Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 15. Nov. 2016 - 7 UF 611/16

ECLI:ECLI:DE:OLGKOBL:2016:1115.7UF611.16.0A
bei uns veröffentlicht am15.11.2016

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die als Beschluss zu wertende Verfügung des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Kreuznach vom 04.10.2016, auf die „Anregungen“ des Antragstellers vom 25.09.2016 keine entsprechenden Verfahren einzuleiten, aufgehoben.

Das Verfahren wird zur Entscheidung über die Anträge des Antragstellers an das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Kreuznach zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe

1

Mit Schreiben vom 25.09.2016 hat der Antragsteller Anträge zum Umgangs- und Sorgerecht, das gemeinsame Kind der Beteiligten ...[A] betreffend, bei dem zuständigen Amtsgericht gestellt. Mit Verfügung vom 04.10.2016 hat das Amtsgericht dem Antragsteller mitgeteilt, dass seine Anträge rechtlich als Anregungen nach § 24 Abs. 1 FamFG einzuordnen seien und das Gericht keine Gründe sehe, auf die Anregungen hin etwas zu veranlassen.

2

Mit Schreiben vom 13.10.2016 hat der Antragsteller an seinen Anträgen festgehalten und diese weiter begründet. Auf Anfrage des Gerichts hat der Antragsteller darum gebeten, seine gegen die Verfügung vom 04.10.2016 erhobenen Einwände als Beschwerde gegen die Nichteinleitung der betreffenden Verfahren anzusehen.

3

Die Beschwerde ist nach § 58 FamFG zulässig, nachdem das erstinstanzliche Gericht in der angefochtenen Verfügung, die als ablehnender Beschluss in Bezug auf die vom Antragsteller gestellten Anträge zu werten ist, entschieden hat, die „angeregten“ Verfahren nicht einzuleiten. Insoweit stellt die Verfügung des Gerichts für den Antragsteller, zumindest ihrer Wirkung nach, eine Endentscheidung zum Umgangs- und Sorgerecht dar (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2015, 1993), die der Anfechtung unterliegt.

4

Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei Umgangs- und Sorgerechtsverfahren um Amtsverfahren handelt, zu deren Einleitung es eines Antrags nicht bedarf. Dies ist allein dem Umstand geschuldet, dass ein Gericht, soweit es um das Wohl eines Kindes geht, auch dann tätig werden soll und unter Umständen auch muss, wenn dies das Kindeswohl gebietet, und zwar unabhängig von Anträgen, insbesondere auch der Sorgeberechtigten. Folgt das Gericht einer Anregung (von dritter Seite) nicht, besteht lediglich eine Pflicht zur Mitteilung nach § 24 Abs. 2 FamFG. Diese ist vielfach nicht anfechtbar, da der das Verfahren „Anregende“ regelmäßig nicht in seinen Rechten betroffen ist.

5

Eine abweichende Beurteilung ist indes dann geboten, wenn durch die Verweigerung von Amts wegen zu treffender Maßnahmen in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird (BVerfG, BeckRS 2016, 52361; OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Frankfurt, FamRZ 2015, 1991f; im Ergebnis ebenso, jedoch mit anderer Begründung, Ulrici in Münchener Kommentar zum FamFG, § 24 Rn 14). Davon ist zumindest dann auszugehen, wenn in die Rechte von Sorge- und Umgangsberechtigten - wie hier - eingegriffen wird. Denn in diesen Fällen ist das Elternrecht, Art. 6 GG, unmittelbar betroffen.

6

Die mithin zulässige Beschwerde hat auch einen vorläufigen Erfolg. Der ablehnende Beschluss in Form der erlassenen Verfügung ist aufzuheben und das Verfahren zur Entscheidung über die Anträge an das Amtsgericht zurückzuverweisen, nachdem dieses in der Sache noch nicht entschieden hat.

7

Das Amtsgericht hat entschieden, ohne zuvor die zur Sachentscheidung notwendigen Verfahren nach §§ 1696 BGB, 166 Abs. 1 FamFG einzuleiten und die notwendigen Ermittlungen zu den Voraussetzungen für die begehrten Abänderungen anzustellen. Insoweit ist zumindest in Kindschaftssachen die Einleitung eines förmlichen Verfahrens dann geboten, wenn durch das „angeregte“ Verfahren Elternrechte unmittelbar betroffen sind, da durch die Gestaltung des Verfahrens der Grundrechtsschutz des betroffenen Elternteils sicherzustellen ist (BVerfG, FamRZ 2008, 492). Daher ist zumindest die Einleitung eines förmlichen Verfahrens unter Beteiligung der durch die Entscheidung unmittelbar Betroffenen erforderlich, hier also des anderen Elternteils. Auch ist das Jugendamt zu beteiligen. Gegebenenfalls bedarf es auch der Bestellung eines Verfahrensbeistands. Das betroffene Kind wird regelmäßig anzuhören sein. Erst unter Berücksichtigung der entsprechenden Stellungnahmen kann das Gericht sachgerecht darüber entscheiden, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die beantragte Sachentscheidung gegeben sind oder nicht.

8

Da das Gericht die entsprechenden Verfahren noch nicht eingeleitet hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses (der Verfügung) an das Amtsgericht zurückzugeben. Weil das Amtsgericht dann die vorgenannten Beteiligten an dem Verfahren zu beteiligen hat, hat der Senat davon abgesehen, diese „vorab“ bereits am Beschwerdeverfahren zu beteiligen, zumal deren Beteiligung am Beschwerdeverfahren eine unnötige Verzögerung der einzuleitenden Verfahren zur Folge gehabt hätte.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs.1 FamFG, 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss, 15. Nov. 2016 - 7 UF 611/16 zitiert 7 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 81 Grundsatz der Kostenpflicht


(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 58 Statthaftigkeit der Beschwerde


(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. (2) Der Beurteilung des Beschwerd

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1696 Abänderung gerichtlicher Entscheidungen und gerichtlich gebilligter Vergleiche


(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 24 Anregung des Verfahrens


(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden. (2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterricht

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(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden.

(2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterrichten, soweit ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist.

(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.

(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden.

(2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterrichten, soweit ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(3) Eine Anordnung nach § 1632 Absatz 4 ist auf Antrag der Eltern aufzuheben, wenn die Wegnahme des Kindes von der Pflegeperson das Kindeswohl nicht gefährdet.

(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.

(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn

1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat;
2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste;
3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat;
4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat;
5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.

(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.

(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.

(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.