Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 13. Apr. 2016 - 20 WF 44/16

bei uns veröffentlicht am13.04.2016

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ettlingen vom 19.02.2016 wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Zwischen den Antragstellern und der Antragsgegnerin war vor dem Amtsgericht Ettlingen eine sonstige Familiensache gemäß § 266 FamFG anhängig. Mit Beschluss vom 15.09.2015 wurde der Antragsgegnerin Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung bewilligt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 15.09.2015 Bezug genommen.
Das erstinstanzliche Verfahren wurde durch Vergleich beendet. Das Zustandekommen des Vergleiches wurde durch Beschluss vom 13.01.2016 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.
Der am 18.02.2016 bei Gericht eingegangene Antrag der Antragsgegnerin vom 05.02.2016 auf Erstreckung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe "auf den Vergleichsmehrwert" wurde durch Beschluss des Familiengerichts vom 19.02.2016 zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Familiengericht aus, die Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe sei erst nach Abschluss der Instanz beantragt worden.
Die Antragsgegnerin hat gegen den, ihr am 26.02.2016 zugestellten, Beschluss vom 19.02.2016 mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 01.03.2016, am 02.03.2016 bei Gericht eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragsgegnerin vor, dem Gericht habe der Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das gesamte Verfahren vorgelegen. Der Antrag sei dahingehend auszulegen, dass auch Verfahrenskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert beantragt werde.
Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 02.03.2016 nicht abgeholfen. Die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe habe sich auf die Anträge zur Regelung der Darlehensrückzahlung, des Gesamtschuldnerausgleich, der Freistellung von Anwaltskosten und der Mitversicherung in der Rechtsschutzversicherung bezogen. Der Vergleichsmehrwert ergebe sich aus der Regelung des Kindesunterhaltes, der nicht Verfahrensgegenstand gewesen sei.
Die Antragsgegnerin trägt zur weiteren Begründung ihres Beschwerdevorbringens vor, das Gericht habe übersehen, dass im Kindesunterhaltsverfahren ebenfalls Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei. Nachdem das Gericht im schriftlichen Verfahren entschieden habe, habe eine erhöhte Hinweispflicht bezüglich des Vergleichsmehrwertes bestanden.
II.
Die gemäß §§ 113 FamFG 127, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet.
Die der Antragsgegnerin mit Beschluss 15.09.2016 bewilligten Verfahrenskostenhilfe kann nicht auf den am 13.01.2016 abgeschlossenen Vergleich erstreckt werden.
Der von der Antragsgegnerin zunächst eingereichte Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe, der mit Beschluss vom 15.09.2015 verbeschieden wurde, umfasste lediglich die zum damaligen Zeitpunkt streitgegenständlichen Ansprüche. Der Kindesunterhalt war Gegenstand eines Parallelverfahrens. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Antragstellung auch die Regelung des Kindesunterhaltes von ihrem Antrag erfasst haben wollte.
10 
Der Antrag auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe ging erst nach Abschluss der Instanz beim Familiengericht ein. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe liegen nicht vor.
11 
Ein Verstoß gegen die Hinweispflicht des Gerichts, der eine rückwirkende Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nach Beendigung der Instanz rechtfertigen könnte, liegt nicht vor. Im Verfahrenskostenhilfeverfahren ist allerdings bezüglich der richterlichen  Hinweispflichten ein ebenso strenger Maßstab anzulegen wie im Hauptsacheverfahren (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 131 ff). Liegt ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe vor, ist das Gericht deshalb gehalten auf Mängel des Antrages so rechtzeitig hinzuweisen, dass die Mängel von dem Antragsteller noch vor Instanz- oder Verfahrensbeendigung behoben werden können (Saarländisches Oberlandesgericht FamRZ 2012, 806; Zöller, a.a.O., § 117 Rn. 17). Im vorliegenden Fall lag jedoch bis zum Ende der Instanz kein weiterer Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe vor. Eine allgemeine Verpflichtung einem Beteiligen, ohne entsprechenden Antrag, Verfahrenskostenhilfe zu verschaffen, besteht nicht (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.08.2014 - 3 WF 189/14 (VKH) -, juris). Dies gilt jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Beteiligte anwaltlich vertreten ist. Die anwaltliche Vertretung eines Beteiligten enthebt das Gericht zwar nicht grundsätzlich von seiner Hinweispflicht, beeinflusst jedoch die Intensität der Verpflichtung (vgl. Zöller, a.a.O., Greger, ZPO, 31. Aufl., § 139 Rn. 2).
12 
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das Zustandekommen des Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde. Der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin stand ausreichend Zeit zur Verfügung, um noch vor Instanzende einen Antrag auf Erstreckung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe bei Gericht einzureichen.
13 
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, §§ 113 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 113 Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung


(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Ziv

Zivilprozessordnung - ZPO | § 278 Gütliche Streitbeilegung, Güteverhandlung, Vergleich


(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. (2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlun

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 266 Sonstige Familiensachen


(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die1.Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwisch

Referenzen

(1) Sonstige Familiensachen sind Verfahren, die

1.
Ansprüche zwischen miteinander verlobten oder ehemals verlobten Personen im Zusammenhang mit der Beendigung des Verlöbnisses sowie in den Fällen der §§ 1298 und 1299 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwischen einer solchen und einer dritten Person,
2.
aus der Ehe herrührende Ansprüche,
3.
Ansprüche zwischen miteinander verheirateten oder ehemals miteinander verheirateten Personen oder zwischen einer solchen und einem Elternteil im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung oder Aufhebung der Ehe,
4.
aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche oder
5.
aus dem Umgangsrecht herrührende Ansprüche
betreffen, sofern nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist oder das Verfahren eines der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchstabe a bis k der Zivilprozessordnung genannten Sachgebiete, das Wohnungseigentumsrecht oder das Erbrecht betrifft und sofern es sich nicht bereits nach anderen Vorschriften um eine Familiensache handelt.

(2) Sonstige Familiensachen sind auch Verfahren über einen Antrag nach § 1357 Abs. 2 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.

(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.

(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.

(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über

1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen,
2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung,
3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung,
4.
die Güteverhandlung,
5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses,
6.
das Anerkenntnis,
7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden,
8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
nicht anzuwenden.

(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung

1.
Prozess oder Rechtsstreit die Bezeichnung Verfahren,
2.
Klage die Bezeichnung Antrag,
3.
Kläger die Bezeichnung Antragsteller,
4.
Beklagter die Bezeichnung Antragsgegner,
5.
Partei die Bezeichnung Beteiligter.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) In Ehesachen und Familienstreitsachen sind die §§ 2 bis 22, 23 bis 37, 40 bis 45, 46 Satz 1 und 2 sowie die §§ 47 und 48 sowie 76 bis 96 nicht anzuwenden. Es gelten die Allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung und die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend.

(2) In Familienstreitsachen gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über den Urkunden- und Wechselprozess und über das Mahnverfahren entsprechend.

(3) In Ehesachen und Familienstreitsachen ist § 227 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.

(4) In Ehesachen sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über

1.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über Tatsachen,
2.
die Voraussetzungen einer Klageänderung,
3.
die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren und die Klageerwiderung,
4.
die Güteverhandlung,
5.
die Wirkung des gerichtlichen Geständnisses,
6.
das Anerkenntnis,
7.
die Folgen der unterbliebenen oder verweigerten Erklärung über die Echtheit von Urkunden,
8.
den Verzicht auf die Beeidigung des Gegners sowie von Zeugen oder Sachverständigen
nicht anzuwenden.

(5) Bei der Anwendung der Zivilprozessordnung tritt an die Stelle der Bezeichnung

1.
Prozess oder Rechtsstreit die Bezeichnung Verfahren,
2.
Klage die Bezeichnung Antrag,
3.
Kläger die Bezeichnung Antragsteller,
4.
Beklagter die Bezeichnung Antragsgegner,
5.
Partei die Bezeichnung Beteiligter.