Oberlandesgericht München Beschluss, 19. Juni 2017 - 21 W 314/17

bei uns veröffentlicht am19.06.2017
vorgehend
Landgericht München I, 5 O 14505/16, 07.12.2016

Gericht

Oberlandesgericht München

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 07.12.2016, Az. 5 O 14505/16, in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.

2. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Streitwertbeschluss des Landgerichts München I vom 07.12.2016, Az. 5 O 14505/16 dahingehend abgeändert, dass der Streitwert des Verfahrens auf 119.000 € festgesetzt.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.700 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin beteiligte sich im April 2016 an einer national bekannt gemachten öffentlichen Ausschreibung der Antragsgegnerin im Unterschwellenbereich über die Ausführung von Demontagearbeiten (Rohrleitung/Maschinentechnik). Das Angebot der Antragstellerin lag mit mehr als 2 Mio € weit über den Angeboten der beiden Konkurrenten, die die ausgeschriebenen Leistungen für 107.833,63 € bzw. 267.930,29 € angeboten haben. Die Antragstellerin rügte in der Folgezeit wiederholt, dass es sich bei den günstigeren Angeboten um Unterkostenangebote handele, die zwingend auszuschließen seien. Auf Antrag der Antragstellerin erließ das Landgericht ohne mündliche Verhandlung am 26.08.2016 eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin vorläufig untersagt wurde, den ausgeschriebenen Auftrag zu vergeben. Die Antragsgegnerin legte hiergegen Widerspruch ein. Beide Parteien haben den Rechtsstreit unter Verwahrung gegen die Kosten übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Antragsgegnerin am 20.09.2016 die Aufhebung des Vergabeverfahrens beschlossen hat.

Mit Beschluss vom 07.12.2016 hat das Landgericht der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 15.223,67 € festgesetzt (B. 55/58 d.A.). Gegen Ziffer. 1 des Beschlusses (Kostenentscheidung) hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 28.12.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29.12.2016 gegen die Streitwertfestsetzung, die ihrer Auffassung nach zu niedrig ist. Das Landgericht hat beiden Beschwerden mit Beschluss vom 13.02.2017 nicht abgeholfen (Bl. 71/73 d.A.) und die Akten dem Senat vorgelegt. Eine vom Senat angeregte einvernehmliche Einigung über die Kostenverteilung konnte nicht erzielt werden. Ergänzend wird auf die Beschlüsse des Landgerichts und die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

II.

1. Die gemäß §§ 91 a, 561 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist teilweise begründet. Gemäß § 91 a ZPO sind die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Nach übereinstimmender Erledigungserklärung der Parteien ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, § 91 a ZPO. Es ist eine summarische Prüfung der Erfolgsausichten der Klage (bzw. des Antrags) durchzuführen. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im materiellen Recht sind nicht zu klären (Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., Rn. 46 a, Rn. 48). Wer die Erledigung herbeigeführt hat, ist für sich genommen kein relevanter Aspekt für die Verteilung der Kosten.

Vorliegend war der Ausgang des Verfahrens zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses offen, weswegen die Kosten gegeneinander aufzuheben sind.

a) In der Rechtsprechung ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass ein nicht zum Zuge kommender Bieter auch im Unterschwellenbereich mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung Primärrechtsschutz in Anspruch nehmen und dadurch seine Chance auf eine Zuschlagserteilung wahren kann (vgl. Scharen, Rechtsschutz bei Vergaben unterhalb der Schwellenwerte, VergabeR 2011, S. 653 ff; Dicks, Nochmals: Primärrechtsschutz bei Aufträgen unterhalb der Schwellenwerte, VergabeR 2012, S. 531 ff; OLG Düsseldorf vom 13.01.2010, Az. 27 U 1/09; OLG Schleswig vom 08.01.2013, Az. 1 W 51/12, OLG Saarbrücken vom 13.06.2012, Az. 1 U 357/11 und vom 16.12.2015, Az. 1 U 87/15; OLG Dresden vom 13.08.2013, Az. 16 W 439/13; OLG Frankfurt vom 21.04.2017, Az. 11 U 10/17). Einige Oberlandesgerichte haben dabei auf die drohende Abwendung von Willkürentscheidungen, grober Fehler oder Mißbrauchskonstellationen abgestellt (so das OLG Brandenburg vom 02.10.2008, Az. 12 U 91/08 und vom 13.09.2011, Az. 6 W 73/11; ebenso das OLG Hamm vom 12.02.2008, Az. 4 U 190/07), während andere Senate es für ausreichend erachten, dass der Antragsteller die Verletzung bieterschützender Vorschriften sowie eine dadurch drohende Beeinträchtigung seiner Rechte glaubhaft macht (OLG Düsseldorf a.a.O., tendenziell auch OLG Frankfurt a.a.O.).

b) Folgt man der letztgenannten Ansicht, so ist - soweit ersichtlich - noch keine Entscheidung dazu ergangen, ob ein Bieter auch dann - gestützt auf den Vorwurf eines drohenden Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) - einstweiligen Rechtsschutz erwirken kann, wenn er von vorneherein keine Chance hat, dass das von ihm abgegebene Angebot den Zuschlag erhält, etwa weil es - wofür vorliegend vieles spricht - unangemessen hoch ist. Zwar kann im Oberschwellenbereich auch ein zwingend auszuschließender Bieter im Nachprüfungsverfahren erfolgreich sein, etwa weil gar kein wertbares Angebot vorliegt oder das Verfahren so fehlerbehaftet ist, dass es wiederholt werden muss (sog. Fälle der „zweiten Chance“). Ob dies auch uneingeschränkt auf den Unterschwellenbereich übertragbar ist, bei dem der öffentliche Auftraggeber freier in seiner Entscheidung ist, ob er nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens nochmals eine nationale Ausschreibung vornimmt, an der sich der Bieter erneut beteiligen kann, ist eine nicht geklärte, durchaus schwierige Rechtsfrage.

Der Senat kann sich vor diesem Hintergrund weder dem Standpunkt des Landgerichts (und der Antragsgegnerin) anschließen, wonach die Antragstellerin deshalb die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, weil sie nach Aktenlage ein unangemessen hohes Angebot abgegeben hat, das ohnehin keine Chance auf einen Zuschlag hatte, noch dem Standpunkt der Antragstellerin folgen, sie habe ihr Ziel im Ergebnis erreicht, nämlich dass ihre Konkurrenten keinen Zuschlag erhalten und die Ausschreibung aufgehoben wird. Der Senat hält vielmehr eine Kostenaufhebung für sachgerecht, da der Ausgang des Verfahrens zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses offen war und eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO nicht die Aufgabe hat, schwierige, ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden.

2. Die gemäß §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 S. 2 GKG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist begründet.

Der Streitwert beim einstweiligen Verfügungsverfahren im Unterschwellenbereich wird in entsprechender Anwendung des § 50 Abs. 2 GKG festgesetzt (vgl. OLG Stuttgart vom 09.08.2010, Az. 2 W 37/10 = VergabeR 2011, 236; Schlewig-Holsteinisches OLG vom 08.01.2013, Az. 1 W 51/12; OLG Dresden vom 13.08.2013, 1 W 439/13). Berechnungsgrundlage ist grundsätzlich, wie auch im Nachprüfungsverfahren nach dem GWB, der Angebotspreis des Antragstellers und zwar auch dann, wenn Ziel des Antrags nicht die Erteilung des Zuschlags auf das eigene Angebot ist, sondern die Untersagung des Zuschlags auf andere Angebote und/oder die Korrektur geltend gemachter Fehler im Vergabeverfahren. Ohnehin hat ein Bieter regelmäßig mangels Kontrahierungszwanges für den öffentlichen Auftraggeber keinen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags, sondern nur auf Einhaltung der vergaberechtlichen Regelungen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Antragsteller/Bieter durch das Verfahren seine Chancen wahren will, den ausgeschriebenen Auftrag zu erhalten. Die Berechnung des Streitwertes anhand des Angebot des Antragstellers hängt - jedenfalls im Oberschwellenbereich - auch nicht von der materiell-rechtlichen Beurteilung des Antrags ab, insbesondere davon, ob das eigene Angebot wertbar ist oder nicht. Gründe, dies beim einstweiligen Verfügungsverfahren anders zu beurteilen, sind nicht ersichtlich. Ergänzend ist festzustellen, dass die Antragstellerin in 1. Instanz - anders als nun im Beschwerdeverfahren - ihr Angebot sehr wohl als wertbar und zuschlagsfähig erachtet und damit auch ihren Verfügungsanspruch begründet hat (vgl. Antragsschrift vom 25.08.2016, S. 8, letzter Absatz).

Es kommt mithin für die Bemessung des Streitwertes weder auf die Höhe der Angebote der Konkurrenten an, noch auf die Kostenschätzung der Antragsgegnerin, wie das Landgericht angenommen hat. Die Antragstellerin hat ein Angebot mit rund 2,38 Mio € brutto abgegeben, woraus sich ein Streitwert von 119.000 € errechnet. Selbst wenn man berücksichtigt, dass nach den Ausführungen der Antragsgegnerin die Antragstellerin noch ein weiteres, etwas niedrigeres Angebot eingereicht hat, bleibt der Streitwert im Rahmen derselben Gebührenstufe.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gegeneinander aufzuheben, da beide Seiten im Beschwerdeverfahren (Kostenverteilung nach § 91 a ZPO) teils obsiegt haben und teils unterlegen sind. Zur Streitwertbeschwerde der Antragsgegnerin ist festzustellen, dass insoweit keine gesonderten Gebühren/ Kosten anfallen (§ 68 Abs. 2 GKG), mithin der Erfolg ihrer Beschwerde bei der Kostenentscheidung letztlich nicht zu berücksichtigen ist.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde anhand der Gerichtsgebühren (ca. 1.700 €) und der Anwaltskosten beider Parteien (ca. 5.000 €) für Verfügungsverfahren vor dem Landgericht festgesetzt.

21 W 314/17 Verfügung

2. Schlussbehandlung

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 50 Bestimmte Beschwerdeverfahren


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen),2. über Beschwerden g

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Tenor 1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Kostenbeschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.05.2010 wird z u r ü c k g e w i e s e n . 2. Die Verfügungsklägerin trägt die
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Oberlandesgericht München Beschluss, 19. Juni 2017 - 21 W 314/17

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Tenor 1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 07.12.2016, Az. 5 O 14505/16, in Ziffer 1 dahingehend abgeändert, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben w

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(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen),
2.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 75 und 86 des Energiewirtschaftsgesetzes oder § 35 Absatz 3 und 4 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes),
3.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (§ 48 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes und § 113 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes),
4.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der zuständigen Behörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 13 und 24 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) und
5.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Registerbehörde (§ 11 des Wettbewerbsregistergesetzes).
Im Verfahren über Beschwerden eines Beigeladenen (§ 54 Absatz 2 Nummer 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 79 Absatz 1 Nummer 3 des Energiewirtschaftsgesetzes und § 16 Nummer 3 des EU-Verbraucherschutzdurchführungsgesetzes) ist der Streitwert unter Berücksichtigung der sich für den Beigeladenen ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 171 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 169 Absatz 2 Satz 5 und 6, Absatz 4 Satz 2, § 173 Absatz 1 Satz 3 und nach § 176 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beträgt der Streitwert 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Kostenbeschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.05.2010 wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. a) Auf die Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Streitwertbeschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 21.05.2010

g e ä n d e r t .

b) Der Streitwert wird festgesetzt auf

50.000,00 EUR.

c) Eine Kostenerstattung findet insoweit nicht statt.

Gründe

 
I.
Die Rechtsmittel der Verfügungsklägerin sind zulässig. Ihre sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist der Sache nach jedoch unbegründet, ihre Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung hat teilweise Erfolg.
A.
Die Verfügungsklägerin [im Folgenden kurz: Klägerin]/Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen sie belastenden Kostenbeschluss gemäß § 91 a ZPO sowie gegen die Streitwertbemessung des Landgerichts.
„Die Stadt S. und die Stadtwerke S. GmbH“ schrieben öffentlich den Neubau ZOB (Zentraler Omnibusbahnhof) Platzgestaltung und Parkplatz aus (Ast 2 = Bl. 14). Die Aufforderung zur Angebotsabgabe war gerichtet auf (Ast 3 = Bl. 15):
Angebot für:    
Los I: Tief- und Straßenbauarbeiten
        
Los II: Gründung Dach
Ziff. 5.3 sah vor (Ast 3 = Bl. 17):
Die Leistung ist in Lose aufgeteilt
[X]    ja     Die Bieter haben grundsätzlich die Möglichkeit, Angebote nicht für alle Lose einzureichen.
Ergänzend war in die Ausschreibungsbedingungen aufgenommen:
Der AG behält sich aber ausdrücklich vor, eine Gesamtvergabe beider Lose an einen Bieter vorzunehmen.
Die Klägerin bot an (Ast 4 = Bl. 18 f, 21):
10 
        
        
Endbetrag einschl. Umsatzsteuer
(ohne Nachlass)
  Preisnachlass ohne Bedingungen
  auf die Abrechnungssumme
...
        
        
%
Los I:
...
1.552.279,28 EUR
2,0
Los II:  
...
274.162,40 EUR
-
11 
Das Begleitschreiben der Klägerin vom 09.04.2010 (Ast 4 = Bl. 18) gab u.a. an:
12 
Angebot
13 
BV: Neubau ZOB mit Platzgestaltung und Parkplätzen, Los 1 +
14 
15 
als Anlage überreichen wir Ihnen unser Angebot ... Es schließt ab mit einer Summe in Höhe von:
16 
Summe netto:
EUR 1.534.824,94
+ Ust 19 %:
EUR    291.616,74
Summe brutto:      
EUR 1.826.441,68
17 
Die Angebotspreise sind Nettopreise zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer, ...
18 
Auf das Angebot für Los 1 gewähren wir einen Preisnachlass von 2,0 %.
19 
Das Angebot für Los 2 gilt nur im Zusammenhang mit der Vergabe von Los 1 an die [Klägerin].
20 
Das Submissionsergebnis der Verfügungsbeklagten (im Folgenden kurz: Beklagten) wies aus (Ast 6 = Bl. 25):
21 
Los 1
        
Angebots-Summe
o. NL (EUR)
  NL pausch.
  NL %
  Angebots-Summe
  (EUR)
1. [Klägerin]
1.552.279
        
2,0
1.521.234
2. [Wettbewerber]  
1.636.834
        
        
1.636.834
        
        
        
        
       
Los 2
1. [Klägerin]
274.162
        
        
274.162
...
        
        
        
        
3. [Mitbewerber]
325.419
        
        
325.419
22 
Letzterer, der unmittelbare Wettbewerber, hatte seine Einzelangebote ergänzt um einen Nachlass von 0,5 % bei Gesamtvergabe (Ast 14 = Bl. 102).
23 
Am 28.04.2010 teilte die Beklagte Ziff. 1 der Klägerin u.a. mit (Ast 7 = Bl. 27): „Ihr Angebot ... musste ausgeschlossen werden (§25 Nr. 1 VOB/A). ... Sie haben leider Ihr Angebot davon abhängig gemacht, das Ihnen beide Lose übertragen werden. In der Ausschreibung hatten wir uns aber vorbehalten, die Lose entweder gemeinsam, oder einzeln zu vergeben. Somit weicht Ihr Angebot eigenmächtig von der Ausschreibung ab.“
24 
Mit Verfügungsantrag vom 09.05.2010 begehrte die Klägerin im Kern:
25 
... zu untersagen, ... in Los 1 ... den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters als das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.
26 
Die Beklagten trugen vor, der Vergabebeschluss sei bereits am 10.05.2010 durch den Gemeinderat erfolgt (Bl. 84). Tatsächlich stand die Vergabeentscheidung erst in der Sitzung vom 19.05.2010 an (Ast 14 = Bl. 102).
27 
Die Klägerin beantragte am 10.05.2010 hilfsweise (vgl. Bl. 75 - Anl., ferner Bl. 100, im Kern):
28 
Der Antragsgegnerin im Wege einer ... einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung des Gerichts über den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zu untersagen, ... in Los 1 ... den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters als das Angebot der Antragstellerin zu erteilen.
29 
In der Sitzung vom 21.05.2010, 13. 00 Uhr, teilten die Beklagten mit, am 19.05.2010 habe sich der Gemeinderat für den Mitbewerber entschieden. Um 10. 00 Uhr des 21.05.2010 habe die Beklagte Ziff. 1 den Bauvertrag unterschrieben und den erfolgreichen Mitbewerber vom Zuschlag informiert (Bl. 120).
30 
Daraufhin erklärten beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.
31 
Das Landgericht legte der Klägerin die Kosten auf, da ein einstweiliger Rechtsschutz bei Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes nach § 2 VgV allenfalls zur Überprüfung willkürlichen Verhaltens eröffnet sei. Eine solche Willkür sei nicht erkennbar. Denn jegliche Einschränkung der Ausschreibungsbedingungen im Angebot sei unzulässig (§§ 25, 21 VOB/A). Durch dieses Änderungsverbot solle dem Auftraggeber die volle Auswahlfreiheit zu den ausgeschriebenen Bedingungen erhalten bleiben. Genau dies habe die Klägerin mit ihrer Verknüpfung beider Lose durch ihren Rabatt aber zum Teil verhindern wollen. Ferner setzte das Landgericht den Streitwert auf 608.814,00 EUR fest.
32 
Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin , welche die volle Kostenlast der Beklagten erstrebt. Sie erachtet einen einstweiligen Rechtsschutz bei unterschwelligen Vergabeverfahren ohne die Beschränkung auf die bloße Willkürprüfung für gegeben und sieht ihr Angebot nicht unter den Vorbehalt einer Gesamtvergabe gestellt; jedenfalls das Angebot für Los 1 sei von einer solchen Bedingung unberührt. Der Wettbewerber habe im Übrigen nicht anders gehandelt, indem er seine Angebote bei - und nur bei - Gesamtvergabe einem Nachlass unterworfen habe. Die Klägerin sei sowohl bei einer Einzelbewertung von Los 1, aber auch bei einer Gesamtvergabe die preisgünstigste. Andere Vergabekriterien als die Preisgünstigkeit habe es nicht gegeben. Auf jeden Fall hätte Los 1 nicht ausgeschieden werden dürfen. Ihr habe auch bei Ausscheiden des Angebots des Loses 2 der Klägerin der Zuschlag erteilt werden müssen für Los 1, gegebenenfalls im Verbund mit dem Angebot eines anderen Anbieters von Los 2.
33 
Im Übrigen sei der Streitwert analog §§ 53 Abs. 1, 50 Abs. 2 GKG zu bestimmen gewesen und damit weit übersetzt.
34 
Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung hinsichtlich beider Rechtsmittel für richtig.
B.
35 
Sofortige Beschwerde (§ 91 a ZPO).
1.
a)
36 
Ein erledigendes Ereignis lag im erteilten Zuschlag, da auch ein Primärrechtsschutzverfahren beendet ist, wenn einem Bieter im Wege des Zugangs des Zuschlags der Auftrag wirksam erteilt ist (BGHZ 146, 202 [juris Tz. 25 und 36]).
b)
37 
Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist über die Kosten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei der mutmaßliche Ausgang des Beschwerdeverfahrens zu berücksichtigen ist (BGH NZG 2009, 518 [Tz. 1]), ohne dass schwierige rechtliche oder tatsächliche Fragen abschließend geklärt werden müssten (BGH ZInsO 2009, 2113 [Tz. 4]; BKR 2009, 472 [Tz. 1]).
2.
38 
a) Das BVerfG hat die Beschränkung des Primärrechtsschutzes auf Sachverhalte oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes nicht für verfassungsrechtlich bedenklich erachtet (BVerfGE 116, 135 = NJW 2006, 3701). Soweit es vom Willkürverbot sprach, betraf dies das Justizgewährungsgestaltungsrecht des Gesetzgebers (BVerfGE a.a.O. [Tz. 88]) und nicht den Kontrollmaßstab einer gerichtlichen Überprüfung von Fallgestaltungen unterhalb eines bestimmten Schwellenwertes. Die in der Rechtsordnung den übergangenen Konkurrenten eingeräumten Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Entscheidungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge mit Auftragssumme unterhalb des Beschwerdewertes (angedeutet von BVerfGE a.a.O. [Tz. 72, 81 und 85]; vgl. hierzu auch Otting in Bechtold, GWB, 5. Aufl. [2008], § 100, 5 f; Dreher in Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. [2007], Vor §§ 97, 52 und 53; Bungenberg in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff, KartellR, Bd. 2, GWB [2006], Vor §§ 97, 34 und § 100, 15 und 16) genügten den Anforderungen des Justizgewährungsanspruchs (vgl. auch zum Rechtsweg nicht zu den Verwaltungs-, sondern den Zivilgerichten: BVerwG NJW 2007, 2275, 2276; Brandenburgisches OLG, VergabeR 2008, 294 [juris Tz. 2]; Thüringer OLG, VergabeR 2009, 524 [juris Tz. 18 und 28]; Otting a.a.O. 7; Dreher a.a.O. 53; Heuvels in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff a.a.O. § 102, 17 bis 19).
b)
39 
aa) Ob im Unterschwellenbereich ein Zivilrechtsstreit durch einstweiligen Rechtsschutz eröffnet ist, ist streitig (Nachweise zum Streitstand etwa: OLG Düsseldorf NZBau 2010, 328 [juris Tz. 29 f]; Schleswig-Holsteinisches OLG U. v. 09.04.2010 - 1 U 27/10 [juris Tz. 46]).
40 
bb) Soweit aber überhaupt ein Anspruch eines unterlegenen Bieters auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Auftraggeber anerkannt wird (OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 28, 32, 40, 44] m. Anm. Finke EWiR 2010, 295; zust. Anm. Franßen IBR 2010, 160; Erwähnung bei Dicks ZfBR 2010, 339, 348; Brandenburgisches OLG a.a.O. [juris Tz. 6]; Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 30 und 34]; Senat NZBau 2002, 395 [juris Tz. 31]; vgl. auch, zuneigend, letztlich offen gelassen: Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. [juris Tz. 47 und 48]), ist, zumal wenn - wie auch hier - die Vergabestelle sich der jeweiligen Verdingungsordnung unterworfen hat (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 33]; Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 35]; vgl. auch Brandenburgisches OLG a.a.O. [juris Tz. 7]; Senat a.a.O. [juris Tz. 2]), ungeachtet der Frage, ob Prüfungsmaßstab für diesen Verfügungsanspruch (nur) ist, ob die Vergabestelle vorsätzlich das Recht bricht oder sonst in unredlicher Absicht oder willkürlich vorzugehen droht (Senat a.a.O. [juris Tz. 13]), dieser Rechtsschutz nur auf auf Untersagung eines geplanten Zuschlages an einen Dritten gerichtet (OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 28, 32, 40 und 44]; Thüringer OLG a.a.O. [juris Tz. 33]; Senat a.a.O. [juris Tz. 6 bis 8]; vgl. auch Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. [Tz. 22], dort gerichtet auf Unterlassung der Fortsetzung des Vergabeverfahrens; Brandenburgisches OLG a.a.O. [Tz. 3], dort Aussetzung des Ausschreibungsverfahrens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens).
41 
cc) Dies wird dem Vorläufigkeitscharakter des einstweiligen Rechtsschutzes auch nur gerecht. Denn in der Regel stellt der einstweilige Rechtsschutz nur ein Sicherungsmittel zur Verfügung (vgl. allg. Drescher in MünchKomm-ZPO, 3. Aufl. [2007], § 935, 1 und 23 und § 938, 9; Huber in Musielak, ZPO, 7. Aufl. [2009], § 935, 12; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. [2010], § 935, 3). Eine einstweilige Verfügung, die auf die Erfüllung des Hauptsacheanspruchs zielt, ist in der Regel nicht begründet und nur Ausnahmefällen vorbehalten (vgl. Drescher a.a.O. § 938, 11, 15 und 20; Huber a.a.O. § 938, 3; Vollkommer in Zöller, ZPO, 28. Aufl. [2010], § 938, 3; Reichold a.a.O. § 938, 3). Sie ist allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das Versagen einer solchen Verfügung zu einer irreparablen Schädigung des Antragstellers führt (Drescher a.a.O. § 938, 20; Vollkommer a.a.O. § 940, 6; Reichold a.a.O. § 940, 6 f). Grundsätzlich ist immer ein milderes Mittel einer Maßnahme unterhalb der Wirkung einer Hauptsacheentschei-dung zu treffen (Drescher a.a.O. § 938, 18; Vollkommer a.a.O. § 938, 3).
42 
dd) Dies findet seine Entsprechung auch in § 115 Abs. 1 GWB, wonach nach Zustellung eines Antrags auf Nachprüfung an den Auftraggeber zunächst sichernd nur ein Zuschlagsvergabeverbot eintritt und es damit dem Auftraggeber verwehrt ist, durch schnelle Erteilung des Zuschlags vollendete Tatsachen zu schaffen (Otting a.a.O. § 115, 1; Dreher a.a.O. § 115, 3 und 11). Die Vorschrift setzt die europarechtliche Vorgabe um, durch vorläufige Maßnahmen weitere Schädigungen der betroffenen Interessen durch den behaupteten Rechtsverstoß zu verhindern (Storr in Loewenheim/Meessen/Riesenkampff a.a.O. § 115, 1). Deshalb eröffnet § 115 Abs. 3 GWB auch„weitere vorläufige Maßnahmen“ (vgl. Otting a.a.O. § 115, 10; Dreher a.a.O. § 115, 47 [„vorbeugender Rechtsschutz“ ]; Drescher a.a.O. § 935 ZPO, 80; Vollkommer a.a.O. § 940 ZPO, 8 „ Kartellrecht “).
c)
43 
Gemessen an diesen Grundsätzen muss nicht entschieden werden, ob die angemeldeten Zweifel durchgreifen, dass der Vorbehalt im Anschreiben der Klägerin vom 09.04.2010 allenfalls in Bezug auf das Los Nr. 2 eine Abweichung von der Ausschreibungsvorgabe getrennter Lose schafft und deshalb jedenfalls nur dieses, nicht aber das Los 1 gemäß § 25 VOB/A auszuschließen war, auch nicht, ob ein Erfolg der Beklagten Ziff. 2 schon dadurch vorgegeben war, dass sie nicht passivlegitimiert sei, obgleich auch sie in der Anzeige (Ast 2 = Bl. 14) als Ausschreibende in Erscheinung getreten und zugleich in Ziff. 1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Ast 3 = Bl. 16) angezeigt war. Denn jedenfalls hat der Verfügungsantrag mit dem beantragten Unterlassungsgebot, „... den Zuschlag auf das Angebot eines anderen Bieters als das Angebot der Antragstellerin zu erteilen“ (Bl. 2, 11) nicht einen bloßen Aufschub der Zuschlagsentscheidung erstrebt etwa im Sinne von nur, das Angebot der Klägerin auf Los I entgegen der Wertung der Beklagten in deren Schreiben vom 28.04.2010 nicht auszuschließen, sondern als wertungsfähig zu behandeln, oder einstweilen keinen Zuschlag zu erteilen. Der Antrag zielte vielmehr auf die Beschränkung der Handlungsmacht der Beklagten einzig zu Gunsten der Klägerin, also die Bindung einer Zuschlagsentscheidung im Sinne der Klägerin. Auf eine solche an eine Befriedigungswirkung heranreichende einstweilige Verfügung hatte die Klägerin aber keinen Anspruch. Dies bestimmt die Kostenentscheidung zu ihren Lasten im Rahmen des § 91 a ZPO. Diese Wertung erfordert auch in Teilen keine Korrektur im Hinblick auf den Hilfsantrag im Schriftsatz vom 10.05.2010 (Bl. 75 - Anl.; vgl. auch Schriftsatz vom 18.05.2010, Bl. 100). Denn auch dieser gibt den Beklagten einzig als bindendes Rechtmäßigkeitsverhalten den Zuschlag nur an die Klägerin vor.
C.
44 
Beschwerde (Streitwert).
45 
Die Streitwertbeschwerde der Klägerin hat teilweise Erfolg.
a)
46 
§ 50 Abs. 2 GKG gibt eine Streitwertberechnungsformel für den Primärrechtsschutz im Verfahren nach §§ 97 f GWB vor. Zwar verweist § 53 S. 1 Nr. 1 GKG bei Verfahren über einen Antrag einer einstweiligen Verfügung auf § 3 ZPO. Allerdings gilt die Regel, dass der Wert des Verfügungsverfahrens in der Regel nicht den Hauptsachewert erreicht, jedenfalls ihn schon gar nicht übertreffen darf (vgl. Hartmann in KostenGe, 39. Aufl. [2009], § 53 GKG, 2 und 5 m.N.).
b)
47 
Eine Analogie ist zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGH BB 2010, 1431 [Tz. 32]; WM 2010, 28 [Tz. 23]).
c)
48 
Zwar betrifft § 50 Abs. 2 GKG nicht den vergaberechtlich unterschwelligen Zivilrechtsschutz. Die Vorschrift ist aber übertragbar. Sie wird auch auf andere Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer erstreckt (Hartmann a.a.O. § 50 GKG, 7 m.N.). Auch im Verfahren nach §§ 97 f GWB, auf welches § 50 Abs. 2 GKG unmittelbar Anwendung findet, sind Elemente des einstweiligen Rechtsschutzes - wie aufgezeigt - enthalten. Zum andern ist es eher Zufall, wo genau der Schwellenwert gemäß § 2 VgV jeweils festgesetzt wird; dieser unterlag auch bislang schon Änderungen (bis 2003 bei Bauaufträgen: 5 Mio. EUR; vom 01.11.2006 bis 28.09.2009: 5.278.000,00 EUR; ab 11.06.2010: 4.845.000,00 EUR). Auch kann es einzig an Besonderheiten der Kalkulation liegen, ob ein eingereichtes Angebot an den aktuellen Schwellenwert gerade heranreicht oder ihn überschreitet. Die Spezialvorschrift des § 50 Abs. 2 GKG trifft danach auch die vorliegende Problemstellung und kann demnach analog angewandt werden (so auch schon Senat a.a.O. [juris Tz. 35]; abw. OLG Düsseldorf a.a.O. [juris Tz. 68]; Schleswig-Holsteinisches OLG a.a.O. [juris Tz. 63] je: § 53 GKG i.V.m. § 3 ZPO). Das Gegenargument der Beklagten: „Die Begrenzung von 5 % der Auftragssumme im 'Großen Verfahren' dient dazu, angesichts der dort häufig zur Diskussion stehenden Vergaben von mehreren Euro 100 Mio. oder gar Vergabewerten oberhalb Euro 1 Mrd. die Rechtsverfolgungskosten zu begrenzen“ (Bl. 172), taugt eher zum Argument für die vorliegende Rechtsansicht. Denn die Vorschrift will ersichtlich verhindern, dass hohe Streitwerte zur Zugangssperre für den Rechtsschutzgewährungsanspruch werden. Dies gilt aber nicht minder für niedrigere Auftragssummen, um welche sich gerade klein- und mittelständische Unternehmen bemühen, für welche das oben aufgezeigte Argument - in Relation - in nicht geringerer Weise gilt.
d)
49 
Danach ist der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens abzuleiten aus 5 % des Bruttoangebots der Klägerin für Los I abzüglich 2 % Nachlass: 76.062,00 EUR. Zwar ist ein weiterer Abschlag vorzunehmen, da anders als im Verfahren nach §§ 97 f GWB nicht zugleich auch über den wahren Zuschlagsberechtigten endgültig entschieden wird. Da die Klägerin aber nicht nur einen Aufschub der Zuschlagsentscheidung begehrt hatte, sondern - wie aufgezeigt - eine Bindung der Beklagten in deren Zuschlagsentscheidung vorgeben wollte, ist das Interesse der Klägerin in hohem Maße einem solchen Hauptsachewert angenähert. Der Senat bemisst dieses Interesse deshalb mit 50.000,00 EUR.
II.
50 
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der sofortigen Beschwerde (§ 91 a ZPO) beruht auf § 97 ZPO.
51 
Eine Kostenentscheidung hinsichtlich der Streitwertbeschwerde war nicht gefordert (§ 68 Abs. 3 GKG).
52 
Über die Rechtsbeschwerde war hinsichtlich beider Entscheidungsteile mangels deren jeweiliger Statthaftigkeit (vgl. § 542 Abs. 2 ZPO, § 68 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG) nicht zu befinden.
53 
Der Beschwerdewert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde schöpft sich aus dem Interesse der Klägerin, von allen Kosten und Gebühren der I. Instanz auf der Grundlage des geändert festgesetzten Streitwertes befreit zu werden.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.