich durch die Ehekrise ausgelöst worden ist, liegt damit die Krankheitsursache nicht in der Ehe als solcher oder der mit ihr verbundenen Rollenverteilung, sondern in den persönlichen Umständen der Parteien und ihrer schicksalhaften Entwicklung.
20
bb) Dadurch ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall der Unterhaltspflichtige auch unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Solche Umstände hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall indessen nicht festgestellt und den Ausbruch der Krankheit im Zusammenhang mit der Ehekrise zutreffend als schicksalsbedingt bezeichnet. Dabei hat es auch ein etwaiges Trennungsverschulden des Klägers zu Recht für nicht erheblich gehalten.
21
b) Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet. Bei der hier anzustellenden Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind (Senatsurteil vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 17). Auch in solchen Fällen, in denen die fortwirkende eheliche Solidarität den wesentlichen Billigkeitsmaßstab bildet, fällt den in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB genannten Umständen besondere Bedeutung zu (BT-Drucks. 16/1830, S. 19). Auf deren Grundlage, insbesondere der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie der Dauer der Ehe ist auch der Umfang einer geschuldeten nachehelichen Solidarität zu bemessen (Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207 Tz. 39 und vom 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010, 1057 Tz. 17). Demnach setzt die Frage der Befristung eine umfassende Würdigung aller Einzelfallumstände voraus.
22
3. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung des § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob dieser die im Rahmen der Billigkeitsprüfung maßgebenden Rechtsbegriffe verkannt oder für die Einordnung unter diese Begriffe wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Senatsurteile vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08 - FamRZ 2009, 1990 Tz. 19 und vom 14. April 2010 - XII ZR 89/08 - FamRZ 2010, 869 Tz. 48).
23
Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil allerdings im Ergebnis nicht.
24
a) Das Berufungsgericht hat zunächst das Einkommen des Klägers als Gesichtspunkt herangezogen, welches sich nach der Behauptung der Beklagten gegenüber dem früheren Einkommen deutlich erhöht haben soll. Das ist insoweit zutreffend, auch wenn der Unterhalt bereits im Vorprozess auf den angemessenen Bedarf herabgesetzt worden ist und damit der Höhe nach vom Einkommen des Klägers unabhängig ist. Denn von der Höhe des Einkommens hängt es ab, in welchem Ausmaß der Unterhaltspflichtige durch die fortwähren- de Unterhaltspflicht belastet wird, was als Billigkeitsaspekt im Rahmen von § 1578 b BGB zu berücksichtigen ist. Der Unterhaltspflichtige, der wie der Kläger eine unbillige Belastung durch den Unterhalt geltend macht, trägt, wenn sein Einkommen nicht bereits vorrangig bei der Bedarfsermittlung zu klären ist, für sein - unzureichendes - Einkommen die Darlegungs- und Beweislast.
25
b) Abgesehen von der aufgezeigten Beanstandung durfte das Berufungsgericht die Prüfung einer Befristung damit nicht abschließen. Seine weitere Begründung zeigt indessen, dass es die Tragweite der Befristung für den Krankheitsunterhalt offenbar verkannt hat.
26
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber sei nicht der Ansicht gewesen, dass im Falle des Bestehens einer Krankheit zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehescheidung die nacheheliche Solidarität, in der die Rechtfertigung für die Unterhaltstatbestände liege, - je nach Einzelfall - irgendwann nach der Ehe ende und dann die gesellschaftliche Solidarität einzutreten habe, trifft nicht zu. Die Revision macht mit Recht geltend, dass mit dieser Begründung die Befristung des Krankheitsunterhalts überhaupt ausgeschlossen wäre. Das widerspräche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Denn eine der wesentlichen Neuerungen des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes vom 21. Dezember 2007 besteht gerade darin, dass die Befristungsmöglichkeit über den Unterhalt nach § 1573 BGB hinaus auch auf die weiteren Unterhaltsansprüche , insbesondere also auch auf den Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB, ausgedehnt werden sollte. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt nichts Gegenteiliges. Art. 6 Abs. 1 GG schreibt insbesondere nicht vor, dass nach der Scheidung der Ehe eine lebenslange Unterhaltspflicht besteht, wie es hingegen aus der offensichtlich zu weit gefassten Begründung des Berufungsgerichts hervorgeht.
27
Vielmehr spielt es für die generelle Bewertung des Krankheitsunterhalts durchaus eine Rolle, dass die Krankheit regelmäßig schicksalsbedingt ist und nur im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe steht (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 37). Daraus darf aber nicht der umgekehrt fehlerhafte Schluss gezogen werden, dass der Krankheitsunterhalt stets zu befristen wäre.
28
Maßgeblich kommt es dann darauf an, welches Vertrauen der Unterhaltsbedürftige angesichts des Verlaufs der Ehe auf den Fortbestand des Unterhalts haben durfte. Wesentliche Aspekte sind die Ehedauer, die Rollenverteilung während der Ehe wie auch die vom Unterhaltsberechtigten während der Ehe erbrachte Lebensleistung (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2009 - XII ZR 111/08 - FamRZ 2009, 1207). Bei der Beurteilung der Unbilligkeit der fortwährenden Unterhaltszahlung sind ferner die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien sowie Umfang und Dauer der vom Unterhaltspflichtigen bis zur Scheidung erbrachten Trennungsunterhaltsleistungen von Bedeutung.
29
c) Das Berufungsgericht hat die vorstehend aufgeführten Gesichtspunkte nicht fehlerfrei gewürdigt. Das ergibt sich bereits aus dem von ihm gewählten unzutreffenden Ausgangspunkt, dass der Gesetzgeber nicht der Ansicht gewesen sei, dass die nacheheliche Solidarität irgendwann nach der Scheidung ende.
30
Bei der Ehedauer hat das Berufungsgericht zu Unrecht auf die Rechtskraft der Ehescheidung abgestellt. Für die Ehedauer ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf die Zeit von der Eheschließung bis zur Zustellung des Scheidungsantrags abzustellen (Senatsurteil BGHZ 179, 43 = FamRZ 2009, 406 - Tz. 34 m.w.N.).
31
Außerdem ist in die Würdigung des Berufungsgerichts nicht eingeflossen , dass der Kläger außer dem Trennungsunterhalt nach der Scheidung fünf Jahre vollen Unterhalt und - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - seit weiteren sechs Jahren immerhin monatlich über 800 € gezahlt hat.
32
d) Bereits bei der Prüfung der Unbilligkeit nach § 1578 b BGB ist außerdem zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten - durch Urteil - tituliert ist. Denn einem titulierten oder durch Vereinbarung festgelegten Unterhalt kommt ein größerer Vertrauensschutz zu als einem nicht vertraglich festgelegten oder durch Titulierung gesicherten Anspruch. Wie das Gesetz in § 36 Nr. 1 EGZPO klarstellt, gilt dies bei Unterhaltstiteln oder -vereinbarungen nach der bis Dezember 2007 bestehenden Rechtslage in noch stärkerem Maße. Dass dieser Gesichtspunkt in § 36 Nr. 1 EGZPO gesondert geregelt ist, hindert seine Heranziehung im Rahmen von § 1578 b BGB nicht. Da die Beurteilung der Begrenzung und Befristung nach § 1578 b BGB vielmehr auf einer umfassenden Interessenabwägung beruhen muss, ist die Berücksichtigung der Titulierung im Rahmen des § 1578 b BGB sogar geboten. Dass damit die Zumutbarkeit nach § 36 Nr. 1 EGZPO bereits in dem insoweit umfassenderen Tatbestand des § 1578 b BGB aufgeht (vgl. auch Senatsurteil vom 6. Mai 2009 - XII ZR 114/08 - FamRZ 2009, 1124 Tz. 55), ist unbedenklich, weil bei einem Zusammentreffen der Abänderung eines Alttitels mit der Befristung den gesetzlichen Wertungen des § 36 Nr. 1 EGZPO bereits im Rahmen der Befristung nach § 1578 b BGB in vollem Umfang Rechnung zu tragen ist.
33
Auch in dieser Hinsicht ist allerdings das Berufungsurteil zu beanstanden. Denn es fehlt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon deswegen an der Zumutbarkeit einer Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels im Sinne von § 36 Nr. 1 EGZPO, weil die Ausgangsentscheidung eine Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. ausgesprochen hat. Dass die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, deswegen könne eine spätere Befristung nicht mehr stattfinden, entbehrt der Grundlage. Das ergibt sich schon daraus, dass bei Erlass des Ausgangsurteils eine Befristung des Krankheitsunterhalts gesetzlich noch nicht möglich war.
34
Der Gesetzgeber hat vielmehr die Geltung des neuen Unterhaltsrechts bewusst auch für sog. Altfälle geregelt, was sich ohnedies als gesetzliche Regel darstellt, weil die Gesetzesänderung erst ab ihrem Inkrafttreten Wirkung entfaltet. Wie aus der Regelung des § 36 Nr. 1 EGZPO zu erkennen ist, stellt die Unabänderbarkeit eines bestehenden Titels dagegen nicht den Regelfall, sondern die Ausnahme dar.

III.

35
Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache abschließend zu entscheiden. Auch wenn die Befristung des Unterhalts im Sinne des amtsgerichtlichen Urteils als nicht fernliegend erscheint, ist dem Senat eine eigene Beurteilung wegen noch aufzuklärender Tatsachen verwehrt. Dazu gehören das Einkommen des Klägers, die - richtig bemessene - Ehedauer sowie Dauer und Umfang des vom Beklagten geleisteten Trennungsunterhalts, wozu es jeweils ergänzender Feststellungen des Berufungsgerichts bedarf.

IV.

36
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass auch bei einem Einkommen des Klägers in der von der Beklagten behaupteten Größenordnung von mindestens 4.000 € der Unterhalt zu befristen sein dürfte. Bei einer Dauer der Ehe von nicht mehr als elf Jahren und einem Alter der Beklagten von 35 Jahren bei Scheidung der kinderlosen Ehe entspricht eine unbefristete und somit lebenslange Unterhaltspflicht nicht mehr der Billigkeit. Dem steht auch nicht ohne weiteres entgegen, dass der Unterhaltsberechtigte durch den Wegfall des Unterhalts sozialleistungsbedürftig wird (Senatsurteil 28. April 2010 - XII ZR 141/08 - FamRZ 2010,1057). Ob die vom Amtsgericht vorgenommene Befristung angemessen ist oder der Beklagten - nicht zuletzt auch wegen der erst seit dem 1. Januar 2008 gesetzlich ermöglichten Befristung - ein längerer Unterhaltsanspruch zuzubilligen ist, bleibt der abschließenden Würdigung durch das Berufungsgericht vorbehalten. Hahne Weber-Monecke Vézina Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 25.06.2008 - 166 F 1060/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 27.11.2008 - 16 UF 131/08 -

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.