|
|
| Der Kläger macht Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. |
|
| Der am … 1969 geborene Kläger schloss im Jahr 1991 bei der damaligen Ö. Versicherungsanstalt eine Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der Ö.. Die vertraglichen Vereinbarungen ergeben sich aus dem Versicherungsschein vom 08.07.1991 (Anlage K 2) und den Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz (BUZ, Anlage K 3). Im Fall der Berufsunfähigkeit sollte eine Jahresrente in Höhe von 6.000,00 DM gezahlt werden, wobei die Zahlungen vierteljährlich erfolgen sollten. Die Rente sollte sich durch Überschussanteile im Laufe der Zeit erhöhen. Als Versicherungsprämie war ein Betrag von anfänglich 236,00 DM vereinbart, der einer Dynamisierung unterliegen sollte. |
|
| Der Kläger ist ausgebildeter Kfz-Mechaniker. Er war zunächst im Transportbetrieb seines Vaters als Kraftfahrer tätig. Im Jahr 2001 übernahm er das Unternehmen seines Vaters, welches mehrere Fahrer in Vollzeit beschäftigte. Auch als Unternehmensinhaber war der Kläger überwiegend als Fahrer von Kraftfahrzeugen im Gütertransport tätig, wozu auch das Be- und Entladen der Fahrzeuge gehörte. Die Disposition der Fahrzeuge und die kaufmännischen Arbeiten wurden überwiegend von der im Betrieb mitarbeitenden Ehefrau des Klägers erledigt. |
|
| In den Jahren 2003 und 2004 erlitt der Kläger bei zwei Unfällen Verletzungen der Wirbelsäule. Die Verletzungen führten zu erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen. Gegenüber der Beklagten machte der Kläger geltend, er könne seine bisherige berufliche Tätigkeit als Kraftfahrer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt ausüben. |
|
| Mit Schreiben vom 25.04.2008 (Anlage K 6) bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass sie „nach Durchsicht aller vorliegenden Unterlagen“ die versicherten Leistungen rückwirkend ab dem 01.11.2007 erbringen werde. Die Beklagte zahlte die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente bis zum 30.09.2011; zuletzt betrug die Jahresrente 13.362,34 EUR. |
|
| Bereits im Jahr 2009 begann die Beklagte, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit des Klägers zu überprüfen. Sie forderte in diversen Schreiben den Kläger immer wieder auf, Auskünfte zu erteilen und bestimmte Unterlagen beizubringen. Die Aufforderungen der Beklagten wurden vom Kläger - im Wesentlichen - beantwortet. |
|
| Mit Schreiben vom 02.03.2011 (Anlage K 18) drohte die Beklagte eine Einstellung ihrer Leistungen an. Sie hatte den Kläger aufgefordert, eine „Entbindung von der Schweigepflicht“ zu unterschreiben. Der Kläger sollte die Beklagte ermächtigen, bei Behörden und Gerichten „Informationen über Inhalt und Umfang“ des vom Kläger geführten Betriebes anzufordern zur Überprüfung seines Leistungsanspruchs. Dieser Aufforderung war der Kläger nur teilweise nachgekommen. Eine „Entbindung von der Schweigepflicht“ gegenüber der S. Bus AG, welche dem Unternehmen des Klägers im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung Aufträge für Busfahrten erteilte, hatte der Kläger nicht unterschrieben. Zum 01.10.2011 stellte die Beklagte ihre Zahlungen an den Kläger ein. |
|
| Der Kläger hat vor dem Landgericht eine Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit ab Oktober 2011 verlangt. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Zahlungen einzustellen. |
|
| Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Eine Leistungspflicht sei nach den vertraglichen Vereinbarungen zum einen entfallen, weil der Kläger im Rahmen der Überprüfung seiner Berufsunfähigkeit verschiedenen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachgekommen sei. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht mehr gegeben seien. |
|
| Mit Urteil vom 21.01.2015 hat das Landgericht Waldshut-Tiengen die Beklagte antragsgemäß wie folgt verurteilt: |
|
| 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.087,02 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz |
|
| aus 3.340,59 seit dem 02.10.2011, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.01.2012, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.04.2012, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.07.2012, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.10.2012, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.01.2013, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.04.2013, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.07.2013, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.10.2013, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.01.2014, aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.04.2014, und aus weiteren 3.340,59 seit dem 02.07.2014, |
|
|
|
| 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.10.2014 bis zum Ablauf der streitgegenständlichen Versicherung am 30.06.2029, längstens bis zum Tode des Klägers, eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von jährlich 13.362,34 EUR, zahlbar jeweils vierteljährlich im Voraus mit 3.340,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Fälligkeit zu zahlen. |
|
| 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.10.2011 Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge in Höhe von 188,90 EUR zu gewähren. |
|
| 4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.694,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins ab dem 16.08.2011 zu zahlen. |
|
| Das Landgericht hat ausgeführt, die Klage sei begründet. Der Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nachträglich entfallen. Soweit die Beklagte geltend gemacht habe, der Gesundheitszustand des Klägers habe sich verbessert, fehle es an einer vertragskonformen Änderungsmitteilung. Auf eine Umorganisation des klägerischen Unternehmens, welches seine Einkommensverhältnisse verbessert habe, könne sich die Beklagte nicht berufen, weil der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zu einer solchen Umorganisation nicht verpflichtet gewesen sei. Mitwirkungsobliegenheiten bei der nachträglichen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen habe der Kläger nicht verletzt. |
|
| Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält das erstinstanzliche Urteil aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen für fehlerhaft. Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe der Kläger in schwerwiegender Weise gegen vertragliche Mitwirkungsobliegenheiten verstoßen. Der Kläger habe in einem Fragebogen angegeben, dass er keine Berufstätigkeit ausübe, obwohl er in Wahrheit berufstätig gewesen sei. Er habe zudem zunächst verschwiegen, dass er ein Busunternehmen erworben habe, obwohl er dies von sich aus der Beklagten hätte mitteilen müssen. Entsprechendes gelte für eine nachträglich erworbene Erlaubnis zur Personenbeförderung. Zudem habe sich der Kläger pflichtwidrig geweigert, seine Vertragspartnerin, die S. Bus GmbH, im Verhältnis zur Beklagten von der Verschwiegenheitspflicht zu entbinden; die Beklagte sei darauf angewiesen gewesen, bei der Vertragspartnerin Auskünfte über die Berufstätigkeit des Klägers einzuholen. Außerdem könne nach einer Umorganisation des Unternehmens eine Berufsunfähigkeit im Sinne der vertraglichen Vereinbarungen nicht mehr festgestellt werden. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die betriebliche Veränderung durch den nachträglichen Erwerb eines Busunternehmens versicherungsrechtlich zu berücksichtigen. Es sei von einer wesentlichen Erweiterung der tatsächlichen Berufstätigkeit des Klägers auszugehen. Die angegebenen Umstände müssten jeweils zu einem Entfallen der Leistungspflicht der Beklagten führen. |
|
|
|
| unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 21.01.2015 (1 O 105/11) die Klage abzuweisen. |
|
|
|
| die Berufung der Berufungsklägerin vom 23.02.2015 zurückzuweisen. |
|
| Der Kläger verteidigt das Urteil des Landgerichts und ergänzt sein erstinstanzliches Vorbringen. |
|
| Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. |
|
| Die zulässige Berufung der Beklagten dürfte voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben. Eine Entscheidung des Senats nach mündlicher Verhandlung erscheint auch im Hinblick auf die Gesichtspunkte gemäß § 522 Abs. 2 Ziffer 2, 3 und 4 ZPO nicht erforderlich. Nach vorläufiger Auffassung des Senats hat das Landgericht der Klage zu Recht in vollem Umfang stattgegeben. An der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der vereinbarten Berufsunfähigkeitsrente hat sich nichts geändert. |
|
| 1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 13.362,34 EUR jährlich auch in der Zeit ab Oktober 2011 weiterzuzahlen. |
|
| a) Die rechtlichen Voraussetzungen für die Verpflichtung der Beklagten ergeben sich aus den vereinbarten Versicherungsbedingungen. Voraussetzung für die Zahlungspflicht der Beklagten ist eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 Abs. 7 BUZ. Die vereinbarte Rente ist in voller Höhe zu zahlen, sobald eine Berufsunfähigkeit zu mindestens 50 Prozent vorliegt (§ 1 Abs. 3 BUZ). |
|
| b) Der Kläger hatte 2003 und 2004 zwei Unfälle. Diese haben zu dauerhaften körperlichen Beeinträchtigungen mit der Konsequenz einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent geführt. Die sich daraus ergebende Leistungspflicht der Beklagten dauert auch nach dem 30.09.2011 an. |
|
| c) Dass die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeitsrente vorliegen, ergibt sich aus einem Anerkenntnis der Beklagten im Sinne von § 9 Abs. 8 BUZ. Das Schreiben der Beklagten vom 25.04.2008 (Anlage K 6) stellt ein Anerkenntnis im Sinne der Versicherungsbedingungen dar (vgl. zu den Wirkungen eines Anerkenntnisses in der Berufsunfähigkeitsversicherung Prölss/Lücke, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage 2015, § 173 VVG, RdNr. 1 ff.). Das Anerkenntnis war - im Gegensatz zu früheren Erklärungen der Beklagten (vgl. die Anlage K 4 und K 5) - nicht mit Einschränkungen oder Vorbehalten verbunden. |
|
| 2. Es ist nach dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses (25.04.2008) keine nachträgliche Veränderung eingetreten, auf welche sich die Beklagte gegenüber dem Anspruch des Klägers berufen könnte. |
|
| a) In der Berufsunfähigkeitsversicherung kann der Versicherer sich auf nachträgliche Veränderungen, die Auswirkungen auf seine Leistungspflicht haben, nur dann berufen, wenn er die Bestimmungen des vertraglich vereinbarten Nachprüfungsverfahrens einhält. Vorliegend ergeben sich die Modalitäten des Nachprüfungsverfahrens aus § 9 Abs. 11 - 14 BUZ. |
|
| b) In § 9 Abs. 14 BUZ ist geregelt, dass die Leistungspflicht des Versicherers nachträglich nur entfallen kann, wenn und soweit er eine vertragskonforme Änderungsmitteilung abgibt. |
|
| aa) Eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung ist für ein Erlöschen der Leistungspflicht des Versicherers in der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung konstitutiv (vgl. BGH, NJW 1993, 1532; BGH, NJW-RR 1993, 725). Das heißt: Veränderungen in den Leistungsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeitsrente sind rechtlich ohne Bedeutung und vom Gericht nicht zu prüfen, wenn eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung fehlt. |
|
| bb) An den Inhalt der Änderungsmitteilung sind strenge Anforderungen zu stellen. Die Mitteilung muss eine für den Versicherungsnehmer nachvollziehbare Begründung enthalten, was sich seit dem ursprünglichen Anerkenntnis (25.04.2008) geändert hat, und aus welchen Gründen die Leistungspflicht entfallen soll. Der Versicherungsnehmer muss in der Lage sein, auf Grund der Änderungsmitteilung und der mit dieser Mitteilung verbundenen Informationen abzuschätzen, wie sein Prozessrisiko aussieht, wenn er weiterhin eine Leistungspflicht des Versicherers geltend machen will. Die Mitteilung muss vor allem eine vergleichende Betrachtung der aus der Sicht des Versicherers maßgeblichen Umstände enthalten, die sich einerseits auf den Zeitpunkt des früheren Anerkenntnisses bezieht und andererseits auf den Zeitpunkt der Einstellung der Zahlungen. Auf Grund der sehr weitreichenden Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers kann sich der Versicherer die erforderlichen konkreten und detaillierten Informationen beschaffen, die er für eine korrekte Änderungsmitteilung benötigt. (Vgl. ausführlich zu den Anforderungen an den Inhalt einer Änderungsmitteilung BGH, NJW 1993, 1532; BGH, NJW-RR 1993, 725.) Die hohen Anforderungen an die Änderungsmitteilung finden ihre Grundlage in der Bedeutung der Berufsunfähigkeitsrente für den Versicherungsnehmer. Die Rente hat für ihn Lohnersatzfunktion; daraus resultiert die Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers (vgl. Prölss/Lücke a.a.O., § 173 VVG, RdNr. 1). |
|
| c) Die Beklagte hat, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, zu keinem Zeitpunkt eine Änderungsmitteilung erstellt, aus welcher der Kläger hätte erkennen können, wie sich nach Auffassung der Beklagten sein Gesundheitszustand nach dem 25.04.2008 mit Auswirkungen auf seine Berufsfähigkeit verändert haben soll. Die Beklagte hat nicht erklärt, von welchen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sie im Anerkenntnis vom 25.04.2008 ausgegangen ist, wann sich der Gesundheitszustand des Klägers auf welche Weise verbessert haben soll, von welchen beruflichen Tätigkeiten des Klägers in welchem zeitlichen Umfang die Beklagte bei ihrem Anerkenntnis ausgegangen ist, welche Veränderungen in den möglichen Tätigkeiten gesundheitsbedingt nach dem Anerkenntnis eingetreten sein sollen, und inwieweit sich daraus eine nachträgliche Verbesserung der Berufsfähigkeit auf einen Prozentsatz von mehr als 50 Prozent ergeben soll. Dem vorgelegten vorgerichtlichen Schriftverkehr lässt sich zu diesen bei einer Leistungseinstellung notwendigen Angaben nichts entnehmen. |
|
| d) Bei einem mitarbeitenden Betriebsinhaber kann bei gesundheitlichen Einschränkungen seiner Berufsfähigkeit grundsätzlich eine Umorganisation des Betriebes in Betracht kommen. Wenn ein mitarbeitender Betriebsinhaber in einem Transportunternehmen wegen erheblicher Wirbelsäulenbeschwerden nicht mehr in der Lage ist, Lastkraftwagen zu fahren, kann im Einzelfall zu prüfen sein, ob er sich eine Berufsfähigkeit von mehr als 50 Prozent erhalten kann, wenn er sich auf - eventuell gesundheitlich mögliche - Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich und bei der Ausübung seines Direktionsrechts als Unternehmensinhaber beschränkt. Die Frage, ob und inwieweit dem Kläger eine solche Umorganisation seines Betriebes möglich und zumutbar war, ist zwischen den Parteien streitig. Es erscheint insbesondere fraglich, ob es dem Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt möglich und zumutbar gewesen wäre, seine Ehefrau von Bürotätigkeiten zu entbinden und deren Aufgaben zu übernehmen. Eine Klärung dieser Frage ist nicht erforderlich. Denn es hat nach dem 25.04.2008 jedenfalls keine derartige für die Leistungspflicht der Beklagten erhebliche Umorganisation gegeben. (Die Frage einer möglichen Übernahme von kaufmännischen und anderen Bürotätigkeiten ist zu unterscheiden von dem späteren Erwerb eines Busunternehmens; dazu siehe unten f).) |
|
| aa) Die schriftsätzlich geäußerten Zweifel der Beklagten, ob die notwendigen Bürotätigkeiten im Unternehmen des Klägers tatsächlich vollständig oder nahezu vollständig von der Ehefrau erledigt werden, oder ob der Kläger selbst in größerem Umfang als von ihm eingeräumt tätig ist, spielen keine Rolle. Es kommt auch bei der Frage der Umorganisation im Nachprüfungsverfahren nicht darauf an, ob eine Umorganisation erfolgt ist, sondern allein darauf, ob eine nachträgliche Änderung eingetreten ist. Wenn der Kläger schon am 25.04.2008 in größerem Umfang als von ihm selbst angegeben Bürotätigkeiten ausgeübt haben sollte, kann die Beklagte einen solchen - eventuellen - Fehler bei ihrem Anerkenntnis vom 25.04.2008 nachträglich nicht mehr korrigieren (vgl. Prölss/Lücke, § 173 VVG, RdNr. 4). Dass der Kläger seine Tätigkeit im Büro bzw. im kaufmännischen Bereich nach dem 25.04.2008 in einem für die Berufsfähigkeit relevanten Umfang ausgeweitet hätte, ergibt sich weder aus einer - erforderlichen - Änderungsmitteilung noch aus dem Sachvortrag der Beklagten im Rechtstreit. |
|
| bb) Auch eine zumutbare, aber vom Versicherungsnehmer nicht ausgenutzte Möglichkeit einer betrieblichen Umorganisation kann einer Leistungspflicht des Versicherers entgegenstehen (vgl. beispielsweise BGH, NJW-RR 1994, 153). Die Frage, ob der Kläger irgendwann nach den beiden Unfällen die Möglichkeit gehabt hätte, anstelle seiner Ehefrau in größerem Umfang im Büro tätig zu werden, ist ohne Bedeutung. Denn auch insoweit ergibt sich weder aus einer Änderungsmitteilung der Beklagten noch aus dem Sachvortrag der Beklagten im Prozess, dass nach dem Anerkenntnis aus dem Jahr 2008 eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass der Kläger nach dem 25.04.2008 Bürotätigkeiten in erheblichem Umfang hätte übernehmen können und müssen, während dies zum Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch nicht möglich gewesen sei. (Zu möglichen Auswirkungen des Erwerbs des Busunternehmens siehe unten f.).) |
|
| e) Die Frage, ob sich der wirtschaftliche Erfolg des klägerischen Unternehmens in der Zeit nach dem 25.04.2008 verbessert hat, spielt für die Leistungspflicht der Beklagten keine Rolle. Es kommt allein auf die Frage der Berufsfähigkeit an, also darauf, welche Tätigkeiten dem Kläger trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen in welchem zeitlichen Umfang (noch) möglich sind, und welche Änderungen nach dem vorausgegangenen Anerkenntnis eingetreten sind. Wirtschaftliche Erwägungen können nur dann eine Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, inwieweit dem Kläger bestimmte berufliche Tätigkeiten (ggfs. auch im Zusammenhang mit einer Umorganisation des Betriebes) zumutbar sind (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 18.12.2015 - 9 U 104/14 -, Seite 11). |
|
| f) Die Beklagte meint, eine relevante Änderung habe sich dadurch ergeben, dass der Kläger nachträglich einen Busführerschein erworben hat, und dass der Gegenstand des Unternehmens sich im Jahr 2009 durch den Erwerb eines Busunternehmens mit mehreren Bussen verändert habe. Der Kläger hätte - von diesem bestritten - nach dem Erwerb des Busunternehmens die Möglichkeit gehabt, durch eine Tätigkeit als Busfahrer in seinem Unternehmen die Berufsfähigkeit auf mehr als 50 Prozent zu erhöhen. |
|
| aa) Es kann dahinstehen, ob der Schriftsatz des Beklagtenvertreters im Prozess vom 08.02.2013 (I 241 ff.) für die Zeit nach diesem Schriftsatz die Anforderungen an eine Änderungsmitteilung gemäß § 9 Abs. 14 BUZ erfüllt. Denn der Erwerb des Busunternehmens ist auch dann rechtlich für die Entscheidung des Senats nicht erheblich, wenn man eine wirksame Änderungsmitteilung unterstellt. |
|
| bb) Der Erwerb des Busunternehmens - mit einem eventuell für den Kläger erweiterten Tätigkeitsfeld - wäre nur dann versicherungsrechtlich relevant, wenn der Kläger zum Erwerb des Busunternehmens auf Grund einer vertraglich vereinbarten Obliegenheit oder auf Grund seiner Schadensminderungspflicht verpflichtet gewesen wäre (vgl. BGH, NJW-RR 1999, 1111, 1112). Eine solche Verpflichtung gab es jedoch nicht. Die vertraglichen Vereinbarungen in den Versicherungsbedingungen haben dem Kläger für seinen Betrieb keine unternehmerischen Entscheidungen, wie beispielsweise den Erwerb eines Busunternehmens, vorgeschrieben. Der Erwerb des Omnibusunternehmens im Jahr 2009 war eine unternehmerische Entscheidung mit Chancen einerseits und Risiken andererseits unter Aufbringung von Kapital. Eine Verpflichtung als Teil einer Schadensminderungspflicht scheidet schon deshalb aus, weil die Entscheidung für das Unternehmen des Klägers, wie jede unternehmerische Entscheidung, zwangsläufig mit Risiken verbunden war, die nur der Kläger und nicht die Beklagte zu tragen hatte. Dabei kommt es auf eine konkrete Beurteilung der Umstände, die für eine wirtschaftliche Zweckmäßigkeit aus der Sicht des Klägers sprechen konnten, nicht an. Der vorliegende Fall ist mit dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.02.1993 (NJW-RR 1993, 721) zu Grunde lag, nicht vergleichbar. Denn in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ging es - anders als vorliegend - um eine betriebliche Umorganisation, die zwangsläufig notwendig war, und nicht von einer unternehmerischen Entscheidung des Versicherungsnehmers abhing. |
|
| cc) Da der Erwerb des Omnibus-Führerscheins im Zusammenhang mit dem Erwerb des Busunternehmens an den Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit nichts geändert hat (siehe oben), kommt es auf weitere Einwendungen des Klägers nicht an. Es kommt insbesondere nicht darauf an, ob der Kläger tatsächlich gesundheitlich in der Lage wäre, in erheblichem Umfang Busfahrten durchzuführen. |
|
| 3. Die Beklagte ist auch nicht etwa dadurch leistungsfrei geworden, dass der Kläger im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens Mitwirkungspflichten verletzt hat. |
|
| a) Es kann dahinstehen, ob im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens auf die Mitwirkungspflichten altes oder neues Versicherungsrecht anwendbar ist. Die Beklagte kann sich auch dann nicht auf eine Verletzung von Mitwirkungspflichten berufen, wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass gemäß Art. 1 Abs. 2 EGVVG altes Recht anwendbar ist mit der Konsequenz, dass dann von einer Wirksamkeit der Regelungen in § 9 Abs. 15 BUZ auszugehen wäre (vgl. zum Meinungsstand einerseits LG Potsdam, Versicherungsrecht 2013, 1034 und andererseits Mertens, Versicherungsrecht 2013, 1035). |
|
| b) Der Kläger war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verpflichtet, von sich aus - ohne Frage der Beklagten - darauf hinzuweisen, dass er im Jahr 2009 nachträglich den Omnibus-Führerschein erworben hat. Eine Minderung oder Aufhebung der Berufsunfähigkeit (vgl. § 9 Abs. 13 BUZ) ergab sich für den Kläger aus dem nachträglichen Erwerb des Führerscheins nicht. Dies wäre nur dann anders, wenn der Kläger in erheblichem - für die Berufsunfähigkeit relevanten - Umfang tatsächlich Fahrten durchgeführt hätte. Dies hat die Beklagte jedoch nicht bewiesen. |
|
| c) Der Kläger war auch nicht verpflichtet, von sich aus der Beklagten mitzuteilen, dass er im Jahr 2009 ein Busunternehmen mit mehreren Bussen erworben hat. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Erwerb des Busunternehmens keine Auswirkungen auf die Berufsunfähigkeit hatte (siehe oben). |
|
| d) Soweit der Kläger in einem Fragebogen teilweise unzutreffende oder ungenaue Angaben zu seiner Berufstätigkeit gemacht hat, lag allenfalls leichte Fahrlässigkeit vor. Ein leicht fahrlässiger Fehler des Klägers hat gemäß § 9 Abs. 15 BUZ keine Auswirkungen auf die Zahlungspflicht der Beklagten. |
|
| aa) Der Kläger hat im Fragebogen vom 05.05.2009 (Anlage K 8) einerseits angekreuzt, dass er keine berufliche Tätigkeit ausübe und andererseits, dass er selbstständig sei. Dabei handelt es sich nicht um eine unzutreffende Auskunft, sondern um ein bedeutungsloses Versehen beim Ausfüllen des Fragebogens. Aus dem Ankreuzen bei „selbstständig“ konnte die Beklagte entnehmen, dass der Kläger in (geringem) Umfang eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat. |
|
| bb) Unzutreffend war allerdings die weitere handschriftliche Eintragung im selben Formular „keine Tätigkeit“ mit dem Hinweis, dass die Frau des Klägers den gesamten Betrieb leite. Zu Gunsten des Klägers ist davon auszugehen, dass er bei der - unzutreffenden - Formulierung an Tätigkeiten gedacht hat, die für die Frage der Berufsunfähigkeit bedeutsam sein könnten. Da nur von einem sehr geringen Tätigkeitsumfang des Klägers ausgegangen werden kann, handelt es sich um einen geringen Fehler, der nach Auffassung des Senats nur leicht fahrlässig war. Dass der Kläger zum Zeitpunkt des Ausfüllens des Fragebogens Tätigkeiten in wesentlich größerem Umfang ausgeführt hat, hat die Beklagte jedenfalls nicht bewiesen. |
|
| e) Der Kläger war nicht verpflichtet, seine Vertragspartnerin, die S. Bus GmbH, von jeglicher Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Beklagten zu entbinden. Dafür gab es keine vertragliche Grundlage. Gemäß § 9 Abs. 12 BUZ war der Kläger nur verpflichtet, der Beklagten selbst „sachdienliche Auskünfte“ zu erteilen. Aus § 9 Abs. 5 dritter Spiegelstrich BUZ ergibt sich nichts anderes. Denn nach dieser Regelung war der Kläger unter bestimmten Voraussetzungen nur verpflichtet, selbst Unterlagen zu beschaffen. Dass der Kläger als Unternehmer ein vitales geschäftliches Interesse daran hatte, dass sich die Beklagte nicht mit nahezu beliebigen Auskunftsersuchen an seine Vertragspartnerin wenden konnte, ist nachvollziehbar. |
|
| f) Aus der Neuregelung in § 31 Abs. 1 VVG ergeben sich schon nach dem Wortlaut der Gesetzesvorschrift keine weitergehenden Pflichten des Klägers. Zudem wäre eine Verletzung von § 31 VVG - wenn entgegen der Annahme oben neues Recht anwendbar wäre - sanktionslos (vgl. Prölss/Lücke a.a.O., § 31 VVG, RdNr. 47). |
|
| g) Die Beklagte hat erstinstanzlich (Schriftsatz vom 21.09.2011, Seite 5, I 45) die Auffassung vertreten, der Kläger habe „nachgewiesenermaßen mehrfach im Fragebogen unter Verletzung der Wahrheitspflicht bewusst falsche Angaben gegenüber der Beklagten gemacht, um eine berufliche Tätigkeit zu verschleiern“. Für eine solche Bewertung gibt es auch im eigenen Sachvortrag der Beklagten keine Grundlage. |
|
| 4. Da der Kläger weiterhin die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente verlangen kann, ist er gleichzeitig gemäß § 1 Abs. 3 a) BUZ von der Beitragszahlung befreit. Ziffer 3 im Tenor des erstinstanzlichen Urteils ist dahingehend zu verstehen, dass festgestellt wird, dass der Kläger ab dem 01.10.2011 nicht verpflichtet ist, monatliche Versicherungsbeiträge in Höhe von 188,90 EUR zu zahlen. |
|
| 5. Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Anwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB. Mit der Androhung der Zahlungseinstellung im Schreiben vom 02.03.2011 (Anlage K 18) hat die Beklagte ihre vertraglichen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt (siehe oben). Daraus ergibt sich die Verpflichtung, die danach erforderlichen Anwaltskosten dem Kläger als Schadensersatz zu erstatten. |
|
| Gegen die Höhe der geltend gemachten Anwaltsgebühren bestehen keine Bedenken. |
|