Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 24. März 2010 - 2 Ws (Reh) 24/10, 2 Ws Reh 24/10
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Halle vom 09. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; notwendige Auslagen des Betroffenen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Das Kreisgericht Dessau verurteilte den damals jugendlichen Betroffenen am 29. November 1979 wegen Beeinträchtigung gesellschaftlicher Tätigkeit und Beleidigung, Vergehen gemäß §§ 214 Abs. 2 und 3, 137, 139 Abs. 3 StGB/DDR, zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die der Betroffene auch vollständig verbüßte. Am 11. September 2009 ging beim Landgericht Halle der Antrag des Betroffenen ein, ihn wegen dieser Entscheidung zu rehabilitieren. Die Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts wies den Antrag in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft durch Beschluss vom 09. Dezember 2009 zurück, weil die Voraussetzungen einer strafrechtlichen Rehabilitierung nicht vorlägen. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Verurteilung mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sei, insbesondere der politischen Verfolgung gedient habe oder die Rechtsfolge in einem groben Missverhältnis zur zu Grunde liegenden Tat stehe. Aus dem Urteil des Kreisgerichts Dessau ergäbe sich, dass der Betroffene gemeinsam mit weiteren Tätern dem Zeugen Sch. aus persönlicher Verärgerung aufgelauert, ihn sodann als „rote Sau“ und „rotes Schwein“ beschimpft und darüber hinaus bedroht habe. Eine solche Tat sei auch nach heutigen Maßstäben strafbar. Die Missachtung elementarster Verfahrensgarantien oder das Vorliegen von Willkür, welche auf sachfremde Motive der Strafverfolgung schließen ließen, seien nicht zu erkennen. Das Kreisgericht habe mit der angeordneten Rechtsfolge auch nicht den Rahmen überschritten, in dem eine Bestrafung noch als gerecht und billig angesehen werden könne. Die politischen Ausführungen im Urteil hätten sich nicht messbar strafschärfend ausgewirkt.
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Gegen diese, ihm am 11. Dezember 2009 zugestellte Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner am 11. Januar 2010 eingegangenen Beschwerde. Die Verurteilung sei rechtsstaatswidrig gewesen und habe mit all den sich daraus ergebenden Folgen seiner politischen Verfolgung gedient. Er sei als Jugendlicher in der Untersuchungshaft und im Strafvollzug mit erwachsenen Schwerverbrechern zusammen gelegt worden und habe später im Beruf keine Chance mehr erhalten. Am Schluss der Verhandlung vor dem Kreisgericht seien nur noch die Eltern, zwei Kollektivvertreter und eine auswärtige FDJ-Gruppe anwesend gewesen. Alle anderen Zuschauer seien mit Geldstrafen und Verhaftung ausgeschlossen worden. An zwei Tagen und auch während der Nacht sei er verhört und dabei schikaniert, entwürdigend behandelt, belogen und bedroht worden. In den Vernehmungen und später während der Haft sei es immer nur um den politischen Hintergrund gegangen. Der Prozess gegen ihn habe der Abschreckung gedient. Der Geschädigte habe das Ganze relativiert, sei aber, wie der Betroffene auch, nicht gehört worden. Seine Berufsausbildung habe er nicht beenden können und er habe schwerste körperliche Arbeit verrichten müssen, deren Folgen er jetzt gesundheitlich spüre, sodass er auf Sozialhilfe angewiesen sei. Sogar während des Wehrdienstes sei er Schikanen und Repressalien ausgesetzt gewesen. Aufgrund der spezifischen politischen Verhältnisse im Jahre 1979 in der DDR und dieser Umstände - von den Ermittlungen bis hin zu den weiteren Folgen - habe die Verurteilung der politischen Verfolgung und Disziplinierung gedient.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
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Die nach §§ 13 Abs. 1, 15 StrRehaG und §§ 311, 306 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde des Betroffenen ist unbegründet. Die Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Halle hat die Rehabilitierung des Betroffenen wegen des Urteils des Kreisgerichts Dessau vom 29. November 1979 zu Recht abgelehnt. Die Entscheidung des Kreisgerichts ist nicht mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar. Sie diente insbesondere nicht der politischen Verfolgung des Betroffenen und die mit ihr verhängte Freiheitsstrafe von sieben Monaten stand in keinem groben Missverhältnis zu der zugrunde liegenden Tat (§ 1 Abs. 1 StrRehaG).
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Die strafrechtliche Rehabilitierung ist auf die Korrektur und Wiedergutmachung judikativen Unrechts auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gerichtet. Für derartiges Unrecht in Form der politischen Verfolgung stehen mitunter bereits die zur Anwendung gebrachten Vorschriften. Sie ergeben sich aus dem Katalog der Buchstaben a) bis i) des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG. Hierzu zählen die der Verurteilung des Betroffenen zu Grunde liegenden Strafrechtsnormen der §§ 214 Abs. 2, Abs. 3; 137, 139 Abs. 2 StGB/DDR nicht. Auch darüber hinaus lässt sich nicht feststellen, dass das Urteil des Kreisgerichtes der politischen Verfolgung des Betroffenen diente. Weder der Entscheidung vom 29. November 1979 selbst noch dem Ermittlungsvorgang oder der Darstellung des Betroffenen im Rehabilitierungsverfahren lassen sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es darum ging, einen politisch Andersdenkenden mundtot oder unschädlich zu machen. Gegen den Betroffenen wurde nicht wegen seiner bis dahin unauffälligen politischen Einstellung ermittelt, sondern weil er einer Straftat verdächtigt war. Diese Tat bzw. der Anlass der freiheitsentziehenden Entscheidung ist der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Rehabilitierungswürdigkeit (BVerfG, Urteil vom 07. Dezember 1999, 2 BvR 1533/94 – zitiert in juris Rn. 113; Beschluss vom 13. Mai 2009, 1 BvR 718/08 – zitiert in juris Rn. 21).
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Die am 09. September 1979 vom Betroffenen und seinen Mittätern gegen den Zeugen Sch. anlässlich des Bauernmarktes in M. gerichteten Handlungen, die vom Betroffenen nicht in Frage gestellt werden, sind auch in einem Rechtsstaat mit Strafe bedroht und zu verfolgen. Das Beschimpfen des Geschädigten als „Sau“ und „Schwein“ war eine Beleidigung, deren Ahndung nicht deshalb zur politischen Verfolgung wurde oder unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten anders zu beurteilen ist, weil sie mit dem Attribut „rot“ verbunden war. Die gleichzeitige Ankündigung von Tätlichkeiten, verbunden mit dem Hinweis auf den Friedhof, der für den Geschädigten der richtige Platz sei, kommt einer Bedrohung gleich. Nach dem Strafgesetzbuch der DDR waren neben § 137 StGB/DDR auch die §§ 139 Abs. 3 und 214 Abs. 2 StGB/DDR verwirklicht, weil der Betroffene und die anderen Beteiligten aus Ärger über das Auftreten und Einschreiten des Geschädigten, der für die Durchführung des Bauernmarktes verantwortlich war, handelten. Gerade durch § 214 Abs. 2 StGB/DDR wurde das Eintreten für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, ohne dass eine konkrete staatliche oder gesellschaftliche Tätigkeit ausgeübt wurde, geschützt. Das ist in einem Rechtsstaat nicht anders (vgl. §§ 123 ff. StGB). Der Betroffene hatte auch nach den Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung nicht das Recht, sich an dem Zeugen Sch. für dessen bei der Organisation des Bauernmarktes getroffene Anordnungen in der vom Kreisgericht festgestellten Form verbal zu rächen oder dem Zeugen „eins auszuwischen“. Die vom Landgericht erwähnten politischen Ausführungen vermag der Senat dem Urteil des Kreisgerichts nicht zu entnehmen.
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Dass ein solches Verhalten eine besondere Missbilligung erfährt, die in der zweifelsohne empfindlichen Strafe zum Ausdruck kam, ist im Rahmen der strafrechtlichen Rehabilitierung hinzunehmen. Ein grobes Missverhältnis zu der zugrunde liegenden Tat folgt daraus nicht. Das Vorgehen des Betroffenen gegen couragiert eintretende Bürger, die sich im Interesse des Allgemeinwohls engagierten, wäre auch nach heutigen Maßstäben strafschärfend zu berücksichtigen. Dass man die Tat möglicherweise auch anders hätte ahnden oder gar von der Strafverfolgung hätte absehen können, unterliegt nicht der Nachprüfung durch die Rehabilitierungsgerichte, solange die Beurteilung des Strafgerichts der DDR sich nicht derart von den gängigen Strafzumessungsregeln und der damaligen Zumessungspraxis entfernt, dass auf sachfremde Erwägungen geschlossen werden muss.
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Eine sonstige Unvereinbarkeit der Verurteilung mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung hat das Landgericht zutreffend verneint. Wurde der Betroffene wegen einer auch in einem Rechtsstaat strafbaren Tat mit einer nicht unverhältnismäßigen Freiheitsstrafe bestraft, sind dem entgegen stehende wesentliche Grundsätze einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung in der Regel nicht auszumachen.
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Soweit der Betroffene Übergriffe der Strafverfolgungs- und -vollzugsbehörden sowie nachteilige Auswirkungen der Verurteilung auf seinen Lebensweg schildert, kommt es hierauf nicht an. Gegenstand der Rehabilitierung ist die strafrechtliche Entscheidung des Kreisgerichts Dessau. Sie müsste auf den vom Betroffenen dargestellten Umständen beruhen. Gerade hieran fehlt es. Die verbotenen Vernehmungsmethoden führen in einem Rechtsstaat zum Verwertungsverbot (vgl. § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO). Hier ist nicht ersichtlich, dass die Vernehmungsprotokolle des Betroffenen über Vorhalte hinaus vor dem Kreisgericht verlesen worden wären. Vielmehr hat sich der von einem Rechtsanwalt verteidigte Betroffene im Wesentlichen geständig eingelassen. Zeugen wurden vernommen, alle Angeklagten, der Kollektivvertreter des Betroffenen sowie seine Eltern und die Jugendhilfe kamen zu Wort. Soweit der Betroffene darlegt, die Öffentlichkeit sei am zweiten Verhandlungstag nicht gewährleistet gewesen, so waren zumindest die entscheidenden Personen, wie Eltern, Kollektivvertreter, Verteidiger und eine FDJ-Gruppe anwesend, was einen rechtsstaatswidrigen Geheimprozess ausschloss. Das Kreisgericht hat seine Feststellungen aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft, was rechtsstaatlichem Standard entspricht. Das Urteil beruht insoweit auf einer im Wesentlichen ordnungsgemäßen Tatsachengrundlage und der Betroffene zieht auch überhaupt nicht in Zweifel, die Tat, wie sie der Verurteilung zugrunde liegt, begangen zu haben.
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Wenn der Betroffene vor und nach der Verurteilung möglicherweise politisch motivierten Übergriffen der Behörden, vor allem im Strafvollzug, ausgesetzt war, so ist dies keine im Urteil des Kreisgericht angelegte, auf politische Verfolgung ausgerichtete Konsequenz, sondern eine Reaktion außerhalb der Gerichte stehender Personen auf die Tat, das Strafverfahren und die Verurteilung, an die die strafrechtliche Rehabilitierung nicht anknüpft. Gleiches gilt für spätere berufliche und persönliche Nachteile, weil auch diese im Rechtsstaat eintreten können. Im Falle des Betroffenen mögen diese Nachteile staatlich beeinflusst worden sein. Eine im Urteil des Kreisgerichts angeordnete Rechtsfolge stellen sie dennoch nicht dar.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14 Abs. 1 StrRehaG. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen des Betroffenen ergibt sich aus §§ 14 Abs. 4 StrRehaG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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Abschließend weist der Senat darauf hin, dass diese Entscheidung unanfechtbar ist.
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Annotations
(1) Gegen den Beschluss kann innerhalb eines Monats nach seiner Zustellung Beschwerde eingelegt werden.
(2) Der Beschluss unterliegt nicht der Beschwerde, soweit
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einem Rehabilitierungsantrag stattgegeben worden ist und kein Verfahrensbeteiligter dem Antrag widersprochen hat, - 2.
das Gericht einstimmig und auf Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, - a)
entschieden hat, dass die Rechtsfolgen der angegriffenen Entscheidung nicht in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen, oder - b)
einen Antrag nach § 1 Abs. 6 als unzulässig verworfen hat.
(3) Über die Beschwerde entscheidet das Bezirksgericht oder das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat, in Berlin das Kammergericht. Das Beschwerdegericht entscheidet durch besondere Beschwerdesenate für Rehabilitierungssachen. § 9 gilt entsprechend.
(4) Will der Beschwerdesenat bei der Entscheidung einer Rechtsfrage von einer Entscheidung eines anderen Bezirksgerichts oder eines Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofes abweichen, hat er die Sache dem Bundesgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 121 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorzulegen.
(1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Woche einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 35) der Entscheidung.
(3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Es hilft jedoch der Beschwerde ab, wenn es zum Nachteil des Beschwerdeführers Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen dieser noch nicht gehört worden ist, und es auf Grund des nachträglichen Vorbringens die Beschwerde für begründet erachtet.
(1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt.
(2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen.
(3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Richters im Vorverfahren und des beauftragten oder ersuchten Richters.
(1) Die strafrechtliche Entscheidung eines staatlichen deutschen Gerichts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 2. Oktober 1990 ist auf Antrag für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben (Rehabilitierung), soweit sie mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar ist, insbesondere weil
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die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat; dies gilt in der Regel für Verurteilungen nach folgenden Vorschriften: - a)
Landesverräterische Nachrichtenübermittlung (§ 99 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33); - b)
Staatsfeindlicher Menschenhandel (§ 105 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33); - c)
Staatsfeindliche Hetze (§ 106 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Abs. 2 und 3 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33); - d)
Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (§ 219 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33); - e)
Ungesetzlicher Grenzübertritt (§ 213 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 Nr. 3 bis 6, oder Abs. 4 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33); - f)
Boykotthetze gemäß Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949 (GBl. I Nr. 1 S. 5); - g)
Wehrdienstentziehung und Wehrdienstverweigerung (§ 256 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder § 43 des Gesetzes über den Wehrdienst in der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 12 S. 221); - h)
nach Vorschriften, die den unter den Buchstaben a bis g genannten Vorschriften inhaltlich entsprechen, sowie - i)
Hochverrat, Spionage, Anwerbenlassen zum Zwecke der Spionage, Landesverräterische Agententätigkeit, Staatsverbrechen, die gegen einen verbündeten Staat gerichtet sind, Unterlassung der Anzeige einer dieser Straftaten, Geheimnisverrat (§§ 96, 97, 98, 100, 108, 225 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit diesen Vorschriften, §§ 245 oder 246 des Strafgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Januar 1968 in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 1988, GBl. 1989 I Nr. 3 S. 33) oder nach inhaltlich entsprechenden Vorschriften, wenn die Tat für die Bundesrepublik Deutschland, einen mit ihr verbündeten Staat oder für eine Organisation begangen worden sein soll, die den Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung verpflichtet ist, oder
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die angeordneten Rechtsfolgen in grobem Missverhältnis zu der zu Grunde liegenden Tat stehen.
(2) Mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind die Entscheidungen des Landgerichts Chemnitz, Außenstelle Waldheim, aus dem Jahr 1950 ("Waldheimer Prozesse").
(3) Ist eine Entscheidung auf die Verletzung mehrerer Strafvorschriften gestützt und liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 nur hinsichtlich eines Teiles der Strafvorschriften vor, kann die Entscheidung insgesamt aufgehoben werden, wenn die übrigen Gesetzesverletzungen für die Anordnung der Rechtsfolgen von untergeordneter Bedeutung gewesen sind.
(4) Kommt eine vollständige Aufhebung der Entscheidung nicht in Betracht, hebt das Gericht den Teil der Entscheidung auf, für den die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.
(5) Für strafrechtliche Maßnahmen, die keine gerichtlichen Entscheidungen sind, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend.
(6) Ein Antrag nach Absatz 1 ist unzulässig, soweit nach dem 2. Oktober 1990 über einen auf denselben Sachverhalt gestützten zulässigen Antrag auf Rehabilitierung oder Kassation rechtskräftig entschieden worden ist. Dies gilt nicht, soweit dargelegt wird, dass der frühere Antrag nach den Vorschriften dieses Gesetzes Erfolg gehabt hätte.
(1) Ist in den Fällen des § 138 die Tat nicht versucht worden, so kann von Strafe abgesehen werden.
(2) Ein Geistlicher ist nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden ist.
(3) Wer eine Anzeige unterläßt, die er gegen einen Angehörigen erstatten müßte, ist straffrei, wenn er sich ernsthaft bemüht hat, ihn von der Tat abzuhalten oder den Erfolg abzuwenden, es sei denn, daß es sich um
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einen Mord oder Totschlag (§§ 211 oder 212), - 2.
einen Völkermord in den Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder ein Kriegsverbrechen in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Völkerstrafgesetzbuches oder - 3.
einen erpresserischen Menschenraub (§ 239a Abs. 1), eine Geiselnahme (§ 239b Abs. 1) oder einen Angriff auf den Luft- und Seeverkehr (§ 316c Abs. 1) durch eine terroristische Vereinigung (§ 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1)
(4) Straffrei ist, wer die Ausführung oder den Erfolg der Tat anders als durch Anzeige abwendet. Unterbleibt die Ausführung oder der Erfolg der Tat ohne Zutun des zur Anzeige Verpflichteten, so genügt zu seiner Straflosigkeit sein ernsthaftes Bemühen, den Erfolg abzuwenden.
(1) Die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Mißhandlung, durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose. Zwang darf nur angewandt werden, soweit das Strafverfahrensrecht dies zuläßt. Die Drohung mit einer nach seinen Vorschriften unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils sind verboten.
(2) Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten beeinträchtigen, sind nicht gestattet.
(3) Das Verbot der Absätze 1 und 2 gilt ohne Rücksicht auf die Einwilligung des Beschuldigten. Aussagen, die unter Verletzung dieses Verbots zustande gekommen sind, dürfen auch dann nicht verwertet werden, wenn der Beschuldigte der Verwertung zustimmt.
(1) Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben.
(2) Wird dem Antrag ganz oder teilweise stattgegeben, fallen die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Staatskasse zur Last. Im Übrigen kann das Gericht die notwendigen Auslagen des Antragstellers ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn es unbillig wäre, den Antragsteller damit zu belasten.
(3) Die Entscheidung nach Absatz 2 Satz 2 ist unanfechtbar.
(4) Für die notwendigen Auslagen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren gilt § 473 Abs. 1 bis 4 der Strafprozessordnung entsprechend.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
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auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.