Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Beschluss, 15. Nov. 2007 - 15 WF 304/07

ECLI:ECLI:DE:OLGSH:2007:1115.15WF304.07.0A
bei uns veröffentlicht am15.11.2007

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neumünster vom 05. September 2007 geändert.

Den Klägern wird auch für den Klagantrag gemäß dem Schriftsatz vom 14. Juni 2007, soweit dieser die Unterhaltsrückstände bis zur Rechtshängigkeit betrifft, ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt.

Gründe

1

Die Kläger beantragen Prozesskostenhilfe für rückständigen Unterhalt ab Januar 2006 und künftigen Unterhalt. Die Kläger haben Unterhaltsvorschussleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch II in Anspruch genommen, so dass die Unterhaltsansprüche insoweit auf das Land und auf das Dienstleistungszentrum Neumünster übergegangen sind. Die Sozialleistungsträger haben die Unterhaltsansprüche zum Zweck gerichtlicher Geltendmachung zurück übertragen.

2

Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe für den rückständigen Unterhalt u. a. mit der Begründung abgelehnt, die §§ 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II und 7 Abs. 4 Satz 3 UVG gewährten einen Prozesskostenvorschussanspruch, der einsetzbares Vermögen darstelle. Die Kläger seien - bezogen auf vergangene Unterhaltszeiträume - nicht im Sinne des Prozesskostenhilferechts bedürftig.

3

Die Kläger machen mit der Beschwerde u. a. geltend, der Beklagte hätte im Verfahren 41 F 356/05 Amtsgericht Neumünster darüber Auskunft geben müssen, dass er erhebliche Spesenzahlungen erhalte. Eine Nachberechnung seines Nettoeinkommens habe erst erfolgen können, nachdem gegen den Beklagten im Rahmen der Zwangsvollstreckung ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € festgesetzt worden sei. Erst danach hätten die Spesenabrechnungen vorgelegen. Durch die Ablehnung der Prozesskostenhilfe für die Unterhaltsrückstände würde der Kindesvater erneut „davonkommen“, weil die Kassen der anderen Behörden leer seien. Es müsse auch das Gebot der Prozessökonomie gelten. Es könne nicht sein, dass der laufende Unterhalt erst geltend gemacht werde und in einem zweiten Prozess durch das Dienstleistungszentrum oder die Unterhaltsvorschusskasse, dann wahrscheinlich in einem dritten Prozess, der rückständige Unterhalt geltend gemacht werden müsse.

4

Die Beschwerde der Kläger ist begründet.

5

Die rückständigen Unterhaltsansprüche sind entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht nur vom Land Schleswig-Holstein, das den Klägern Unterhaltsvorschuss gewährt hat, sondern auch vom Dienstleistungszentrum N., das den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gewährt hat, an die Kläger zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung zurück übertragen worden. In dem Rückübertragungs- und Abtretungsvertrag gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist die Mutter der Kläger, handelnd als gesetzliche Vertreterin der Kläger, aufgeführt. Nach § 1 überträgt das Dienstleistungszentrum die auf das Dienstleistungszentrum übergegangenen Unterhaltsansprüche den Unterhaltsberechtigten zurück. Die weitere Formulierung „sowie die auf das Dienstleistungszentrum übergegangenen Unterhaltsansprüche ihres(er) / seines(er) Kindes(er)“ bezieht sich auf den Fall der Prozessstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB, die im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. In diesem Sinne ist auch § 10 zu verstehen.

6

Ob für eine Unterhaltsklage Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann, soweit diese auf rückübertragenen Ansprüchen beruht, ist streitig.

7

Die §§ 7 Abs. 4 Satz 3 UVG und 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II bestimmen, dass Kosten, mit denen der Leistungsempfänger infolge der Rückübertragung und Abtretung des Unterhaltsanspruchs zur gerichtlichen Geltendmachung belastet wird, zu übernehmen sind. Hieraus wird von der einen Meinung gefolgert, dass dem Abtretungsempfänger ein Vorschussanspruch gegen den Sozialleistungsträger zustehe. Der Hilfeempfänger erhalte für zurück übertragene Ansprüche keine Prozesskostenhilfe, weil er insoweit Auslagenvorschuss vom Sozialleistungsträger als seinem Auftraggeber verlangen könne (so z. B. KG FamRZ 2003, 99; OLG Oldenburg FamRZ 2003, 1761; Zöller - Philippi, Kommentar zur ZPO, 26. Auflage, Rn. 10 zu § 114).

8

Dagegen wird ausgeführt, dass die Vorschriften ihrem Wortlaut nach lediglich bloße Kostenübernahme - und Freistellungsansprüche darstellten, die erst eingriffen, wenn zu Lasten des Hilfeempfängers am Ende des Prozesses eine Kostenbelastung verbleibe, was die Bedürftigkeit nicht ausschließe und daher für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe unschädlich sei (so z. B. OLG Köln FamRZ 2003, 100; OLG Hamm, Beschluss vom 11.07.2002 - 3 WF 192/02 - zitiert nach Juris; Kalthoener-Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, Rn. 38 und 471).

9

Der Senat folgt der letzteren Auffassung. Bei der Schaffung der Möglichkeit zur Rückübertragung der Ansprüche ist es Absicht des Gesetzgebers gewesen, eine einheitliche Prozessführung auch hinsichtlich solcher Unterhaltsansprüche zu ermöglichen, die bereits im Wege der Legalzession übergegangen sind. Das Gebot der Prozessökonomie erfordert, dass die gemeinsame Geltendmachung in einem Verfahren auch durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das gesamte Verfahren ermöglicht wird. Es wäre inkonsequent, auf der einen Seite die Rückabtretung der Ansprüche zuzulassen, auf der anderen Seite die für die Durchsetzung der Ansprüche vorgesehene staatliche Hilfe zu verweigern und eine Unterhaltsklage in zwei Verfahren aufzuspalten (Nickel, FamRB 2004, 12).

10

Der Senat ist somit der Auffassung, dass Prozesskostenhilfe auch für den rückständigen Unterhalt zu bewilligen ist.


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1629 Vertretung des Kindes


(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind alle

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(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. Satz 1 gilt auch, soweit Kinder unter Berücksichtigung von Kindergeld nach § 11 Absatz 1 Satz 4 keine Leistungen empfangen haben und bei rechtzeitiger Leistung des Anderen keine oder geringere Leistungen an die Mitglieder der Haushaltsgemeinschaft erbracht worden wären. Der Übergang wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gehen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über.

(2) Ein Unterhaltsanspruch nach bürgerlichem Recht geht nicht über, wenn die unterhaltsberechtigte Person

1.
mit der oder dem Verpflichteten in einer Bedarfsgemeinschaft lebt,
2.
mit der oder dem Verpflichteten verwandt ist und den Unterhaltsanspruch nicht geltend macht; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche
a)
minderjähriger Leistungsberechtigter,
b)
Leistungsberechtigter, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Erstausbildung noch nicht abgeschlossen haben,
gegen ihre Eltern,
3.
in einem Kindschaftsverhältnis zur oder zum Verpflichteten steht und
a)
schwanger ist oder
b)
ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut.
Der Übergang ist auch ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Anspruch geht nur über, soweit das Einkommen und Vermögen der unterhaltsverpflichteten Person das nach den §§ 11 bis 12 zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen übersteigt.

(3) Für die Vergangenheit können die Träger der Leistungen nach diesem Buch außer unter den Voraussetzungen des bürgerlichen Rechts nur von der Zeit an den Anspruch geltend machen, zu welcher sie der oder dem Verpflichteten die Erbringung der Leistung schriftlich mitgeteilt haben. Wenn die Leistung voraussichtlich auf längere Zeit erbracht werden muss, können die Träger der Leistungen nach diesem Buch bis zur Höhe der bisherigen monatlichen Aufwendungen auch auf künftige Leistungen klagen.

(4) Die Träger der Leistungen nach diesem Buch können den auf sie übergegangenen Anspruch im Einvernehmen mit der Empfängerin oder dem Empfänger der Leistungen auf diese oder diesen zur gerichtlichen Geltendmachung rückübertragen und sich den geltend gemachten Anspruch abtreten lassen. Kosten, mit denen die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger dadurch selbst belastet wird, sind zu übernehmen. Über die Ansprüche nach Absatz 1 Satz 4 ist im Zivilrechtsweg zu entscheiden.

(5) Die §§ 115 und 116 des Zehnten Buches gehen der Regelung des Absatzes 1 vor.

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 ein Betreuer von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1789 Absatz 2 Satz 3 und 4 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet oder besteht zwischen ihnen eine Lebenspartnerschaft, so kann ein Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen, solange

1.
die Eltern getrennt leben oder
2.
eine Ehesache oder eine Lebenspartnerschaftssache im Sinne von § 269 Absatz 1 Nummer 1 oder 2 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zwischen ihnen anhängig ist.
Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.