Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 10. März 2016 - 20 AR 8/16
Gericht
Tenor
Der Schöffe ist bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen.
Gründe
I.
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Die für Schöffenangelegenheiten zuständige Richterin des Amtsgerichts Rostock hat mit Verfügung vom 02.03.2016 beim Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock die Amtsenthebung des Jugendhauptschöffen M. D. beantragt, weil dieser sich ohne vorherige Entschuldigung nicht zur Sitzung des Amtsgerichts am 25.11.2015 im Jugendstrafverfahren gegen S. S. u.a. - 26 Ls 159/15 jug. - eingefunden habe und auch nachfolgend über längere Zeit für das Amtsgericht weder postalisch noch fernmündlich erreichbar gewesen sei. Auch Vorladungen zur Klärung der Angelegenheit am 15.02.2016 und - nach Terminsverlegung auf seinen eigenen Wunsch - am 02.03.2016 sei der Schöffe ohne vorherige Entschuldigung nicht nachgekommen. Die nächste planmäßige Sitzung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Rostock, zu der der Schöffe eingeteilt sei, stehe am 17.03.2016 an.
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Der Schöffe ist mit ihm am 25.01.2016 zugestellten Schreiben des Amtsgerichts Rostock - Abteilung für Schöffenangelegenheiten - vom 21.01.2016 über die Absicht, das Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einzuleiten, informiert worden. Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 04.03.2016 ist er ferner darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Senat den Erlass einer einstweilige Anordnung nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GVG erwägt. Der Schöffe hat sich dazu innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht geäußert.
II.
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1. Nach § 51 Abs. 3 Satz 1 GVG kann der zuständige Strafsenat des Oberlandesgerichts anordnen, dass der Schöffe bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen ist.
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Dabei haben die Gründe, die die für Schöffenangelegenheiten zuständige Richterin des Amtsgerichts Rostock für die von ihr beantragte Amtsenthebung des Schöffen anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, der Antrag erwiese sich von vornherein als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet.
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Bei offenem Ausgang des Amtsenthebungsverfahrens muss der Strafsenat lediglich die Folgen abwägen, die eintreten, wenn er keine einstweilige Anordnung erließe, der Antrag auf Amtsenthebung des Schöffen später aber Erfolg hätte, gegen die Nachteile, die entstünden, wenn der Schöffe aufgrund einstweiliger Anordnung bis zur endgültigen Entscheidung nicht mehr zu Sitzungen herangezogen werden darf, der Amtsenthebungsantrag später aber erfolglos bliebe. Dabei ist auch der verfassungsrechtliche Anspruch der Angeklagten in denjenigen Jugendstrafverfahren, die bis zur endgültigen Entscheidung über den Amtsenthebungsantrag vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Rostock anstehen, auf Mitwirkung des betroffenen Schöffen als dem gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) in den Blick zu nehmen und gegen die Folgen abzuwägen, die ihnen entstünden, wenn der Schöffe sich auch künftig als unzuverlässig erweisen sollte, indem er an den Sitzungstagen, für die er ausgelost worden ist, nicht erscheint.
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2. Der Antrag auf Amtsenthebung des Schöffen erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Über den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist deshalb nach Maßgabe der zuvor skizzierten Folgenabwägung zu entscheiden. Diese fällt zulasten des Schöffen aus.
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Erginge die einstweilige Anordnung nicht, ist nach dem bisherigen Verhalten des Schöffen zu besorgen, dass er am nächsten Sitzungstag des Jugendschöffengerichts Rostock, für den er ausgelost worden ist (17.03.2015), erneut nicht erscheint und sich dafür auch vorher nicht rechtzeitig und/oder nicht ausreichend entschuldigt. Das hätte zur Folge, dass die an diesem Tag anstehenden Verhandlungen, an denen er teilnehmen müsste, wegen Fehlens einer zur Urteilsfindung berufenen Person (§ 2 Abs. 2 JGG, § 226 Abs. 1 StPO, § 30 Abs. 1 GVG) nicht durchgeführt werden könnten, zumal auch Hilfsschöffen (§ 47 2. Alt., § 49 Abs. 1 GVG) bei ungeklärter Sachlage nicht gleich herangezogen werden dürfen und selbst wenn die Voraussetzungen dafür vorlägen meist nicht so kurzfristig zur Verfügung stehen. Damit würde es gerade in den wegen des Erziehungsgedankens (§ 2 Abs. 1 JGG) auf besondere Beschleunigung angelegten Jugendstrafverfahren (vgl. u.a. § 43 Abs. 1 JGG) zu nicht unerheblichen Verzögerungen kommen, die jedenfalls dann sogar unvertretbar sein könnten, wenn es sich zusätzlich um Haftsachen handelt. Das unentschuldigte, verspätete oder nur unzureichend entschuldigte Ausbleiben eines Jugendhauptschöffen würde damit nicht nur die Rechte der Angeklagten auf zügigen Fortgang des Verfahrens empfindlich tangieren, sondern auch die Durchsetzung des staatlichen Strafverfolgungsanspruchs nachteilig beeinträchtigen. Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, welchen negativen Eindruck es gerade bei jugendlichen und heranwachsenden Angeklagten hinterlässt, die sich wegen strafrechtlicher Verstöße vor Gericht verantworten müssen und auf die deswegen erzieherisch eingewirkt werden soll, wenn sich ausgerechnet Mitglieder des Gerichts ihrerseits als nicht gesetzes- und pflichtentreu erweisen.
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Ergeht die einstweilige Anordnung, wird der Amtsenthebungsantrag aber später zurückgewiesen, ist der Schöffe bis zur abschließenden Entscheidung nicht zu Sitzungen heranzuziehen; er gilt mit der Folge aus rechtlichen Gründen als vorübergehend verhindert (§ 47 GVG), so dass sogleich und noch rechtzeitig vor der nächsten Sitzung, zu der er ausgelost wurde, an seiner Stelle der zuständige Jugendhilfsschöffe herangezogen werden kann (§ 49 Abs. 1 JGG). Die Angeklagten in den bis dahin durchgeführten Verhandlungen wären damit zwar rückblickend einem von drei ihrer gesetzlichen Richter entzogen worden. Angesichts der ihnen gegen die abschließenden Entscheidungen des Jugendschöffengerichts zustehenden allgemeinen Rechtsmittel erscheint dieser Nachteil jedoch vergleichsweise gering und wiegt insgesamt weniger schwer als eine bei unentschuldigten Ausbleiben des Schöffen notwendige Aussetzung und Neuterminierung der Verhandlung, die für die Angeklagten auch mit weiteren Kosten verbunden sein kann. Auch geht der Senat derzeit davon aus, dass das Amtsenthebungsverfahren zügig zum Abschluss gebracht werden kann, so dass im Falle der Antragsablehnung nur eine geringe Anzahl an Angeklagten von der vorübergehenden Ausschließung des Schöffen betroffen wäre.
III.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 51 Abs. 3 Satz 2 GVG).
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(1) Ein Schöffe ist seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat.
(2) Die Entscheidung trifft ein Strafsenat des Oberlandesgerichts auf Antrag des Richters beim Amtsgericht durch Beschluss nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des beteiligten Schöffen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(3) Der nach Absatz 2 Satz 1 zuständige Senat kann anordnen, dass der Schöffe bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen ist. Die Anordnung ist nicht anfechtbar.
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Die Hauptverhandlung erfolgt in ununterbrochener Gegenwart der zur Urteilsfindung berufenen Personen sowie der Staatsanwaltschaft und eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle.
(2) Der Strafrichter kann in der Hauptverhandlung von der Hinzuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle absehen. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
(1) Insoweit das Gesetz nicht Ausnahmen bestimmt, üben die Schöffen während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang und mit gleichem Stimmrecht wie die Richter beim Amtsgericht aus und nehmen auch an den im Laufe einer Hauptverhandlung zu erlassenden Entscheidungen teil, die in keiner Beziehung zu der Urteilsfällung stehen und die auch ohne mündliche Verhandlung erlassen werden können.
(2) Die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen werden von dem Richter beim Amtsgericht erlassen.
(1) Wird die Heranziehung von Ersatzschöffen zu einzelnen Sitzungen erforderlich (§§ 47, 48 Abs. 1), so werden sie aus der Ersatzschöffenliste in deren Reihenfolge zugewiesen.
(2) Wird ein Hauptschöffe von der Schöffenliste gestrichen, so tritt der Ersatzschöffe, der nach der Reihenfolge der Ersatzschöffenliste an nächster Stelle steht, unter seiner Streichung in der Ersatzschöffenliste an die Stelle des gestrichenen Hauptschöffen. Die Schöffengeschäftsstelle benachrichtigt den neuen Hauptschöffen gemäß § 45 Abs. 4 Satz 3, 4.
(3) Maßgebend für die Reihenfolge ist der Eingang der Anordnung oder Feststellung, aus der sich die Notwendigkeit der Heranziehung ergibt, bei der Schöffengeschäftsstelle. Die Schöffengeschäftsstelle vermerkt Datum und Uhrzeit des Eingangs auf der Anordnung oder Feststellung. In der Reihenfolge des Eingangs weist sie die Ersatzschöffen nach Absatz 1 den verschiedenen Sitzungen zu oder überträgt sie nach Absatz 2 in die Hauptschöffenliste. Gehen mehrere Anordnungen oder Feststellungen gleichzeitig ein, so sind zunächst Übertragungen aus der Ersatzschöffenliste in die Hauptschöffenliste nach Absatz 2 in der alphabetischen Reihenfolge der Familiennamen der von der Schöffenliste gestrichenen Hauptschöffen vorzunehmen; im übrigen ist die alphabetische Reihenfolge der Familiennamen der an erster Stelle Angeklagten maßgebend.
(4) Ist ein Ersatzschöffe einem Sitzungstag zugewiesen, so ist er erst wieder heranzuziehen, nachdem alle anderen Ersatzschöffen ebenfalls zugewiesen oder von der Dienstleistung entbunden oder nicht erreichbar (§ 54) gewesen sind. Dies gilt auch, wenn er selbst nach seiner Zuweisung von der Dienstleistung entbunden worden oder nicht erreichbar gewesen ist.
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte. § 38 Absatz 6 und § 70 Absatz 2 sind zu beachten.
(2) Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des Beschuldigten, namentlich zur Feststellung seines Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren wesentlicher Eigenschaften, herbeizuführen. Nach Möglichkeit soll ein zur Untersuchung von Jugendlichen befähigter Sachverständiger mit der Durchführung der Anordnung beauftragt werden.
Wenn die Geschäfte die Anberaumung außerordentlicher Sitzungen erforderlich machen oder wenn zu einzelnen Sitzungen die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Schöffen oder Ergänzungsschöffen erforderlich wird, so werden Schöffen aus der Ersatzschöffenliste herangezogen.
(weggefallen)
(1) Ein Schöffe ist seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat.
(2) Die Entscheidung trifft ein Strafsenat des Oberlandesgerichts auf Antrag des Richters beim Amtsgericht durch Beschluss nach Anhörung der Staatsanwaltschaft und des beteiligten Schöffen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
(3) Der nach Absatz 2 Satz 1 zuständige Senat kann anordnen, dass der Schöffe bis zur Entscheidung über die Amtsenthebung nicht zu Sitzungen heranzuziehen ist. Die Anordnung ist nicht anfechtbar.