Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2015 - 2 Ws 582/15

bei uns veröffentlicht am17.12.2015

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Angeschuldigten wird die Verfügung des Landgerichts Freiburg vom 4. Dezember 2015 aufgehoben.

2. Die Bestellung von Rechtsanwalt M., F., zum Verteidiger des Angeschuldigten A. K. wird aufgehoben.

3. Dem Angeschuldigten wird Rechtsanwalt S., F., als Verteidiger bestellt.

4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeschuldigten A. K. hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe

 
I.
Dem Angeschuldigten wurde im Zusammenhang mit dem Vollzug der Untersuchungshaft Rechtsanwalt M. aus F. als Verteidiger bestellt, nachdem der Angeschuldigte bei der Haftbefehlseröffnung am 31.7.2015 erklärt hatte, die Auswahl des Verteidigers dem Gericht zu überlassen. Mit Schriftsatz vom 23.10.2015 zeigte Rechtsanwalt S. aus F. unter Vollmachtvorlage die Vertretung des Angeschuldigten an und beantragte, unter Entpflichtung von Rechtsanwalt M. dem Angeschuldigten als Verteidiger bestellt zu werden. Dazu wurde vorgetragen, dass Rechtsanwalt M. dem Wechsel zugestimmt habe und auf die Geltendmachung der infolge des Wechsels doppelt anfallenden Gebühren verzichtet werde. Zum Nachweis des eigenen Interesses des Angeschuldigten an einem Verteidigerwechsel war ein handschriftliches Schreiben des Angeschuldigten beigefügt, in dem er u.a. behauptete, Rechtsanwalt M. habe sein Verlangen nach einer „dezidierten“ Verteidigung mit der Äußerung zurückgewiesen, „sich selbst bei der Staatsanwaltschaft nicht in Misskredit bringen zu wollen“. Rechtsanwalt M. hat diese Äußerung in einer schriftlichen Stellungnahme als frei erfunden zurückgewiesen, ist aber einem Verteidigerwechsel nicht entgegengetreten. Der Vorsitzende der nach Anklageerhebung zuständigen Strafkammer hat mit Verfügung vom 4.12.2015 den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 7.12.2015 eingelegte Beschwerde des Angeschuldigten.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die in der angefochtenen Verfügung vorgenommene Bewertung, dass eine Entpflichtung des bisherigen Verteidigers aus wichtigem Grund nicht in Betracht kommt, weil die dazu erforderliche nachhaltige und endgültige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 143 Rn. 5 m.w.N.) nicht überzeugend dargelegt ist.
2. Nach allgemeiner Meinung kann eine Auswechslung des Pflichtverteidigers indes auch dann erfolgen, wenn der Angeschuldigte und beide Verteidiger damit einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und auch keine Mehrkosten entstehen (OLG Bremen NStZ 2014, 358; OLG Oldenburg NStZ-RR 2010, 210; OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, 47; OLG Köln StraFo 2008, 348 und StV 2011, 659; OLG Braunschweig StraFo 2008, 428; OLG Bamberg NJW 2006, 1536; OLG Jena JurBüro 2006, 366; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 143 Rn. 5a).
Nachdem das Zustimmungserfordernis erfüllt ist und Rechtsanwalt S. gegenüber dem Senat verbindlich erklärt hat, für die Durchführung einer Hauptverhandlung - wie vom Gericht mit den übrigen Verteidigern abgesprochen - am 21. und 22.1.2016 zur Verfügung zu stehen, ist danach allein noch erheblich, ob Rechtsanwalt S. auf seinen Gebührenanspruch in Höhe der bereits durch die Vertretung durch Rechtsanwalt M. angefallenen Gebühren verzichten darf und deshalb durch den Verteidigerwechsel keine Mehrkosten entstehen. Dies wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise im Hinblick auf § 49b Abs. 1 Satz 1 BRAO für unzulässig erachtet (OLG Bremen a.a.O.; OLG Köln a.a.O.; OLG Jena a.a.O.). Dem wird jedoch zutreffend entgegengehalten, dass dem von § 49b BRAO verfolgten Zweck, einen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern, in der vorliegenden Fallkonstellation ausreichend dadurch begegnet wird, dass ein Wechsel nur bei Einverständnis beider beteiligter Anwälte möglich ist (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.; im Ergebnis auch OLG Braunschweig a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.).
Danach war dem Antrag des Angeschuldigten zu entsprechen.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2015 - 2 Ws 582/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2015 - 2 Ws 582/15

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 17. Dez. 2015 - 2 Ws 582/15 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung


(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zu

Bundesrechtsanwaltsordnung - BRAO | § 49b Vergütung


(1) Es ist unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen in der Person des A

Referenzen

(1) Es ist unzulässig, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, soweit dieses nichts anderes bestimmt. Im Einzelfall darf der Rechtsanwalt besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers, insbesondere dessen Bedürftigkeit, Rechnung tragen durch Ermäßigung oder Erlaß von Gebühren oder Auslagen nach Erledigung des Auftrags.

(2) Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (Erfolgshonorar), sind unzulässig, soweit das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz nichts anderes bestimmt. Vereinbarungen, durch die sich der Rechtsanwalt verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, sind nur zulässig, soweit in der Angelegenheit ein Erfolgshonorar nach § 4a Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vereinbart wird. Ein Erfolgshonorar im Sinne des Satzes 1 liegt nicht vor, wenn lediglich vereinbart wird, dass sich die gesetzlichen Gebühren ohne weitere Bedingungen erhöhen.

(3) Die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, ist unzulässig. Zulässig ist es jedoch, eine über den Rahmen der Nummer 3400 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz hinausgehende Tätigkeit eines anderen Rechtsanwalts angemessen zu honorieren. Die Honorierung der Leistungen hat der Verantwortlichkeit sowie dem Haftungsrisiko der beteiligten Rechtsanwälte und den sonstigen Umständen Rechnung zu tragen. Die Vereinbarung einer solchen Honorierung darf nicht zur Voraussetzung einer Mandatserteilung gemacht werden. Mehrere beauftragte Rechtsanwälte dürfen einen Auftrag gemeinsam bearbeiten und die Gebühren in einem den Leistungen, der Verantwortlichkeit und dem Haftungsrisiko entsprechenden angemessenen Verhältnis untereinander teilen. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht für beim Bundesgerichtshof zugelassene Prozeßbevollmächtigte.

(4) Die Abtretung von Vergütungsforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Rechtsanwälte oder Berufsausübungsgesellschaften nach § 59b ist zulässig. Im Übrigen sind Abtretung oder Übertragung nur zulässig, wenn eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist. Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem neuen Gläubiger oder Einziehungsermächtigten aufzuklären. Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt.

(5) Richten sich die zu erhebenden Gebühren nach dem Gegenstandswert, hat der Rechtsanwalt vor Übernahme des Auftrags hierauf hinzuweisen.

(1) Soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last.

(2) Die Kosten des Verfahrens, die der Angeschuldigte durch eine schuldhafte Säumnis verursacht hat, werden ihm auferlegt. Die ihm insoweit entstandenen Auslagen werden der Staatskasse nicht auferlegt.

(3) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn der Angeschuldigte die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er in einer Selbstanzeige vorgetäuscht hat, die ihm zur Last gelegte Tat begangen zu haben. Das Gericht kann davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er

1.
die Erhebung der öffentlichen Klage dadurch veranlaßt hat, daß er sich selbst in wesentlichen Punkten wahrheitswidrig oder im Widerspruch zu seinen späteren Erklärungen belastet oder wesentliche entlastende Umstände verschwiegen hat, obwohl er sich zur Beschuldigung geäußert hat, oder
2.
wegen einer Straftat nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

(4) Stellt das Gericht das Verfahren nach einer Vorschrift ein, die dies nach seinem Ermessen zuläßt, so kann es davon absehen, die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse aufzuerlegen.

(5) Die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten werden der Staatskasse nicht auferlegt, wenn das Verfahren nach vorangegangener vorläufiger Einstellung (§ 153a) endgültig eingestellt wird.